Читать книгу Marmel Klebowski & das Geheimnis des Schrumpfkopfes - Anneke Freytag - Страница 6

Die Burg Leafburgh

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Ein ungewohntes Geräusch weckte Marmel auf. Zwischen Sattels rhythmisches Stampfen, Zweistiefels Ächzen und Armins Schnaufen mischte sich ein lautes Rauschen. Marmel hob verschlafen den Kopf. Sie saß auf Sattel und scheinbar umgab sie nur Luft. Die Luft fühlte sich an wie zwei Flügel, die Marmel umhüllten. Dieses Gefühl erstaunte sie nicht. Auf der langen Reise war sie nur wegen der festen Luft nicht aus dem Sattel gefallen. Das neue Geräusch war bemerkenswerter. Ein großer Wasserfall verursachte es. Das Wasser sprudelte aus einem Loch in einer dicken Steinmauer. Die Mauer war Teil einer Burgruine vor ihnen. Das verfallene Gemäuer stand auf einem grasbewachsenen Hügel, hier und dort ragte schroffer Fels aus dem grünen Teppich, wie eine Insel lag der Hügel inmitten eines dichten Waldes.

»Sind wir wieder falsch abgebogen?«, gähnte Marmel.

Vor ihr kraxelte Zweistiefel auf einem gewundenen Trampelpfad den Hügel empor, der Sattel schwebte lahm wie ein sturer Esel hinterher. Zweistiefel zerrte an den Zügeln und griff hektisch nach dem Schild, der ihm fast entglitt. Er grunzte etwas unter dem goldenen Schild, aber Marmel konnte nicht erraten, was ihr Zweistiefel sagen wollte.

Der Ritter schnaufte und pfiff bei jedem Atemzug, doch er redete deutlicher als sein Knappe.

»Hoho, Sie ist kaum wach und scherzt schon. Wie wäre es möglich nun falsch abzubiegen? Wir sind angekommen, beim Heim des Schamanen!« Armin vom Schwalbenacker deutete schwungvoll auf die Mauerreste, sein Bauch wackelte unter der Rüstung. »Nun beeile Er sich, Zweistiefel. Er sollte nicht rasten, so kurz vor dem Ziel!«

Unter dem goldenen Schild drang wieder Grunzen und auch missmutiges Brummen hervor. Marmel zog erstaunt die Stupsnase kraus. Ein Schamanenhaus hatte sie sich anders vorgestellt. Wie ein Indianerzelt, wie eine Lehmhütte mit Strohdach oder wie ein Baumhaus. Nicht wie eine Burg, in der niemand wohnen konnte, weil die meisten Mauern eingefallen waren. Vielleicht war der Schamane ein Geist? Marmel lächelte schwach. Wenn sie nicht so müde wäre, dann hätte sie begeistert gegrinst. Ungeduldig rutschte sie hin und her. Am liebsten wäre sie vom Sattel gesprungen und schnell zur Ruine gelaufen. Aber der Sattel schwebte zu hoch über dem Boden, höher als sie selbst groß war.

Armin vom Schwalbenacker durchschritt bereits den Torbogen, der aus nur einer Säule und einem halben Bogen bestand. Mitten im Burghof sah Marmel ein weißes Zelt, vier Eisenspitzen ragten an jeder Ecke aus den Zeltwänden. An den vier Spitzen flatterten gelbe Fähnchen. Auch aus dem Zeltdach guckte eine Eisenspitze. An ihr hing ein großer Wimpel, der mit einem Wappen geschmückt war. Das Wappen zeigte ein grünes Blatt, das Steine auf einen blauen Lindwurm warf. Marmel hatte ein ähnliches Zelt in einem Buch über Adelsleute gesehen. Hier musste ein König wohnen. Jetzt war sich Marmel ganz sicher, der Ritter hatte wieder den falschen Weg eingeschlagen. Schon seit mehreren Tagen waren sie auf Wanderschaft. Marmel fühlte sich, als hätte sie halb Jagomus bereist. Herr Armin vom Schwalbenacker und Zweistiefel behaupteten, sie hätte nicht einmal einen Krümel der Hälfte gesehen. Wenn das Drachengebirge, die drei Dörfer, die Stadt, der See und die Berghänge voller Wälder nur ein Krümel waren, wie groß musste dann der Rest von Jagomus sein? Und wieso kam sie seit vielen Tagen ohne ihre Tabletten aus? Die Zeit schätzte sie nur, aber die Zeit fühlte sich wie neun Tage an.

Marmel brannten viele Fragen auf der Zunge. Seit sie aufgebrochen waren, sprachen ihre seltsamen Begleiter wirklich wenig. Der Ritter behauptete, sie müssten ihre Kräfte sparen und Marmel sollte weniger quasseln. Heute waren Armin und Zweistiefel außergewöhnlich gesprächig. Armin vom Schwalbenacker zog die Zeltplane beiseite.

»Trete ein, junge Marmel.« Statt Marmel, stolperte Zweistiefel ins Zelt. Er ruckte und riss an den Zügeln bis Sattel hinterher flog. Unter Sattel ertönten schlurfende Schritte. Der Ritter zog eine Augenbraue hoch. »Was tut Er da, frecher Bursche? Es gehört sich nicht, einer Dame den Vortritt zu nehmen!«

Zweistiefel schwitzte aus allen Poren, aber nicht weil er sich schämte.

»Wie sollte ich dem Mädchen den Vortritt lassen? Wäre es dir lieber, wenn ich den Sattel von hinten anschiebe, alter Mann?«, japste er.

»Sattel anschieben? Natürlich sollte Er es tun, wenn es nötig ist. Ein edler Held scheut keine Mühen die Schönen und Schwachen höflich zu behandeln.«

Während Zweistiefel und Armin vom Schwalbenacker miteinander zankten, band Marmel ihre Wolldecke um den Sattelknauf. Sie krabbelte an der festen Luft vorbei und kletterte die Decke herunter. Im Zelt sah sie keinen König und keinen Geisterkönig. Auch ein unheimlicher Windhauch blieb aus, es roch nicht einmal nach Geisterglibber. Auf dem Boden lag nur ein schäbiger Teppich. Marmel griff neugierig in die Fransen und hob eine Ecke an, um unter den Perser zu linsen. Gerne hätte sie die ganze Matte hochgezogen, aber Herr Armin vom Schwalbenacker stand auf der Matte. Der Ritter und der Knappe beschimpften sich ausgiebig. Jeder beharrte darauf, dass er im Recht sei. Sie wussten längst nicht mehr, warum sie sich stritten. Armin und Zweistiefel machten sich gegenseitig unzählige Vorwürfe. Es war ein wahrer Wettstreit um die beste Schuldzuweisung und den schlimmsten Fehler, den der andere gemacht hatte. Keiner von ihnen bemerkte, dass Marmel den Teppich anfasste.

Unter dem Teppich sah sie eine morsche Falltür, aus deren Holz eine hässliche Fratze wuchs.

»Was guckst du?! Du kummst hier net rein, Streuselkuchengesicht!«

Marmel stieß einen leisen Schrei aus. Wenn sie nicht so ein zartes Stimmchen gehabt hätte, dann wäre ihr Schrei sehr laut und spitz gewesen. Vor Schreck ließ sie den Teppich fallen. Sie starrte ihn an und kaute auf den Lippen. Die Falltür hatte sie Streuselkuchengesicht genannt, das wollte sie sich nicht gefallen lassen. Marmel hob die Ecke erneut an.

»Du bist ja immer noch da«, sagte das Holzgesicht.

Sie raffte all ihren Mut zusammen und antwortete:

»Natürlich bin ich immer noch hier, ein Streuselkuchen hat schließlich keine Beine. Wohnt hinter der Falltür ein Geisterkönig, du Holzgesicht?«

Dem Maul der Fratze entwich heiseres, abgehacktes Krächzen. Das war ihre Art zu lachen.

»Ein Geisterkönig? So etwas gibt es hier nicht. Der letzte König wurde vor vier Tagen geköpft. Dies ist die Behausung eines Schamanen, und ich bin der Türöffner. Meine Freunde nennen mich Jalbert. Du darfst mich Türöffner nennen. Ich befolge zuverlässig eine Regel: Willst du rein, musst du krank sein.«

Marmels Neugier wuchs von Sekunde zu Sekunde. Sie war der festen Überzeugung, dass sie platzen würde, wenn sie nicht nachsehen durfte, wer sich hinter der Falltür befand. Ein listiges Lächeln huschte über ihr Gesicht.

»Mein Name ist Marmel Klebowski und ich bin sehr krank. Schau her, ich habe die Pocken.«

Mit dem Finger zeigte sie auf ihre Sommersprossen. Aus dem Holzkopf wuchsen Stielaugen und sie begutachteten Marmels Gesicht kritisch.

»Das sind verflixt kleine Pocken. Na gut, man kann ja nie wissen. Komm herein. Aber trete dir vorher die Füße ab.«

Die Stielaugen zogen sich ins Holzgesicht zurück, mit einem Ruck öffnete sich die Holzluke und Armin vom Schwalbenacker stand nicht mehr auf dem Teppich. Er wurde nämlich von der Klappe in die Höhe katapultiert. Der Ritter flog einen guten Meter, aber er landete weich auf seinem Bauch. Die Rüstung dämpfte die Wucht des Aufpralls und knirschte unter Armins Gewicht. Marmel konnte gar nicht so schnell gucken, wie all das passierte.

»Auweia, das tut mir schrecklich leid. Ich wollte nicht, dass die Tür dich umwirft.«

Marmel griff Armin unter die dicken Arme. Während Zweistiefel lachte, bis ihm die Tränen aus den Augen schossen und ihn der Bauch schmerzte. Die Grimasse der Falltür fiel schadenfroh in Zweistiefels Gelächter ein, sie knarzte und krächzte. Mit unendlich viel Mühe half Marmel dem Ritter hoch. Als Armin vom Schwalbenacker, Zweistiefel, Sattel und Marmel die Treppe unterhalb der Luke hinabstiegen, brummelte der Ritter:

»Sie sei nun vorsichtiger, Marmel. Kleine Mädchen sollten nicht mit fremden Holzköpfen sprechen. Das hat schon manch einem Helden das Leben gekostet.«

Marmel nickte verschnupft. Sie hatte nicht geahnt, wie gefährlich Holzköpfe sein konnten. Der Kopf in dieser Falltür lachte immer noch in seiner kratzigen Weise. Er knisterte und brüllte ihr hinterher:

»Ab jetzt darfst du mich Jalbert nennen, Marmel Klebowski!«

Marmels Wangen glühten knallrot. Sie schämte sich, dass sie Jalberts Freundschaft durch des Ritters Unglück gewonnen hatte. In dem dunklen Treppengang konnte niemand sehen, wie rot Marmels Kopf war. Was ihr ganz recht war. Sie klammerte sich an Sattels Zügel und ließ sich von Sattel durch die Finsternis führen. Am Ende des engen Flures schimmerte das Licht vieler Kerzen. Die ausgetretenen Steinstufen führten das Heldenquartett in ein Gewölbe, das von einem Kronleuchter erhellt wurde. Der Raum erinnerte Marmel wieder an ein Bild im Ritterbuch. Er sah aus wie der winzige Festsaal einer Burg. Nur eine Sache passte nicht ins Bild.

Ein verrückt grinsender Mann rannte auf sie zu. Er trug auf der Krempe seines hohen Hutes ein Nest aus Moos und glänzendem Klimperkram. Unter dem Hut lugte eine ordentlich frisierte, blonde Haartolle hervor, die über der Stirn eines langen Pferdegesichts wippte, das frisch und strahlend war. Besonders die Zähne strahlten. Die Gestalt des Grinsenden war hoch und gerade wie ein Lineal. Er war in eine fein bestickte, offene Weste gekleidet. Um seinen Hals baumelten Knochenketten und die Ketten reichten bis zum Bauchnabel. Ein breiter Gürtel um den Bauch hielt einen Federrock zusammen. Darunter schauten lange Beine in Strumpfhosen hervor und Füße in Pantoffeln. Er schüttelte einen schwarz glänzenden Spazierstock, an dessen Spitze ein weißes Haarbüschel hin und her schwang.

»Wie schön, wie schön. Neue Patienten, was? Herzlich willkommen, herzlich willkommen.« Der irre Grinser verharrte dicht vor Armins Nase und seufzte enttäuscht. »Ach, du bist es. Na, was ist es diesmal? Ein Hühnerauge, schwere Beine oder Rückenschmerzen?«

»Jawohl ich bin es! Und ich wüsste nicht, dass ich dich wegen solcherlei albernen Kinkerlitzchen besucht hätte.« Armin vom Schwalbenacker schaute zu Marmel und brummte: »Darf ich Ihr vorstellen? Graf Leopold von Leafburgh.« Er wedelte mit der Hand in Leopolds Richtung. »Glaube dem Kerl kein Wort. Er ist ein unverschämter Fantast. Doch seine Schamanenkünste sind im ganzen Lande bekannt. Was ihm immer den Kopf rettete. Niemand will den verrückten Schamanen-Schädel in seiner Trophäensammlung.« Armin schnaufte ins Gesicht des Grinsenden. »Ich und mein treuer Knappe. Wir begleiteten dies Mädchen zu deiner Burg, weil wir vermuten, dass es krank ist. Ihr Name lautet Marmel Klebowski.«

Der Grinser lüpfte seinen Hut.

»Wie angenehm dich kennenzulernen, Marmel Klebowski.«

Alle schwiegen höflich, um Marmels leises Stimmchen zu hören. In dieser Stille grummelte plötzlich Marmels Magen. Er knurrte den Schamanen an, wie ein hungriger Bär. Bevor Marmel das Magenknurren peinlich sein, und ehe sie etwas sagen konnte, wurde ihr schwarz vor Augen. Der lange Ritt zur Burg war zu anstrengend gewesen. In ihrem Kopf ging es drunter und drüber.

»He, wer hat das Licht ausgemacht?«, fragte der Sehsinn

Die Schaltzentrale brummte verstimmt:

»Rate mal wer das war. Das war Joss, der Wunderknabe zappelt wieder. Dank ihm haben wir einen Kurzschluss. Jetzt lass das endlich sein, Joss. Du bringst alle Synapsen durcheinander.«

»Entschuldigung, ich kann nicht anders. Ich habe Hunger und der Schamane macht mich nervös«, klagte Joss, dessen Nervenzellen gleichzeitig in alle Richtungen lange Signale aussandten, die sich wie ein Gewitter in allen Bereichen des Gehirns entluden.

Graf Leopold von Leafburgh beobachtete interessiert Marmels epileptischen Anfall.

»Wie aufregend. Das Mädchen leidet an Fallsucht. Diese Krankheit kann ich höchst selten behandeln. Armin, achte darauf, dass Marmel sich an keinem Möbelstück stößt und ihre Zunge nicht verschluckt. Mehr können wir im Augenblick nicht tun. Wenn sie aufhört zu zucken, trägst du sie ins Labor. Aber flott. Ich treffe alle Vorbereitungen. Mir ist eine ausgezeichnete Behandlungsmethode gegen Fallsucht bekannt.«

Leopold watschelte quer durch das Gewölbe und verschwand hinter einem roten Wandteppich, der den Eingang des Labors verdeckte. Als Marmels Anfall vorbei war, schlief sie wie beim letzten Mal ein. Der Ritter trug sie besorgt ins Labor. Zweistiefel und Sattel schlichen in einigem Abstand hinterher und drückten sich dann vorm Laboreingang herum. Der Knappe knabberte an seinen Fingernägeln, er brachte nicht den Mut auf ins Labor zu schauen.

»Gut, leg das Mädchen auf die Krankenliege und verlass das Labor. Dann kann die Behandlung beginnen«, sagte der Schamane.

Er trug jetzt weiße Handschuhe, auf einem Tisch neben der Liege lag eine Säge. Armin vom Schwalbenacker beäugte skeptisch die Liege.

»Das soll eine Liege sein? Das Ding sieht aus wie ein großer, zusammengequetschter Bücherhaufen!«

»Ja, sehr wohl. Dies ist eine Liege und sie ist sehr hygienisch. Sie besteht nur aus Büchern, in denen etwas über das Händewaschen steht«, nickte der Schamane.

Armin grunzte unentschlossen, ihm war nicht wohl dabei, Marmel der Obhut des Schamanen zu überlassen. Aber aus dem Grund hatten sie den beschwerlichen Weg auf sich genommen. Er legte Marmel vorsichtig auf die Liege und blickte mit gerunzelter Stirn zu Leopold.

»Wenn du dem kleinen Mädchen schadest, solltest du dich auf ein Donnerwetter gefasst machen.«

Der Ritter verließ das Labor. Als er bei Sattel und Zweistiefel vor dem Wandteppich stand, war er ein wenig erleichtert. Das Labor war ein unangenehmer Ort. Dort gab es in den Regalen eingemachte Organe, Tiere und ganze Gliedmaßen von Menschen. Auf Tischen blubberten grässlich stinkende Flüssigkeiten in seltsam geformten Glasgefäßen. An den Wänden waren scharfe Werkzeuge jeder Größe und Art, vom Beil bis zum feinsten Seziermesser, verstaut. Von der Decke hingen Kräuterbündel, in Fässern lagerten farbige Pülverchen. Von manchem Pulver stiegen Funken auf, oder kleine Windhosen. In Wassergläsern schwammen tödlich giftige Frösche. Der Höhepunkt waren die Schrumpfköpfe auf den Haken des Kleiderständers.

All das verpasste Marmel, weil sie fest schlief. Der Schamane testete, wie tief sie schlief. Er schnitt Grimassen, fuchtelte mit den Händen vor ihrem Gesicht herum und kreischte wie ein Affe. Marmel rührte sich nicht und Leopold war zufrieden. Er griff nach einem Rasiermesser und begann die Behandlung.

Vor dem Labor stiefelte Ritter Armin vom Schwalbenacker unruhig auf und ab. Er verharrte und starrte auf den Teppich, der die Labortür verdeckte.

»Himmel und Hölle. Der alte Knabe kreischt wie ein tollwütiger Affe! Er wird Marmel noch zu Tode erschrecken.«

Der Ritter schnaufte, setzte seine Wanderung durch das Gewölbe fort. Zweistiefel knabberte seine Fingernägel ab und nuschelte:

»Das ist auch eine Methode, Kranke zu heilen. Wenn Marmel tot ist, kann sie nicht mehr fallsüchtig sein.«

Sattel bewegte seine Vorderseite nervös von Ritter zur Teppichtür, zu Zweistiefel und wieder zurück zum Ritter. Durch den Teppich drangen dumpfe Geräusche. Ein leises Kratzen und Plitschern, lautes Ratschen und ein Platschen. Armin vom Schwalbenacker drehte sich abrupt in die Richtung der Geräusche.

»Bei allen Ungeheuern, das klingt, als ob der Verrückte Marmel zerstückelt. Ich muss ihr sofort zu Hilfe eilen!« Er rannte los, aber Zweistiefel versperrte ihm den Weg. »Warte, hast du vergessen, warum wir das Mädchen herbrachten, alter Mann? Du warst es doch selbst, der den Schamanen vorschlug.«

Der Ritter bumste mit seinem Schmerbauch gegen Zweistiefel, der wankte und fast nach hinten durch den Teppich fiel. Armin schob den kurzen Knappen nicht beiseite, obwohl es leicht für ihn gewesen wäre. Er tippte sich an die feiste Backe. »Nun, ich habe es nicht vergessen. Doch erkläre Er sich.«

Zweistiefel blickte zu Armin vom Schwalbenacker hoch. Er öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch. Was sollte er noch erklären? Er deutete mit dem Zeigefinger auf den Ritter. Die Geste war doch ein guter Anfang. Jetzt musste ihm nur der Rest einfallen. Während er nachdachte, endeten die beunruhigenden Geräusche. Im Labor murmelte der Schamane alte Zauberformeln. Er sprach eine lange Reihe fremdartiger Worte, die sich zu einem hypnotischen Singsang steigerten.

Gebannt lauschten der Ritter und der Knappe. Der Gesang lullte sie ein und umgab sie wie eine Wolke Schlafsand.

Zweistiefels ausgestreckter Arm sank langsam herunter, er blinzelte träge.

»Die Erklärung gibt es später. Du wirst sie schon hören, alter Mann«, murmelte er mit schwerer Zunge und machte sich hundemüde vor der Teppichtür lang.

Armin vom Schwalbenacker wischte sich mit der Hand über die Augen. Er wollte den faulen Knappen ermahnen, dass es sich nicht geziemte, jetzt zu schlafen. Aber auch ihm fielen die Augen zu. Der große Kopf des Ritters sackte auf seine breite Brust. Sattel schwebte dicht über dem Boden, er pfiff leise und regelmäßig vor sich hin. Schnarchen, knappes Grunzen und schmatzende Töne hallten durch das Gewölbe.

Als Graf Leopold den Teppich zur Seite schob, waren seine Handschuhe blutig rot. Er sah die schlummernde Heldentruppe und gluckste:

»Aha, es hat gewirkt. Schön, schön, alle schlafen. Eine heiße Tasse Kräutertee wäre jetzt wundervoll.« Umständlich stieg Leopold über Zweistiefel hinweg. »Ich darf nicht vergessen, die Gäste nach dem Tee ins Bettchen zu bringen. Nein, nein«, plapperte er.

Der Schamane wackelte mit geradem Rücken und herausgestrecktem Hinterteil quer durch das Gewölbe und betrat das gegenüberliegende Zimmer. In den Scharnieren dieses Eingangs hing tatsächlich eine Tür. Das Holz der Tür war dick, hart und eisenbeschlagen.

Marmel Klebowski & das Geheimnis des Schrumpfkopfes

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