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Kapitel 4
ОглавлениеDanny
Ist das nicht Maja? Dahinten an der Haltestelle? Ich gebe mit dem rechten Fuß mehr Anschwung. Ja sie ist es! Sie trägt die Jeansjacke, die sie auch an dem Abend getragen hat. Und auch die Tasche mit dem Blumenmuster kommt mir bekannt vor. Mein Herzschlag hat sich um ein vielfaches beschleunigt. Ich gebe Gas, um sie schnell zu erreichen, als ich sehe wie die Stadtbahn einfährt. So ein Mist! So schnell ich kann, skate ich zur Haltestelle. Gut, dass ich wie fast immer mein Skateboard dabei habe. Zu Fuß hätte ich keine Chance. Maja will gerade einsteigen, als ich bei ihr ankomme und sie schnell am Arm festhalte. Erschrocken dreht sie sich zu mir um. Verwundert fragt sie: „Danny?“ Ein kurzes Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht. Doch es verschwindet so schnell wieder, dass ich nicht sicher bin, ob sie wirklich gelächelt hat.
Auch das blonde Mädchen neben ihr bleibt stehen. Wir blockieren die Tür und eine ältere Frau hinter uns meckert und regt sich schrecklich auf. Ich ziehe Maja von der Tür weg. Wir schauen uns einen Moment an. Wie lange ist es schon her, dass ich sie getroffen habe? Ich glaube schon länger als ein Monat.
„Warum hast du mir nie geschrieben?“ Ihre Stimme klingt sauer, aber gleichzeitig auch enttäuscht.
Verwirrt blicke ich sie an. „Ich habe dir geschrieben, aber ich habe nie eine Antwort bekommen.“
„Ich habe keine SMS bekommen“, gibt Maja gereizt zurück. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie mir nicht glaubt. Sie blickt mich an und scheint auf eine Erklärung zu warten, aber die kann ich ihr nicht geben. Irgendwas muss schief gegangen sein. Auf jeden Fall bin ich erleichtert, dass der Grund warum sie nicht geantwortet hat, nicht der ist, dass sie nicht schreiben wollte, sondern, dass sie einfach meine Nachricht nicht bekommen hat. Warum auch immer.
„Vielleicht habe ich deine Nummer ja falsch eingespeichert“, vermute ich.
„Mmh vielleicht.“ Maja wirkt immer noch ungläubig. Aber zum Glück steigt sie nicht in die Bahn, sondern gibt mir immerhin die Chance eine Erklärung zu finden. Die Türen schließen sich und die Bahn fährt an. Maja, ihre Freundin und ich bleiben alleine an der Haltestelle zurück.
Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und suche ihren Namen in meiner Kontaktliste. Dann drücke ich auf „Anrufen“. Doch ihr Handy klingelt nicht. „Siehst du! Die Nummer ist falsch.“
Jetzt lächelt Maja. Auch sie scheint sich darüber zu freuen. „Du hast mir also wirklich geschrieben?“, versichert sie sich noch einmal.
„Ja, natürlich! Sag mir doch mal deine richtige Nummer.“
Maja kramt in ihrer Umhängetasche nach ihrem Handy. „Ich kann sie immer noch nicht auswendig“, sagt sie zur Erklärung.
Es dauert eine Weile bis sie ihr Handy in der vollgestopften Tasche findet. Vorher kommen ihr Portemonnaie, ein Halstuch, ein Kalender und ein Lipgloss zum Vorschein. Schließlich gelingt es ihr das Handy aus der Tasche zu fischen und sie diktiert mir ihre Nummer. Ich vergleiche die Ziffern. Am Ende sagt sie: „…073.“ Das ist es, ich habe 072 eingetippt.
„Ich habe eine zwei anstatt der drei eingegeben. So ein Mist!“ Ich habe es vermasselt. Was für ein Glück, dass es der Zufall gut mit uns meint und wir uns nochmal getroffen haben.
„So, jetzt habe ich es geändert. Jetzt kann nichts mehr schief gehen.“
„Gibst du mir zur Sicherheit auch noch deine Nummer?“
Ich diktiere sie ihr. „Jetzt kannst du dich melden, wann du willst.“
„Und du auch!“
Wir lächeln uns an. Stehen einfach so da. Keiner von uns beiden scheint zu wissen, was er sagen soll.
Nach ein paar Sekunden durchbricht Maja das Schweigen: „Das ist übrigens Leonie. Meine beste Freundin.“
„Du bist also Danny! Ich hab schon viel von dir gehört“, sagt das Mädchen mit den hellen Haaren, woraufhin Maja sie wütend anfunkelt. Leider höre ich schon die nächste Bahn Richtung Stadt einfahren. Ich würde gerne mitfahren, aber ich muss in die andere Richtung, wo ich mit Jonas im Park verabredet bin. Die Türen öffnen sich, doch Maja scheint keine Notiz davon zunehmen, zumindest macht sie keine Anstalten einzusteigen.
„Es tut mir so leid, dass ich die Nummer falsch eingetippt habe.“ Ich könnte mich dafür ohrfeigen.
„Ich hab mich echt gefragt, warum du dich nicht gemeldet hast.“
Die Türen schließen sich und auch diese Stadtbahn fährt ab. Ohne Maja und Leonie.
„Was für ein Glück, dass wir uns heut getroffen haben.“
„Wirklich!“ Dabei strahlt Maja über das ganze Gesicht.
„Hast du heute Abend schon was vor?“
„Ich muss zum Geburtstag von meinem Onkel“, antwortet Maja enttäuscht.
„Und morgen? Nach der Schule?“, frage ich weiter, obwohl ich eigentlich nicht bis morgen warten möchte.
„Da habe ich Zeit.“ Mir fällt auf, wie sie für diese Antwort einen wütenden Seitenblick von Leonie kassiert.
„Wir wollten doch ins Kino.“
Maja blickt Leonie entschuldigend an. „Ist es okay, wenn wir das verschieben?“ Da Leonie enttäuscht aussieht, fügt Maja hinzu: „Ich weiß, wie sehr du dich auf den Film gefreut hast. Aber können wir das nicht einen Tag verschieben?“
„Aber morgen ist Kinotag.“
„Du brauchst am Freitag auch nur die fünf Euro bezahlen, ich übernehme den Rest.“
„Okay!“, stimmt Leonie schließlich wenig erfreut zu.
„Danke! Du bist die Beste!“ Maja drückt ihrer Freundin einen Kuss auf die Wange. Dann dreht sie sich wieder zu mir und fragt: „Jetzt erzähl aber mal! Wie geht es dir?“
„Super!“ Das liegt vor allem an ihr.
„Was hast du für Pläne für den Sommer?“, löchert sie mich weiter.
Ich erzähle ihr vom Kletterkurs, den ich mit Jonas besuche, und von den Ausflügen, die ich mit meiner Gastfamilie geplant habe.
„Maja, die Bahn“, unterbricht Leonie uns.
„Wir können doch auch die nächste nehmen“, gibt Maja zurück.
Leonie antwortet nicht darauf, sondern tritt mit grimmigem Gesicht von einem Fuß auf den anderen.
„Fährst du in den Ferien weg?“, frage ich. Die Bahn setzt sich wieder in Bewegung. Maja verneint, worüber ich mich richtig freue. Sie erzählt mir, dass ihre Mutter den ganzen Sommer an einem Projekt für das Museum arbeiten muss und sie deswegen nicht wegfahren können. „Und alleine lässt sie mich nicht weg.“
Verrückt, wie unterschiedlich unsere Mütter sind. Ich darf alleine für ein ganzes Jahr nach Deutschland, während Maja nicht mal alleine in den Urlaub fahren darf.
„Was machen wir morgen?“, wechselt Maja das Thema.
„Wozu hast du Lust?“
Sie überlegt einen Moment. „Wie wäre es mit Eis essen?“
„Gute Idee! Sollen wir uns direkt in der Stadt treffen?“
„Am Neumarkt?“
Ich merke gar nicht, dass schon wieder eine Bahn einfährt und Maja glaube ich auch nicht, doch Leonie macht uns darauf aufmerksam.
„Maja, die Bahn nehmen wir jetzt aber!“ Sie klingt gereizt.
„Wir schreiben noch wegen der Uhrzeit.“ Maja winkt mir kurz zu und verschwindet dann in der Stadtbahn. Bevor sie sich setzt, lächelt sie mir noch einmal kurz durch die Fensterscheibe zu.
Maja
In der Bahn kann ich nicht anders als die ganze Zeit zu grinsen. Leonie, die mir gegenüber sitzt, mustert mich.
„Echt hübsch dein Australier!“
Mein Gesicht verzieht sich zu einem noch breiteren Grinsen. Ich kann es gar nicht erwarten, dass es endlich morgen wird.
Ich muss Danny gleich fragen, ab wann er Zeit hat. So früh wie möglich. Hoffentlich hat er nicht so lange Schule. Als ich gerade begonnen habe, eine Nachricht zu tippen, piept mein Handy. Eine SMS von Danny: „Danke an den Zufall! Um wie viel Uhr treffen wir uns?“
„Danke auch von mir! Um 3?“
Danny stimmt zu. Oh ich bin so glücklich! Er hat mir wirklich geschrieben! Die SMS ist nur nicht angekommen. Was für ein unglaubliches Glück, dass wir uns gerade begegnet sind.
Noch ungefähr 24 Stunden! Das hört sich zwar ziemlich lang an, aber was sind schon 24 Stunden gegen die fünf Wochen, die vergangen sind, seit wir ein Bier trinken waren?
Obwohl Leonie zugestimmt hat, das Kino zu verschieben, scheint sie sauer auf mich zu sein. Die ganze Fahrt starrt sie aus dem Fenster, auch dann als die Bahn unter die Erde fährt und sie außer schwarzen Wänden nichts sehen kann.
„Wir gehen übermorgen ins Kino, versprochen!“ Ich bekomme ein schlechtes Gewissen, denn ich weiß, wie sehr sie sich auf den Film gefreut hat. Schließlich ist Channing Tantum, der die Hauptrolle spielt, ihr absoluter Lieblingsschauspieler. Seit Wochen erzählt sie ständig davon. Aber ich kann nicht länger darauf warten, Danny zu sehen. Ich hoffe, sie versteht das.
Danny
„Hast du einen Clown gefrühstückt?“, fragt Jonas mich gleich zur Begrüßung. Ist meine gute Laune so offensichtlich?
„Nee, viel besser!“
„Hast du in Köln Wellen zum Surfen gefunden?“
Ich lache. „Nein, ich habe auf dem Weg hierher jemanden getroffen?“
„Wen? Mach es nicht so spannend.“
„Maja!“
„Die Maja? Aus der Bahn?“
„Ja genau die Maja“, antworte ich glücklich.
„Und? Hat sie gesagt, warum sie dir nicht geschrieben hat?“
„Ja, sie hat meine SMS gar nicht bekommen.“
„Ja genau“, erwidert Jonas ungläubig. „Du hast ihr doch mindestens tausend SMS geschickt.“
„Aber die Nummer war falsch!“
„Du machst wohl Witze?“
„Nein, wirklich! Ich habe mich am Ende vertippt, als ich die Nummer eingespeichert habe.“
„Oh man, du bist echt ein Trottel!“ Jonas schlägt mir dabei lachend auf die Schulter.
„Ich weiß! Was für ein Glück, dass sie gerade an der Haltestelle stand, als ich vorbeigeskatet bin.“
„Und? Wann trefft ihr euch?“
„Morgen!“
„Cool“, sagt Jonas, während er auf sein Skateboard steigt. Zum Aufwärmen skaten wir ein bisschen über die Anlage, bevor wir im Pool trainieren. Ich möchte heute endlich lernen, wie man aus dem Pool heraus skatet, denn ich habe es satt immer heraus klettern zu müssen. Denn das ist 1. super anstrengend und 2. ziemlich uncool. Jonas wiederholt den Launch out mehrere Male und ich versuche es ihm nachzumachen, aber ich rutsche vom Skateboard ab und stürze zurück in den Pool. Trotz Schmerzen im Knie stehe ich gleich wieder auf und versuche es erneut.
Als es dunkel wird, habe ich es immer noch nicht geschafft, aber ich bin dem ganzen schon ein gutes Stück näher gekommen. Beim nächsten Training klappt es bestimmt. Wenn ich noch ein bisschen übe, kriege ich es hin. Jonas hat mir schon eine Menge beigebracht. Er steht auf dem Skateboard seit er fünf Jahre alt ist, ungefähr wie bei mir mit dem Surfbrett. Er steht so sicher auf seinem Brett, als wäre er damit verschmolzen. An dieses Niveau werde ich wohl nie herankommen. Schließlich habe ich erst hier in Köln mit dem Skaten angefangen. Aber ich bin trotzdem stolz auf die Fortschritte, die ich gemacht habe. Und so ist es ein guter Ersatz für mein Surfbrett, das ich ohne das Skaten sicher noch mehr vermisst hätte. Ein bisschen kann man die beiden Sportarten miteinander vergleichen. Beide verlangen Mut und Durchhaltevermögen. Und zu beiden gehört viel Energie und Adrenalin. Es kribbelt jedes Mal im Magen, wenn ich über die Kante in den Pool gleite. Das ähnelt dem Gefühl eine richtig gute Welle erwischt zu haben.
Maja
Es prickelt ganz gewaltig in meinem Bauch. So als hätte ich eine ganze Packung Brausepulver gegessen. Endlich treffe ich Danny wieder. Auch wenn ich mich riesig freue, bin ich schrecklich nervös. Den ganzen Morgen habe ich einfach gar nichts auf die Reihe bekommen. Das fing schon beim Frühstück an. Da habe ich meine Teetasse umgekippt und die nach Vanille und Himbeeren duftende Flüssigkeit verteilte sich auf Mamas geliebter selbstgehäkelter Tischdecke und auf meinem Marmeladenbrot. Als ich mich anziehen wollte, stellte ich fest, dass sich auf meinem Lieblingstop, ein großer Fleck befand und so stand ich Ewigkeiten vor meinem Kleiderschrank, weil ich nichts finden konnte, dass mir genauso gut steht. Schließlich habe ich mich für ein weißes Topp zu meiner engen, dunklen Jeans entschieden und dazu ein hellblaues Halstuch umgewickelt, passend zu meinen frisch lackierten Fingernägeln. Ich zupfe mein Halstuch zurecht und schaue nervös auf die Uhr. Zehn vor drei. In spätestens zehn Minuten müsste Danny hier sein. Wenn er nicht zu spät ist. Aber schon wenige Augenblicke später, kommt er mit dem Fahrrad um die Ecke gebogen. Mein Herz schlägt mindestens doppelt so schnell wie vorher. Wie sportlich er aussieht in seinen grauen Shorts und dem blauen T-Shirt, auf dem ein Windsurfer abgebildet ist. Die meisten nehmen hier in Köln die Stadtbahn, so wie ich auch, doch Danny scheint richtig sportlich zu sein. Gestern war er ja auch mit dem Skateboard unterwegs. Ich betrachte einen Moment seine Oberarme und frage mich, woher er solche Muskeln hat, doch dann sagt Danny etwas und ich merke, dass ich mich konzentrieren muss, denn ich habe keine Ahnung, was er gesagt hat.
Da ich davon ausgehe, dass es irgendetwas zur Begrüßung gewesen sein muss, versuche ich es mit: „Hallo! Wie geht´s dir?“
Dabei bemühe ich mich, mir nicht anmerken zu lassen, wie nervös ich bin, aber ich glaube es klappt nicht so hundertprozentig.
„Gut“, antwortet Danny und lächelt mich an. „Sollen wir gleich Eiscream essen gehen?“, fragt er mich. „Für Deutschland ist es ganz schön warm heute.“
Ich stimme zu. Eis ist gut, das wird mich abkühlen. Durch die Aufregung schwitze ich gewaltig. Meine Hände kleben und kleine Schweißtropfen bilden sich auf meiner Stirn. Langsam schlendern wir durch die Einkaufsstraße in Richtung Dom, denn am Domplatz gibt es das beste Eis der Stadt. Es ist nicht leicht sich einen Weg durch die Menschenmassen zu bahnen. Obwohl es mitten in der Woche ist, ist es so voll, dass ich das Gefühl habe, durch die Straße geschoben zu werden. Es fühlt sich wirklich so an, als müsste ich gar nicht selber laufen. Einige Male berühren sich unsere Arme leicht. Ich zucke jedes Mal zusammen, obwohl es sicher nur daran liegt, dass es so voll ist. Endlich kommen wir am Dom an und biegen in die Straße mit meiner Lieblingseisdiele ein. Hier ist zum Glück nicht mehr ganz so viel los. Unschlüssig stehe ich vor der riesigen Auswahl an bunten Eissorten. Ich kann mich mal wieder nicht entscheiden, welche Sorten ich nehmen soll. Ich merke, wie Danny mich von der Seite ansieht.
„Und was möchtest du? Ich lade dich ein!“
„Danke“, sage ich und strahle ihn an.
Wir sind schon an der Reihe und ich habe nicht länger Zeit zu überlegen. Also sage ich die zwei Sorten, die ich meistens nehme. Schokolade und Himbeere.
Mit unserem Eis in der Hand schlendern wir langsam hinunter zum Rhein. Keiner sagt etwas. Mir fällt nichts ein und so konzentriere ich mich auf mein Eis. Es schmeckt super und ist unheimlich cremig. Aber das ist keine große Überraschung, schließlich bin ich in dieser Eisdiele jeden Sommer Stammkunde. Naja, eigentlich nicht nur im Sommer. Ich finde, Eis kann man immer essen, egal wie kalt es draußen ist. Wenn die anderen Lust auf Tee oder Glühwein haben, kommt es nicht selten vor, dass ich lieber ein Eis hätte. Vorsichtig blicke ich Danny von der Seite an. Es ist schön ihn wieder zu sehen, aber irgendwie fühlt es sich nicht genauso an, wie bei unserem ersten Treffen. Da war alles zufällig und somit viel einfacher gewesen. An dem Abend, als wir beide zufällig auf dieselbe Stadtbahn warteten, war alles einfach passiert, ohne dass ich nachdenken musste. Auf einmal hatten wir angefangen miteinander zu reden, kurze Zeit später standen wir nebeneinander in einer Bar mit einem Bier in der Hand und plötzlich küssten wir uns. Ich wusste damals nicht, wie es dazu gekommen war. Und auch jetzt, nachdem ich fünf Wochen Zeit hatte darüber nachzudenken, ist es mir immer noch ein Rätsel. Alles war so leicht gewesen, es schien als wäre alles passiert, ohne dass ich etwas dafür tun musste. Jetzt ist die Situation eine andere. Jetzt haben wir uns nicht zufällig getroffen, sondern haben uns verabredet. Deswegen fühlt es sich an, als ob viel höhere Erwartungen auf mir liegen würden.
„Wie läuft es in der Schule?“, frage ich ihn, nur um irgendwas zu sagen. Eine langweiligere Frage hätte mir wohl nicht einfallen können!
„Ganz gut. Ist nur gerade ziemlich stressig. Wir schreiben super viele Klausuren. So kurz vor dem Schuljahresende. Und bei dir?“
„Ungefähr genauso.“
Wir laufen weiter. Und ich bin froh darüber, dass Danny sich scheinbar auch nicht irgendwo hinsetzen will. So lange man läuft, fühlt es sich nicht genauso schlimm an nicht miteinander zu reden, wie wenn man still an einem Fleck sitzt. Immerhin hat man dann etwas zu tun.
Als Danny sein Eis aufgegessen hat, fragt er: „Was hörst du eigentlich für Musik?“ Dabei deutet er auf die Kopfhörer, die um meinen Hals hängen. Ich atme erleichtert auf. Das ist eine Frage, auf die ich mit einem ewig langen Bericht antworten kann.
„Ich höre gerne Musik von unbekannten jungen Bands“, fange ich an zu erzählen. Ich lasse Danny gar keine Chance zu sagen, was er gerne hört, sondern plappere weiter. „Ich mag ihre Musik viel lieber als den ganzen Einheitsbrei aus den Charts. Es macht auch viel mehr Spaß auf kleine Konzerte zu gehen. Das ist einfach viel persönlicher. Meistens höre ich Pop-Rock. Meine Lieblingsband heißt Gold Atlas.“
„Habe ich noch nie gehört.“
„Sie sind auch ziemlich unbekannt. Möchtest du mal hören?“
Danny nickt, woraufhin ich mein Handy aus der Tasche ziehe und auf dem Display nach meinem Lieblingslied suche. Ich gebe ihm einen Ohrstöpsel. Dabei berühren sich unsere Hände kurz, was sich anfühlt als ginge ein Stromschlag durch meinen Körper. Ich beobachte ihn, wie er eine Weile zuhört. „Nicht schlecht!“
„Ich liebe Musik. Vor kurzem habe ich mit dem Gitarre spielen angefangen. Die beiden Gitarristen von Gold Atlas haben mich irgendwie dazu inspiriert“, erzähle ich weiter.
Danny grinst. „Ich kann kein Instrument spielen. Dazu habe ich überhaupt keine Ruhe. Ich kann nicht mehr als fünf Minuten still sitzen.“
„Wie machst du das dann in der Schule?“
„Oft auf die Toilette gehen“, scherzt er und lacht. Ich liebe sein Lachen, davon kann ich, glaube ich, nie genug bekommen. Ich sehe ihn so gerne an, wenn er lacht. Seine eisblauen Augen strahlen dann noch heller und um seinen Mund bilden sich Grübchen, die ich immerzu ansehen muss.
„Ich brauche immer Bewegung und Action um mich herum. In Australien bin ich jeden Tag surfen gegangen, um mich auszupowern. Das ist ja hier eher schwierig.“ Er deutet auf den Rhein, der still und beinahe bewegungslos vor uns liegt.
„Hier fahre ich Fahrrad, skate oder gehe klettern, das ist auch nicht übel. Obwohl mir der Adrenalinkick irgendwie fehlt.“
Ein Surfer! Daher kommen also seine Muskeln.
„Surfen alle in Australien?“
Danny lacht. „Also im Outback ist das eher schwierig. Das einzige Wasser, das man da findet, kommt aus der Wasserleitung. Und selbst das wird im Sommer knapp. Aber ja am Meer surfen schon viele. Es ist einfach cool zu surfen und die Mädchen stehen darauf.“ Er grinst wieder.
„Hast du deshalb damit angefangen?“
„Of course!“
Ich gucke ihn irritiert an. Meint er das ernst? Wie viele Freundinnen hat er dann in Australien sitzen?
„Nein, quatsch! Schon im Kindergarten fand ich die Surfer total cool. Wir wohnen ganz in der Nähe vom Strand. Ich konnte ihnen stundenlang beim Surfen zusehen. In der Schule habe ich dann Surf-Unterricht gehabt und seitdem kriegt man mich nur schwer vom Brett runter.“
„Ist das nicht wahnsinnig schwer?“
„Am Anfang ja. Erstmal muss man sich ganz schön durchkämpfen. Man darf sich nicht von blauen Flecken überall am Körper und vielen Litern Salzwasser, die man schluckt, abhalten lassen. Aber wenn man es einmal geschafft hat auf dem Brett stehen zu bleiben, kann man nicht mehr aufhören. Das ist wie eine Sucht.“
„Ich könnte das nie!“
„Du hast es doch noch nie versucht, oder?“
Ich schüttele den Kopf.
„Würdest du es denn ausprobieren?“
Wenn er es mir zeigt auf jeden Fall. „Vielleicht“, antworte ich.
Wir setzen uns auf eine Mauer und blicken auf das Wasser und die Ausflugsschiffe. Nervös esse ich mein Eis zu Ende. Mittlerweile ist es schon ziemlich geschmolzen. Etwas Himbeereis tropft auf meine Finger. Danny sitzt ganz nah neben mir. Ich schaue ihn von der Seite an und als er es merkt, dreht er seinen Kopf in meine Richtung. Eine Weile blicken wir uns an, ohne uns zu rühren. Oh, ich möchte ihn so gerne küssen. Ganz langsam und fast unmerklich bewegen sich unsere Köpfe weiter aufeinander zu. Als er mit seinen Lippen meine fast berührt, ist es in meinem Bauch so, als ob hunderte Flugzeuge in einen Wirbelsturm geraten wären. Dann küssen wir uns endlich. Und der Kuss fühlt sich noch schöner an, als der Kuss in der Bar. Wahrscheinlich weil ich so lange darauf gewartet habe.
Danny
Ich bin zwar erst seit fünf Minuten wieder zu Hause, aber trotzdem kann ich es nicht lassen, Maja zu schreiben. Sie fehlt mir schon wieder.
„Was machst du? Sehen wir uns morgen?“
„Fernsehen. Gerne ☺ Ich habe ab 2 Uhr Zeit“
Ich muss grinsen. Ich freue mich, Maja morgen wieder zu sehen. Am liebsten würde ich sie allerdings jetzt sofort wiedertreffen. Ich überlege, was wir morgen machen könnten und tippe eine Antwort:
„Kino? Eis? Schwimmen? Andere Vorschläge?“
„Picknick am Decksteiner Weiher? Und vielleicht dort ein Eis?“
„Bester Vorschlag ☺ Treffen an der Brücke?“
„Okay! Bis morgen!“
„Ich freu mich! See you!“
„Ich mich auch!“
Ich freue mich auf morgen. Auch wenn ich Maja kaum kenne, möchte ich so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen.
*
Wir sitzen auf einer karierten Decke am Decksteiner Weiher. Zum picknicken habe ich Baguette und Frischkäse mitgebracht, Danny eine Schale mit frischen Erdbeeren, die richtig süß schmecken, und ein großes Paket Cookies. Wir haben uns einen Platz direkt am Wasser ausgesucht und ab und zu kommen einige Enten und watscheln neugierig um uns herum. Sie erhoffen sich wohl etwas von unserem Essen abzubekommen.
„Erzähl mir etwas von Australien“, bitte ich ihn.
Ich habe noch nicht viel über dieses Land am anderen Ende der Welt gehört und schon gar nicht von jemandem, der wirklich aus Australien kommt. Meine Tante war dort einmal im Urlaub und hat mir ganz begeistert hunderte von Fotos gezeigt. Die meisten von Sydney. Ich erinnere mich, dass ich darauf das Opera House und die Harbour Bridge gesehen habe. Sie hat so mit ihrem Urlaub angegeben, dass ich ihr nicht wirklich zugehört habe. Danny steckt sich eine Erdbeere in den Mund und beginnt dann mit noch vollem Mund zu erzählen: „Australien ist toll. Es gibt dort einfach alles. Traumhafte Strände, Wellen, jede Menge Natur.“
„Ist Brisbane groß?“
„Nicht im Vergleich mit Köln. Brisbane ist eine tolle kleine Stadt, auch wenn wir uns selbst immer mit Melbourne und Sydney vergleichen. Wir haben ein bisschen einen small man´s complex . Das heißt, wir fühlen uns nicht gut genug, weil wir nicht so arty und cultural sind wie die beiden Städte im Süden. Wenn man in Brisbane etwas Besonderes finden will, muss man genauer hingucken, aber genau deswegen mag ich es so.“ Danny macht eine kurze Pause. Dabei sieht er aus, als ob er nachdenkt. „There is this bubbling undercurrent of energy and art and music. If you scratch the surface you´ll be rewarded.”
„Was?”, frage ich verwirrt. Leider ist es für mich echt schwer seinen Akzent zu verstehen. Aber ich mag es trotzdem sehr, wenn er Englisch spricht.
„In Brisbane hat man ein…“. Er stockt und überlegt nach der passenden Übersetzung. „Ich weiß nicht, wie man das auf Deutsch sagt. Es gibt dort Energie, Kunst und Musik. Man muss nur danach suchen. Sorry, das ist schwer auf Deutsch zu erklären.“
„Mein Englisch ist leider nicht so gut“, sage ich entschuldigend.
„Das liegt sicher an meinem Dialekt. Die Leute hier ziehen mich ständig deswegen auf.“
„Ich mag es.“
„Echt?“ Danny blickt mich ungläubig an. „Ich muss mir oft dumme Sprüche deswegen anhören. Besonders schlimm war es, als ich in London war. Überall wurde ich mit schiefem Blick gefragt, ob ich aus Australien komme.“
„Ich finde, es hört sich schön an, auch wenn es schwer zu verstehen ist. Leider kann ich nicht richtig Englisch. In der Schule machen wir immer nur Grammatik. Sprechen tun wir fast nie.“
„Wir können ja Englisch reden zur Übung“, schlägt Danny vor.
„Aber lieber nicht heute.“ Ich möchte mich nicht vor ihm blamieren. Wenn ich versuche Englisch zu reden, stottere ich mir nur einen ab. Man hört an meiner schrecklichen Aussprache sofort, dass ich aus Deutschland komme und ich verwechsel ständig die Zeiten. Der Unterschied zwischen Simple Past und Present Perfect ist mir auch nach tausend Grammatikübungen immer noch ein völliges Rätsel. Außerdem fehlen mir ständig die einfachsten Vokabeln. Auch wenn es eine gute Übung wäre, lieber ein anderes Mal, sonst denkt Danny noch ich bin total bescheuert.
„Erzähl mir lieber noch etwas über deine Heimat.“
Ich höre ihm einfach nur zu. Ich könnte stundenlang hier sitzen, auf das Wasser schauen, seine Nähe spüren und seiner Stimme lauschen. Wenn Danny über Australien spricht, hört sich dieser Kontinent für mich noch faszinierender und atemberaubender an als in meiner bisherigen Vorstellung. Ich schließe die Augen und versuche mir alles was er beschreibt bildlich vorzustellen. Dannys Erzählung ist so lebendig, dass mir das nicht schwer fällt. Vor mir sehe ich türkisblaues Meer, hohe Wellen und weißen Sand.
„Ich möchte auch gerne mal nach Australien“, sage ich, als Danny eine Pause einlegt, um einen Schluck aus der Colaflasche zu nehmen. Das Land liegt so weit weg und ich weiß nicht, ob es mir jemals möglich sein wird nach Australien zu fliegen. Aber träumen kann man ja.
„Das musst du unbedingt“, erwidert Danny euphorisch. Seine Augen strahlen dabei. „Du musst Australien unbedingt mal sehen.“
Man sieht ihm deutlich an, wie sehr er sein Heimatland mag.
„Ich glaube, ich könnte das nicht. So ganz alleine in einem fremden Land, so wie du. So weit weg von Zuhause“, spreche ich meine Gedanken laut aus.
„Aber ich bin doch gar nicht alleine!“ Danny nimmt meine Hand. Seine Haut fühlt sich noch wärmer an als die Sonne, die auf uns herab scheint.
„Nein, ehrlich! Am Anfang muss es doch richtig schrecklich sein. Man kennt überhaupt niemanden und alles ist fremd. Man ist so weit weg von seiner Familie, seinen Freunden. Also ich würde mich das niemals trauen!“
Danny legt sich auf die Seite und stützt seinen Kopf mit einer Hand ab. Mit der anderen Hand nimmt er sich noch eine Erdbeere. Die Dose ist fast leer, nur einige schon etwas matschige Erdbeeren sind noch übrig.
„Man darf sich einfach nicht so viele Gedanken machen. Man muss einfach ankommen und aufgeschlossen allem Neuen gegenüber sein. Die erste Zeit war so spannend, dass ich gar keine Zeit hatte, um Heimweh zu bekommen. Und als diese erste aufregende Phase vorbei war, hatte ich mich schon ganz gut eingelebt und erste Freunde gefunden, mit denen ich ständig unterwegs war. So hatte ich auch keine Zeit für trübe Gedanken.“
„Hast du dir denn nicht manchmal gewünscht wieder in Australien zu sein?“ Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ein ganzes Jahr ohne schreckliche Heimwehattacken überstehen kann.
„Natürlich gibt es Augenblicke, in denen ich mein Zuhause vermisse, besonders meine Freunde und das Meer. Aber ich habe hier so viel erlebt, habe so viel von Deutschland gesehen, war in Frankreich, Holland, England. Und ich bin so unglaublich froh und dankbar hier sein zu können. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie die Zeit verflogen ist.“
„Ich würde mich das trotzdem nie trauen. Ist es nicht total komisch so weit weg zu sein?“
„Manchmal schon, vieles ist so anders. Vor allem fehlt mir die Natur. Köln ist so eine Riesenstadt. Hier leben so viele Menschen. Es gibt keinen Platz, wo man ganz alleine sein kann. Besonders vermisst habe ich meine Heimat im Winter, denn dann ist in Australien ja Hochsommer. Ich habe hier schon ordentlich gefroren. Bei mir zu Hause wird es nie kälter als zehn Grad.“
„Dann hast du vorher noch nie Schnee gesehen?“ Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Die Worte Weihnachten und Hitze passen für mich ganz und gar nicht zusammen.
„Naja, ich habe schon einmal in Deutschland gelebt und da waren wir im Skiurlaub. Aber vorher kannte ich keinen Schnee!“
„Du warst früher schon mal in Deutschland? Deswegen kannst du so gut Deutsch.“ Ich hatte mich schon gewundert, wie er nach einem Jahr die Sprache so gut beherrschen kann.
„Ja, ich gebe zu, das habe ich nicht alles in einem Jahr gelernt“, antwortet Danny, als hätte er meine Gedanken gelesen. Als ich neun war, habe ich mit meiner Familie für fast ein Jahr in Deutschland gewohnt. Mein Vater ist Diplomat und hat damals in Deutschland gearbeitet. Er hat in vielen Ländern gelebt, aber wir haben ihn nicht immer begleitet.“
„In welcher Stadt hast du da gewohnt?“
„In Bonn. Ich habe dort die internationale Schule besucht, auf die gehen viele Diplomatenkinder.“
„Da war ich mal mit meinem Englischkurs! Ich fand es echt spannend aus wie vielen verschiedenen Ländern die Schüler kamen.“ Ich erinnere mich an ein englisches Mädchen, mit dem ich mich dort unterhalten habe. Trotz unserer Verständigungsprobleme waren wir uns gleich sympathisch.
„Wir haben danach noch für ein paar Monate in Spanien gelebt, aber dann hatte meine Mutter keine Lust mehr weiter herum zu reisen, sich ständig ein neues Leben aufbauen zu müssen. Sie ist dann mit meinem Bruder Nick und mir zurück nach Australien geflogen.“ Danny nimmt sich einen Cookie aus der Schachtel, die auch schon fast leer ist, und beißt hinein. Einige Krümel rieseln dabei auf die Decke. Er beachtet sie nicht.
Ich kann nicht anders als Danny weiter mit Fragen zu löchern, denn ich möchte alles über ihn wissen.
„Wieso hast du dir Deutschland für dein Auslandsschuljahr ausgesucht? Und nicht Spanien? Oder ein Land, das du noch nicht kennst? Hat es dir in Deutschland so gut gefallen? Oder wolltest du einfach die Sprache nicht vergessen?“
Danny isst erst seinen Keks zu Ende und grinst mich dann verschmitzt an. „Welche der Fragen soll ich zuerst beantworten? Oder alle auf einmal?“
Ups, die Fragen sind nur so aus mir herausgesprudelt.
„Fang doch mit der ersten an!“
„Und was war nochmal die erste Frage?“ Danny lacht und ich stoße ihm leicht mit dem Ellenbogen in die Seite. Um sich zu rächen, fängt er an mich zu kitzeln. Ausgerechnet am Hals, wo ich am kitzligsten bin.
„Hör auf“, rufe ich kichernd und versuche mich dabei aus seinen Händen zu befreien. „Erzähl mir einfach, warum du nochmal nach Deutschland wolltest“, versuche ich ihn abzulenken. Es gelingt mir. Danny hört auf mich zu kitzeln und überlegt einen Moment. „Ich wollte einfach nochmal nach Europa. In Deutschland hatten wir damals eine richtig tolle Zeit und ich wollte gerne mein Deutsch verbessern. In Australien hatte ich schon fast alles wieder vergessen.“
„Es war auf jeden Fall eine gute Entscheidung hierher zu kommen!“
„Die Beste!“ Er grinst mich mit seinem typischen Lächeln an, dieses Lächeln, dass ich am liebsten 24 Stunden am Tag sehen würde.
Als wir alles aufgegessen haben, legen wir uns auf den Rücken. Langsam streiche ich über Dannys braungebrannten Unterarm. Seine Haut ist so gleichmäßig gebräunt, dass ich mich frage, wie man so braun werden kann. Selbst die Unterseite seines Armes ist so braun wie die Vorderseite. Bisher dachte ich immer, dass Menschen mit hellen Haaren nicht so braun werden. Obwohl ich dunklere Haare habe als Danny, bin ich selbst nach einem dreiwöchigen Spanienurlaub nicht braun. Meine helle Haut verfärbt sich höchstens leicht rötlich, aber braun werde ich nicht. Seine Arme sind nicht nur braungebrannt, sondern auch muskulös. Ich frage mich, ob Danny diese Muskeln vom Surfen bekommen hat. Fast alle Jungen in meiner Klasse sind schlaksig, mit langen Armen und Beinen. Sie sehen aus, als ob ihre Arme zu schnell gewachsen sind. Richtige Spargeltarzane, ohne einen Hauch von Muskeln und mit weißer Haut, weil sie den größten Teil des Tages vor dem Computer hängen.
„Wann musst du zurück nach Australien?“ Die Frage brennt mir schon die ganze Zeit auf der Zunge. Jetzt stelle ich sie, auch wenn ich die Angst vor der Antwort habe.
„In etwas mehr als drei Wochen.“ Seine Stimme klingt plötzlich traurig.
Drei Wochen? 21 Tage. So wenig Zeit bleibt uns noch. Dabei fängt doch eigentlich gerade erst alles an.
Danny nimmt meine Hand und drückt sie fest. Schweigend liegen wir nebeneinander. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach.
Als ich irgendwann auf die Uhr gucke, schrecke ich hoch. Gleich fünf. Verdammt, ich muss mich beeilen! Leonie wartet sicher schon vor dem Kino auf mich. Schnell springe ich auf. „Ich muss los. Ich bin mit Leonie zum Kino verabredet. Sie köpft mich, wenn ich zu spät komme.“
Ich ziehe Danny förmlich die Decke unter dem Rücken weg. Er steht auf, als er schon fast auf der Wiese liegt und hilft mir schnell alles zusammenzupacken.
Als wir uns zum Abschied küssen, wünsche ich mir noch länger bei ihm bleiben zu können. Auch wenn wir uns gestern und heute gesehen haben, reicht es mir noch nicht.
„Sehen wir uns morgen?“, ruft er mir noch hinterher.
„Auf jeden Fall! Ich schreibe dir“, antworte ich schon völlig außer Atem und renne weiter.