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Das Brief-Tagebuch der Droste über »Bei uns zu Lande«

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Inhaltsverzeichnis

13. Dezember 1838 (Hülshoff) an Chr. B. Schlüter:

»Die vielfachen, ich möchte fast sagen ungestümen Bitten Malchen Hassenpflugs, haben mich bestimmt, den Zustand unseres Vaterlandes, wie ich ihn noch in frühster Jugend gekannt, und die Sitten und Eigentümlichkeiten seiner Bewohner zum Stoff meiner nächsten Arbeit zu wählen. Ich gestehe, daß ich mich aus freien Stücken nicht dahin entschlossen hätte, denn für erst ist es immer schwer, Leuten vom Fach zu genügen, und in dieser Sache ist jeder Münsterländer Mann vom Fache. Ich erinnere, daß einst ein sehr natürlich geschriebenes Buch in einer Gesellschaft vorgelesen wurde, die einen Soldaten, einen Forstmann, einen Gelehrten und einen Diplomaten in sich schloß; jeder war entzückt über alles, mit Ausnahme der Stellen, die jedes Fach betrafen. Der Soldat fand Schnitzer in den Schlachtszenen, der Forstmann in den Jagdabenteuern, der Gelehrte in den philosophischen Tiraden und der Hofmann in dem Auftreten und Benehmen der gekrönten Häupter; wie soll es mir nun gehen, der jeder Gassenbube im Lande die geringsten Verstöße nachweisen kann? Mein Trost ist, daß ich selbst hier aufgewachsen und somit so sehr Herrin meines Stoffes bin wie keines andern. Schlimmer ist es, daß die Leute hierzulande es noch gar nicht gewohnt sind, sich abkonterfeien zu lassen und den gelindesten Schatten als persönliche Beleidigung aufnehmen werden. In Paris und London ist es ein anderes, da haben sich die Leute einen breiten Buckel zugelegt, und die Schriftsteller sind so frech, daß eine Tracht Prügel ihnen mitunter wahrhaft heilsam wäre. Denke ich aber an den Nekrolog meines Vetters Droste in Bonn, den der Professor Braun so glänzend ausstaffierte, daß die ganze Familie davon einen Nimbus bekam, und doch, unter uns gesagt, kaum argem Verdrusse entging, so wird mir es überaus bedenklich zumute. Ich weiß am besten, daß ich meinen Landsleuten weit weniger Unrecht tun, als viel eher durch zu große Vorliebe und Idealisierung mancher, an sich unbedeutenden Eigenschaft mich lächerlich machen werde, und dennoch fürchte ich gänzlich in Verruf zu kommen, denn alles kann ich ihnen und meiner eigenen Liebe nicht aufopfern, nicht Wahrheit, Natur und die zur Vollendung eines Gemäldes so nötigen kleinen Schatten. Wenn Sie, teurer Freund, die Ausführung meines Vorhabens für gänzlich untunlich halten so sagen Sie mir es jetzt, wo es noch Zeit ist, ich bitte Sie darum. Über die Form bin ich noch unschlüssig und möchte Ihre Meinung hören. Was meinen Sie? Soll ich«jene des Bracebridgehall von Washington Irving wählen? Eine Reihenfolge von kleinen Begebenheiten und eignen Meditationen, die durch einen losen, leichten Faden, etwa einen Sommeraufenthalt auf dem Lande verbunden sind? Diese Form ist sehr ansprechend und gibt dem Schreibenden große Freiheit, bald erzählend, bald rein beobachtend und denkend aufzutreten, und außer Washington Irving hat Jouy sich ihrer fortwährend und mit großem Beifalle bedient in seinem »l'Hermite de la Chausée d'Antin«, »l'Hermite en province«, »l'Hermite de Paris«, de Londres, de la Guyane«, aber eben dadurch ist sie etwas verbraucht worden. Oder soll ich eine Reihe kleiner in sich geschlossener Erzählungen schreiben, die keinen andern Zusammenhang haben als daß sie alle in Westfalen spielen und darauf berechnet sind, Sitten, Charakter, Volksglauben und jetzt verloren gegangene Zustände desselben zu schildern? Dies ist schwieriger, bedarf weit reicherer Erfindung und schließt alle Meditationen und Selbstbeobachtungen fast gänzlich aus. Dagegen ist es weniger verbraucht, läßt höchst poetische und seltsame Stoffe zu, die jener andern Form des täglichen Lebens unzugänglich sind und hat den großen Vorteil, in keinem Falle zu beleidigen, da lauter bestimmte Individuen auftreten, noch obendrein zumeist aus dem Bauernstande, als dem mir am genauesten bekannten und auch noch eigentümlichsten; was sagen Sie dazu? Geben Sie Ihr Votum ab! Ich will nicht sagen, daß es den totalen Ausschlag gibt, aber es wird gewiß sehr berücksichtigt werden.«

29. Januar 1839 (Rüschhaus) an die Schwester:

»... jetzt, wo das Ding einen guten Fortgang hat, interessieren sich alle dafür, auch die Bökendorfer,... und jeder Narr maßt sich eine Stimme an über das, was ich zunächst schreiben soll, und zwar mit einer Heftigkeit, daß ich denke, sie prügeln mich, wenn ich es anders mache, oder nehmen es wenigstens als persönliche Beleidigung, auf. Und doch sagt der eine schwarz und der andre weiß. Die münsterschen Freunde ermahnen mich, um Gottes willen auf dem Wege zu bleiben, den ich einmal mit Glück betreten, und wo meine Leichtigkeit in Vers und Reim mir einen Vorteil gewähren, den ich um keinen Preis aufgeben dürfe. Malchen (Hassenpflug) und die Bökendorfer dagegen wollen, ich soll eine Art Buch wie Brace-Bridge- Hall schreiben und Westfalen mit seinen Klöstern, Stiftern und alten Sitten, wie ich sie noch gekannt, und sie jetzt fast ganz verschwunden wären, zum Stoffe nehmen. Das läßt sich auch hören, aber ich fürchte, meine lieben Landsleute steinigen mich, wenn ich sie nicht zu lauter Engeln mache.... Tunlicher scheint es mir, eine Reihe Erzählungen zu schreiben, die alle in Westfalen spielen und so alles Verlangte in sich schließen, ohne daß man grade zu sagen braucht: Dies soll ein Bild von Westfalen sein, und der Westfale ist so und so. Dann, meine ich, wird keiner (wie hier die Leute wohl etwas schweren Begriffs sind) es auf sich beziehn, sondern nur auf die Personen der Erzählung; auch kann ich dann von dem gewöhnlichen Gange der Dinge abgehn, kann Vorgeschichten und dergleichen mit einem Tone der Wahrheit erzählen, während ich sie in der andern Form nur als Volksglauben erwähnen darf. Doch ist die Form von Bracebridge... bei weitem die angenehmste, sowohl zum Lesen als zum Schreiben, weil sie so mannigfaltig ist und eigne Beobachtungen und Meditationen, kleine lächerliche Vorfälle et cet. zuläßt, was sehr amüsiert, man öfter lesen kann und auch mehr eignen Geist voraussetzt, als Erzählungen, die, sie mögen so gut und charakteristisch sein als sie wollen, doch selten jemand zweimal liest, weil der Abstich vom ersten Male zu groß ist, wenn die Spannung auf den Ausgang fehlt. Dagegen finden die Leute zwischen so kurzer Ware immer allerlei, was sie selbst schon gedacht und beobachtet haben und deshalb zwanzigmal lesen können, weil es ihnen den angenehmen Eindruck,macht, als hätten sie es selbst geschrieben. So hat jede Ansicht ihre günstige Seite und jeder meiner unberufenen Präzeptoren recht. Aber mag ich nun tun was ich will, so stelle ich einige zufrieden und, stoße die übrigen vor den Kopf.«

23. März 1841 (Rüschhaus) an Chr. B. Schlüter:

Wissen Sie wohl, Professorchen, daß ich jetzt ernstlich willens, bin, ein ellenlanges Buch im Geschmacke von Bracebridgehall auf Westfalen angewendet zu schreiben, wo auch die bewußte Erzählung von dem erschlagenen Juden hineinkömmt? Das Schema zum ersten Teile, Münsterland betreffend, habe ich schon gemacht, und das ist für mich ein großer Schritt, denn eben dies Ordnen und Feststellen der wie Ameishaufen durcheinander wimmelnden Materialien macht mir immer zumeist zu schaffen, und habe ich das überwunden, gehts in der Regel sehr schnell. Nun aber ist nur mit meiner Grippe und Appendix vorläufig ein Schlagbaum vorgefallen, und ich muß mich gedulden oder vielmehr ungedulden, denn nun ich mal angefangen, brennts mir wie auf den Nägeln, und ich möchte lieber Tag und Nacht schreiben, als vielleicht noch drei Wochen die Hände in den Schoß legen und Daumen drehn oder die Wolken studieren. Aber das Schreiben will noch ganz und gar keine Art haben; es ist, als ob die gebückte Stellung den Reiz in der Kehle vermehrte, auch das Blut steigt zum Kopfe, und die Tränen laufen mir aus den Augen,, wie eben jetzt, so daß ich längst hätte aufhören sollen. Ich will und muß auch aufhören, aber erst noch wegen meines Buchs in spe. Es wird drei Abteilungen enthalten, und den verbindenden Faden gibt der Aufenthalt eines Edelmanns aus der Lausitz bei einem Lehnsvetter im Münsterlande (erste und stärkste Abteilung), der dann mit dieser Familie ihre Verwandten im Paderbornischen besucht (zweite Abteilung) und durchs Sauerland zurückkehrt, wo sie auch einige Zeit bei Freunden und entfernteren Verwandten verweilen (dritte und kleinste Abteilung). Diese sind die drei hervorstechendsten Provinzen Westfalens, und zudem die einzigen, wo ich hinlänglich eingebürgert bin, um festen Grund unter mir zu fühlen. Es werden alle normalen Charaktere, Sitten, Institute (z. B. Damenstifter, Klöster), Sagen und Aberglauben dieser Gegenden darin vorkommen, teils geradezu in die Szene gebracht, teils in den häufig eingestreuten Erzählungen. Ich hoffe Gutes von dem Buche....«

Die wichtigsten Werke von Annette von Droste-Hülshoff

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