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Kapitel 3 Besprechung, Vorgehensweise

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Im Besprechungsraum des Rathauses standen schon Karla und der Bürgermeister und unterhielten sich. Ich hörte, dass die beiden sich duzten. Anscheinend kannten sie sich auch privat.

Nachdem wir unsere Eindrücke von Haus und Hof noch einmal hatten Revue passieren lassen, fragten wir den Bürgermeister, wer sich um die Beerdigung gekümmert habe und wer das Grab pflege? Der Bürgermeister gab zurück: „Ich habe mich um die Beerdigung gekümmert. Ich hatte zu jenem Zeitpunkt keinen wirklichen Ansprechpartner. Um das Grab kümmert sich Karla.“

Der Bürgermeister wandte sich nun den Unterlagen zu, die er die ganze Zeit in einem Ablagekorb unter dem Arm getragen hatte und die jetzt vor ihm lagen. Im Groben habe er alles sortiert und das Wichtigste dabei. Auf die Frage, woher er diese Unterlagen habe, antwortete er, der jüngste Bruder meines Vaters habe ihm diese übergeben. Ich dachte für mich, diesen Onkel muss ich anrufen, um ihn zu fragen, ob und wenn ja, wann er im Haus gewesen war.

Einiges konnte der Bürgermeister kraft seines Amtes erledigen, klären und kündigen. Es bestand auch ein Konto, das als Erbenkonto weiterlaufen würde, denn es gab noch diverse Kontobewegungen.

Der Bürgermeister sah zu Karla und rief schon fast erfreut: „Karla, du könntest doch alles an dich nehmen.“ Bevor ich meinen Einwand geben konnte, winkte Karla ab, sie habe ja das Erbe ausgeschlagen.

Daraufhin erklärte Gerd dem Bürgermeister, dass dieser verpflichtet sei, sämtliche Unterlagen dem Amtsgericht zu übergeben. „Ja, Sie haben recht“, erwiderte er erleichtert, „dies werde ich nächste Woche erledigen.“

Nachdem wir das Notwendigste besprochen hatten, bot der Bürgermeister an, auch weiterhin zu helfen. Wir verabschiedeten uns. Draußen wiederholte Karla noch einmal, dass es doch ein Testament geben müsste. Bevor ich etwas erwidern konnte, ergänzte sie: „Schließlich hat sich mein Vater (der älteste Bruder meines Vaters) mehr um Alois gekümmert als manch anderer.“ (Was, wie sich später herausstellen würde, nicht ganz der Wahrheit entsprach.)

„Ach Karla, wenn wir schon einmal hier sind, könnten wir doch deinen Vater, meinen Onkel, besuchen. Wir haben jetzt nichts weiter vor.“ Ich kannte die Antwort fast schon, doch ich wollte Karla testen. „Ach nein, das ist im Moment ungünstig. Meinem Vater geht es nicht so gut. Ein Besuch würde ihn sehr anstrengen.“ Auf meine Frage, was ihm fehle, kam der wohlbekannte Wegschaublick und die Aussage na, er habe es momentan mit dem Kreislauf. Seit Mutter im Altenheim sei, fehle ihm die Regelmäßigkeit.

Von dem Impuls, trotzdem zu dem zwei Minuten entfernten Onkel zu laufen, hielt mich Gerd ab. „Ach komm, lass es“, meinte er, „fahren wir nach Hause.“

Im Auto ließ ich meinen Eindrücken über Karla freien Lauf. „Die dumme Nuss! Zum einen finde ich es unhöflich, einem bei einem Gespräch nie ins Gesicht zu schauen, zum anderen wäre es wirklich höflich gewesen, uns zum Kaffee einzuladen, denn wir haben noch über 100 Kilometer zu fahren. Früher fühlte ich mich schon fast geschmeichelt, wenn Leute uns beide verwechselt haben wegen der Ähnlichkeit. Doch heute kann ich guten Gewissens behaupten, weder innerlich noch äußerlich irgendeine Ähnlichkeit festzustellen.“

Gerd ließ mich an seinen vielen Bedenken das Anwesen betreffend teilhaben. „Äh, willst du dir das wirklich antun? Oder willst du Bäuerin werden? Na, Frühaufsteherin bist du ja, dann kannst du die Kühe melken und ausmisten“, feixte er. Er kaufe mir auch Gummistiefel.

Bei einer Tasse Kaffee setzten wir uns und ich erzählte.

Rückblick

Meine Eltern hatten nie ein Auto und auch keinen Führerschein besessen. Mein Vater hatte ein kleines Moped, mit dem er nur Kurzstrecken fuhr: entweder zum Einkaufen oder zu seiner Stammkneipe im gleichen Ort. Wollten wir zu Tante Trudel nach Teppach, waren wir auf die Brüder meines Vaters angewiesen, denn eine Busverbindung gab es nicht.

Ich bin gerne bei Tante Trudel gewesen. Bevor das alte Haus abgerissen worden war und ein größeres gebaut wurde, gab es – so erinnere ich mich – eine gemütliche Wohnküche, wo auch der Universalherd stand, den es später, wie bereits erwähnt, immer noch gab. Mit diesem wurde geheizt und gekocht. Holz hatten sie genug aus dem eigenen Wald. Damals, in den 60ern, wohnten auch der Schwager und die Schwägerin mit im Haus. Beide ledig. Zum Charakter der beiden konnte ich wenig sagen.

Tante Kuni trug immer eine Kittelschürze und hatte einen Kropf. Ihre Stimme war deshalb kratzend und es war anstrengend für sie, zu sprechen. Onkel Bertram trug stets Cordhosen und eine Weste. Darunter ein kariertes Hemd. Immer! Kuni war quasi die Hauserin, was ich nicht ganz nachvollziehen konnte, denn unter Ordnung und Sauberkeit verstand ich etwas anderes.

Onkel Bertram war anscheinend der Ersatzvater für Alois, jedoch nicht der Ersatzmann für Tante Trudel.

Wieder einmal waren wir zur Erntezeit in Teppach. Fünf Brüder, die in der Nähe wohnten, halfen fleißig mit. Der sechste Bruder wohnte damals schon in der Nähe von Stuttgart. Manchmal war auch mein Großvater dabei und verrichtete leichtere Arbeiten.

Ich liebte es, alles zu erkunden. Ich half meiner Tante, mit der Schubkarre Heu und Stroh von der Scheune zu den Kühen zu schaffen. Irgendwie hatte ich aber das Bedürfnis, im Haus für Sauberkeit zu sorgen. Meine Tante Trudel, die damals schon verhärmt und abgearbeitet aussah, bekam einen wohlwollenden Gesichtsausdruck und wollte zuerst dankend ablehnen. Doch durch meine Frage, wo Besen, Eimer und Putzmittel zu finden seien, merkte sie, dass ich nicht lockerlassen würde. So zeigte sie mir, wo alles zu finden war.

Ich begann mit der Milchküche, machte in Bad und Küche weiter und merkte nicht, wie schnell die Zeit verging. Später, als ich das Wohnzimmer betrat, lag Alois ganz gemütlich mit einem Kreuzworträtsel auf der Couch. „Äh, Alois, brauchen die Helfer dich nicht bei der Ernte?“, fragte ich. Gelassen sah er mich an und meinte, dass noch Zeit sei, bis er die Ernte holen könne. Aha, und abgesehen davon – ein Blick zur Uhr – dachte ich ans Kühe melken. Als ob er meine Gedanken hätte lesen können, stand er ohne Eile auf, nahm sein Transistorradio und schlenderte Richtung Kuhstall. Mmh, Musik beim Melken. Hatte ich bei unseren Nachbarn noch nicht gesehen oder gehört. Zurück in der Wohnküche empfing mich Tante Trudel mit einem freudigen Lächeln, kam auf mich zu und nahm meine Hände. „Ach Anne, so sauber war es bei uns noch nie.“ Täuschte ich mich oder hatte sie Tränen in den Augen? Ihre rauen und abgearbeiteten Hände drückten meine ganz fest, bis ich sie zögerlich wieder zurückzog: „Ach Tante Trudel, das habe ich doch gerne gemacht.“

Als die Brüder fertig waren mit der Ernte, gab es noch eine deftige Brotzeit, bevor wir wieder nach Hause fuhren.

Wann der Abriss des alten Hauses und der Neubau besprochen worden war, hatte ich nicht mitbekommen. Ich konnte mich erinnern, dass mein Vater Ende der 60er-Jahre mehrere Wochen, an Wochenenden, in Teppach gewesen war, um beim Neubau zu helfen. Anscheinend gab es keine Probleme oder Disharmonien. Na, mein Vater, den ich sehr geliebt habe, war kein Mann vieler Worte. Wir zwei verstanden uns auch so.

Meiner Mutter gefiel es nicht, dass er jedes Wochenende nach Teppach fuhr. Unser großer Gemüsegarten müsse auch gepflegt werden. Auch das Holz für die kommende kalte Jahreszeit säge und hacke sich nicht von selbst. Mein drei Jahre älterer Bruder hatte bei diesen Andeutungen taube Ohren und für solche Arbeiten linke Hände. Er spielte lieber Fußball.

Meine Mutter war Schneiderin und verdiente sich ein Zubrot, indem sie für Bekannte und Nachbarn schneiderte. Sogar Brautkleider hatte sie in ihrem Programm, was ich bewunderte. Damals hatte sie nur eine mechanische Pfaff-Nähmaschine. Leider hat sie mir ihr Talent nicht vererbt.

Erbengemeinschaften sind nichts für Weicheier

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