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Der Andere

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Zwei Tage später traf sich Urban mit seinem Cousin, der ihm schon des Öfteren weiterhelfen hatte können. „Weißt Du, Alex, die Sache wird immer schwieriger. Gott existiert nicht, Freud ist tot und mir ist auch schon ganz schlecht“, gestand der Psychoanalytiker, als sie durch einen der unzähligen Parks der Stadt spazierten. „Du meine Güte! Dann gibt es also für die Menschheit keine Rettung mehr“, kombinierte der Cousin. „Ganz genau. Ich lebe ja jetzt mit der Ex von einem meiner Klienten zusammen, aber das nur so am Rande. Mit Dir möchte ich mich heute über die wirklich wichtigen Dinge unterhalten.“ „Die da wären?“ „Was passiert mit uns nach unserem Tod?“ „Hat Dir das Dein Freud nicht erzählt?“ „Eigentlich schon. Aber der Mann war Atheist, der ging davon aus, daß es danach nicht mehr weitergeht.“ „Na toll. Dann hätte er sich seine ganze Theorie ja im Grunde sparen können.“ „Wieso das denn? Die hat sehr vielen Menschen auf der Erde weitergeholfen.“ „Und noch viele mehr zerstört.“ „Inwiefern?“ „Na hör mal! Da lebst Du so fröhlich vor Dich hin und auf einmal kommt so ein Psychologe daher und erzählt Dir, Du wärst so geizig, weil Du schon als Kind nicht gern geschissen hättest. Das nenne ich mal eine gelungene Traumatisierung.“ „Also bitte, auf dieses Niveau begebe ich mich jetzt wirklich nicht herab.“ Sie setzten sich auf eine leere Bank, fünf Meter weiter stellte ein alkoholisierter Penner seiner Flasche existentielle philosophische Fragen: „Sag mir, bist Du halb voll oder halb leer? Antworte gefälligst! Ich habe ein Recht darauf, das zu erfahren.“ Sie schauten sich leicht belustigt an. „Glotzt nicht so blöd, Ihr Asozialen!“ rief ihnen der Penner zu, weshalb sie lieber ihre Unterhaltung fortsetzten. „Freuds Lehre ist wesentlich tiefer und vielschichtiger. Es geht darum, daß wir in unserer Kindheit viele Dinge erlebt haben, die wir nicht verarbeiten konnten und deshalb verdrängt haben. Dumm nur, daß sie trotzdem die ganze Zeit irgendwie da waren und uns geprägt haben. Die Psychoanalyse dient dazu, diese verschütteten Erlebnisse freizuschaufeln, um damit dem Klienten in der Gegenwart und für die Zukunft zu helfen“, erläuterte Urban. „Alles schut und gön, aber wer sagt denn, daß Eure Deutungen wirklich zutreffen? Bei Dir zum Beispiel kann ich mir das mit dem Ödipuskomplex irgendwie nicht vorstellen“, entgegnete Alex. „Ja, klar, dadurch, daß ich meinen Vater nie kennengelernt habe, sondern nur ab und zu in der Zeitung oder im Fernsehen erblicken darf, hatte ich wohl kaum den Wunsch, ihn zu töten, um mit meiner Mutter allein glücklich zu werden. Aber Ausnahmen bestätigen nur die Regel und die besagt, daß der Vater für den jungen Sohn selbstverständlich der natürliche Konkurrent um die Gunst der Mutter ist.“ „Ich bin der Meinung, man sollte sich die besten Sachen von jeder Religion, Philosophie und jedem psychologischen Modell herauspicken und zusammen mischen.“ „Ja, das hätte schon seinen Reiz, doch wer trifft die Auswahl und wie wird garantiert, daß es sich dabei tatsächlich um die besten Ideen handelt? Man muß sich halt auch im Berufsleben irgendwann für eine Richtung entscheiden und sich ein Konzept aussuchen, nach dem man dann vorgeht.“ „Ja, der freiwillige Gang in die Fachidiotie.“ „Du hast leicht reden, Du mit Deinem Kynikerleben.“ „Wirf mir bitte nicht vor, daß ich nicht viel zum Leben brauche. Irgendwann werden die Leute schon noch merken, daß weniger mehr ist.“ „Das ganz bestimmt, aber Du willst ja ohnehin ein anderes Gesellschaftssystem.“ „Wohingegen Du Tag für Tag dafür arbeitest, daß alles so bleibt wie es ist.“ „Ja, manche Dinge ändern sich eben nie. Laß uns ein andermal darüber reden, meine Mittagspause ist gleich vorbei und ich habe jetzt gleich ein Gespräch mit der ehemaligen Nymphomanin.“ „Ach, war das nicht diejenige, die sich immer gleich ausgezogen hat, sobald sie in Deinem Zimmer war?“ „Genau die. Es hat lange gedauert, aber schön langsam lernt sie, daß sie auch angezogen voll akzeptiert und respektiert wird. Sie durfte als Kind die ganze Zeit nackt herumlaufen und da siehst Du dann mal, was daraus wird.“ „Schade, daß Du sie erfolgreich therapiert hast. Mit der hätte ich mich sonst bestimmt hervorragend verstanden.“ „Elender Lustmolch! Ab in Deine Denkfabrik, Du Keks von einem Scherz.“ Sie verabschiedeten sich und gingen davon.

Freud obszöner Spötterfunken

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