Читать книгу Am Rande. Eine Bemerkung - Anna Lohg - Страница 19

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Dieser Krieg war vorbei. Ordentlich mit einer Bezeichnung und einer Chronologie versehen, ging das Geschehene als Zweiter Weltkrieg in die Geschichtsbücher ein. Archive voll der Gräueltaten, verbrähmt hinter recht unverfänglichen Namen. Benamst und als historische Einmaligkeit abgeheftet, wird das Grauen zum überwundenen Ereignis: hey, das ist Geschichte und kommt so nie wieder vor, während Krieg, Hunger, Not allgegenwärtig und unvergänglich bleiben. Dazu gehört auch das eigentlich Unvorstellbare, so wie Edmund hoffte, es möge ein Arbeitslager sein, um sich nicht ein Konzentrationslager vorzustellen, war er viel zu naiv für diese Realität.

"Vernichtungslager.", nannte sie es. Sie war dort gewesen, hatte es überlebt, nicht ihre drei Kinder, nicht ihr Ehemann. Sie war zurück gekommen, heimgekehrt in die dürftige Holzhütte, die sie einst mit ihrer Familie bewohnt hatte. Weit ab vom Dorf lebte sie nunmehr ganz alleine mit ihren Erinnerungen. Nur Edmund kam ab und zu vorbei und brachte die Post. Ehedem hatte er sie bedrängt, sie solle gehen, samt ihrer Familie flüchten. Ungefähr als Hans, der Bürgermeister, ihn ins Verderben schicken wollte, hatte er sie gewarnt, auch Zigeuner seien nicht mehr sicher. Sie aber hatte abgewunken, so weit ab könne sich niemand an ihnen stören, und außerdem, wo hätten sie hin sollen, sie waren doch längst weit ab.

Edmund schätzte sie, auch wegen ihren Marmeladen, die sie großzügig teilte, aber die wenige Post brachte er nun nicht mehr gerne. Vormals hatte er stets ausgiebig mit ihr geplaudert, er war der Briefträger und gleichsam ein Bote mit Neuigkeiten aus dem Dorf. Aber jetzt erzählte sie dem Postboten vom Tod der Lebenden im Vernichtungslager, sie hielten ein Schwätzchen vor der Tür über das erlebte Grauen. Mochte sie ihm längst nicht alles erzählen, doch selbst die spärlichen Einblicke konnte er kaum aushalten. Von dem was Endlösung genannt worden war, hatte Edmund noch keine einzige Fotographie gesehen, geschweige laufende Bilder, allein vor ihren Worten wollte er die Augen schließen.

Auch sonst im Dorf blieben die Augen fest verschlossen, niemand wollte darüber reden. Schien der Jubel von vor dem Krieg abgeklungen oder wurde mühsam zurück gehalten: "Jupaidei, Menschen als minderwertig ausgemacht, sodann gekennzeichnet, abgeführt und abtransportiert, anschließend millionenfach vergast, das ist eine bürokratische Weltmeisterleistung! Das schafft nur eine Herrenrasse!"

Die Holocaust ist Geschichte. Der Wahn der Überlegenheit ist lebendig geblieben.

Am Rande. Eine Bemerkung

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