Читать книгу Die 35 häufigsten Fehler im Deutschen - Anja Richter - Страница 6
Hauptteil
Оглавление1, Nimm zwei: Der Imperativ, aka die Befehlsform
Die Bonbons kennen Sie bestimmt. „Nimm“ ist eine Aufforderung, es kann auch ein Wunsch oder ein Befehl sein. Die grammatikalische Form heißt Befehlsform oder lateinisch Imperativ.
Die Bildung ist kinderleicht, dennoch wird sie immer häufiger, besonders in schriftlichen Texten, falsch gemacht.
Vor ein paar Tagen bekam ich eine E-Mail von dem wohl größten US-amerikanischen Online-Kaufhaus der Welt. Darin stand, „Lese dir den Text …“ Ich las aus diversen Gründen nicht weiter, sondern fing an, darüber nachzudenken, warum sich Fehler so rasend ausbreiten und nicht mehr korrigiert werden.
Neulich warb ein anderes Unternehmen mit den Worten „Bewerbe dich bis …“
Meine Yoga-Lehrerin beschwört uns jeden Dienstag mit „Nehme dir Zeit.“
All das ist falsch. Ich bin niemand, der sich aufregt, aber ich finde es schade, und die vielen Fehler stören mich ein wenig, weil sie falsch klingen.
Wie sollten die drei monierten Sätze richtig lauten, fragen Sie sich vielleicht. Nun, fehlerfrei würde man sagen und schreiben: „Lies“, „Bewirb“, „Nimm“. Ich bin mir sicher, dass Ihnen diese Formen bekannt vorkommen. Verwenden Sie sie, denn sie sind richtig.
Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als immer mehr Menschen einen PC hatten und zu jedem Programm ein meist sehr umfangreiches elektronisches Handbuch mitgeliefert wurde. Es hieß: „Lies mich!“. Diese Dateien sind veraltet, das Wort ist es keinesfalls: Lies, nicht lese.
Kennen Sie die Bonbons: Nimm 2?
Bestimmt haben Sie sie schon einmal wo gesehen. Sie heißen: „Nimm 2“ und nicht „Nehme zwei.“
Ein Lied von Helen Fischer heißt „Gib mir deine Hand“, nicht „gebe mir deine Hand“, ein anderes Lied „Gib uns Frieden jeden Tag“, nicht „gebe uns.“
Nehme, gebe, lese, treffe – all das liest man in letzter Zeit jedoch immer häufiger.
Nochmal ein Wort zu Word.
Das Programm markiert vieles als falsch, obwohl es richtig ist. Vertrauen Sie ihm nicht blind!
Es markiert z.B. „lies“ als falsch. Entweder können die Programmierer nicht gut Deutsch, oder man kann nur eine Form programmieren und als richtig markieren, nämlich „ließ“ als Präteritum von „lassen“.
Noch eine Randbemerkung: Es gibt den Slogan „Man nehme Dr. Oetker“. Hier ist jedoch von „man“ die Rede und zudem ist diese grammatikalische Form, abgesehen von Rezepten, veraltet. „Man nehme hundert Gramm Mehl …“
Ansonsten ist die Form falsch.
Dabei ist die Regel ganz einfach. Wie Sie die Befehlsform / den Imperativ künftig richtig bilden, erfahren Sie hier:
Bildung und Regel
Grundlegend sagt man, dass es den Imperativ nur in folgenden Personen[Fußnote 1] gibt:
2. Person Singular: du
1. Person Plural: wir
2. Person Plural: ihr, Ihr
3. Person Plural: Sie.
Dazu ein Beispiel, denn damit wird es sofort verständlich.
Imperativ von nehmen
Singular | Plural | ||
ich | ---- | wir | nehmen wir |
du | nimm | ihr | nehmt |
er, sie, es | --- | Sie, sie | nehmen |
Warum ist das so?
Um zu verstehen, wie die Formen gebildet werden, sehen wir uns die Bildung der Gegenwartsform an, des Präsens.
Präsens von nehmen
Singular | Plural | ||
ich | nehme | wir | nehmen |
du | nimmst | ihr | nehmt |
er, sie, es | nimmt | Sie, sie | nehmen |
Was fällt uns dabei auf?
Richtig!
1, Nochmal: „ich“ sowie „er, sie, es“ bilden keinen Imperativ.
2, Die Formen im Plural bleiben gleich. Sie ändern sich nicht! Ist das nicht einfach?
„Ihr nehmt euch ein Stück Kuchen“, lautete die Aussage, also die Feststellung, in der Gegenwart. Für den Imperativ streichen wir einfach das „Ihr“: „Nehmt euch (doch) ein Stück Kuchen“
Bei „Wir nehmen Kuchen“ und „Sie nehmen Kuchen“ verändert sich nur die Wortstellung, oft mit dem Einschub der Partikel (was die genau sind, ist hier nicht wichtig) „doch“ oder „doch noch“.
„Nehmen wir doch noch ein Stück Kuchen!“ bzw. „Nehmen Sie doch noch ein Stück Kuchen!“ – das ist geläufig, richtig? Genau, das machen Sie automatisch richtig.
Nun die Du-Form, 2. Person Singular.
Wie wir sehen, wird die Form des Präsens Indikativs (also „nimmst“) nicht regelmäßig gebildet (regelmäßig wäre nehmest). Aber das ist uns hier egal. Denn die Befehlsform wird trotzdem immer nach dem gleichen Muster gebildet wie die regelmäßigen Verben.
Zunächst: Aus nehmen wird nimmst. Auch das machen Sie mit Sicherheit richtig.
Von dieser Form, der 2. Pers. Sing. Präsens, wird der Imperativ für die 2. Pers. gebildet! Und das fast immer. Es gibt nur drei Ausnahmen.
Also:
Regelmäßiges Verb: Du gehst -> Geh!
Unregelmäßiges Verb: Du nimmst –> Nimm!
Mann streicht einfach das „du“ und das „st“:
Immer. Bis auf zwei Ausnahmen:
Du wirst – > Werde!
Du bist -> Sei!
Weitere Beispiele:
Du gibst mir - > Gib mir!
Du stirbst nicht -> Stirb nicht!
Du bedienst mich-> Bedien mich!
Du kommst -> Komm!
Du sprichst -> Sprich!
Du trinkst -> Trink!
So, nun die erste Ausnahme:
Verben mit Umlautbildung[Fußnote 2] verlieren zusätzlich zum -st den Umlaut.
Du wäschst dir die Hände –> Wasch dir die Hände!
Weitere Beispiele:
Du trägst viel zu schwer – Trag nicht so schwer!
Vorsicht! Wenn ein Verb immer einen Umlaut hat, wie z.B. „Lächeln“; behält es diesen natürlich.
Du lächelst -> Lächle doch mal wieder!
Zweiten Ausnahme:
Verben auf -el vertauschen in -le
Du lächelst -> Lächle doch mal wieder!
Du sammelst -> Sammle
Dritte Ausnahme:
Nochmal die beiden Verben mit unregelmäßigen Imperativformen.
Du wirst dir bewusst -> Werde dir bewusst!
Du bist brav -> Sei brav!
Exkurs:
Wenn man einem Dritten etwas befiehlt, der Person also den Befehl ausrichten lässt, umschreibt man mit „Er soll …“. „Sagen Sie Herrn Mayer, er soll sofort in mein Büro kommen.“ Streng genommen wäre hier „Er komme sofort in mein Büro“ möglich – aber das würde Ihnen verwunderte Blicke und Lacher bescheren, so veraltet ist die Form. Vergessen Sie sie also ganz schnell wieder für Ihren täglichen Sprachgebrauch.
Im Grunde ist der Imperativ ganz einfach, oder?
Damit Sie sich die Formen besser einprägen, das heißt, die möglicherweise falsch gemerkten Formen in Ihrem Gehirn überschreiben können, lesen Sie bitte folgenden Sätze drei Mal laut.
Anschließend merken Sie sich die Sätze, die Sie sich ein paar Tage lang immer wieder aufsagen. Sie können sich diese auch abschreiben, wobei anzumerken ist, dass man sich Dinge, die man mit Hand geschrieben hat, besser merkt.
Tests und Lösungen
Test 1,
Vervollständigen Sie die folgenden Sätze mit den in Klammern angegebenen Wörtern. Wenn keine anderen Hinweise gegeben sind, sprechen Sie eine Person an, die Sie duzen. Also:
_______ zwei. (nehmen) -> Nimm zwei.
4. _____ dich bitte nicht mehr mit ihm! (treffen).
5. ______ dich bis 31. März! (bewerben)
6. Bitte _________ Sie sich so viel Sie wollen. (nehmen)
7. ______ mich nicht mehr an! (rufen)
8. ______ ein, _________ Platz und ___________ dich am Büffet! (treten, nehmen, bedienen)
9. _____ deinem Bruder auch ein Stück ab! (geben)
10. Karla und Luis, _______ das nächste Mal besser acht! (geben)
11. ________ dir bewusst, dass dein Körper und Geist eins sind. (werden)
12. ______ bitte brav, wenn wir im Laden sind. (sein)
13. ________ doch Ingenieur, die ________ gesucht! (2x werden)
14. Triff
15. Bewirb
16. Nehmen
17. Ruf
18. Tritt, nimm, bedien
19. Gib
20. Gebt
21. Werde
22. Sei
23. Werd, Werde – die werden gesucht.
Test 2
Bilden Sie vollständige Befehlssätze mit Du, Ihr, Sie.
24. Lesen das Buch.
25. Ihm doch nicht immer Recht geben
26. Lauter sprechen
27. Nicht so viel trinken
28. Mir bald wieder schreiben
29. Schnell loslaufen, der Bus kommt gleich.
30. Das Buch mitnehmen.
31. Tee bringen.
32. Den Termin nicht vergessen
33. Mal probieren.
34. Lies das Buch! / Lesen Sie …,/ Lest.
35. Gib ihm doch nicht immer Recht! / Geben Sie/ Gebt
36. Sprich lauter! / Sprechen Sie/ Sprecht
37. Trink nicht so viel! /Trinken Sie/ Trinkt
38. Schreib mir bald wieder! /Schreiben Sie/ Schreibt
39. Lauf schnell los, der Bus kommt gleich! /Laufen Sie/ Lauft
40. Nimm das Buch mit! / Nehmen Sie/ Nehmt
41. Bring mir bitte Tee! / Bringen Sie / bringt
42. Vergiss den Termin nicht! / Vergessen Sie/ Vergesst
43. Probier mal!/ Probieren Sie/ Probiert
44.
Aufgabe
Wenn Ihnen diese Formen nicht mehr geläufig waren, legen Sie eine Pause ein, bevor Sie im Buch weiterarbeiten. Achten Sie in den folgenden Tagen bewusst auf Texte. Bestimmt fallen Ihnen zahlreiche Fehler auf. Verbessern Sie sie im Kopf und sprechen Sie die richtigen Formen laut oder leise vor sich hin.