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Das Wiedersehen

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Nicht unbedingt erfreut waren Horst und Gisela, als sie sich eines Abends zufällig über den Weg liefen. „Lange nicht mehr gesehen. Du siehst gut aus. Wie geht es Dir?“ erkundigte sie sich vorsichtig. „Na ja, ich bin alles in allem ganz zufrieden. Und, wie läuft es mit meinem Therapeuten? Besorgt er es Dir auch ordentlich?“ „Na und wie! Der Mann ist eine wahre Sexmaschine, aber das war schon eine gewaltige Umstellung für mich, so von 0 auf 100 innerhalb von ein paar Wochen.“ „Na ja, dann ist ja alles prima.“ „Äh, wie soll ich sagen, ich will jetzt nicht kleinlich klingen, aber manchmal wird mir das auch ein bißchen zuviel.“ „Wie meinst Du das?“ „Nicht daß ich es gut gefunden habe, daß Du mich überhaupt nicht mehr angefaßt hast, aber hin und wieder wäre ich froh, wenn ich endlich die goldene Mitte finden und nicht länger vom einen Extrem zum anderen pendeln würde. Wie geht es Dagmar? Hab sie lange nicht mehr gesehen.“ „Gutes Stichwort.“ Auf einmal verfinsterte sich Horsts Gesicht und er setzte zu einer Tirade an: „Was bildest Du Dir eigentlich ein! Was Du meiner Freundin früher für Sachen über mich erzählt hast, das geht ja nun wirklich auf überhaupt keine Kuhhaut!“ „So! Hat die dumme Gans etwa ihre Klappe nicht halten können? Aber Horst, so erregt kenne ich Dich ja gar nicht. Das gefällt mir.“ „Danke für die Blumen. Aber ich habe mich natürlich gerächt, indem ich ihr alles erzählt habe, was Du über sie ausgeplaudert hattest.“ Na vielen Dank aber auch! Du Arsch!“ „Hey, Du wirst ja auch richtig emotional! Das törnt mich voll an. Laß uns gehen!“ Natürlich kam es so wie es kommen mußte: Horst trieb es mit Gisela und sie hatten jede Menge Spaß. Danach lagen sie zufrieden nebeneinander und Gisela fragte: „Na, bin ich besser als Dagmar?“ „Kann ich so nicht sagen. Bei der Dagmar habe ich immer das Gefühl, daß sie keinen Fehler machen will, so als ob sie Angst davor hätte, mich zu verlieren“, bemerkte er. „Da liegst Du wohl nicht ganz falsch. Die hatte es schon lange auf Dich abgesehen und hat nur darauf gewartet, bis Du auf dem freien Markt zu haben warst.“ „Tatsächlich? Das erklärt so Einiges. Ich schlafe gerne mit ihr, aber liebe ich sie?“

„Schönen guten Tag! Mein Name ist Doktor Urban Wupf, ich bin Psychoanalytiker. Was kann ich für Sie tun?“ wollte der Herr im weißen Kittel wissen, nachdem eine junge Frau sein Sprechzimmer betreten hatte. „Ich heiße Dagmar Frokle und ich habe ein Problem“, machte die Frau deutlich. „Das habe ich mir fast schon gedacht. Darf ich fragen, wie Sie ausgerechnet auf mich gekommen sind?“ „Das hat persönliche Gründe, denn ich glaube, daß das, was mich belastet, auch für Sie höchst interessant sein dürfte.“ Urban horchte auf und schaute seine neue Klientin interessiert an. Sie sah gut aus, aber er war ja vergeben, von daher konnte er sich nicht vorstellen, inwiefern ihn das, was sie zu erzählen hatte, betreffen könnte. „Soviel ich weiß, sind Sie der neue Freund von Gisela Radtke und ich muß Ihnen leider mitteilen, daß Ihre Freundin Gisela gestern abend mit meinem Freund Horst Radtke geschlafen hat.“ Urban wäre beinahe vom Stuhl gefallen, so haute ihn jene Nachricht um. „Das gibt es doch nicht! Und mit mir wollte sie nur noch fünfmal die Woche schlafen. Jetzt weiß ich endlich auch warum!“ entfuhr es ihm. „Es tut mir leid, daß ich Sie damit behellige, aber ich finde, daß Sie das wissen sollten“, lauteten Dagmars Worte. „Absolut. Ich danke Ihnen dafür auch von ganzem Herzen, auch wenn es mir dieses Herz gerade eben fast zerrissen hätte, aber darf ich trotzdem fragen, woher Sie das wissen?“ „Na ja, ungern, weil ich nicht will, daß Sie einen schlechten Eindruck von mir bekommen. Also gut, es bringt ja doch nichts. Ich habe Horst verfolgt, weil ich dermaßen in ihn verliebt bin und dementsprechend natürlich auch unheimlich eifersüchtig. Als ich gesehen habe, daß er sich mit Gisela trifft, habe ich gleich das Schlimmste befürchtet, also bin ich ihnen hinterher. Na ja und dann habe ich genug gehört und gesehen, um ganz sicher sein zu können.“ „Verstehe. Und was machen wir jetzt?“ „Das weiß ich auch nicht.“ „In einem Anflug blinder Rache hätte ich fast gesagt, wir sollten es jetzt hier auf der Stelle miteinander treiben, aber das bringt uns wahrscheinlich auch nicht weiter, außerdem bin ich ja gerade im Dienst und es soll schließlich nicht heißen, der Herr Psychoanalytiker würde seine Patientinnen flachlegen, das wäre nicht gut für unseren Ruf und ein gefundenes Fressen für sämtliche Boulevardblätter. Von daher schlage ich vor, wir reden erst mal darüber.“ „Über unseren Sex?“ „Nein, über das, was das ganze Geschehen in Ihnen ausgelöst hat.“ „Wut, Ärger, Eifersucht, Verbitterung. Ich hätte es niemals für möglich gehalten, daß Gisela mit Horst in die Kiste steigen würde. So wie sie immer über ihn geschimpft hat.“ „Ja, wie es aussieht, sind in diesem Fall wir die Dummen. Dank uns sind die Beiden wieder auf den sexuellen Geschmack gekommen und jetzt teilen sie ihre neugewonnen Fähigkeiten und Interessen wieder miteinander.“ „Ich finde das pervers. Ein Mann und eine Frau, die sich getrennt haben, machen es wieder zusammen. Einfach abartig!“ „Mit solchen Gedanken sind Sie nicht allein und ich muß zugeben, daß es mir äußerst schwerfällt, die Contenance zu bewahren. Am liebsten würde ich schreien und fluchen, aber das geht jetzt leider nicht.“ „Herr Doktor, soll ich lieber gehen?“ „Nein, das bringt auch nichts. Hören Sie, Dagmar, wir sollten uns etwas einfallen lassen. Sie lieben Horst, aber er scheint Sie nicht genug zu lieben, sondern nur als Seitensprung mißbraucht zu haben. Ich dagegen muß für meinen Teil zugeben, daß ich das Interesse an Gisela schön langsam verliere. Aber ich habe absolut kein Interesse daran, daß Horst und Gisela wieder ein Paar werden, von daher werde ich Sie unterstützen wo ich nur kann. Glauben Sie, es würde etwas bringen, wenn die Beiden glauben müßten, daß wir ein Paar wären?“ „Das weiß ich nicht. Bei Horst war ich mir bislang eh nie wirklich sicher, ob er mich liebt. Aber Gisela wäre bestimmt stinksauer, denn wir haben schon in der Schule um die Gunst der tollsten Jungs konkurriert.“ „Na, wenn ich mir da mich und Horst so anschaue, dann habt Ihr Eure Ansprüche schon ganz schön senken müssen.“ „Ja, das ist der Preis des Lebens und der verbleichenden Schönheit. Also gut, lieber Urban, was haben Sie für einen Plan?“ Daraufhin weihte sie der Arzt in seine Gedankenspiele ein, sie nickte und lachte, am Ende gab sie ihm einen Kuß.

Gisela war als Journalistin unterwegs und interviewte ein altes Ehepaar, das seinen 60.Hochzeitstag beging. „Wie haben Sie es nur so lange miteinander ausgehalten?“ forschte sie bewundernd. „Ach, wissen Sie, das Leben ist kein Zuckerschlecken und man muß das nehmen, was man kriegen kann“, stellte die alte Frau fest. Gisela war etwas erstaunt und schaute den alten Mann an, weil sie sehen wollte, wie der darauf reagierte, doch jener grinste sie nur glückselig an. „Entschuldigen Sie, aber stört Sie das nicht, was Ihre Frau gerade gesagt hat“ wollte sie von ihm wissen. „Ach, meiner Frau höre ich schon seit Jahren nicht mehr zu. Das ist das Geheimnis einer glücklichen Ehe“, behauptete er stolz und zwinkerte ihr zu. „Darauf wäre ich nie gekommen. Und uns hat man immer eingeredet, Kommunikation in der Partnerschaft wäre der Schlüssel zum Erfolg“, dachte sich Gisela. „Das beruht auf Gegenseitigkeit. Nach ein paar Jahren Ehe habe ich gemerkt, daß mein Mann ein ziemlicher Trottel ist und seitdem schalte ich auch auf Durchzug, wenn er redet. Die Kunst besteht darin, den Anderen so zu akzeptieren wie er ist und wie er ißt, man muß ihn ja nicht lieben“, schwadronierte die alte Frau und Gisela wußte nun überhaupt nicht mehr, woran sie noch glauben konnte und sollte. „Aber gab es da denn nicht Momente in Ihrer Ehe, in denen sie am liebsten den Bettel hingeschmissen hätten?“ versuchte sich die Reporterin im Jargon der alten Leute. „Aber selbstverständlich. Die gab es, gibt es und wird es immer geben. Aber Sie wissen ja: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Übrigens, ich nehme Viagra“, raunte ihr der alte Mann zu. Gisela wußte nicht, ob sie lachen oder empört sein sollte. Da besuchte sie jenes Paar zum 60.Hochzeitstag, um darüber zu reden, wie die Beiden es so lange miteinander ausgehalten hatten und was passierte? Jene taten so, als wären sie nur aus Bequemlichkeit zusammen, hörten schon lange nicht mehr auf das, was der Andere sagte und als Krönung des Ganzen wurde sie auch noch von dem alten Sack angebaggert, der ungeniert Werbung für seinen alten Sack machte. „Das wird Urban bestimmt interessieren, daß es sowas wie die anale, orale oder genitale Phase auch im Alter wieder zu geben scheint“, kam ihr in den Sinn. „Sind Sie sich denn Ihre ganze Ehe lang treu geblieben?“ erkundigte sie sich und auf einmal tat der Alte so, als könnte er ihre Frage nicht verstehen. Seine Frau dagegen antwortete: „Wissen Sie, ich hatte ja damals einen Jugendfreund, den ich sehr mochte. Der ist leider im Krieg geblieben, warum, weiß ich nicht. Vielleicht hat es ihm dort besser gefallen als bei mir. Jedenfalls erlebten wir nach dem Krieg eine schwere Zeit und da war man als Frau froh, wenn man überhaupt einen Mann abbekam. So viele gab es da ja nicht mehr.“ „Ich will ja nicht indiskret erscheinen, aber mich würde dennoch interessieren, ob Sie in Ihrer Ehe fremdgegangen sind.“ „Glauben Sie wirklich, daß ich Ihnen das mitteilen würde? Noch dazu, wo mein Mann neben mir sitzt?“ „Aber der hört uns doch eh nicht zu. Außerdem starrt er ohnehin die ganze Zeit auf meine Brüste.“ „Ja, ich wische ihm mal besser den Sabber weg. Aber nicht, daß Sie das, was ich Ihnen jetzt erzähle, in der Zeitung drucken.“ „Natürlich nicht. Es interessiert mich einfach nur persönlich.“ „Natürlich bin ich fremdgegangen. Was hätte ich denn sonst tun sollen? Er war ja die ganze Zeit nur hinter irgendwelchen anderen Weibern her.“ „Aber warum haben Sie sich dann nicht von ihm getrennt?“ „Ich bin doch nicht blöd. Er hat das Geld nach Hause gebracht, wir haben drei Kinder und wenn er endlich tot ist, dann bekomme ich seine Rente.“ Das waren in der Tat beeindruckende Argumente und danach trank man noch eine Tasse Kaffee zusammen. Gisela beobachtete die beiden Alten und stellte sich vor, wie es denn so wäre, wenn sie mal jenes Alter erreicht hätte. Mit wem würde sie zusammen am Tisch sitzen? Mit Urban? Mit Horst? Oder vielleicht sogar mit ihrem Chef? Bei jenem Gedanken lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken und ihr fiel ein, daß sie wieder zurück ins Verlagsgebäude mußte. Sie bedankte und verabschiedete sich, er begleitete sie bis zur Tür und grapschte ihr zum Abschied noch mal ganz auffällig an die Brüste. Sie schaute ihn verärgert an. „Tut mir leid, aber das mußte sein.“

Horst saß in seinem Büro und schaute auf die Uhr. Mal wieder so ein Tag, an dem die Zeit nicht vergehen wollte, von daher war er gar nicht so böse darüber, daß es an der Tür klopfte. „Herein, wenn’s kein Gauner ist!“ rief er fröhlich, doch nichts passierte. Er wartete noch, rief ein zweites Mal „Herein!“, aber nichts passierte. Schließlich stand er auf und machte sich auf den beschwerlichen Weg zur Tür. Draußen stand ein junger Mann. „Wieso kommen Sie denn nicht herein, ich habe doch gerufen“, erinnerte sich Horst. „Na ja, Sie wollten mich ja nicht sehen“, ließ sein Gegenüber von sich hören. „Heißt das, daß Sie ein Gauner sind?“ „Zumindest behaupten das die Leute , die mich kennen.“ „Na ja, das war ja nur so eine Redensart von mir. Schließlich habe ich es auch faustdick hinter den Ohren. Was kann ich für Sie tun?“ Horst arbeitete für eine große Versicherungsagentur und er machte seinen Job, so gut er konnte, was bedeutete, daß er die einfachen Leute über den Tisch zog und die schwereren hinters Licht führte. Aber er fand, daß man ihm das nicht vorwerfen konnte, denn zum Einen wurde er dafür bezahlt und zum Anderen wollten es die Geschädigten auch nicht anders, denn wer freiwillig einer Versicherung sein Geld in den Rachen schmiß, war ja auch irgendwie selber schuld. Allerdings erwies sich der junge Kerl als gewiefter Taktiker und ernst zu nehmender Gegenspieler, so daß Horst zur Höchstleistung auflaufen mußte, um den Vertrag so in trockene Tücher zu bringen, daß sein Arbeitgeber mal wieder der Gewinner und der Kunde, so wie fast immer, der Angeschmierte war. Allerdings wurde er einen Verdacht nicht los. „Nehmen Sie es nicht persönlich, aber ich halte Sie für einen potentiellen Versicherungsbetrüger“, gab Horst unumwunden zu. „Und wie kommen Sie darauf?“ entgegnete der Andere. „Sie machen einen sehr gerissenen Eindruck und haben so einen verschlagenen Blick.“ „Dafür kann ich nichts.“ „Nein, nicht daß Sie mich falsch verstehen, das war ein Kompliment. Ich finde, Sie sollten die Seiten wechseln und für uns arbeiten statt gegen uns.“ „Aber ich betrüge nun mal für mein Leben gern.“ „Keine Sorge, da sind Sie bei uns genau richtig.“

Dagmar ging es nicht gut. Urbans Plan hatte sie zwar überzeugt, aber sie war sich nicht sicher, ob sie so eine gute Schauspielerin war, wie er hoffte. Erst einmal ging es darum, Schadensbegrenzung zu üben und als Friseuse war sie ohnehin den ganzen Tag damit beschäftigt, anderen Leuten zuzuhören, so daß sie sich ein wenig ablenken lassen konnte. „Eigentlich habe ich fast den gleichen Job wie Urban. Nur mit dem Unterschied, daß ich wesentlich schlechter bezahlt werde und auch noch mehr machen muß als er“, dachte sie sich und bemühte sich danach, ihre Aufmerksamkeit dem Kopf und den Worten ihrer Kundin zu widmen. „Ach, wissen Sie, Fräulein, das Leben ist wirklich ein Schwein. Letzte Woche hatte mein Enkel einen Autounfall und vorgestern ist meine Schwiegertochter am Herzen operiert worden. Und dann noch diese Verbrecher überall“, jammerte jene. „Ja, wir leben in unsicheren Zeiten“, stimmte Dagmar zu und dachte dabei in erster Linie an ihre Beziehungsprobleme. „Sie glauben ja nicht, wie gerissen diese Betrüger sind. Meiner besten Freundin ist da letztens was passiert. Die wurde von einem jungen Mann angerufen, der sich als ihr Enkel ausgab und 5000 Euro von ihr haben wollte. Zum Glück hatte sie von solchen Fällen schon in der Zeitung gelesen und war gut vorbereitet. Sie hat dem Kerl ein paar Fragen gestellt, die jener natürlich nicht beantworten konnte, doch das Problem war, daß sie, als irgendwann ihr richtiger Enkel sie anrief, dem dieselben Fragen gestellt hat. Seitdem ist der stinksauer auf sie und will ihr Geld nicht mehr.“ „Ja, so kann es gehen“, meinte Dagmar, während sie sich vorstellte, wie es wäre, mit Urban zusammenzuleben. „Die jungen Leute heutzutage sind ohnehin die Gelackmeierten. Die kriegen später mal keine Rente und müssen unsere Schulden bezahlen. Nur gut, daß ich das nicht mehr miterleben muß“, sprach die „Beschnittene“. Für einen Moment hatte Dagmar große Lust, ihre Frisur zu verunstalten, so als kleine Racheaktion, doch dann beruhigte sie sich wieder und brachte ihren Job sauber zu Ende. Irgendwie hing sie noch an Horst, doch es tat sich was in ihr und sie wußte nicht, was das bedeutete.

Freud obszöner Spötterfunken

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