Читать книгу fremde Katzen, bekannte Menschen - Anna Zając - Страница 7
5. Kapitel
ОглавлениеGisela bräunte mit ihrem Gatten unter Balis Sonne und wurde währenddessen tatsächlich von ihrem Neffen, Richard, vertreten.
„Brauchen Sie sonst noch etwas?“, fragte er vor verschlossener Tür, denn Calista hatte, genauso eilig wie sie die Papiertüte entgegengenommen hatte, den Mistsack hinausgeworfen und die Durchreiche verschlossen, ohne auch nur einen Blick auf ihn durch den Spion zu verschwenden.
„Nein, danke. Auf Wiedersehen.“
„Auch Ihnen einen schönen Tag“, erwiderte er und ging.
Calista mahlte mit den Zähnen.
Kotzbrocken!
Oh! Sie hasste die Menschen einfach! Dieser Unterton der mitschwang! So eine Verrückte, war nicht ganz dicht, etc., etc.! Das dachte er gewiss!
Gisela hatte ihm sicherlich erzählt, dass sie, seitdem sie eingezogen war, die Wohnung nicht mehr verlassen hatte. Klang sicher für die meisten nicht koscher.
Zweieinhalb Wochen noch. Dann erst wäre Gisela wieder da.
Was für ein Albtraum!
Sie hatte sich hierher zurückgezogen um von den Menschen Ruhe zu haben und jetzt ging ihr der Kerl schon beim ersten Aufeinandertreffen sowas von auf die Nerven!
Aber da sie nicht selbst einkaufen gehen wollte, musste sie ihn wohl für diese Zeit ertragen, das kleinere statt dem größeren Übel dulden.
Die nächsten Begegnungen verliefen ähnlich kurz und frostig.
Jedes Mal fühlte sich Calista durch ihn erheblich in ihrem inneren Frieden gestört.
Aber nicht mehr lange, tröstete sie sich.
Eines Tages kam er nicht wie vereinbart.
War doch klar, dass auf ihn kein Verlass war. Arsch.
Noch hatte sie genug Vorräte, um der Bestellung nicht nachzutrauern, die sie aufgegeben hatte. Aber wenn er sie bis Giselas Rückkehr weiterhin so vernachlässigte?
Grollend begann sie zu lesen und schlief dabei ein.
Cashmere hatte sich quer über ihre Brust gelegt und schlief ebenfalls. Als es klopfte, riss es ihn dermaßen, dass er, unter vollem Einsatz seiner Krallen, von Calistas Brust wegschnellte.
Calista, derart geweckt, schrie auf und fuhr sich über die brennenden, zu bluten beginnenden Kratzer am Dekolleté.
„Cashmere!“, rief sie anklagend, aber sie wusste, dass er nur erschrocken gewesen war und konnte ihm nicht wirklich böse sein. Im Gegensatz zu demjenigen der nun zu so später Stunde, es war schon finster, hier herumhämmerte!
„Wer ist da!“
„Richard! Sorry - ich musste Überstunden machen. Habe ich Sie geweckt?“
Oh, er hatte sie also doch nicht vergessen. Na ja. Die Geschichte konnte stimmen oder auch nicht.
„Ja. Aber macht nichts. Danke, dass sie trotzdem noch gekommen sind.“
Sie entriegelte die Durchreiche.
„Darf ich Sie etwas fragen?“
„Hm?“, brummte sie unwillig. Sie konnte sich schon vorstellen, was nun kam.
„Warum verstecken Sie sich hier eigentlich? Gisela erzählte mir, Sie seien schon seit acht Monaten, oder so, nicht mehr draußen gewesen. Wollen Sie denn nicht wissen, was sich so tut? Was geschieht? Sich unter Leute mischen? Kaffee mit Freundinnen ...“
„Wozu? Hat sich seit den letzten tausend Jahren etwas Grundlegendes geändert? Ich bin gerne alleine“, antwortete sie mürrisch.
„Geht Ihnen die Gesellschaft anderer denn gar nicht ab?“
„Nein. Ich gehe ihr gerne aus dem Weg, der Gesellschaft. Ich bin gerne alleine, ich unterhalte mich nicht gerne mit Menschen, ich sehe sie nicht gerne und ich kann sie auch nicht leiden, die Menschen. Ich fühle mich wohl, wenn ich alleine bin und schlecht, wenn ich unter Menschen bin. Betrachten Sie mich als nicht extreme Misanthropin.“
„Nun, mit Gisela plaudern Sie doch auch.“
„Jeden zweiten Tag. Und obwohl sie eine wirklich nette Person ist, ist mir das schon fast zu viel. Verstehen Sie, was ich Ihnen damit sagen will?“
Richard zupfte sich am Ohrläppchen. „Direkter geht es wohl kaum. Guten Abend.“
„Danke für die Sachen und gleichfalls - guten Abend.“
Was ging es ihn denn an, warum und wieso sie hier und alleine lebte? Horchte sie ihn etwa über sein Privatleben aus? Wütend hatte er sie gemacht, gezwungen, Antworten zu geben! Sie hasste es gezwungen zu werden! Sich rechtfertigen zu müssen. Aber sie wollte nicht unfreundlich zu ihm sein. Einerseits weil dies nicht in ihrer Natur lag, andererseits, weil er so nett war, Giselas Job zu übernehmen und sie ihn, was weit mehr zutraf, brauchte.
Aber er hatte sie dazu gebracht etwas zu tun was sie nicht wollte und das ärgerte sie maßlos!
„Komm Cashmere“, seufzte sie und hob den Kater hoch, der ihre Knie umschmeichelte. „Alle sind sie so lästig! Warum kann man mich nicht in Frieden lassen?“
Bei ihrer Familie, bestehend aus einer alten Tante, einem Bruder und einem Cousin x-ten Grades, hatte sie sich verabschiedet und erzählt, sie würde auswandern. Ein köstliches Gefühl war es gewesen, als sie den letzten Anruf erledigt hatte, die versprochenen Briefe und Anrufe wurden nie getätigt. Sie hatte sich losgesagt, war untergetaucht, war anonym geworden. Niemand würde ihr je wieder auf den Nerv gehen, obwohl - ja, im Prinzip ging ihr keiner von ihnen auf die Nerven. Aber sie wollte alleine sein, die Einsamkeit genießen. Dazu konnte sie niemanden brauchen.
„Was soll das denn“, wunderte sie sich, als sie eine Rose im Einkaufssack fand, ein Zettel auf die Dornen gespickt:
Tut mir leid, hoffe, Ihnen ist einstweilen nichts Wichtiges abgegangen, musste länger arbeiten. Richard.
Vermutlich hatte er vorgehabt den Einkaufssack einfach abzustellen, sich dann aber anders entschieden.
Sie steckte die Rose in eine Vase und stellte sie auf den Kaminsims. Doch nur, weil sie es nicht übers Herz brachte sie wegzuwerfen.
Dass sie sich nun für etwas aus Anstand bedanken musste das sie weder gewollt noch verlangt hatte - das brachte sie zum Kochen!
Aber Gisela war das nächste Mal wieder da und das Leben in trauter Zweisamkeit mit Cashmere ließ Calista behaglich der Zukunft entgegensehen, ohne die Unannehmlichkeit einer Danksagung hinter sich bringen zu müssen.