Читать книгу Tod an der Wallmauer - Anna-Lena Hees - Страница 6
ОглавлениеProlog
Tom rannte. Er wagte nicht zu stoppen. Immer weiter rannte er, bis er sein Ziel – die Wallmauer - fast erreicht hatte. Erst dann verringerte er sein Tempo und atmete noch im Gehen einmal durch. Seine Gedanken drehten sich dabei um das, was in der letzten Zeit geschehen war. Allmählich wurde es ihm zu viel und wuchs ihm über den Kopf. Tom musste dem ein Ende setzen und sah nur noch einen einzigen Ausweg. Er ging immer weiter, bis er das Tor in der Klosterstraße erreicht hatte. Dann blieb er stehen und lauschte in die Dunkelheit. Nur das schwache Licht einer Straßenlaterne half ihm bei der Orientierung, sonst war es stockfinster. Rings um ihn herum herrschte Stille. Kein Auto war zu hören und keine Menschenseele unterwegs. Für Tom war es gut so. Niemand sollte erleben, was er in dieser lauen Sommernacht vorhatte.
Tom wollte nun nicht mehr zögern. Das Tor der ehemaligen Befestigungsanlage war verschlossen, aber der junge Mann wusste, was er zu tun hatte. Er hatte ein Brecheisen mitgenommen, und mit diesem hantierte er eine Weile an diesem Tor herum, bis er das Geräusch hörte, das er hören wollte. Das Tor war nun geöffnet. Er konnte die Anlage betreten und die Treppe hinaufsteigen. Es dauerte nicht mehr lange. Tom atmete noch einmal ganz tief durch, dann ging er los. Nur einen Augenblick später war er die Stufen hinaufgestiegen und sah vor sich den Pavillon. Er lächelte. Es trennten ihn nur noch ganz wenige Minuten von der Erlösung. Während er sich dem Pavillon näherte, frischte der Wind auf. Ein großer Regentropfen platschte auf seine Nase. Dass es jetzt auch noch zu regnen begann, hatte Tom ja gerade noch gefehlt. Immerhin bot ihm der große Baum gegenüber dem Pavillon Schutz vor dem, was da vom Himmel auf die Erde fiel. Tom war aber klar, dass er nicht allzu lange zögern durfte. Er wollte nicht, dass jemand sein Vorhaben verhinderte. So bestieg er schließlich wagemutig die Mauer und schaute hinunter. Das Brecheisen, mit der er das Tor aufgebrochen hatte, warf er nun hinter sich. Tom breitete die Arme aus. Der Regen peitschte ihm nun ins Gesicht, und die Mosel schlug Wellen. In der Ferne war leises Donnergrollen zu hören. Ein Gewitter kündigte sich für die zweite Nachthälfte an. Dann knackten die Äste, die auf dem Boden lagen. Toms Herz raste. Wenn ihn jetzt jemand sah, war alles umsonst. Noch einmal atmete er tief durch und warf einen letzten kurzen Blick auf den Fluss. Er hörte, wie das Wasser ans Ufer klatschte, und sprang.