Читать книгу Das AK-Steiger-Prinzip - Anna Katharina Steiger - Страница 13

Оглавление

Wer Ich bin


Ich bin aus dem Jahrgang 1963 und das Wunschkind meiner Eltern. Aufgewachsen bin ich während meiner ersten acht Lebensjahre mit einem zehn Jahre älteren Bruder, doch dazu später. Meine frühe Kindheit war unbeschwert. Ich war ein glückliches Kind, ich hatte meinen Freundeskreis, nachmittags trafen wir uns zum Spielen vor der Tür, ich war viel unterwegs, ein richtiger Wildfang. Meine Mutter war Hausfrau und Mutter und besserte den Lebensunterhalt durch verschiedene Stellen als Haushaltshilfe auf. Mein Vater war Vorarbeiter in einer Zellwollfabrik. Ich war das typische Kind einer Arbeiterfamilie, dazu erzogen, etwas “Besseres” zu werden und den richtigen Mann zu heiraten.

In dem Sommer, als ich acht Jahre alt wurde, bekam mein Vater die Nachricht, dass sein Arbeitgeber die Tore schließen wird. Die Maschine, an der mein Vater arbeitete, war schon verkauft. Da er immer ein guter Mitarbeiter gewesen war, der sich gut mit dieser Maschine auskannte, wurde ihm angeboten, in der Firma, die die Maschine gekauft hatte, weiterzuarbeiten. Dies sollte einen Umzug für uns bedeuten an den Niederrhein. Mein Bruder hatte gerade seine Lehre zum Speditionskaufmann beendet und hatte eine Anstellung in seinem Ausbildungsbetrieb in Aussicht. Unser Umzug war also für den 31.10. geplant.

Mein Leben änderte sich

Ich musste nun alles zurücklassen, meine beste Freundin, meine Spielkameraden, meine Schule, meine gewohnte Umgebung. Damals habe ich mir nichts daraus gemacht, weil mir versichert wurde, ich werde neue Freunde finden und eine neue Schule besuchen. Meine beste Freundin versprach mir zum Abschied: “Der Platz neben mir wird immer frei bleiben für dich”.

Wenige Tage vor dem Umzug fand meine unbeschwerte Kindheit allerdings ein jähes Ende. Wie fast jeden Nachmittag spielte ich mit meinen Freunden draußen, zumal es einer der letzten Tage war, die ich noch mit ihnen spielen konnte. Auf einmal rief einer unserer Nachbarn nach mir und sagte, ich solle dringend nach Hause gehen. Mich interessierte das im ersten Moment überhaupt nicht, schließlich waren die Laternen noch nicht an und erst dann musste ich sonst immer zu Hause sein. Ich spielte also weiter mit meinen Freunden und ging dann irgendwann nach Hause, in keinster Weise darauf vorbereitet, was mich dort erwartete.

Noch auf dem Nachhauseweg konnte ich mir keinen Reim darauf machen, wieso ich früher als sonst nach Hause sollte. Mein Vater war damals schon an unserem zukünftigen Wohnort und renovierte die neue Wohnung. Der Umzug in den Ruhrpott stand in wenigen Tagen an. Ich vermutete also, dass es hierzu etwas zu regeln gab. Ich ging also gemächlich nach Hause, wo ich von unserer direkten Nachbarin und deren Tochter, der Freundin meines Bruders, in Empfang genommen wurde. Die beiden gingen direkt mit mir in mein Zimmer und ich war völlig irritiert. Warum durfte ich nicht ins Wohnzimmer und warum sahen alle so kreidebleich aus? Die Freundin meines Bruders setzte sich mit mir auf mein Bett, nahm mich in den Arm und versuchte, mir in einfachen Worten zu erklären, dass mein Bruder mittags einen Verkehrsunfall hatte, bei dem er gestorben war.

Er war mit seinem Fahrrad zu unserer Verwandtschaft nach Köln gefahren, um sich von den Großeltern und Onkel und Tante kurz vor dem Umzug zu verabschieden. Da es mittags sein Lieblingsessen geben sollte, wollte er unbedingt noch seine Freundin von der Schule abholen und auf jeden Fall zum Mittagessen zu Hause sein. Auf diesem Weg, öffnete ein unaufmerksamer Autofahrer die Fahrertür, ohne nach hinten zu sehen, direkt vor meinem Bruder. Da er nicht mehr bremsen konnte, stürzte er über die geöffnete Autotür zwischen den Anhänger eines mit Kies beladenen Lasters und starb noch an der Unfallstelle.

Als mein Vater abends gegen 22.00 Uhr nach Hause kam, ahnte er natürlich nichts von dem, was passiert war, denn damals gab es noch keine Möglichkeiten, ihn unterwegs zu erreichen. In der neuen Wohnung gab es noch kein Telefon und Mobiltelefone waren noch nicht erfunden. Als er die Wohnung betrat, war er sehr verwundert über die gesamte Verwandtschaft, die in unserem Wohnzimmer saß, und sagte: „Was ist denn hier für eine Familienfeier?“

Plötzlich Einzelkind

Mein Bruder und ich waren bislang typische Geschwister gewesen. Durch den großen Altersunterschied (mein Bruder war zehn Jahre älter als ich), waren wir ein bisschen wie Hund und Katz, wir konnten nicht miteinander, und noch viel weniger ohne einander. Trotzdem hatten wir ein gutes Verhältnis, wir tobten viel und er benutzte mich manchmal als Alibi, wenn er mit seiner Freundin ins Kino wollte. „Wir nehmen meine Schwester mit“, sagte er häufig meinen Eltern, und so kam ich als Kind in den Genuss von Kinobesuchen und mein Bruder konnte währenddessen mit seiner Freundin turteln.

Damals musste ich die Situation, jetzt ohne meinen Bruder zu sein, für mich erst einmal verarbeiten und ich weiß noch, wie ich zwei Tage nach dem Tod meines Bruders, in den Händen einige seiner Sachen, zu meiner Mutter sagte: „Mama, das gehört jetzt alles mir.“ Mein Bruder war nicht mehr bei uns und brauchte seinen Kassettenrekorder nicht mehr, daher war es für mich – als Achtjährige - die logische Konsequenz, Besitzansprüche zu erheben, wo wir doch bis dahin, sowieso das Meiste geteilt hatten.

In der folgenden Zeit war ich viel alleine, mein Vater vergrub sich in der Arbeit, meine Mutter in die Trauer. Gefühlt war sie mehr auf dem Friedhof als zuhause. Der Umzug erfolgte trotz allem und die neue Umgebung, eine neue Schule und neue Menschen machten diese Situation für uns alle nicht leichter. Von psychologischer Betreuung wurde damals noch nicht gesprochen. Heute ist es für Eltern und Geschwister selbstverständlich, in solchen Fällen Hilfe zu erhalten.

Von einem Tag auf den anderen war ich nun ein Einzelkind und mein freies und unbeschwertes Leben hatte ein Ende. Meine Eltern überwachten und beschützten mich, wo sie nur konnten. Sie packten mich in Watte und schlossen mein Fahrrad weg, sie wollten mich nicht auch noch verlieren. Ich versuchte, so oft ich konnte, aus der Situation, die mich erdrückte, auszubrechen. Ich fühlte mich eingeengt und fremdbestimmt und im Nachhinein habe ich meine Eltern bestimmt einige Nerven gekostet.

Wieder zurück

Nach 18 Monaten kehrten wir zurück, weil wir Heimweh hatten und meine Eltern nicht warm wurden in der neuen Umgebung. Die alten Freunde und die alte Schule waren noch da und der Platz neben meiner besten Freundin war natürlich für mich frei. So vergingen einige Jahre. Ich gewöhnte mich an meine Einschränkungen, die meinen Alltag bestimmten. Meine freie, unbeschwerte Kindheit war vorbei.

Die Bewachung und Überwachung setzten sich als Teenager fort. Mit wem ich unterwegs war, wohin ich wollte, was ich machte, mit welchen Jungs ist mich traf wurde zunehmend Thema, denn es sollte ja direkt der “Richtige” sein. Ausprobieren durfte ich mich nicht. Alles wurde streng überwacht und im Zweifel auch überprüft. Verstöße wurden hart sanktioniert. Auch wenn ich immer wieder aufbegehrte, ließ ich mich meist, um den Sanktionen aus dem Weg zu gehen, fremdbestimmen.

Erst Jahre später kam mir wieder ein Satz in den Sinn, den ich mehrfach von meiner Mutter damals gehört hatte: „Du bist die Falsche!“ Sie war damals anscheinend tatsächlich der Meinung, es wäre besser gewesen, wenn ich gestorben wäre, anstatt meines Bruders. In ihrer Trauer mit einem mehr als aufmüpfigen Teenager vielleicht noch verständlich, trotzdem waren es harte Worte. Anfangs habe ich überhaupt nicht verstanden, was sie damit meinte, und natürlich hat sich dieser Glaubenssatz in mir breit gemacht und sich über Jahre hinweg gefestigt. Damals wusste ich nicht, wie ich mit einer solchen Äußerung umgehen sollte. Als Kind nimmt man die Dinge, die die Eltern einem sagen, für bare Münze und so nahm ich auch diese Aussage hin. Mir war nicht klar, dass mein Unterbewusstsein fortan dafür sorgen würde, dass alles was ich tat, in den Augen der Anderen falsch war, dass ich als Person „falsch“ war.

Später in meinem Leben, als ich erkannte, was meine Mutter hier in mich „eingepflanzt“ hatte und ich mich endlich, nach vielen Jahren und mit viel Arbeit davon lösen konnte, gab es einen großen Streit, zu tief saßen die Verletzungen.

Zu meinem Vater hatte ich glücklicherweise immer ein wirklich sehr gutes Verhältnis, leider ist er vor einigen Jahren gestorben. Wir haben in meinen Kindertagen viel miteinander unternommen, auch wenn er immer viel arbeitete. Er hat mir viel beigebracht, auch handwerklich und ich denke heute, ich war sein Ersatz für den Sohn, den er nicht mehr hatte. Trotzdem war ich als Kind auch viel allein. Mein Vater arbeitete viel, auch damit wir uns ein Häuschen leisten konnten. Meine Mutter gab zur Mitfinanzierung ihr Hausfrauendasein auf und arbeitete erst halbtags, später ganztags als Verkäuferin.

Studium - und dann?

Es stand für meine Eltern absolut fest, dass ich nach dem Abitur studieren sollte. Schließlich sollte ich es besser haben als sie! Medizin sollte es werden, doch dazu reichte mein N.C. nicht. Als ich mich stattdessen für Elektrotechnik entschieden hatte, was meine Eltern argwöhnisch beäugten, schließlich war ich ein Mädchen, sollte es wenigstens unbedingt die Elite-Universität RWTH in Aachen sein. Damit war ich, um erstmalig wieder meine Freiheit zu genießen, weit genug weg vom Elternhaus, wenn auch nicht weit genug, um völlig der Fremdbestimmung meiner Eltern entfliehen zu können. Leider klappte das Studium nicht, wie ich es geplant hatte, und ich musste es nach vier Semestern abbrechen.

Meine Eltern erwarteten, dass ich nun zurück nach Hause komme, doch das kam für mich absolut nicht infrage. „Die Füße wieder unter den Tisch meines Vaters“ setzen, wollte ich auf gar keinen Fall. Ich hatte die Freiheit ein Stück weit genossen und wollte nicht mehr unter die “Befehlsgewalt” meiner Eltern. So suchte ich eine Ausbildungsstelle zur Bürokauffrau in Aachen. Ich erinnere mich noch an die Schwierigkeiten, die ich damals hatte, eine Ausbildungsstelle zu finden. In einem Möbelhaus hatte ich mich für die Ausbildung beworben und als der Geschäftsführer hörte, dass ich Abitur gemacht hatte, sagte er nur: „Mit Abitur können Sie ja noch nicht einmal einen Besen halten!“ Es waren definitiv damals andere Zeiten.

Letztendlich fand ich doch einen interessanten Ausbildungsplatz in einem Unternehmen, das sich mit Computern und später mit medizinischer Software beschäftigte. Schon während meiner Ausbildung durfte ich sehr viel Verantwortung übernehmen. Ich war damals gemeinsam mit einem der Geschäftsführer dafür zuständig, die Software, die das Unternehmen vertrieb, in Arztpraxen zu verkaufen, zu präsentieren und zu schulen.

Die Arbeit machte mir viel Freude und war anspruchsvoll, also genau mein Ding. Dabei lernte ich meinen zukünftigen ersten Mann kennen und als junge Menschen konnte es uns damals nicht schnell genug gehen. So heirateten wir schon kurze Zeit später. Das war jedoch das Signal für meinen damaligen Chef, dass ich wohl schwanger sein musste und so hatte sich die Übernahme in ein Angestelltenverhältnis erst einmal für mich erledigt. Da mein Bauch nicht rund wurde, wurde ich letztendlich doch übernommen. Damals glaubte ich „Hier wirst Du alt bis zur Rente“.

Das Leben nimmt seinen Gang

Nach der Ausbildung blieb ich also im Unternehmen und konnte in der medizinischen Software Fuß fassen und eignete mir sehr fundiertes Wissen an. Das blieb auch dem damaligen Softwarehersteller nicht verborgen und so warb er mich ab. Fortan war ich Fachberaterin in einem großen Teil Deutschlands, fuhr im Außendienst von Praxis zu Praxis und hatte großen Spaß an meiner Arbeit. Aus der Außendiensttätigkeit wurde schnell – für damalige Verhältnisse außergewöhnlich – ein Home-Office-Arbeitsplatz in der Dokumentation und ich schrieb Handbücher und Nachschlagewerke für die Software.

Meine biologische Uhr begann allmählich auch zu ticken und so wurde der Wunsch nach Kindern in mir immer größer. Doch irgendwie wollte es nicht gelingen. Nach einer Vielzahl von unterschiedlichen ärztlich begleiteten Methoden haben wir den Kinderwunsch letztendlich aufgegeben. Es sollte einfach nicht sein.

Aus meiner Sicht auch mit ein Grund, dass meine erste Ehe scheiterte. Wir waren beide in der Situation völlig überfordert, hatten den Druck meiner Eltern im Nacken „endlich mit Enkelkindern aufzuwarten“ und litten doch selbst unter den Umständen. So kam die Trennung und ich lebte ein paar Jahre alleine. Ich stürzte mich in den Beruf und entwickelte mich über weitere Stationen in der Softwarebranche weiter. Ich übernahm zunehmend Verantwortung in meinen Positionen und spürte auch immer wieder den Druck von oben aus der Chefetage.

Der Weg zur Unternehmerin

Ich blieb über 30 Jahre in der gleichen Branche und habe dort einen guten Namen gehabt, habe jedoch alle zwei bis drei Jahre die Firma gewechselt, bis ich 1998 mit vier weiteren Personen, darunter auch mein jetziger Mann, unsere eigene GmbH gründete. Wir wurden Vertriebspartner einer medizinischen Softwarefirma und unser Unternehmen wuchs und gedieh, bis wir letztendlich zehn Mitarbeitende hatten und der erste Vertriebspartner waren, der eine Zertifizierung im Qualitätsmanagement erreicht hatte. Auch hier hatte ich immer wieder den Gedanken: „Hier wirst Du alt mit Deiner Firma, Deine Arbeit macht Dir Spaß, alles ist gut.”

Der Mutterkonzern machte uns jedoch immer strengere Vorgaben und wir fühlten uns in dieser Konstellation sehr eingeschränkt. Es gab Vorgaben, die ich so nicht mehr umsetzen konnte und wollte. Heute weiß ich, dass das, was da passierte, einen Verstoß gegen meine Werte bedeutete. Ich fühlte mich zunehmend unwohl, der Spaß an der Arbeit sank von Tag zu Tag und mit jeder neuen Vorgabe vom Mutterkonzern fühlte ich mich mehr und mehr fremdbestimmt. Das alte Muster wiederholte sich.

Eines Tages wurde uns seitens des Konzerns ein Führungskräfte-Training angeboten. Hier hatte ich meine ersten Berührungspunkte zum Thema Persönlichkeitsentwicklung und mit diversen anderen Methoden.

Hier lernte ich unter anderem NLP (neurolinguistisches Programmieren)2 und Hypnose kennen.

Späte Aufarbeitung

Durch einen während des Seminars initiierten Persönlichkeitstest und das anschließende Auswertungsgespräch mit einer sehr einfühlsamen Trainerin kam das Thema der Verarbeitung des Todes meines Bruders nochmal an die Oberfläche, das ich jahrelang für mich richtiggehend innerlich weggeschlossen hatte. Die Aufarbeitung war hart, jedoch sehr heilsam. Alte Wunden aufzureißen ist nie einfach und aus heutiger Sicht empfehle ich jedem, sich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen, vor allem mit Themen, die vermeintlich verarbeitet, gleichwohl tatsächlich nur weggeschoben und unterdrückt wurden und werden.

In nur wenigen Coaching-Terminen konnte ich das Trauma rund um den Tod meines Bruders vollständig auflösen, ein dunkles Band, dass lange Zeit mein Begleiter gewesen war und mich eingeengt hatte, war nun gelöst, ich fühlte mich frei.

Durch dieses herausragende Ergebnis und die Übungen, die wir im Führungskräfte-Training absolvierten, hatte ich “Blut geleckt”. Ich begann meine NLP-Ausbildung und beschäftigte mich mit meiner Person, meinen Glaubenssätzen und Werten und spürte in mir einen Wunsch immer stärker werden: Das ist es, Du willst Menschen bewegen und nach vorne bringen. Sie sich entwickeln sehen!

Je mehr ich Einblick in gelungene Kommunikation erhielt und zunehmend meine einschränkenden Glaubenssätze bearbeitete, umso mehr fühlte ich, dass mein Freiheitsdrang durch den Mutterkonzern immer stärker eingeschränkt wurde. Ich wollte das alles nicht mehr. Da ich mich mehr und mehr wehrte, wurde ich im Mutterkonzern auffällig und zu einem Gespräch zitiert.

Das Gespräch sollte darüber entscheiden, wie es weitergehen sollte und ich war wahrlich innerlich zerrissen. Ich musste mit klar darüber werden, was ich wollte und was ich nicht mehr wollte und legte deshalb vorbereitend meinen Standort fest: Was will ich, was will ich nicht mehr? Welche Argumente habe ich im Mutterkonzern? Ich führte eine Liste mit positiven und negativen Aspekten, wie Du sie im Kapitel “S-wie Standortbestimmung” auch erfährst, und fuhr zum Konzern.

Mit allerbester Vorbereitung auf das Gespräch fehlte mir trotzdem an entscheidender Stelle der Mut. Als der Konzerngeschäftsführer unsere Akte aus dem Schrank holte und dies mit dem Satz begleitete: “Das tue ich normalerweise nur, wenn es um eine Kündigung geht”, hatte ich den Mut nicht, zu sagen: “Dann lass uns über eine Kündigung sprechen”. Ich habe stattdessen versucht, einen Status quo zu finden, Vertriebspartner zu bleiben und eine gütliche Einigung zu erzielen.

Heute weiß ich, dass ich damals zwar wusste, was ich nicht mehr wollte und grob auch eine Ahnung hatte, was ich wollte, allerdings hatte ich das Ziel weder spezifiziert, noch eine genaue Vorstellung davon. Ein Fehler, der Dir nicht passiert, wenn Du die folgenden Kapitel nicht nur liest, sondern die Übungen auch ausführst.

Meine Entscheidung, den Mund zu halten, hatte jedoch fatale Folgen.

Zurück in der Firma fassten mein Mann und ich den Entschluss, eine zweite Firma zu gründen. Wir kehrten dem Mutterkonzern den Rücken und suchten uns eine andere Software-Firma, für die wir als Vertriebspartner tätig werden wollten. Rechtsanwalt und Steuerberater gaben grünes Licht und so planten wir einen stufenweisen Übergang von der alten Software-Firma hin zu einer neuen Software-Firma.

Leider wurden wir damals vermutlich von einem anderen Vertriebspartner angeschwärzt und so kam es, dass an einem Dienstagmorgen ein Mitarbeiter des Mutterkonzerns vor der Tür stand und uns die fristlose Kündigung persönlich überbrachte. Ich kann mich noch gut an diesen Moment erinnern, als ich das Wort Kündigung las. Von einem auf den anderen Moment war uns unsere finanzielle Grundlage entzogen. Wir hatten kein Vertriebsgebiet, keine Bestandskunden mehr und keine regelmäßigen Einkünfte durch Pflegeverträge mehr. Da wir laut unseren Anwälten alles korrekt abgewickelt hatten, wehrten wir uns gegen diese Behandlung und zogen vor Gericht. Leider verloren wir unseren Prozess, doch das Schlimmste stand uns noch bevor:

Der Mutterkonzern ließ aufgrund des Urteils und der daraus resultierenden zu leistenden Zahlung unser Konto sperren. Wir konnten keine Rechnungen mehr zahlen und unser privat investiertes Geld war ebenfalls verloren, sodass wir Insolvenz anmelden mussten. Ich machte mir damals sehr große Vorwürfe und hatte Schuldgefühle. Trotzdem hielten mein Mann und ich zusammen und wir überstanden die Situation zwar mit Blessuren und trotzdem gemeinsam. Wir standen vor dem Nichts und mussten uns überlegen, wie es weitergehen sollte.

Viele schlaflose Nächte folgten. In einer dieser Nächte war für mich auf einmal klar: Auch das stehen wir durch, jetzt erst recht! In dieser Zeit entstand ein Teil des AK-STEIGER-Prinzips. Ich stellte zusammen, wo wir standen, legte fest, was die nächsten Schritte sein müssen und da uns die bisherige Geschäftsgrundlage entzogen war, war die Richtung wie es weitergehen sollte, plötzlich auch klar: Wir verkleinern das alte Team in der neuen GmbH, um Kosten zu sparen und vertreiben die neue Software weiter. Ich nehme mich heraus und ziehe mein Coaching-Business parallel hoch.

Ungeplanter Urlaubsausgang

Um neue Kraft für den Neustart zu schöpfen, planten mein Mann und ich ein paar Tage Urlaub. Wir brauchten Abstand, eine Auszeit, wollten etwas anderes sehen und ich als Sonnenanbeter freute mich auf die Sonne. Mein 50ster Geburtstag stand ebenfalls bevor und ich hatte mir für den Urlaub Dubai gewünscht.

Wir verbrachten einige wunderbare Tage mit Sonne, Strand und guten Gesprächen. Kaum aus Dubai zurück, ging es meinem Mann auf einmal nicht gut. Er war kraftlos, das kannte ich von ihm sonst gar nicht. Ich vereinbarte also zügig einen Arzttermin für ihn, um ihn durchchecken zu lassen. Es ging ihm jedoch von Stunde zu Stunde schlechter und noch in der Arztpraxis hatte er einen schweren Herzinfarkt. Erneut zog es mir den Boden unter den Füßen weg. Im Krankenhaus wurde er ins Koma gelegt, da durch den Infarkt neben seinem Herz auch seine Lunge in Mitleidenschaft gezogen war. Ein langer Krankenhaus- und Rehaklinikaufenthalt schloss sich an. Ich war also plötzlich mit allen Problemen auf mich allein gestellt.

Doch ich hatte einen Plan und ich wusste, was zu tun ist. Die neue Firma musste weiterlaufen, die Mitarbeiter bei der Stange gehalten werden. Da war keine Zeit für Selbstmitleid. Also krempelte ich die Ärmel hoch und machte das Beste aus der Situation.

In dieser schweren Zeit halfen mir Gespräche mit Anderen sehr. Ich erzählte unterschiedlichsten Menschen aus meinem Umfeld von meinen Herausforderungen und Problemen. Durch den intensiven Austausch konnten sich die Gedanken in meinem Kopf sortieren und neue Ideen entstehen. Ich wollte damals gar keine Ratschläge, sondern einfach nur ein paar offene Ohren, die ich glücklicherweise auch bekam. Deshalb hier schon einmal meine Empfehlung (auf die ich später im Buch noch mal eingehe): Sprich in Krisensituationen oder in Situationen, in denen Du glaubst, nicht weiterzuwissen oder auf der Stelle zu treten mit Menschen, denen Du vertraust, ein Vertrauter in der Verwandtschaft, ein Arbeitskollege, ein/e Vorgesetzte/r – kurzum ein Mensch, der so etwas wie ein Mentor für Dich sein kann.

Lasse in solchen Gesprächen Deinen Gedanken freien Lauf und bitte Dein Gegenüber ausdrücklich nicht um Ratschläge. Häufig entstehen durch diesen Austausch neue Ideen und Perspektiven – und dann kommst Du wieder ins Handeln!

Die Situation, in der ich mich plötzlich befand, sah anfangs aussichtslos aus. Mit einem insolventen Unternehmen, mein Mann schwer krank, trug ich von einem Tag auf den anderen eine Menge Last auf meinen Schultern. Andererseits entwickelte ich eine enorme Energie, denn ich musste in dieser Situation kreativ werden und neue Lösungsansätze finden.

Ich überlegte also gründlich, was ich die kommenden Jahre machen wollte und wie meine Zukunft aussehen sollte. In dieser Situation schaffte ich es mit unermüdlicher Arbeit an mir selbst, meine negativen Glaubenssätze ein für alle Mal aufzulösen. Ich wandelte den Satz „Du bist die Falsche“ um in den neuen Glaubenssatz: „Du bist das größte Geschenk unter der Sonne.“

Wie ich das geschafft habe? Hierzu gibt es eine Technik im Neurolinguistischen Programmieren (auch NLP genannt), die ich angewandt habe. Durch diese Technik konnte ich den alten Glaubenssatz langfristig durch den neuen Glaubenssatz ersetzen. Wie diese Technik funktioniert, erfährst Du später.

Veränderung

Es brauchte eine tiefgreifende Veränderung in meinem Leben, um mich dorthin zu bringen, wo ich heute bin. Meine intensive Auseinandersetzung mit Persönlichkeitsentwicklung und mit meiner Zukunft führte letztendlich zur Erkenntnis, dass ich auch andere Menschen befähigen wollte, ihre Glaubenssätze aufzubrechen und ihre Ziele zu erreichen. Ich wollte das Dynamit sein, das Felsbrocken - alte Glaubenssätze, Werte, Konventionen - wegsprengt. Ich wollte sehen, wie unter dem alten Gestein und dem Schmutz der Zeit bei Menschen die inneren Diamanten zum Vorschein kommen, wie sie in all ihrer Schönheit und Einzigartigkeit zu strahlen und zu funkeln beginnen und ihr Leuchten in die Welt tragen.

Durch eine glückliche Fügung erhielt ich damals das Angebot, als Honorardozentin bei einem großen Bildungsträger Bewerbungsmanagement und Kommunikation zu unterrichten. Anfangs war ich noch unsicher, ob ich dieser Herausforderung gewachsen sei, doch es stellte sich heraus, dass die Aufgabe wie für mich gemacht war.

So stand ich mit meinem Mann die Insolvenz und seine Krankheit durch und es fügten sich viele Dinge in meinem Leben auf einmal in die richtige Richtung. Die neue Firma allerdings war für meine neue, tatsächliche Aufgabe, nämlich Menschen zu unterstützen, nicht brauchbar. Das Tätigkeitsfeld hatte nichts mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun, sondern es ging nur um Software, Schulung und EDV-Installation. Ohne mein offensichtliches Zutun (gleichwohl habe ich die entsprechende Energie dazu wohl ausgestrahlt) kam es zu Ereignissen, die auch dieses Projekt scheitern ließen. Unser Technikleiter bekam kalte Füße und verließ nicht nur die Firma, sondern auch die Gesellschaft. Ohne Technik nutzte der beste Vertrieb nichts und wir mussten meine rechte Hand und Vertrieblerin kündigen.

So übernahm ich beide Positionen zunächst alleine und führte die GmbH mit meinem Mann weiter. Vertrieb, Technik und Support waren jedoch für eine Person nicht leistbar, da ich ja auch noch meine Beschäftigung als Honorardozentin hatte.

Die logische, und aus meiner Sicht auch einzige Konsequenz: Ich lagerte die Aufgaben an andere Firmen aus und widmete mich mehr und mehr meinem Herzensthema.

Mein neuer Weg

Heute bin ich Trainerin, Hypnose-Coach und Dozentin für Bewerbungsmanagement und Kommunikation. Ich bin die Potential-STEIGERin und bin dort angekommen, wo ich hinwollte. Trotz aller Widerstände, Fallstricke und Begrenzungen, die mich festhalten wollten, habe ich meinen Weg verfolgt, ohne aufzugeben. Keiner sollte und würde mich mehr am Boden halten.

Aus der anfangs aussichtslosen Krise erwuchs also letztendlich meine wunderbare Chance, einen völlig neuen Weg zu gehen und meiner Berufung zu folgen. Daher bin ich heute auch der festen Überzeugung, dass es nie zu spät ist, seinem Herzen zu folgen und neue Herausforderungen anzunehmen – ich bin der beste Beweis dafür, dass es funktioniert.

Natürlich gab es auch auf meinem neuen Weg Höhen und Tiefen, jedoch ich hatte mein Ziel, mit Menschen zu arbeiten, immer vor Augen, egal, was passierte.

Mittlerweile blicke ich voller Dankbarkeit auf diese Zeit zurück. Die Insolvenz und die sich daraus ergebenden Konsequenzen waren schmerzhaft und brachten finanzielle Verluste mit sich, doch ich bin überzeugt, sie war das Beste, was mir passieren konnte. Sonst wäre ich heute nicht die, die ich bin.

In meinem Umfeld erlebe ich noch heute täglich eine Vielzahl von Menschen - überwiegend Frauen - die genau wie ich in einer fremdbestimmten Arbeitswelt feststecken. Frauen, die in der Regel sehr gut ausgebildet sind, Abitur gemacht und studiert haben und über herausragende soziale Kompetenzen verfügen - genau wie Du. Dennoch stecken sie in ihrer Position fest, wie der Belag in einem Sandwich zwischen den Brötchenhälften. Sie sind unzufrieden, weil sie nicht vorwärtskommen. Immer öfter denken sie: “Das kann es doch noch nicht gewesen sein!” Sicher kennst Du das auch!

Und genau für Dich habe ich meine Strategien zusammengefasst und in den nächsten Kapiteln verarbeitet.

Seit mehreren Jahren unterstütze ich Menschen dabei, ihren Bewerbungsprozess erfolgreich zu meistern. Zudem biete ich Kommunikationstrainings und Mentoring-Programme an, für Menschen, die aus ihrem fremdbestimmten Leben aufbrechen möchten und ihrer Berufung folgen wollen. Den Teilnehmern meiner Programme und Kurse - und vielleicht auch Dir - vermittle ich, wie sie ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstverantwortung stärken können. Und Sie gehen gestärkt und gut gewappnet für den Arbeitsmarkt oder eine neue Herausforderung aus meinen Trainings. Sie haben gelernt, wie Veränderung funktioniert und wie sie ihr Ziel verfolgen und erreichen können. Erfahre mehr darüber im AK-STEIGER-Prinzip.

2 Wikipedia sagt dazu: “Das Neuro-Linguistische Programmieren (kurz NLP) ist eine Sammlung von Kommunikationstechniken und Methoden zur Veränderung psychischer Abläufe im Menschen, die unter anderem Konzepte aus der klientenzentrierten Therapie, der Gestalttherapie, der Hypnotherapie und den Kognitionswissenschaften sowie des Konstruktivismus aufgreift. https://bit.ly/2A30x0g”.

Das AK-Steiger-Prinzip

Подняться наверх