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Kapitel 2: 1950 – 1958
ОглавлениеAnfang 1950 begegneten sich Mama und Papa an einer Party in Bern. Beide waren von entfernten Bekannten eingeladen worden und fühlten sich etwas fremd unter den Gästen. So kam es, dass sie den Abend fast ausschliesslich im Gespräch miteinander verbrachten. Mama war eine sehr schöne und gebildete junge Frau mit einwandfreien Umgangsformen geworden und Papa ein flotter, grossgewachsener junger Mann aus bestem Elternhaus und mit glänzenden beruflichen Aussichten. Beide verkörperten in den Augen des andern im Grunde ein Ideal. Kein Wunder, dass sie sich wieder verabredeten und ungefähr ein Jahr nach ihrem ersten Zusammentreffen die Hochzeitsglocken läuteten. Beide waren zu diesem Zeitpunkt 28 Jahre alt. Das junge Ehepaar beschloss vorerst in Genf zu leben. Bei ihrer Heirat kannten sich meine Eltern nicht wirklich gut, doch die ersten Ehemonate verliefen recht harmonisch und enthusiastisch. Elisabeth und Pius Papa genossen das gesellige Leben. Es entsprach recht genau den Mamas Vorstellungen vom sorgenfreien Alltag eines gut situierten Paares. Das Glück war rundum komplett als Mama von der Frauenärztin die Bestätigung erhielt, dass sie schwanger war. Im Juni 1953 kam mein Bruder Joseph zur Welt. Die Geburt des ersten Sohnes erfüllte die jungen Eltern mit Stolz.
Da sie für das Wochenbett und die ersten Monate eine Kinderfrau engagiert hatten, konnten sie das Leben weitgehend wie gewohnt weiterführen. Im Alter von 6 Monaten bekam Joseph plötzlich hohes Fieber. Zuerst sah es nur nach einer Erkältung oder Grippe aus. Doch das Fieber stieg und war auch im Kinderspital nicht zu Sinken zu bewegen. Joseph starb genau sechs Tage vor Heiligabend 1953. Die Diagnose lautete damals „Lungenentzündung“.
Josephs Tod stürzte Mama in abgrundtiefe Verzweiflung, der sie Luft zu machen versuchte, indem sie einmal Papa die Schuld an Josephs Tod gab um gleich darauf der Kinderfrau vorzuwerfen, sie habe das Baby umgebracht. Weder ihre Mutter, noch ihre Schwestern oder Freunde konnten Elisabeth trösten. Dass auch ihr Mann trauerte, nahm sie nicht wahr.
Bis dahin war alles nach Wunsch verlaufen, die Heirat mit einem gebildeten und gut verdienenden Mann, die Geburt eines Sohnes, die tolle Wohnung mit Kinderfrau und Haushalthilfe. Mama war in keinster Weise auf diese tragische Wendung des nahezu perfekten Leben vorbereitet und fiel in ein endlos tief scheinendes, dunkles Loch.
Trotzdem wurde sie im Jahr darauf wieder schwanger. Verständlicherweise schwankte sie zwischen himmelhoch jauchzender Freude und tiefer Angst. Im Februar schenkte sie einem, wie es schien, gesunden Buben das Leben. Das Leben schien es wieder gut zu meinen mit meinen Eltern.
Obwohl sich Mama mehrheitlich selber um den kleinen Stéphane kümmerte, kränkelte er dauernd. Ob dies bereits Anzeichen seiner Krankheit waren oder aus der wahrscheinlich übertriebenen Fürsorge und den rigiden Hygienevorstellungen meiner Mutter resultierte, sei dahin gestellt. Jedenfalls waren meine Eltern in stetiger Sorge um Stéphane.
Mama begann darunter zu leiden, nicht mehr so ausgiebig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, gleichzeitig trat ihre Trauer um Joseph wieder in den Vordergrund. Meinem Papa halfen wohl seine Auseinandersetzung mit philosophischen und spirituellen Fragen und die Freude an seinem kleinen Sohn diesen einschneidenden Verlust besser zu verarbeiten. Dennoch, an ein normales Eheleben war nicht zu denken