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MITEINANDER

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Da sitzen sie nun – miteinander – Augen schweifend zusammen allein in der Fremde. Alles haben sie mitgebracht, einen Koffer voller Leben. Jeder trägt ihn mit sich und hält ihn fest, solange er kann. Veränderung an sich ist schon ungewohnt, macht Angst und produziert schlaflose Nächte. Das Leben als Sackgasse, aus dem es keinen Weg zurück mehr gibt. Gerne würde sie weiterfahren, nach vorn, in eine gesicherte Zukunft. Jedoch ist die Sackgasse eng, das Auto schon alt und sie selbst erstickt an den Abgasen.

Blickt sie herum, sieht sie in leere Gesichter, alte Augen, die müde geworden sind vom ständigen Alltag. Fassade ist vieles, Goldkettchen und Gucci, jedoch das Wesentliche bleibt, egal wohin sie gehen. Ständig der Versuch, so zu tun, als ginge es uns gut, doch hinter der gut getünchten Fassade, da bröckelt es überall. Illusionen ins Leben – schon lange weggeworfen – vermögen den Spiegel nicht wegzunehmen vor der Realität, die Falten, sie zeigen ein gelebtes Leben nach vielen Jahren.

Dort sitzt sie, eine Frau in mittleren Jahren, viel zu sehr ausgezogen als es ihrem Alter entspricht. Grell geschminkt und geschmacklos gekleidet, als letzter Versuch, die Aufmerksamkeit doch noch zu erhaschen. Seufzend sieht sie auf viel zu dicke Bäuche, Männer ohne Haare, auf jung getrimmt, ohne Sprache und Ziel.

Die Bar, das Roulette des Lebens, die Kugel als Drink rollt über den Tresen und trifft dort fast jeden. Minuten und Stunden vergehen, gefühlte Lebenszeit als Ausgleich vom Alltag, doch keine bezahlte Rechnung nach den Jahren der vielen Entbehrungen.

Lachen in Gruppen, aufgesetzt, zwischendrängelnd, laut, niveaulos und immer wieder neu. Ein gewechseltes Wort, zwei gewechselte Augenblicke, drei fruchtlose Versuche, ein ernsthaftes Gespräch in der halbseidenen Atmosphäre der Urlaubsglückseligkeit zu beginnen.

Schon wieder eine neue Gemeinsamkeit, die sich wortlos dazugesellt. Zu zweit sind sie unschlagbar, auch wenn sie mit einander schweigen, bis ihnen nichts mehr dazu einfällt. Der Paarlauf des Lebens, alt erprobt und jung bespöttelt, und doch, was würden sie ohne einander tun?

Sie, Ende fünfzig, Haare gefärbt und kosmetisch erprobt, Brille in Gold, aber dafür kräftig geschminkt, so dass ihre Falten am Mund wie die Gletscherspalten über dem Lippenstift verlaufen. Gute Figur, aber etwas füllig, ein kleiner Bauch macht eben schön, aber beengt den Hosenknopf trotz allem. Er, jugendlich wirkend, aber mit müden Augen, noch keine Brille, aber Vollbart gepflegt, modisch geschmackvoll gekleidet, auch wenn die Socken dabei fehlen. Beide – stellvertretend für so viele – im vorprogrammierten Leben.

Viele der Frauen, allein und in Gruppen, redend, wartend, mit ihren suchenden Augen, traurig trotz allem, vom Leben allein gelassen und nicht immer umsorgt, letzter Versuch in den letzten Jahren, Versuch für ein letztes Miteinander auf der Verzweiflungsspur der permanenten Einsamkeit. Im Roulette der Eitelkeiten angekommen, belauern sie jede als Konkurrentin am Gegenüber der Bar. Lachen trotz allem – auch wenn es schwer fällt, denn es gilt einfach wie immer, den Schein zu wahren.

Wir sitzen zusammen – wie schön – und genießen den Abend. Entspannende Momente nach getaner Arbeit der letzten Monate. Und doch – was bleibt, wenn die Tage vergehen, wenn wieder ein neuer Traum vorbei, zerplatzt wie eine Seifenblase und davongetragen vom Wind, der permanent am Strand zu kräftig weht?

Wir genießen die Zeit, wir verbringen sie mit einander, wir freuen uns auf sie und doch – was werden wir tun, wenn auch diese zu Ende? Werden wir weitermachen wie bisher oder werden wir einen neuen Traum träumen, ein neues Miteinander leben, bis die Realität uns einholt?

Strandkorb und andere Kurzgeschichten

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