Читать книгу Nicht ohne meine Hüfte - Annette Frieboes-Esalnik - Страница 7

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Der Termin aber ist noch weit entfernt. Alles geht seinen normalen Gang, der Oktober endet wie immer.

Der Termin liegt weiterhin in großer Ferne.

Der November vergeht, nach Totensonntag stellen wir unsere Weihnachtsdekoration auf. In meinen Gedanken macht sich langsam etwas breit, das meine Vorfreude auf Weihnachten zu trüben beginnt.

Der Termin ist gar nicht mehr so weit entfernt.

Langsam breitet sich dieser Gedanke immer weiter aus und legt sich auf mein Gemüt. Um nicht zu sagen, diese Sache schwebt über mir wie das berühmte Schwert des Damokles. Was sich natürlich auch auf mein Verhalten gegenüber meinen Mitmenschen auswirkt. Denn immer öfter kreisen meine Gedanken um den näher rückenden Termin der OP. Ich muss mich damit auseinandersetzen und dabei lässt meine Konzentration für andere Dinge nach. Ich bin öfter mal ungeduldiger oder auch ungerecht anderen gegenüber. Schließlich bin ich diejenige, die sich unter das Messer legen muss. Können die anderen denn überhaupt nachvollziehen, was das bedeutet? Schließlich spricht mein Mann mich auf meine Gereiztheit an und jetzt muss ich zugeben, dass der Termin für mich allgegenwärtig ist, mein ständiger Begleiter in Gedanken – mein Gott, ich habe unglaubliche Angst davor. Angst vor dem Moment, wo ich im Bett hilflos zur OP geschoben werde. Angst, es könnte etwas bei der Narkose schiefgehen. Angst vor eventuellen Schmerzen nach der OP. Immerhin werde ich aufgeschnitten und ein Teil meines Knochens wird entfernt. Und vor allem hasse ich den Gedanken daran, danach im Bett liegen und abhängig von anderen sein zu müssen. Ich versuche mich zusammenzureißen. Kurz vor Weihnachten erhalte ich Post vom Krankenhaus. Mein Termin wurde auf den 09.01.2013 verlegt – zwei Tage Schonfrist. Am liebsten würde ich das Ganze absagen – oder den Termin noch ein paar Monate nach hinten schieben. Wir feiern ein schönes Weihnachtsfest – doch im Kopfe zähle ich mit: noch zwei Wochen bis zur OP. Trotz allem freue ich mich auf Silvester, meine Schwägerin feiert ihre Hochzeit an diesem Tag und wir verleben ein wirklich tolles Fest. Gutes Essen, guter Wein, ich tanze die Nacht durch, als gäbe es kein Morgen.

Am nächsten Tag kann ich mich kaum rühren, weil die Hüfte schmerzt. Egal, bald gibt es eh eine neue und ich hatte eine tolle Nacht – noch eine Woche…

Es wird Zeit, mir zu überlegen, was ich an Kleidung, Schuhen, Hygieneartikeln und sonstigem brauche. Gekauft habe ich schon etwas, wie Shampoo, Duschgel, Zahnpasta und einen Jogginganzug, Turnschuhe, neue Handtücher. Aber gepackt und vor allem vorher gewaschen werden muss auch noch einiges. Schließlich steht in dem Infoblatt des Krankenhauses, dass ich zwei Koffer brauche, einen kleinen mit den nötigsten Sachen für die Klinik und einen größeren, der im Krankenhaus aufbewahrt wird, für die Reha, die gleich im Anschluss folgen soll.

Heute ist Dienstag, der 08.01.2013. Ich packe meine Koffer. Im Kopf habe ich mir bereits überlegt, was ich alles brauche, aber nun muss es in den Koffer, es wird ernst.

Meine Nachbarin kommt vorbei, um mir alles Gute zu wünschen, danach gehe ich mich von meinen Eltern verabschieden, mit ein paar Tränen in den Augen. Mein Papa schenkt mir einen extra langen Schuhanzieher, damit ich mich nicht bücken muss. Schön, dass er daran gedacht hat.

Abends verleben wir dann den vorerst letzten gemeinsamen Familienabend. Ich sitze mit meinem Mann und meinen beiden Töchtern zusammen auf dem Sofa und wir sehen uns einen Film an. Ich bin froh über die Ablenkung. Irgendwann geht auch diese Zeit vorbei, wir sagen uns gute Nacht und komischerweise habe ich die auch.

Am Morgen verabschiede ich mich von meinen Töchtern, die zur Schule müssen. Wieder fließen Tränen. Ich hab einen riesengroßen Kloß im Hals und mein Brustkorb droht vor Anspannung zu platzen. Es tut weh, jetzt wegzufahren und sie erst „danach” wiederzusehen. Mein Mann verfrachtet die beiden Koffer ins Auto, während ich meinem Kater und meinen beiden Hunden Lebewohl sage. Sie schauen mich an, als wüssten sie, dass wir uns für lange Zeit nicht sehen werden.

Wir kommen gut mit dem Auto voran und erreichen nach zwei Stunden den Eingang der Klinik, pünktlich zum vorgeschriebenen Zeitpunkt. Um mir Mut zu machen, versuche ich es mit Galgenhumor. Die große Rezeption könnte glatt mit der eines Hotels verwechselt werden. Also – mein „Urlaub” kann beginnen. Gleich dort werden mir die Koffer abgenommen und mit meinen persönlichen Daten versehen. Markiert mit ihrem Bestimmungsort – Reha oder Krankenhaus –, verschwinden sie hinter der Rezeption. Ich werde zur nächsten Anmeldung weitergeschickt und von da aus in eines der Patientenaufnahmebüros. Ich bin froh, dass mein Mann mitgekommen ist. Während der Wartezeit bekomme ich immer wieder SMS mit guten Wünschen von Freunden und Verwandten, die an mich denken – gut, dass ich die habe!

Dann werde ich aufgerufen, datentechnisch erfasst und bekomme einen Becher zur Urinabgabe. Ich begebe mich zur Toilette – wo ich leider eben erst war. Unglücklicherweise bekomme ich den Becher trotz aller Anstrengungen nicht einmal ansatzweise voll – also wieder warten. Dann wird mein Name aufgerufen. Eine freundliche Schwester holt mich zum EKG, zum Blutdruckmessen und zur Blutabnahme. Die Sache wird immer ernster. Ich werde immer nervöser. Doch die Hoffnung, wieder besser gehen zu können, lässt mich tapfer weitermachen. Anschließend führt sie mich in einen weiteren Behandlungsraum, in dem kurz darauf eine Narkoseärztin auftaucht.

„Guten Morgen, Frau Frieboes-Esalnik. Wir wollen den Ablauf Ihres morgigen OP-Tages besprechen.” Sie hat eine wahnsinnig angenehme Stimme, die eine beruhigende Wirkung hat. Sie hilft mir, das bevorstehende Gespräch zu überstehen. Ich nicke. Sie fährt fort.

„So, zunächst gehen Sie nach diesem Aufnahmegespräch noch zum Büro für Reha, dann auf Ihr Zimmer, richten sich in aller Ruhe ein. Dann bekommen Sie Ihr Abendbrot und können bis zweiundzwanzig Uhr etwas trinken. Gehen Sie am Abend nochmal schön duschen. Das können Sie in den nächsten zwei Wochen nicht mehr tun. Bitte nicht die Haut eincremen, wir wollen Sie pur haben, ja. Nehmen Sie dann bitte die Beruhigungstablette zu sich, die Ihnen angeboten wird, das ist besser für Ihren ganzen Körper, weniger Stress, ok?” Sie sieht mich immer wieder an und ich nicke. Mir ist schon mulmig zumute, wenn ich jetzt zuhöre, denn es ist ernst und die OP rückt immer näher.

„Die Tablette ist zur Beruhigung, keine Schlaftablette, trotzdem sollten Sie nachts, wenn der Drang Sie treiben sollte, nicht allein zur Toilette gehen. Klingeln Sie nach der Schwester. So, dann werden Sie morgen früh etwa gegen sechs Uhr geweckt. Machen Sie sich nochmal frisch, ziehen Sie sich Ihr OP-Hemd und den Einmalslip an und nehmen nochmals eine Beruhigungstablette. Anschließend werden Sie abgeholt. Ist bis jetzt alles verständlich, haben Sie irgendwelche Fragen?”

Eingeschüchtert schüttle ich meinen Kopf. „Alles gut.”

„Dann geht es weiter. Sie werden also abgeholt, in den OP-Bereich gebracht. Dort wechseln Sie auf die OP-Liege und kommen in den Narkosebereich. Ihnen wird der Tropf angelegt und die Überwachungsgeräte werden angeschlossen. Und schließlich werden Sie in Narkose versetzt. Sie haben sich für die Vollnarkose entschieden, das ist richtig?”

„Ja, die möchte ich immer noch, ich mag absolut gar nichts mitbekommen.”

„Gut, dann noch eine Frage. Dürfen wir Ihnen einen Katheder in die Blase legen?” Ich sehe sie entsetzt an.

„Muss das sein?”

„Nein, zwingend muss das nicht sein, es hat aber nur Vorteile, glauben Sie mir.”

„Ach ja und welche?” frage ich ungläubig.

„Also glauben Sie nicht, dass wir ein Problem damit haben, Sie zu säubern, wenn Sie sich einnässen, wirklich nicht. Aber wir arbeiten ja auch mit Strom und möchten daher etwaigen Verbrennungen vorbeugen. Außerdem ist ein Katheter in den ersten Tagen für Sie durchaus von Vorteil. Sie können das Bett noch nicht allein verlassen und ersparen sich die Pfanne. Und glauben Sie mir, wenn Sie nicht darüber nachdenken, bemerken Sie das kleine Ding gar nicht.”

Ich überlege kurz. Aber so, wie die nette Narkoseärztin das gerade erklärt hat, klingt es natürlich absolut logisch und unumstößlich.

„Also ja, dann nehm ich eben einen Katheter. Wie lange wird die OP dauern?”

„Das ist unterschiedlich, je nach Methode und Knochensubstanz. Ich kann es leider nicht genau sagen. Haben Sie noch irgendwelche Fragen?” Ich verneine, denn im Moment fällt mir nichts mehr ein.

„Gut”, sagt sie mit ihrer ruhigen Stimme, „dann gehen Sie jetzt noch eben zum Reha-Büro, bevor Sie aufs Zimmer gehen. Alles Gute.”

„Danke.”

Wieder warte ich vor einem Büro, mein Mann sitzt neben mir. Wir werden eingelassen und besprechen die an den Krankenhausaufenthalt nahtlos anschließende Reha. Ich erfahre, dass ich aus rentenversicherungstechnischen Gründen in dem Bundesland zur Kur gehen muss, aus dem ich komme. Ich akzeptiere die vorgeschlagene Einrichtung und mein Gegenüber macht sich an die Formalitäten.

Ich wusste ja, dass die Aufnahme ungefähr einen halben Tag dauern würde, ich habe diese Zeit als sehr informativ und gut aufgehoben empfunden und bin erstaunt, dass man sich hier wirklich um alles kümmert. Wir verabschieden uns und die Reha-Dame erklärt mir noch, wie und wo ich auf mein Zimmer, Station zwei oder Station Elbe komme. Also mache ich mich weiter auf den Weg, der mir gewiesen wurde, weiterhin in Begleitung meines Mannes, der mir die ganze Zeit Trost spendend zur Seite steht – und hungrig, denn mittlerweile sind wir schon vier Stunden hier im Haus unterwegs und unsere Mägen knurren. Doch wir gehen brav auf Station und warten, bis uns eine Schwester zum Ärztezimmer bringt.

Der Arzt, den ich noch vom ersten Aufnahmegespräch im Oktober kenne – Mr. Verlorenes Telefon –, betritt den Raum und sieht mich an.

„Na, wir kennen uns doch!” Lächelnd gibt er mir die Hand. Ob er sich auch noch daran erinnert, nach zwei Monaten?

„Sie sind der mit dem verschollenen Telefon.” Er grinst und setzt sich neben mich. Das wusste er noch?

„Und, in den letzten zwei Monaten sind bei Ihnen alle Beschwerden verschwunden, richtig?”

„Ha, schön wär’s. Nein, alles beim Alten.”

„Ok. Dann ziehen Sie bitte Schuhe und Hose aus und legen sich auf die Liege.”

Er testet die Beweglichkeit meiner Hüfte, schüttelt den Kopf.

„Das ist wirklich höchste Zeit.” Er nimmt einen blauen Edding und malt mir einen Pfeil in Richtung Hüfte auf den Oberschenkel.

Na, da kann ja nichts mehr schief gehen!

Ich ziehe mich wieder an. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

„Gut, wir sehen mal, welches Zimmer Sie bekommen. Ach, und waren Sie überhaupt schon beim Mittagessen?” Mein Mann und ich besinnen uns auf unsere knurrenden Mägen und verneinen. Der nette Doktor gibt mir einen Papierschnipsel, der mich berechtigt, in der Cafeteria ein Essen umsonst zu beziehen. Meine Mine heitert sich auf.

Der Arzt begleitet uns zu meinem Zimmer, wo bereits mein Koffer zum Auspacken bereitsteht. Eine andere Patientin, die anscheinend schon alles hinter sich hat, liegt auf ihrem Bett. Ich gehe gleich zu ihr hin und stelle mich vor.

„Hallo. Ich bin Annette.” Sie sieht mir in die Augen und erwidert freundlich: „Bärbel.”

Ich gehe zurück und widme mich dem Auspacken meines Koffers. Meine Hygieneartikel verfrachte ich ins Bad, Kleidung in den Schrank und alle Sachen, die ich erreichen möchte, später aber ohne Hilfe nicht erreichen kann, packe ich auf und in den Nachtschrank neben dem Bett. Beim Auspacken entdecke ich zwischen den T-Shirts versteckt einen Zettel: einen Mutmach-Brief von meiner Tochter. Tränen steigen mir in die Augen, als ich ihn lese.

Danke, meine Süße.

Ich sammle mich, richte den Rest ein und wir gehen endlich zum Essen in die Cafeteria. Die Unterhaltung fließt zäh dahin, meine Gedanken sind schon auf den nächsten Tag gerichtet. Dann kommt der Moment des Abschieds. Ich gehe noch mit hinaus, wir umarmen uns, ein letzter Kuss und mein Mann geht. Mein Magen dreht sich etwas, ich hasse Abschiede. Ich warte, bis sein Auto vorbeifährt, winke, bis es hinter der nächsten Kurve verschwindet. Ich brauche einen Moment, um mich wieder zu sammeln, atme ein paarmal tief durch und gehe schließlich auf mein Zimmer zurück.

Und wie geht es jetzt weiter? Was mache ich jetzt da auf dem Zimmer mit einer fremden Frau direkt neben meinem Bett? Schon komisch. Werden wir uns überhaupt verstehen? Mir bleibt nichts anderes übrig, da muss ich jetzt wohl durch – allein.

Bärbel sitzt auf ihrem Bett und zieht sich gerade an.

„Ich gehe noch eine Runde”, sagt sie, greift sich ihre Gehhilfen und mit einem Lächeln verlässt sie das Zimmer.

Ich stehe vor meinem Bett, unschlüssig. Es ist später Nachmittag, was soll ich jetzt machen? Alle Sachen sind ausgepackt, logistisch wertvoll verteilt, ein Nachthemd werde ich jetzt noch nicht anziehen. Ich lege mich aufs Bett, nehme mein aktuelles Buch und fange an zu lesen. Eine Schwester betritt das Zimmer, stellt sich vor und erklärt mir, dass ich mich jederzeit melden kann, wenn ich etwas benötige. Ich bedanke mich und sie geht wieder. Bärbel kommt zurück. Ich blicke auf, wir lächeln uns an und ich lese weiter. Schon komisch. Es wird langsam dunkel.

Wieder öffnet sich die Tür und mein Operateur schaut vorbei. Er bleibt vor meinem Bett stehen. „Hallo Frau Frieboes-Esalnik. Also – Sie sind morgen früh die Erste. Gegen sieben Uhr werden Sie abgeholt, um acht der erste Schnitt und um neun Uhr sind wir fertig. Haben Sie noch Fragen?”

Ich schaue ihn an wie ein Tier, das in der Falle sitzt.

„Ähm. Nein, hab ich nicht.”

„Gut, dann bis morgen.”

Er verlässt das Zimmer, ganz sympathisch, der Mann. Trotzdem – ich schlucke schwer. Bärbel sieht mich an.

„Das wird schon, alles gut. Kein Problem”, sagt sie freundlich.

„Erzählen Sie mir das morgen Abend”, erwidere ich mit etwas zittriger Stimme.

„Das werde ich, Sie werden sehen, ich habe Recht.”

„Ok, ich versuche, es zu glauben.” Sie schaltet ihren Fernseher ein, ich lese.

Dann wird das Abendessen hereingebracht. Ich habe keinen Appetit, esse aber trotzdem eine halbe Scheibe Brot. Dann lese ich weiter.

Die Nachtschwester kommt herein und stellt sich vor, gibt mir die Beruhigungstablette für zweiundzwanzig Uhr und erklärt mir nochmal den Ablauf:

„Gehen Sie jetzt in Ruhe duschen, natürlich ohne sich danach einzucremen, dann nehmen Sie die Tablette mit etwas Wasser und legen sich schlafen. Bitte nachts nicht allein aufstehen. Morgen werden Sie gegen sechs Uhr geweckt, machen sich etwas frisch, putzen die Zähne und ziehen das OP-Hemd und den sexy Einmalslip an. Dann nehmen Sie die Tablette und legen sich am besten nochmal hin, ok?”

„Ja, alles verstanden.”

„Haben Sie noch Fragen?”

„Nein, Sie haben das alles sehr verständlich ausgeführt. Danke.”

„Bitte, gerne. Dann wäre da noch eins für mich zu tun.” Sie kramt einen Einmalrasierer aus ihrer Tasche und hält ihn hoch.

„Darf ich mal sehen, ob ich da was zu tun habe?”

„Klar.” Ich öffne meine Hose, schiebe sie ein Stück herunter. Seit ein paar Tagen habe ich mich nicht mehr rasiert, aus Angst mich zu verletzen und dann nicht operiert zu werden. Doch die Schwester freut sich und packt den Rasierer wieder ein.

„Ein Lob auf die Frauen, bei den Männern hab’ ich da regelmäßig mehr Arbeit.” Wir lachen. Sie verabschiedet sich freundlich.

„Die sind ja alle sehr nett hier”, sage ich zu Bärbel.

„Ja, ich hab noch keine unfreundlich erlebt und ich bin schon ein paar Tage hier.”

„Und was haben Sie?”, frage ich, doch von Neugier gepackt.

„Meine Hüfte wurde ausgebessert. Ich habe meine erste schon sehr früh bekommen.”

„Oh.”

„Ja, damals war ich froh darüber, aber mit dem heutigen Standard ist das gar nicht zu vergleichen. Es hat sich so viel getan, es ist so vieles besser geworden. Bei Ihnen auch, das wird schon. Ich war am dritten Tag nach der OP schon wieder in der Cafeteria.”

„Ehrlich? Das sind ja gute Aussichten.”

Wir beenden unsere kurze Konversation, Bärbel widmet sich wieder ihrem Fernseher und ich wende mich meinem Buch zu. Hätte ich doch bloß ihre Zuversicht, aber ihre Worte bauen mich doch etwas auf, sie hat dasselbe hinter sich, das ich noch vor mir habe, und es geht ihr anscheinend gut. Also muss ja etwas Wahres daran sein. Irgendwann schaue ich auf die Uhr. Es ist bereits viertel vor elf.

Oh.

Ich liege immer noch mit Klamotten im Bett und lese. So langsam sollte ich tun, was die Schwester mir aufgetragen hat. Meine Bettnachbarin schaut immer noch fern, da jeder dabei sein eigenes Gerät mit Kopfhörer hat, störe ich sie nicht. Also nehme ich mein Nachthemd, einen neuen Slip und gehe ins Bad. Ich ziehe mich aus – zum letzten Mal selbständig, denke ich wehmütig. Wie das wohl in Zukunft aussehen wird? Ich dusche in aller Ruhe, die ich aufbringen kann, trockne mich ab, ziehe mich an und putze meine Zähne. Dann atme ich tief durch, als ich mich im Spiegel betrachte.

„Aus der Nummer kommst du jetzt nicht mehr raus”, sage ich laut zu mir, sehe mir wehmütig in die Augen und gehe zurück zum Bett. Die Kleidung verstaue ich im Schrank, die brauche ich wohl erst einmal nicht. Ich lege mich ins Bett, nehme die Tablette und lösche mein Licht. Wider Erwarten schlafe ich gleich ein.

Nicht ohne meine Hüfte

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