Читать книгу Von einer, die auszog, einen Büstenhalter zu stehlen - Anna Milow - Страница 3

Am Anfang …

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… schien die Sonne durch das Blätterdach des alten Süßkirschbaumes. Der Wind bewegte die Blätter leise. Ich liebte dieses Rauschen und die Sekunden des totalen Glücks; die warme Luft und den Wind, der mir kühl das Gesicht streifte. Die Luft roch nach Frühling. Die Natur trug das Giftgrün des Mais und die Blüten um mich herum platzten auf. Mit geschlossenen Augen saß ich in der Hocke auf den Steinen des Eingangs zum Wintergarten und genoss das Leben. In diesen kostbaren Minuten war es mir egal, dass meine Lederhose mir immer ein wenig zu klein war und mein Hemd unter den Armen scheuerte. Dort, wo das Speckpölsterchen meiner kleinen Hand auf den Speck meines Armes traf, verlief eine Rille. Ich beobachtete eine kleine Spinne, die über meine Hand krabbelte und überlegte, wie groß diese Hand-Arm-Schlucht wohl für sie wirkte. Ich lauschte auf das Gebrumm der Hummeln in der weißen Rispenspiere, auf die leisen Töne eines kleinen Flugzeuges über mir und entfernte Stimmen, die aus den Kuppelfenstern vom Haus nebenan an mein Ohr drangen. Es war friedlich.

Dann hörte ich sie. Erst leise, bald immer lauter. Seine Schlüssel. Ich wusste, er trug sie gewöhnlich in seiner rechten Hand und klimperte mit ihnen. Langsam kamen die Schlüssel näher. Jäh war mein Frühlingsglück zu Ende. Mein Herzschlag wurde lauter – mit jedem Schritt, den die Schlüssel herankamen …

Der Geruch nach Diesel, alten Decken und Hund mischte sich mit dem abgestandenen Geruch in der Jagdhütte. Die Tür der Hütte stand sperrangelweit auf und es dauerte eine Weile, bis die Luft im Inneren nach Wald roch. Verstört und unendlich ohnmächtig hatte ich neben ihm gesessen.

Der Landrover war über die Waldwege geruckelt. Es könnte schön hier sein, war es durch meine Gedanken geblitzt. Ich hatte mich an der Schönheit und dem wunderbar holzigen Geruch des Waldes nicht erfreuen können, ich hatte mich auf meine Flucht konzentriert. Innerlich. Ich musste rasch machen, dass ich wegkam. Meine Seele in Sicherheit bringen. Schnell. Geh! Lauf! Mach, dass du wegkommst! Schau' dich nicht nach mir um, wir treffen uns wieder! Sie wollte mich nicht alleine lassen. Konzentration. Verzweifelt scheuchte ich sie weg.

Bald hätte er die Hütte erreicht. An der Oberfläche musste ich kommunikationsfähig bleiben. Er sprach zu mir. Meinen Körper könnte ich nicht retten. Diesmal wieder nicht, resignierte ich, und die unendliche Traurigkeit und Verzweiflung breitete sich wie dichter Nebel in mir aus. Ich war mit ihm allein. Die Hunde hatte er aus dem Auto gelassen. Jagdhunde. Sie liefen hinter dem Auto her. Die Hunde liebten diesen Dauerlauf. Bald würden sie uns wieder eingeholt haben. Ich hasste den Geruch ihres Fells. Er war überall. In der Hütte, an den Decken, auf dieser riesigen Couch. Diese furchtbare Couch!

Fatal, wie der Geruch die Erinnerung zitiert. So alltagsgrausam! Ich will, dass es vorbei ist! Je mehr ich es ausradieren will aus meiner Erinnerung, desto gnadenloser, deutlicher schiebt sie sich in den Vordergrund. Widerlich von ihr, der erbarmungslosen Erinnerung! Ich habe eine Wut! Auf mich und diese Ohnmacht, dieses Ausgeliefertsein!

Von einer, die auszog, einen Büstenhalter zu stehlen

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