Читать книгу Greta Garbööchen und Oma Liesl - zwei mit Herz und Verstand! - Anne Heesen - Страница 9

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‚Wie du mir, so ich dir‘ oder ‚Was du nicht willst, dass man dir tu´, dass füg´ auch keinem andern zu‘

Wütend knallte Greta die Wohnungstür hinter sich zu. Ihre Schultasche flog in die nächstbeste Ecke, die Jacke landete ebenfalls auf dem Boden. Die Schuhe streifte sie sich noch hastig von den Füßen, dann lief sie in die Küche. Oma Liesl las gerade ihre Zeitung und frühstückte.

„Stell´ dir vor, was mir passiert ist!“, keuchte Greta und ließ sich mit viel Schwung auf den hölzernen Küchenschemel fallen, der daraufhin bedenklich knarrte.

„Es ist echt empööörend!“ Sie haute kräftig mit der Faust auf den Tisch. Oma Liesls Kaffeetasse schepperte entrüstet.

„So, so mein Kind“, entgegnete Gretas Großmutter ungerührt und biss ein kleines Stück von ihrem Käsebrötchen ab. „Dann erzähl´ mir mal was so fürchterlich empörend ist“, forderte sie Greta kauend auf.

„Oma Liesl, stell dir vor: Die Ira war so gemein zu mir, – ja wirklich!“ Greta kam vor lauter Aufregung ins Stottern. „In der großen Pause habe ich mir am Bäckerstand auf dem Schulhof ein Stück Streuselkuchen gekauft. Plötzlich kamen Ira und ihre neue Freundin Kirsten auf mich zu. Du weißt, Oma, eigentlich ist Ira ja meine beste Schulfreundin.“

Greta holte tief Luft, bevor sie aufgebracht weitersprach. „Gerade, als ich ein Stück abbeißen wollte, fielen mir ein paar Streusel auf den Boden. Und weißt du was? Die beiden lachten mich einfach aus. Kannst du dir das vorstellen? Bloß, weil mir ein paar Streusel heruntergefallen sind!“

Greta blickte ihre Großmutter provozierend an. „Kennst du vielleicht jemanden, dem beim Streuselkuchenessen niemals Streusel auf den Boden gefallen sind? – Na?“

Oma Liesl schüttelte heftig den Kopf. Nein, sie kannte wahrhaftig auch niemanden. Ihr kleiner Dutt auf dem Kopf wackelte zustimmend.

„Siehst du, sag´ ich ja! Weißt du, was diese beiden Dödels dann zu mir sagten?“ Oma Liesl kaute weiter ihr Brötchen, dabei fielen kleine Brotkrumen auf den Teller.

„Sie verspotteten mich und sagten, ich… ich … ich könne ja nicht einmal vernünftig essen!“ Tränen vor Wut, Frust und Empörung schossen in Gretas Augen. Schluchzend warf sie den Kopf auf den Tisch und legte ihre Arme darüber.

Oma Liesl hörte auf zu kauen und schaute besorgt zu ihrer Enkelin herüber. „Das ist entschieden unfreundlich von den beiden gewesen! Was hast du ihnen geantwortet?“, fragte die Großmutter voller Mitgefühl.

Schniefend hob Greta ihren Kopf. „Keine Ahnung, was ich sagen sollte. Ich habe Ira angeguckt und gesehen, wie sie mich abfällig musterte. Dann ist sie mit Kirsten einfach weggegangen und hat mich stehengelassen. Einfach so!“

Abermals jaulte Greta auf und stampfte wütend mit dem Fuß auf den Boden, dass der Tisch nur so wackelte.

„Und, was willst du nun unternehmen?“, erkundigte sich die Großmutter interessiert, während sie sich den Mund mit ihrer weißen Stoffserviette abputzte.

„Oh, die Ira soll bereuen, dass sie mich so gemein behandelt hat. Rache ist Blutwurst, so geht man nicht mit Greta Garböööchen um!“ An der Länge der ös ließ sich ihre Stimmung ableiten.

Greta sprang auf und mit hochrotem Gesicht reckte sie eine Faust in die Höhe, bereit, es allen zu zeigen.

„So so!“, entgegnete Oma Liesl ungerührt und stand auf, um den Tisch abzuräumen. Greta hingegen lief wie ein aufgebrachter Tiger im Käfig auf und ab. Sie überlegte… und überlegte… und überlegte.

Plötzlich hielt sie inne. Ihr Gesicht bekam auf einmal einen tückischen, wenn nicht sogar einen hinterhältigen Ausdruck.

„Haha!“ Frech grinsend schlug Greta erneut mit der Faust auf den Tisch. Beunruhigt schaute Oma Liesl in das aufgebrachte Gesicht. War das ihre sonst so liebe, wissbegierige Enkelin?

„So wirds gemacht!“ Greta nickte heftig und stampfte nochmals mit dem Fuß auf. „Ich kenne ein paar Jungs aus meiner Clique. Denen werde ich die Geschichte mal erzählen und sie auffordern, Ira morgen auf dem Nachhauseweg zu verkloppen. Dann wird sie ihr blaues Wunder erleben und sehen, wer hier die Stärkere ist!“

Ein bisschen wirkte Greta in diesem Moment auf Oma Liesl wie ‚Rumpelstilzchen‘.

„Und dann?“, forschte ihre Großmutter unerbittlich nach, während sie das schmutzige Geschirr in die Spüle stellte.

„Was soll denn dann sein?“, fragte Greta schroff zurück. Oma Liesl schien ihren genialen Plan in keiner Weise zu begreifen.

„Ich meine: Was passiert, nachdem deine Freunde die Ira verhauen haben?“ Die Großmutter runzelte ihre Stirn.

„Tja, dann… dann…“, stotterte Greta, „…dann weiß ich auch nicht!“, vollendete sie trotzig ihren Satz.

Greta wurde unsicher und kam ins Schwanken. Was meinte die Oma Liesl mit ihrer Fragerei? Ihr schwante Böses.

Die Großmutter setzte sich auf ihren Stuhl und musterte Greta mit einem forschenden Blick. Währenddessen faltete sie sorgsam die beiden Stoffservietten zusammen, die auf dem Tisch lagen.

„Was ich mich frage, ist lediglich, ob du dein Vorhaben zu Ende gedacht hast? Welche Konsequenzen, welche Folgen wird dein Plan haben?“ Die alte Dame betrachtete ihre Enkelin erwartungsvoll.

Greta aber wurde plötzlich heiß und kalt. Wo und wie die Jungs Ira bedrohlich umringen würden, das war ihr bis zu diesem Moment glasklar gewesen. Doch jetzt? Kein Zweifel, erkannte Greta bestürzt: Die Folgen hatte sie in ihrem Zorn tatsächlich nicht im Entferntesten bedacht!

„Mir fällt zu deinem Plan eine passende Lebensweisheit ein“, sagte Oma Liesl. „Willst du sie hören?“ Ohne allerdings eine Antwort abzuwarten, sprach sie weiter. „Sie heißt: ‚Was du nicht willst, dass man dir tu´, das füge auch keinem anderen zu‘!“

Eindringlich schaute die Großmutter in Gretas blass gewordenes Gesicht. Ihre dunklen Augen hinter den runden Brillengläsern funkelten streng.

Greta schwieg betroffen. Unangenehme Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Zum einen spürte sie, dass ihr Plan wohl keine gute Idee gewesen war. Greta war klug; sie konnte sich jetzt, wo sie sich beruhigt hatte, nur zu gut die Auswirkungen ihres Vorhabens vorstellen. Klar wie Kloßbrühe: Umgekehrt hätte sie auf gar keinen Fall in Iras Lage stecken wollen!

Ihre Freundin wäre chancenlos gewesen, vielleicht sogar verletzt worden. Oder noch schlimmer, dachte sie mit schlechtem Gewissen: Ira hätte in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen.

Bei diesem Gedanken wurde es Greta übel. Sie hasste Krankenhäuser wie die Pest!

Wie oft hatte sie das Hospital in ihrer Stadt schon aufsuchen müssen. Von der Behandlung ihrer zahlreichen Schürf- und Platzwunden abgesehen, zog sie sich zuletzt ein Loch im Kopf zu, weil sie auf eine Mauerkante geknallt war; davor musste sie ebenfalls ins Krankenhaus, weil sie sich bei einem Sturz vom Reck das rechte Handgelenk gebrochen hatte.

Greta schüttelte sich heftig bei der Erinnerung an Spritzen, Blutabnahmen und die grässlichen Pflaster. Gott, tat das immer weh, wenn diese verflixten Klebedinger wieder von der Haut abgerissen wurden - brrr!

Sie überlegte eine Weile hin und her, dann fasste Greta für sich einen Entschluss: Ira war ab heute nicht mehr ihre beste Freundin, soviel Selbstachtung musste sein; darüber hinaus wollte sie keinem Menschen mehr Dinge antun, die sie für sich selbst verabscheute!

Spontan nahm Greta ihre überraschte Großmutter in den Arm und drückte sie innig. „Ich danke dir!“, flüsterte sie Oma Liesl leise ins Ohr.

Dann schniefte Greta einmal kurz auf, zog ihre Schuhe wieder an und rannte durch die offene Küchentür in den Garten hinaus zur Schaukel. Ein bisschen Luft und Bewegung würde ihr jetzt nach der mächtigen Aufregung guttun!

Zufrieden schaukelnd blickte Greta gedankenvoll einigen vorüberziehenden Wolken am Himmel nach. Den einleuchtenden Spruch von Oma Liesl wollte sie sich für die Zukunft hinter die Ohren schreiben.

Und vor allen Dingen, so überlegte sie: Ihre spontanen Ideen musste sie zukünftig besser überprüfen und dann noch bis zum Ende denken – wegen der möglichen Konsequenzen nämlich!

Greta Garbööchen und Oma Liesl - zwei mit Herz und Verstand!

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