Читать книгу Troll und Kopfgeldjäger - Anja Kuemski - Страница 7
Kapitel 5
ОглавлениеIrgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Hiro Thrang arbeitete für keine einzige der örtlichen Müllabfuhren, er fand keinerlei Verbindungen zu Recyclingfirmen. Alois hatte alle ihm zur Verfügung stehenden Quellen angezapft, aber der Mann war nicht mehr aufzuspüren. Wenn er in Diensten der Müllmafia stand, konnte er so ziemlich überall sein. Und wahrscheinlich benutzte er inzwischen einen anderen Namen. Oder Hiro Thrang war schon ein falscher Name gewesen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als noch einmal mit der verlassenen Orktussi zu reden. Er brauchte mehr Informationen. Als der Typ dereinst mit Handgranaten nach ihm geworfen hatte, war er ihm auf einer Mülldeponie auf die Spur gekommen. Aber jetzt schien er keinerlei Verbindung mehr zu finden. War das nur reiner Zufall gewesen? Der Tipp war von einem Informanten gekommen. Und natürlich erinnerte sich auf der Deponie jetzt niemand mehr an ihn oder den Drecksack Thrang. Wobei er sich auch ziemlich sicher war, dass keiner der Mitarbeiter, die er befragt hatte, noch dieselben waren, wie vor ein paar Wochen. Es war durchaus denkbar, dass er in ein Wespennest gestochen hatte, ohne es zu wissen. Auf jeden Fall brauchte er mehr Informationen.
Selma Mommsen war überrascht, ihn am Abend vor ihrer Tür anzutreffen. Aber sie bat ihn höflich herein und bot ihm etwas zu trinken an.
„Wenn ich was trinken will, kaufe ich mir was. Ich brauche noch mehr Informationen über den Stecher, also, den Kindsvater.“
„Dann fragen Sie.“ Er musste immerhin anerkennen, dass sie hart im Nehmen war.
„Wie lange kannten Sie ihn? Wo haben Sie ihn kennengelernt? Hat er mal Leute mit nach Hause gebracht? Namen genannt? Womit hat er sein Geld verdient?“
„Halt! Mann, das geht alles etwas schnell. Also, wir haben uns bei einer Autoshow kennengelernt. Ich habe die VIPs interviewt und er fiel mir auf, weil er so begeistert von den neuen Modellen war. Die meisten Besucher waren mehr an den Promis interessiert, aber er hatte nur Augen für die Autos.“
„Was waren das für Autos?“
Sie lachte laut auf. „Sehen Sie? Die meisten Leute hätten gefragt, welche Promis. Sie fragen, welche Autos. Vielleicht sind Sie Thrang ähnlicher als Sie denken.“
„Ist das 'ne Anmache?“
Sie winkte lässig ab. „Es handelte sich um Sicherheitsfahrzeuge, Sonderausstattungen, schusssichere Scheiben und so was.“
„Wieso hatte er Interesse daran?“
„Er erzählte mir später, dass er im Auftrag einer Sicherheitsfirma da war, um sich einen Überblick zu verschaffen.“
„Dann arbeitete er für die?“
„Nein, er ist ein unabhängiger Makler. Ehrlich gesagt, hat es mich nie sonderlich interessiert, und da er nur Andeutungen gemacht hatte, fand ich es klüger, nicht nachzufragen. Ich ging davon aus, er verkaufte oder vermittelte Sicherheitskonzepte an Firmen aller Art.“
„Idealer Job, um die Schwachstellen von eben diesen Firmen auszunutzen. Mir fehlt noch immer der Zusammenhang zur Mülldeponie.“
„Vielleicht wollte er dort etwas entsorgen?“
„Denkbar aber nicht wahrscheinlich. Jedenfalls war nicht erkennbar, dass er Müll dabei hatte, als ich ihn damals aufgespürt hatte. Ich war mir eigentlich sicher, dass er jemanden treffen wollte. Aber warum ausgerechnet auf einer Mülldeponie, wenn es keine direkte Verbindung dahin gibt?“
„Haben Sie denn gesehen, dass er mit jemandem sprach?“
„Er ist ohne Probleme auf das Gelände gekommen, die Sicherheitsleute schienen ihn beinahe durchzuwinken, sie mussten ihn also kennen.“
„Dann war das Sicherheitssystem der Deponie vielleicht von ihm?“
„Macht am meisten Sinn.“
„Welche Deponie war es denn?“
„KE Wertstoff-Recycling.“
„Und dann hat er einfach angefangen mit Granaten nach Ihnen zu werfen?“
„Nun, als er das Gelände wieder verließ, habe ich ihn am Ausgang aufgehalten. Ich konnte nicht mal ausreden, da warf er schon mit den Eiern. Mitten auf der Straße.“
„Dann wusste er gar nicht, warum Sie hinter ihm her waren?“
„Hatte keine Gelegenheit mehr, das mitzuteilen.“
„Wer weiß, was er dachte, wer Sie geschickt haben könnte.“
Alois nickte nachdenklich. „Wäre denkbar, dass er reichlich Dreck am Stecken hat und eine Menge Leute hinter ihm her sind. Geschieht ihm recht.“
„Ich werde mich hüten, Ihnen zu widersprechen. Aber wenn er denkt, es geht um etwas anderes, dann ist er vielleicht untergetaucht, weit weg, und Sie finden ihn nie?“
„Also, machen Sie sich da mal keine Sorgen, ich kriege den Drecksack. Ich lasse mir nicht einfach so die Augen wegpusten, das merkt der Sack schon noch.“
„Oh, ja richtig. Sie haben wirklich die Implantate genommen? Wie kommen Sie damit zurecht?“
„Gut bisher.“ Er mochte nicht mir ihr darüber reden, es erschien ihm irgendwie zu intim.
Ein leises Summen irritierte ihn kurz. Er sah sich um und entdeckte einen Robosauger, der sich aus der Küche langsam über das Parkett in Richtung des Wohnzimmers bewegte. Früher hatte er diese Dinger nie gehört, bevor sie ihm beinahe in die Hacken gefahren waren. Die Implantate waren wirklich gut. Ein weiteres Geräusch drang an sein Ohr. Dem Robosauger folgte ein fiepender Robohund und wedelte mit dem Schwanz.
„Ich wollte immer ein Haustier“, erklärte die Orkin als müsse sie sich entschuldigen.
„Dann hätten Sie eben verhüten müssen“, sagte er lapidar. Sie schien ihm seine ruppige Art nicht übel zu nehmen.
„Damals dachte ich eben noch, Hiro würde sich auch freuen auf das Kind.“
„Hat er so was gesagt, oder war das reines Wunschdenken Ihrerseits?“
„Er hat es gesagt, aber nun nehme ich an, er wollte nur Zeit gewinnen, um sich aus dem Staub zu machen.“
„Ich nehme an, es besteht kein Zweifel an seiner Vaterschaft?“
„Ich kann Ihnen den Bericht der DNA-Analyse zeigen, wenn Sie mir nicht glauben.“
„Nee, ist schon in Ordnung. Aber den Bericht hätte ich trotzdem gern. Wenn ich seine DNA habe, ist es vielleicht leichter, ihm auf die Spur zu kommen.“
„Ich schicke Ihnen den Bericht auf Ihr eKomm.“
Er nickte und beobachtete weiterhin der Robohund. Der schien das Interesse an dem Staubsauger verloren zu haben und kam nun zu ihm herüber, um an seinem Hosenbein zu schnuppern. Er wedelte mit dem Schwanz und blickte ihn auffordernd an. Alois mochte Tiere in ihrer natürlichen Umgebung, ePets konnte er nichts abgewinnen. Aber er wusste, wenn er das Ding jetzt nicht streichelte, würde das Fiepen lauter und aufdringlicher. Selma Mommsen schien keinerlei Anstalten machen zu wollen, das künstliche Haustier von ihm zu entfernen. Aber sie hatte ja auch nicht wahrgenommen, dass er ihr schreiendes Rotzbalg nicht ertragen konnte. Widerwillig beugte er sich zu dem knöchelhohen ePet herab und tätschelte kurz das mit Kunstfell überzogene Gehäuse. Es knackte und knisterte, gab ein Jaulen von sich, dann stieg eine kleine Qualmwolke auf und der eHund fiel um. Entsetzt sprang die Orkin auf und eilte zu ihrem Haustier.
„Was haben Sie getan?“
„Nichts, das haben Sie doch gesehen. Nicht meine Schuld, muss ein Kurzschluss gewesen sein.“
„Sie sollten jetzt gehen“, sagte sie und hob betrübt das kaputte Ding vom Boden auf. Bevor sie noch auf den Gedanken kommen würde, er solle den Schaden ersetzen, machte er sich aus dem Staub.