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FELDSALAT

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Nehmen wir das Leben und teilen es in drei Bereiche: Liebe, Arbeit, Essen & Trinken. Wobei Essen & Trinken auch Trinken & Rauchen heißen könnte, Arbeit auch Kunst und Liebe vielleicht Freizeitvergnügen. Irgendwelche Einwände?

Liebe: Es ist inzwischen ungefähr klar, was zu kriegen ist und was nicht. Vorlieben sind manifestiert; bei wem sie sich mit dem Erreichbaren decken, hat Glück gehabt. Wer überhaupt jemanden abgekriegt hat, hat Glück gehabt, denn die Zeit der Suche ist ein für alle Mal vorbei. Wer von sich behaupten kann, eine Liebe aus erster Hand zu besitzen, ist beneidenswert. Oder zurückgeblieben. Wer eine aus zweiter Hand besitzt, hat Ärger mit psychotischen Ex-Frauen, Unterhaltszahlungen, Echtheitsnachweisen – dafür aber viel zu erzählen.

Arbeit: Das hier. Was will sie denn nun schon wieder, sagst du, ich sage: Es ist der Dienstag nach Pfingsten, fünf vor halb zwei, und es gibt keine Ausrede, den Rechner geschlossen zu halten. Oder wenn, dann findet sie sich hier, in diesen Zeilen, also müssen sie geschrieben werden. Gemäß des Kirchenjahres ist der Geist nun ausgeschüttet und hat sich zu zeigen. Du kannst ja harken gehen, wenn du möchtest.

Essen & Trinken: Wer sät, der erntet. Wer trinkt, muss weitertrinken, sonst zittern die Hände. Auch hier sind die Vorlieben manifestiert; bei wem sie sich mit den Empfehlungen der Krankenkassen decken, bleibt schlank und gesund. Die andern versuchen, philosophisch zu werden. Oder Kenner! Das ergibt dann diese ermüdenden Tischgespräche, unter denen wir einst so gelitten haben.

Das Feld ist abgesteckt, im Text wie im Leben. Wer weiterblättern will, soll das tun; wer meint, die mittleren Jahre erreichten ihn nicht, hat sich getäuscht. Sie kommen. Sie bestimmen dein Handeln, sie beherrschen dein Denken; du bist nicht mehr, wer du mal warst. Warst du jung? Schön für dich. Ich dachte ja, ich sei’s nie gewesen, aber ich war’s auch, rückblickend. Und jetzt wirst du langsam alt, genauso zwangsläufig, wie ich einstmals jung war. Es gibt eben doch noch das eine oder andere, das wir nicht entscheiden.

Heiner und Claudia. Typischer Fall einer Liebe aus zweiter Hand. Jetzt!, haben sie sich gesagt, jetzt oder nie! Und sind zusammengekommen.

Waren schöne acht Wochen.

Claudia legte die alten Michael-Jackson-Platten auf und fühlte sich wieder wie zwölf, nur mit mehr Busen, was das Ganze noch besser machte. Heiner fickte sie wie ein Verrückter, auch etwas, das er sich mit zwölf gewünscht und damals noch nicht hat verwirklichen können. Keine Klagen also! Endlich das Zeug, die Umstände und die Freiheit dazu. Nur, dass sie nicht mehr zwölf waren.

Heiner ging die Puste aus. Musste auch irgendwie das Geld ranschaffen für die Kinder aus erster Ehe. Die psychotische Ex. Das mach mal, wenn du nicht zum Schlafen kommst! Und Claudia hatte ihrerseits nach acht Wochen das Gefühl, die Sache auf eine solidere Grundlage stellen zu müssen. Schließlich war sie jetzt endlich da, die Gelegenheit! Das Husband Material Heiner. Er sollte doch wissen, wie es ging, wo er die erste Runde schon hinter sich hatte. Und tatsächlich wurde Claudia umgehend schwanger, und Heiner sagte, wenn du Pickel kriegst, wird’s ein Mädchen.

Wie aufregend. Oder nicht?

Ein völlig neues Körpergefühl für Claudia, den Bauch endlich mal rausstrecken zu dürfen. Das genügte für die nächsten neun Monate.

Und Heiner? Mal kurz ein paar Worte zu Heiner, damit du dir das Ganze besser vorstellen kannst: Heiner ist wahrhaft lässig. Ein Szene-Mensch, aber auf die angenehme Art. Begabt. Immer freundlich.

Haarscharf ist er dran vorbeigeschrammt, so richtig berühmt zu werden – wäre er Brite, wäre er’s. Hätte er’s geschafft, sich auf eine Sache zu konzentrieren, wäre er’s auch. So ist er aus Hannover und macht alles gleichzeitig: singen, malen, Gitarre spielen, Bühnenbild, kurze Fernsehauftritte, Filmscripts, Plena organisieren, Häuser besetzen, Reden halten, kellnern, kochen, Leute zusammenbringen, Bücher schreiben.

Jeder kennt ihn, und Heiner kennt sich aus. Claudia kann stolz sein, ihn abgekriegt zu haben, und gut aussehen tut er auch. Also, so mittel. Irgendwie britisch.

Heiner ist keiner, mit dem das Familienleben vorgezeichnet erscheint. Keiner wie dein eigener Vater, obwohl du ehrlich gesagt auch keine Ahnung hast, was der für einer war. Der hatte nämlich auch nicht vor, so zu enden, wie du ihn jetzt enden siehst, aber egal. Heiner jedenfalls, um das noch mal zu betonen, ist echt lässig. Seine Kinder wachsen zwischen Gigs und HMI-Scheinwerfern und ausgeweideten Autowracks und weiblichen Fans mit riesigen Sonnenbrillen beziehungsweise Pressedamen und Kuratorinnen auf, die sie zu sich herzulocken versuchen, als seien sie Hundewelpen. Heiners Kinder sitzen bei ihm im Babybjörn vor dem Bauch, egal, was er gerade zu tun hat. Heiners Kinder fahren auf selbstgebastelten Laufrädern rum, nicht auf solchen von Puky. Wer wollte nicht Heiners Kind sein?

Kein Grund also für Claudia, sich zu fürchten vor dem, was kommen sollte. Der Abschied von der Jugend, ganz klar, aber der stand ohnehin bevor. War in diesem Fall nicht gleichbedeutend mit dem Abschied von Spaß, Lässigkeit und gutem Aussehen. Im Gegenteil. Toll sah sie aus, mit der Kugel statt des Bauchs, und Heiner erst, wie er das Neugeborene lässig auf dem linken Unterarm ruhen ließ, während er mit der rechten Hand einer seiner zahlreichen Tätigkeiten nachging.

Claudia ging zur Rückbildungsgymnastik.

Becken heben, Beckenboden anspannen, absenken. Die Matten im Rückbildungskurs rochen, wie Turnmatten überall riechen: nach Schweiß. Die Hebamme gab sich alle Mühe und zündete ein Räucherstäbchen an; die Mitmütter, deren Familienleben vorgezeichnet schien, hatten die Babys dabei, welche brüllten. Keine redete mit Claudia.

Müde war sie. Unsagbar müde.

Der Weg zur Rückbildungsgymnastik war weit, eine Rückbildung nicht wirklich in Sicht. Becken heben, Beckenboden anspannen, nachlassen. Ohne Rückbildung kein guter Sex, so die Hebamme. Becken heben, anspannen. Die Mitmütter kicherten. Claudia schlief ein.

Kann sein, dass es immer noch Eisenmangel war, Claudia brauchte Feldsalat, Feldsalat und Schlaf, Feldsalat und rote Bete. Feldsalat mit Kürbiskernen.

Heiner wusch Feldsalat. Das war nichts, das man einhändig tun konnte, einhändig gewaschener Feldsalat knirscht zwischen den Zähnen, Heiner knirschte sowieso schon, trug beim Schlafen eine Knirschschiene. Keiner würde vermuten, dass Knirschschienen im Heinerschen Haushalt eine Rolle spielten, auch Claudia nicht – doch längst war die Knirschschiene zum Symbol geworden, teuflisches Zeichen, ob nachts noch was laufen würde. Denn wenn Heiner die Knirschschiene einsetzte, war Schicht. Licht aus. Ende. Heiner schlief –

Claudia lag wach. Becken heben, Beckenboden anspannen, nachlassen. Entspann dich, Claudia! Es ist noch nicht aller Tage Abend, auch wenn er längst die Knirschschiene trägt.

Der Zauber der Fortpflanzung half ihr durch den Alltag, und hatte sie es nicht selbst so gewollt? Leise, schnorchelnde Atemzüge. Und Feldsalat.

Irgendwo in ihrem traumhaften Garten lauerte die alte Gotel und wollte Claudia das Kind wegnehmen, denn Claudia war hochmütig gewesen. Hatte geglaubt, dass bei ihr alles anders sein würde. Und Heiner hatte nicht widersprochen. Hatte Feldsalat aus Gotels Garten geholt – ein unheilvoller Akt. Claudia hatte auf ihn gebaut, wo sie doch misstrauisch hätte sein müssen, schließlich hatte er schon zwei Kinder und eine psychotische Ex noch dazu, hätte ihr das nicht eine Warnung sein sollen? Nein. Denn Claudia war selbst ganz anders.

Apropos, wer ist eigentlich Claudia?

Was die Liebe betrifft, hat sie vielleicht in den frühen Jahren ein bisschen Pech gehabt, aber mit Heiner dann eindeutig hochgeheiratet. Also Glück!

Die Kuratorinnen und weiblichen Fans wunderten sich. Claudia? Ach so, ja. Arbeit war ihr Stichwort, sie hat immer viel gearbeitet. Einen IQ von erstaunlicher Zahl.

Ach, weißt du was, der Einfachheit halber bin ich mal die Claudia. Mit mir kenn ich mich aus. Hab viel gearbeitet, irgendwas, das Heiner aufhorchen ließ. Blondes, schulterlanges Haar, durchdringende Stimme. Siebenunddreißigtausend Treffer bei Google! Wer würde da widerstehen können?

Heiner hat gedacht, bei dem IQ würde aus mir bestimmt nicht noch eine psychotische Ex-Frau werden. Denn ich weiß, wie die Dinge laufen. Zum Beispiel bei Claudia! Natürlich hat sie sich verkalkuliert. Und aus Trotz dann trotzdem noch ein Zweites gekriegt. Diesmal ohne Pickel in der Schwangerschaft, ein Junge also.

Ein Mädchen und ein Junge. Süß wie die Hundewelpen, ein bisschen dreckig – man soll sie bloß nicht zu viel waschen, die Käseschmiere einziehen lassen und dann nichts als den natürlichen Säureschutzmantel der Haut. Die alte Gotel nickte bestätigend und schwenkte ihren Zauberstab. Schutzmäntel und Schutzzonen waren ihr Spezialgebiet! Wehe dem, der eine solche betrat … Schmutzig blieben sie, die Kleinen, was nichts an ihrer Attraktivität änderte – hübsche, zum Stil der Eltern passende Accessoires. Die jeden Morgen um halb sechs Uhr aufstanden.

Heiner war auf Tournee. Oder auf Tour. Unterwegs jedenfalls, knatternder Kleinbus – und eine Menge Essen & Trinken, wobei das in dem Fall gleichbedeutend war mit Trinken & Rauchen. Bei Claudia die psychotische Ex auf dem Anrufbeantworter: Wann kommt er wieder? Ja. Ganz genau. Das war ganz genau das, was Claudia auch wissen wollte. Morgens. Um halb sechs.

Bis halb neun waren schon drei Stunden vergangen, Stunden, die in Claudias bisherigem Leben nicht vorgekommen waren und die sich hinzogen, als zählte ihr jemand die Sekunden einzeln auf. Das Kaffeehaus, wo sie ihren Kaffee trinken wollte, öffnete um zehn. Claudia ging nicht mehr hin, sie aß das, was die Kinder übrigließen – löchrige Eiswaffeln, abgeschnittene Brotrinden, das Braune der Banane. Wenn kein Mülleimer oder Papiertaschentuch zur Hand war, auch Ausgespucktes. Die Kinder waren Teil von ihr, also war das, was aus ihren Mündern kam, nicht unappetitlich, sondern lecker. Claudia leckte den Kindern die Gesichter sauber. Sie hatte enormen Appetit.

Am Abend klingelte die Gotel. Ob Claudia vielleicht ein paar Kürbiskerne zur Hand habe, Kürbiskerne zum Anrösten, zum Anrichten der Kürbiscremesuppe? Sie erwarte nämlich Gäste.

Nein, sagte Claudia und stellte sich schützend vor die Kinderzimmertür.

Keine Angst, sagte die Gotel, ich nehm sie dir nicht weg. Ich hör dich gar zu gerne singen, den ganzen Tag im Turm, nur bei den hohen Tönen musst du noch üben, sonst kommt er nicht zurück, dein königlicher Kerl. Sprach’s und verschwand im Treppenhaus.

Soviel zu Essen & Trinken. Beziehungsweise Trinken & Rauchen. Sobald die Kinder schliefen oder sich auch nur zehn Minuten am Stück mit sich selbst beschäftigten, musste Claudia sich eine anzünden. Um den Abstand zu sichern, die Erwachsenenwelt zu bewahren. Zwei Minuten Ruhe, zwanzig Züge Unabhängigkeit, Unverfügbarkeit, Selbstbestimmung. Warte, bis Mama die aufgeraucht hat! Die Zigarette gestattete es ihr stillzuhalten.

Sie genoss die mahnenden Blicke der Mitmütter, deren Familienleben vorgezeichnet schien. Oh ja, sie war anders. War schlecht und schlampig. Keine Sandelförmchen im Gepäck! Zigaretten! Und der Kerl ein Tunichtgut, einer, dem man’s nicht ansah, dass er ein Ernährer war. Kein Kombi, ein Tourbus! Gut gemacht, Claudia!

Röchelnder, rächender Raucherhusten. Die hohen Töne rückten in immer weitere Ferne, wurden ersetzt von schleimigem Auswurf. Die Kinder brachten seltene Grippeviren aus der Kita nach Hause, Claudia wurde krank. Vielleicht war’s auch weiterhin der Eisenmangel, Claudia aß Feldsalat, Feldsalat mit roten Beten, Feldsalat mit gerösteten Kürbiskernen, die sie der alten Gotel vorenthalten hatte. Die grüßte nicht mal mehr. War beleidigt. Claudia trank allein. Gläschen Wein am Abend, passend zur Zigarette.

Ja, ja, du hast Recht. Es gab auch andere Seiten. Den Anblick der Kinder, wenn sie schliefen. Die kurzen Phasen zwischen den Grippeviren, wenn Claudia sich stark fühlte wie ein Pferd. Diesen Karren würde sie allein aus dem Dreck ziehen! In zwanzig Minuten konnte sie die komplette Wohnung auf Hochglanz polieren, Trinken & Rauchen, Glasreiniger & Backofenspray. Claudia war high. Steckte die Nase ins Küchentuch und sank auf das Sofa.

Die alte Gotel, fragst du? Ja, das ist die, in deren Garten der Feldsalat wuchs. Die, die alles besser wusste, Claudias Nachbarin, Claudias Mutter, die Mitmütter, die Super-Nannies, die Kita-Tanten und so weiter. Eine, die die Kinder abholen würde, um dafür zu sorgen, dass sie nicht wurden wie Claudia, und nein, natürlich wünschte Claudia sich das nicht, Claudia würde nie im Leben auf ihre Kinder verzichten wollen. Ehrlich nicht. Ich muss es schließlich wissen.

Es gab keinen Ausweg.

Ohne Kinder hätte Claudia sich Kinder gewünscht. Mit Kindern wünschte sie sich den Tod.

Diesen Ort, an dem sie aufwachen würde mit nichts als dem sanften Grundrauschen im Ohr, das erklingt, wenn die Musik vorbei ist. Oder noch nicht eingesetzt hat. Heiner wäre da, aber unaufdringlich, eine Hand in ihrem Haar, die sich abschütteln ließ, falls nicht der richtige Zeitpunkt war. Noch nicht, mein Liebling, lieber schlafen. Sie wusste ja, dass es so nicht sein würde. Der Tod war genau so grausam und unerbittlich wie ein Zweijähriger am Sonntagmorgen. Aufstehn!

Sie fürchtete sich vor dem Tod. Was, wenn ihr alle Haare ausfielen? Die Parodontose fortschritt, das Hüftgelenk nicht mehr mitmachen wollte? Sie würde auf die mittleren Jahre zurückblicken wie auf eine besonders köstliche Zeit: junge Familie, die Kinder noch klein und unbeschwert. Nicht wirklich dank-, dafür aber noch formbar. Noch in dem Wunsch gefangen, ihre Freunde zu sein.

Apropos Freunde: Nehmen wir die Menschen und teilen sie in Gut und Böse. Wobei wir feststellen müssen: Nichts währt für ewig!

Heiner hat sich als Feind entpuppt, wohingegen die alte Gotel, unsympathische Vettel, mahnende Mitmutter dann doch noch ganz hilfreich war. Hat jeden Donnerstagabend die Kinder genommen, damit Claudia zu den Anonymen Alkoholikern gehen konnte, zur Gymnastik nach der Rückbildung, bei der die Hebamme dann schon ganz andere Töne anschlug. Wer jetzt nicht trainierte, würde inkontinent werden! Windeln tragen, wenn die Kinder längst aus den ihren hinaus wären! Beckenboden anspannen, absenken.

Die neue Hebamme war knapp über sechzig, aber hart und braun und biegsam wie ein Ast. Techno statt Harfenklängen, Peitschenhiebe statt Räucherstäbchen. Claudia wurde ihr hörig.

Anspannen! Absenken! Anspannen! Absenken!

Sie trainierte bis zum Umfallen. Lag dann da.

Die Hebamme drückte ihr die Hand in den Bauch. Was soll das sein, hä? Pudding oder Muskeln?

Heiner wollte betrogen werden, anders war seine Abwesenheit nicht zu erklären, also ging Claudia mit der Hebamme ins Bett. Und fand heraus, dass sie den Beckenboden bislang an völlig falscher Stelle vermutet hatte.

So, sagte die Hebamme und schüttelte die Laken auf. Claudia spürte in sich hinein. Dort? Oder dort? Was war das denn nun, was in ihrem Unterleib herumpolterte? Die Hebamme hob die Hände und sagte, na, was meinst du, wie viele Kinder hab ich damit schon zur Welt gebracht, hä? Tausend, über tausend, das letzte war Nummer Eintausendunddrei.

Claudia erschrak. Da waren sie, die späten Jahre, in Gestalt der Hebamme und ihrer holzharten Hände. Liebe? Ist gleich Macht. Und Arbeit? Durchzählen. Achtunddreißig Jahre Berufserfahrung, Eintausendunddrei! Essen & Trinken? Gar nichts mehr. Der Kühlschrank der Hebamme war leer, sie zehrte aus sich selbst, war ein Baum, ein Kamel mit Höckern voll Reserven – im Passgang walzte sie durch die Wüste, stetig und gleichgültig. Als sie endlich doch noch schlief, nahm Claudia ihre Trainingstasche und ging nach Hause.

Draußen nahte schon der Tag. Der Tourbus parkte vor dem Haus; Heiner hatte die Gotel, Gott sei Dank, längst abgelöst. Auf der Spüle welkte ein Häufchen Feldsalat in steifer Plastikschale vor sich hin, jene Sorte, die nie ein Feld gesehen hat und deshalb nicht gewaschen werden muss. Heiner war wieder da, und Claudia legte sich neben ihn, lauschte seinem knirschschienengedämpften Zähneknirschen, zählte die Sekunden, bis die Kinderzimmertür geöffnet wurde, pünktlich um halb sechs.

Da standen sie, ihre Sonnenscheinchen, und zogen ihr erbarmungslos die Bettdecke weg.

Was meinst du? Wie? Ich hab mich verfranzt?

Ja, ehrlich, das stimmt. Und Claudia erst!

Lange dauerten die Stunden von halb sechs bis halb neun, und schnell gingen sie vorbei, die Sekunden der Erkenntnis.

Heiner, die Hebamme, die Hundewelpen und das Harken – in späteren Jahren würde sie darauf zurückblicken, denn immerhin stand es jetzt hier, schwarz auf weiß in der Grausamen Chronik. Ob das half? Sie wusste es nicht. Aber ihr Stichwort war nun mal Arbeit, und die war hiermit erledigt.

Wenn du willst, kannst du weiterblättern.

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