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Der Über-Vater
ОглавлениеDas Treffen, das sich unser Psychoanalytiker vorgenommen hatte, gehörte zu denen, die er schon sein ganzes Leben lang vor sich hergeschoben hatte, doch nun war der Tag gekommen und da er tatsächlich eine Audienz beim Herrn Bischof gewährt bekommen hatte, wollte er die Chance nutzen, um seinem Erzeuger zum allerersten Mal persönlich gegenüberzutreten. „Hallo Papa!“ begrüßte er den hohen Geistlichen und der wurde gleich ganz weiß im Gesicht. „Was willst Du denn hier, mein Sohn?“ fragte er verdattert. „Schön, daß Du mich gleich erkennst.“ „Das tue ich nicht. Ich rede alle Männer so an, außer die, die deutlich erkennbar wesentlich älter sind als ich.“ „Toll, daß Du Bischof geworden bist, obwohl es mich gibt.“ „Ansichtssache. Ohne Dich hätte ich Papst werden können.“ „Na ja, viel schlechter als der jetzige wärst Du wahrscheinlich auch nicht. Aber mir kann es egal sein, ich glaube ohnehin nicht an Gott.“ „Das hatte ich mir fast schon gedacht. Was willst Du hier?“ „Na ja, nach über 42 Jahren, habe ich mir gedacht, da könnte ich doch mal meinen Vater besuchen. Nicht daß Du plötzlich stirbst und dann hätten wir uns nicht mal persönlich kennengelernt.“ „Ach, wir katholischen Geistlichen sind zäh, wir haben zwar nicht das ewige Leben auf Erden, aber weil wir so wenig nachdenken müssen, sehen wir mit 70 noch aus wie kleine Babys, zumindest im Gesicht.“ „Das freut mich für Euch, da habe ich es als Psychoanalytiker wohl nicht so leicht.“ „Ach ja, die Triebe, die haben mich damals auch übermannt, als ich Deine Mutter traf. Wie geht es ihr eigentlich?“ „Keine Ahnung. Seit ich ihr gesagt habe, daß ich Dich aufsuchen werde, redet sie nicht mehr mit mir.“ „Das kann ich gut verstehen, denn es war für sie bestimmt nicht leicht, alleine mit Dir zurechtzukommen. Wie ich sehe ist in Deiner Erziehung wohl auch Einiges schiefgelaufen.“ „Wie kommst Du denn darauf?“ „Na ja, Du glaubst nicht an Gott, Du huldigst Freud, Du ehrst Vater und Mutter nicht und bestimmt veranstaltest Du bei Dir in der Praxis wilde Orgien.“ „Das würde Dir gefallen, was, aber damit kann ich leider nicht dienen.“ „Schade. Gut, dann können wir uns ja jetzt verabschieden.“ „Nee, Papa, so leicht kann und will ich es Dir nicht machen. Ich werde mich nicht beklagen und ich glaube, mit Dir als richtigen Vater hätte ich es bestimmt auch nicht leicht gehabt, aber wenn ich daran denke, auf was ich alles verzichten habe müssen.“ „Ach, aus der Richtung weht der Wind. Wieviel brauchst Du?“ „Ach was, Geld habe ich selber mehr als genug. Daß Ihr Religiösen immer nur an die Kohle denken könnt, wirklich erstaunlich, aber auch irgendwie paradox und abartig. Wie auch immer, mir scheint, als könnte ich von Dir nicht viel erwarten, aber vielleicht sollte ich doch zugeben, warum ich eigentlich hier bin. Weißt Du, ich habe einem Klienten geholfen, aus seiner hoffnungslos verfahrenen Ehe auszubrechen.“ „Na ja, das klingt eigentlich nach einer guten Tat, auch wenn ich das als Vertreter meines Glaubens natürlich nie so sagen dürfte.“ „Ja, aber das war nur der erste Teil. Zur Wahrheit gehört halt auch, daß ich inzwischen mit der Ex von meinem Klienten zusammen bin.“ „Ich verstehe. Und wie soll ich Dir dabei helfen?“ „Einfach die Klappe halten und zuhören. Du hast mir als Kind gefehlt, aber das war Dir ja egal, also wirst Du ja wohl jetzt mal ein paar Minuten für mich haben.“ „Eigentlich nicht. Mein Terminkalender ist proppevoll.“ „Wie dem auch sei, ich mag Gisela, aber irgendwie ist es nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe.“ „Und wie hast Du es Dir vorgestellt?“ „Schöner. Und obszöner. Sie will gerade mal nur noch fünfmal in der Woche mit mir schlafen und da frage ich mich schon, ob sie mich überhaupt liebt.“ „Na ja, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.“ „Weißt Du, zu einem normalen Geistlichen wäre ich wegen der Sache nicht gegangen, die haben ja alle vom Tuten und Blasen keine Ahnung. Aber bei Dir weiß ich, daß Du auch kein Kostverächter warst und von irgendwem muß ich meine Sexsucht ja geerbt haben.“ „Allerdings, sprach die Sphinx, aber auch wenn ich früher ziemlich wild gewesen bin, so wird man doch mit dem Alter immer ruhiger und als Bischof konnte ich mir in die Richtung ohnehin nichts mehr leisten.“ „Das verstehe ich, aber es hilft mir nicht weiter. Weißt Du, früher hatte ich als Patientin eine Nymphomanin, die sich immer gleich ausgezogen hat. Dummerweise konnte ich die heilen und jetzt weiß ich nicht mehr wohin mit meiner Geilheit. Wie konnten die Frauen nur auf die Idee kommen, den Sex zu reglementieren und uns zu kontrollieren, indem sie sich uns verweigern?“ „Du stellst vielleicht Fragen. Ich glaube, darauf können Dir weder ich noch der liebe Gott, für den ich mich übrigens manchmal halte, wenn ich meine Tabletten längere Zeit nicht genommen habe, eine befriedigende Antwort geben. Vielleicht solltest Du eine Selbsthilfegruppe aufsuchen oder Dich an Deinen Meister Freud wenden.“ „Ach, den seine Tips und Tricks helfen da auch nicht weiter, die Zeiten sind andere. Wie kann ich eine Frau achten und lieben, die es nicht liebt, von mir geliebt zu werden?“ „Eine faszinierende Frage, vielleicht kann sie Dir Schwester Antonia beantworten.“ „Nein, bitte keine Pinguine mehr, davon hatte ich schon auf dem Weg zu Dir mehr als genug. Die Sache ist die: Wenn ich mit Gisela Schluß mache, dann kehrt sie vielleicht zu Horst zurück und alles fängt wieder von vorne an.“ „Wer ist Horst?“ „Mein Klient, dem ich die Frau weggenommen habe, falls man das so nennen kann, denn er hat sie ja schon längst nicht mehr haben wollen.“ „Na ja, dann verstehe ich aber nicht, wieso er sie jetzt plötzlich haben wollen sollte.“ „Aber das ist doch ganz einfach, das ist wie im Kindergarten: Das Eimerchen liegt die ganze Zeit über unbeachtet im Sandkasten, aber wenn es sich der Frank nimmt, dann wollen es auf einmal die Anderen auch haben.“ Der Bischof schaute seinen Sohn verständnislos an. „Was lernt Ihr eigentlich in Eurem Theologiestudium?“ wunderte sich Urban. „Auf jeden Fall nichts über Sandkastenspiele.“ „Wohl eher was über Doktorspiele. Entschuldige, das ist mir jetzt so rausgerutscht.“ „Schon in Ordnung, ging mir damals bei Deiner Mutter ja irgendwie ähnlich. Soll ich Dich jetzt von Deinen Sünden lossprechen?“ „Nein, an Euren Hokuspokus glaube ich eh nicht, aber ich müßte mal ganz dringend auf Deinen Lokus.“ Der Herr wies ihm den Weg und nachdem sich Wupf erleichtert hatte, nahm er Abschied. „Also dann, nichts für ungut und verzeih mir die Sauerei in Deiner Toilette.“