Читать книгу Erzählungen aus 1001 Nacht - 1. Band - Anonym - Страница 6
Die Erzählung von dem Ochsen und dem Esel
ОглавлениеWisse, meine Tochter, einst lebte ein Kaufmann, der viel Geld besaß und viele Knechte, und er war reich an Rindern und Kamelen; er hatte auch ein Weib und Kinder, und er lebte auf dem Lande, denn er war erfahren in der Landwirtschaft und dem Ackerbau ergeben. Nun hatte ihm Allah, der Sehr Hohe, die Gabe verliehen, daß er die Sprachen der Tiere und Vögel aller Art verstand, aber bei Strafe des Todes, wenn er die Gabe verriet. Er hielt sie also aus Furcht geheim. In seinem Kuhstall hatte er einen Ochsen und einen Esel, die beide dicht beieinander in je einem Stande angebunden waren. Als nun der Kaufmann eines Tages mit seinen Knechten in der Nähe saß, und seine Kinder ringsum spielten, hörte er den Ochsen zu dem Esel sagen: ›Heil und Wohl dir, Vater des Erwachens, denn du genießest Ruhe und gute Pflege; unter dir ist alles rein gefegt und frisch gesprengt; Knechte bedienen und füttern dich, deine Nahrung ist gesiebte Gerste, und dein Trank reines Brunnenwasser, wogegen ich (unglückliches Geschöpf!) inmitten der Nacht hinausgeführt werde; dann legt man mir den Pflug auf den Nacken und etwas, was man das Joch nennt; und ich plage mich damit, den Boden zu furchen, vom Tagesgrauen an bis Sonnenuntergang. Ich muß mehr tun, als ich kann, und von Nacht zu Nacht allerlei Mißhandlung ertragen; dann führen sie mich zurück mit zerrissenen Flanken, mit geschundenem Nacken, mit schmerzenden Beinen und vor Tränen wunden Augen. Und sie schließen mich im Kuhstall ein und werfen mir Bohnen und Häcksel vor, vermischt mit Schmutz und Abfall; und ich liege in Kot und Gestank, die liebe lange Nacht hindurch. Aber du stehst stets in einem gefegten und gesprengten und gesäuberten Stand, und du liegst immer in Ruhe da, es sei denn (wie so selten), der Herr habe einmal ein Geschäft; da besteigt er dich und reitet dich zur Stadt und kehrt alsbald mit dir zurück. So bin ich geplagt und in Not, während du dich behaglich ausruhst; du schläfst, während ich schlaflos bin; ich hungere, während du dich satt ißt, und ich ernte Verachtung, während du Wohlwollen erntest.‹ Und als der Ochse geendet hatte, wandte sich der Esel ihm zu und sagte: ›O Breitstirn, o du Verlorener! der log nicht, der dich Rindvieh nannte, denn du, o Vater eines Ochsen, hast weder Verstand noch Erfindung; du bist der närrischste der Narren, und du weißt nichts von guten Ratgebern. Hast du nicht den Spruch des Weisen gehört:
Für andre ertrag ich die Plackereien – Und ihrs ist die Lust, und die Mühe ist mein;
Wie der Bleicher die Stirn in der Sonne bräunt – Zu bleichen, das andere tragen, das Lein.
Aber du, o Narr, bist voll Eifer und mühst und plagst dich vor dem Herrn; und du zerreißt und verbrauchst und erschlägst dich zu anderer Nutzen. Hast du nie den Spruch gehört, der da sagt: Keinen zum Geleit, und vom Weg gehst du weit? Du ziehest aus beim Ruf zum Morgengebet, und du kehrest nicht vor Sonnenuntergang zurück; und den lieben langen Tag erduldest du alle mögliche Mißhandlung, Schläge, Prügel und Schimpfen. Nun höre mich an, Herr Ochs! Wenn sie dich an deine stinkende Krippe binden, so kratzest du den Boden mit dem Vorderfuß und schlägst mit den Hinterhufen aus und stößt sie mit den Hörnern und brüllest laut, so daß sie dich für befriedigt halten. Und wenn sie dir dein Futter vorwerfen, so fällst du mit Gier darüber her und füllst dir eilig den schönen, fetten Wanst. Aber wenn du meinen Rat annimmst, so wird es besser für dich werden, und du wirst ein noch leichteres Leben führen als selbst ich. Wenn du aufs Feld gehst, und sie laden dir das Ding auf, das man Joch heißt, so lege dich nieder und stehe nicht wieder auf, wenn sie dich auch peitschen; und wenn du aufstehst, so lege dich zum zweitenmal; und wenn sie dich nach Hause bringen und dir deine Bohnen vorwerfen, so weiche zurück und schnaube dein Futter nur an und wende dich ab und koste es nicht, und begnüge dich mit deiner Streu und deinem Häcksel; und tue, als seiest du krank, und fahre so einen oder zwei oder selbst drei Tage lang fort, und du wirst Ruhe haben vor Plage und Mühe.‹ Als der Ochse diese Worte hörte, erkannte er, daß der Esel sein Freund war, und dankte ihm und sprach: ›O Vater Wecker! Recht ist deine Rede, du hast ergänzt, was mir fehlte‹; und bat, daß jeder Segen ihm lohnen möge. (Der Kaufmann aber, meine Tochter, verstand alles, was zwischen ihnen vorging.)
Am nächsten Tage nun nahm der Treiber den Ochsen, legte ihm den Pflug auf den Nacken und ließ ihn arbeiten wie gewöhnlich; aber der Ochse begann dem Rate des Esels gemäß die Arbeit zu meiden, und der Treiber prügelte ihn, bis er das Joch zerbrach und davonlief; aber der Knecht fing ihn ein und peitschte ihn, bis er an seinem Leben verzweifelte. Nichtsdestoweniger wollte er immer noch nichts tun, sondern bis zum Abend blieb er stehen und warf sich hin. Dann führte der Hirt ihn nach Hause und brachte ihn in seinen Stall; er aber wich vor seinem Trog zurück und stampfte weder, noch sprang und stieß und brüllte er wie sonst; und darob war der Knecht verwundert. Er brachte ihm die Bohnen und Hülsen, aber er schnüffelte nur und ließ sie liegen und warf sich so weit von ihnen nieder, wie er nur konnte, und fastete die ganze Nacht. Am nächsten Morgen kam der Knecht, und als er den Trog voll Bohnen sah, den Häcksel unberührt, und den Ochsen in traurigem Zustand auf seinem Rücken liegend, die Beine von sich gestreckt, und den Bauch geschwollen, da geriet er in Sorge um ihn, und er sprach bei sich selber: ›Bei Allah, er ist gewißlich krank, und das ist der Grund, weshalb er gestern nicht pflügen wollte.‹ Da ging er zum Kaufmann und berichtete: ›O mein Herr, der Ochs ist krank; gestern abend wollte er kein Futter, ja, er hat noch heute morgen keinen Bissen angerührt.‹ Nun wußte der Kaufmann, was all dies bedeutete, denn er hatte das Gespräch zwischen dem Ochsen und dem Esel gehört, und also sprach er: ›Nimm den Schurken, den Esel, und lege dem das Joch auf den Nacken und binde ihn an den Pflug und lasse ihn des Ochsen Arbeit tun.‹ Da nahm der Pflugknecht den Esel und ließ ihn den lieben langen Tag des Ochsen Arbeit verrichten; und als er vor Schwäche nicht mehr konnte, gab er ihm den Stock zu fressen, bis ihm die Rippen wund waren, bis ihm die Flanken einfielen und der Nacken blutete unter dem Joch; und als er abends nach Hause kam, konnte er kaum seine Glieder noch schleppen, weder die Vorder- noch die Hinterbeine. Der Ochse aber hatte den ganzen Tag lang ausgestreckt gelegen, und er hatte sein Futter mit vortrefflichem Appetit verspeist, und er ließ nicht ab, für seinen guten Rat Segen auf den Esel herabzurufen, und ahnte gar nicht, was diesem um seinetwillen begegnet war. Als nun die Nacht hereinbrach und der Esel in den Stall zurückkehrte, stand der Ochse vor ihm auf und sagte: ›Möge gute Nachricht dein Herz erheitern, o Vater Wecker; durch dich habe ich diesen ganzen Tag geruht, und ich habe mein Futter in Ruhe und Frieden gegessen.‹ Aber der Esel gab keine Antwort, aus Wut und Grimm und Ermattung und um der Prügel willen, die er erhalten hatte; und er bereute in schwerster Reue und sprach zu sich selber: ›Dies kommt von der Torheit, daß ich guten Rat gab; wie der Spruch es sagt, ich lebte in Freude und Frohheit, nichts brachte mir diese Not als meine Dienstbereitschaft. Aber ich will meinen eingeborenen Wert und den Adel meiner Natur vor Augen behalten; denn was sagt der Dichter?
Soll des Basilikum Schmelz erblinden – Ob es auch kratzen des Käfers Krallen?
Und wohnen auch Spinne und Fliege darin – Heftet sich Schmach an des Königs Hallen?
Der Kauri, ich weiß, hat Umlaufswert – Soll des Perlentropfens Preis darum fallen?
Ich muß jetzt nachdenken und sogleich eine List gegen ihn ersinnen, um ihn wieder auf seinen Platz zu verweisen, oder ich sterbe.‹ Und er ging müde zu seinem Trog, während der Ochse ihm dankte und ihn segnete. »Und ebenso meine Tochter,« sagte der Vezier, »wirst du sterben aus Mangel an Verstand; darum sitze still und sage nichts und setze nicht dein Leben solcher Gefahr aus; denn bei Allah, ich biete dir den besten Rat, und er entspringt meiner Liebe und freundlicher Sorge um dich.« »O mein Vater,« gab sie zur Antwort, »ich muß zu diesem König gehen und mich ihm vermählen.« Sprach er: »Tue nicht diese Tat«; und sie: »Wahrlich, ich will«; worauf er versetzte: »Wenn du nicht schweigst und still bist, so werde ich mit dir tun, wie der Kaufmann mit seinem Weibe tat.« »Und was tat er?« fragte sie. »Wisse also,« antwortete der Vezier, »daß nach der Rückkehr des Esels der Kaufmann mit seinem Weibe und seiner Familie auf die Dachterrasse heraustrat, denn es war eine mondhelle Nacht und Vollmond. Nun überblickte die Terrasse den Kuhstall, und als er so dasaß, und seine Kinder um ihn spielten, hörte der Händler den Esel zum Ochsen sagen: ›Sag mir, o Vater Breitstirn, was gedenkest du morgen zu tun?‹ Der Ochse versetzte: ›Was, als weiter deinem Rate folgen, o Aliboron? Wahrlich, er war so gut, wie er sein konnte, und er hat mir Ruhe und Rast gegeben; drum will ich auch jetzt um keinen Deut von ihm weichen: und wenn sie mir mein Futter bringen, so will ich es zurückweisen und meinen Bauch aufblasen und tun, als hätte ich die fallende Sucht.‹ Der Esel schüttelte den Kopf und sagte: ›Hüte dich das zu tun, o Vater eines Ochsen!‹ Der Ochse fragte: ›Weshalb?‹ Und der Esel versetzte: ›Wisse, daß ich dir eben jetzt den besten Rat geben will, denn wahrlich, ich hörte unseren Herrn zum Hirten sagen: Wenn der Ochse heute nicht aufsteht und wieder sein Futter verweigert, so schicke ihn zum Schlächter, daß er ihn erschlage und sein Fleisch den Armen gebe und aus der Haut ein Stück Leder mache. Nun fürchte ich dieserhalb für dich. Nimm also meinen Rat an, ehe dich Mißgeschick befalle; und wenn sie dir dein Futter bringen, so friß es und stehe auf und brülle und scharre den Boden, oder unser Herr wird dich gewißlich erschlagen: und Friede sei mit dir!‹ Da sprang der Ochse auf und brüllte laut und dankte dem Esel und sprach: ›Morgen will ich gern mit ihnen hinausziehen‹; und er fraß alsbald sein ganzes Futter und leckte sogar den Trog noch aus. (All dies geschah, und der Besitzer lauschte ihrem Gespräch.) Am nächsten Morgen ging der Händler mit seinem Weibe zum Stand des Ochsen, und sie setzten sich, und der Treiber kam und führte den Ochsen hinaus, der beim Anblick seines Herrn mit dem Schwanz schlug und einen Wind streichen ließ und so kräftig sprang, daß der Kaufmann ein lautes Lachen lachte, und so lange lachte, bis er auf den Rücken fiel. Sein Weib aber fragte: ›Was lachest du mit so lautem Lachen?‹ Und er versetzte: ›Ich lachte über ein geheimes Etwas, das ich gehört und gesehen habe, aber nicht sagen kann, will ich nicht des Todes sterben.‹ Sie aber sprach: ›Du mußt es mir entdecken und mir den Grand deines Lachens enthüllen, und sei es auch dein Tod!‹ Aber er erwiderte: ›Ich kann nicht enthüllen, was Tiere und Vögel in ihrer Sprache sagen, denn ich fürchte mich vor dem Tode.‹ Da sprach sie: ›Bei Allah, du lügst! Dies ist nur ein Vorwand: du lachst über niemand als mich, und jetzt willst du etwas vor mir verbergen. Aber beim Herrn der Himmel! Wenn du mir nicht den Grand enthüllst, so will ich nicht länger bei dir wohnen und verlasse dich sofort.‹ Und sie setzte sich hin und weinte. Da sagte der Kaufmann: ›Wehe dir! Was soll dein Weinen? Fürchte Allah und laß diese Worte und stelle mir keine Frage mehr.‹ ›Du mußt mir den Grund deines Lachens sagen,‹ rief sie, und er erwiderte: ›Du weißt, als ich Allah bat, mir Verständnis der Sprachen von Tieren und Vögeln zu verleihen, da gelobte ich, bei Strafe sofortigen Todes niemandem das Geheimnis zu entdecken.‹ ›Einerlei,‹ rief sie, ›sage mir, was zwischen dem Ochsen und dem Esel Geheimes vorging, und stirb zur Stunde, wenn der Sinn dir danach steht‹; und sie hörte nicht auf, ihn zu quälen, bis er ganz müde und wie von Sinnen war. So sagte er schließlich: ›Rufe deinen Vater und deine Mutter und Kind und Kegel und einige unserer Nachbarn‹; und sie tat es. Er aber schickte nach dem Kasi und seinen Beisitzern, da er sein Testament zu machen gedachte und ihr das Geheimnis zu enthüllen und des Todes zu sterben; denn er liebte sie mit überschwenglicher Liebe, weil sie seine Base war, die Tochter seines Vaterbruders, und die Mutter seiner Kinder; und er hatte mit ihr einhundertundzwanzig Jahre lang gelebt. Als er aber seine ganze Sippe und die Leute seiner Nachbarschaft versammelt hatte, sagte er zu ihnen: ›An mir hängt eine seltsame Geschichte, und sie ist so, daß ich des Todes bin, wenn ich das Geheimnis irgendwem entdecke.‹ Darum sprach jeder der Anwesenden zu dem Weibe: ›Allah behüte dich, laß ab von dieser sündigen Hartnäckigkeit und erkenne das Rechte in dieser Sache, daß nicht dein Gatte und der Vater deiner Kinder sterbe.‹ Aber sie versetzte: ›Ich will nicht davon ablassen, bis er es mir erzählt, und stürbe er auch des Todes.‹
So drängten sie sie nicht weiter; und der Händler stand auf und ging zu einem Außenhaus, um die Wuzu-Waschung vorzunehmen, und dann wollte er zurückkehren und sein Geheimnis sagen und sterben. Nun, Tochter Schahrazad, hatte der Kaufmann in diesem Gebäude etwa fünfzig Hennen unter einem Hahn, und als er sich bereit machte, den Seinen lebewohl zu sagen, hörte er einen seiner vielen Hofhunde in seiner Sprache den Hahn anreden, der die Flügel schlug und munter krähte und einer Henne nach der andern auf den Rücken sprang, um sie zu treten; und er hörte ihn sagen: ›O Kreyant! Wie niedrig ist dein Witz, und wie schamlos dein Benehmen! Enttäuscht sei, wer dich zeugte! Schämst du dich nicht dieses Tuns an einem solchen Tage?‹ ›Und was,‹ fragte der Hahn, ›wäre heute geschehen?‹ Worauf der Hund versetzte: ›Weißt du nicht, daß unser Herr sich heute zum Tode bereit macht? Sein Weib ist entschlossen: er soll das Geheimnis enthüllen, das Allah ihn lehrte, und sowie er das tut, wird er gewißlich sterben. Wir Hunde sind alle in Trauer, aber du schlägst die Flügel und krähst und trittst Henne nach Henne. Ist dies die Stunde für Zeitvertreib und Vergnügen? Schämst du dich nicht?‹ ›Dann, bei Allah‹ sagte der Hahn, ›ist unser Herr arm an Witz und ohne Verstand: wenn er ein einziges Weib nicht bändigen kann, so ist sein Leben der Verlängerung nicht wert. Ich habe einige fünfzig Hennen, und ich befriedige diese und reize jene, lasse die eine hungern und mäste die andere, und durch meine gute Leitung habe ich sie alle in der Gewalt. Dieser unser Herr macht Anspruch auf Witz und Weisheit, und er hat nur ein Weib und weiß doch nicht, wie er es bändigen soll.‹ Und es fragte der Hund: ›Was denn, o Hahn, sollte der Herr tun, um diese Klippe zu umschiffen?‹ ›Er sollte stracks aufstehn‹, versetzte der Hahn, ›und von einem Maulbeerbaum ein paar Zweige nehmen und ihr regelrecht den Rücken dreschen und die Rippen heizen, bis sie schreit: Ich bereue, o mein Herr! Ich will dir, solange ich lebe, keine Frage mehr stellen! Dann mag er sie noch einmal gehörig schlagen, und hinfort wird er frei von Sorge ruhen und sein Leben genießen. Aber dieser unser Herr hat weder Verstand noch Urteil.‹« »Nun, Tochter Schahrazad«, fuhr der Vezier fort, »will ich dir tun, wie der Kaufmann seinem Weibe tat.« Und es fragte Schahrazad: »Was tat er?« und er erwiderte: »Als der Kaufmann die weisen Worte hörte, die der Hahn zum Hunde sprach, erhob er sich eilig, schnitt sich ein paar Maulbeerzweige, suchte seines Weibes Zimmer auf und verbarg sie dort; dann rief er ihr zu: ›Komm in die Kammer; damit ich dir das Geheimnis sage, wo mich niemand sieht, und sterbe.‹ Sie trat mit ihm ein, und er verschloß die Tür und fiel mit so kräftigen Prügeln über sie her, auf Rücken und Schultern und Rippen, Arme und Beine, und rief derweilen: ›Willst du je wieder nach Dingen fragen, die dich nichts angehn?‹ daß sie fast ohnmächtig wurde. Und alsbald rief sie aus: ›Ich bereue! Bei Allah, ich will dir keine Fragen mehr stellen, und wahrlich, ich bereue aufrichtig und gründlich.‹ Dann küßte sie ihm Hand und Fuß, und er führte sie hinaus, unterwürfig, wie ein Weib es sein soll. Ihre Verwandten und alle freuten sich, und die Trauer war in Jubel und Lust verwandelt. So lernte der Kaufmann von seinem Hahn Familienzucht, und er und sein Weib lebten das glücklichste Leben bis zu ihrem Tode.«
»Und auch du, meine Tochter,« fuhr der Vezier fort, »wenn du nicht von deinem Willen lässest, so werde ich dir tun, was der Händler seinem Weibe tat.« Aber sie antwortete ihm entschlossen: »Ich werde nicht davon lassen, o mein Vater, noch auch soll diese Erzählung meine Absicht ändern. Laß solch Geschwätz und Gerede. Ich will nicht auf deine Worte hören, und wenn du es mir abschlägst, so werde ich mich ihm dir zum Trotz vermählen. Und erst will ich selber zum König gehen, allein; und ich will ihm sagen: Ich bat meinen Vater, mich dir zum Weibe zu geben, aber er wollte es nicht, denn er war entschlossen, seinen Herrn zu enttäuschen, und er mißgönnte meinesgleichen deinesgleichen.« Ihr Vater fragte: »Muß es sein?« Und sie erwiderte: »Es muß sein.« Da nun der Vezier des nutzlosen Klagens und Streitens und Überredens und Abratens müde war, so ging er zu König Schahryar, segnete ihn, küßte vor ihm den Boden und erzählte ihm den ganzen Streit mit seiner Tochter, wie auch, daß er die Absicht habe, sie ihm nachts zu bringen. Der König staunte in höchstem Staunen, denn er hatte die Tochter des Veziers eigens ausgenommen, und er sprach zu ihm: »O treuester der Berater, wie kommt dies? Du weißt, ich habe beim Schöpfer des Himmels geschworen, nachdem ich in der Nacht mit ihr geschlafen habe, werde ich am folgenden Morgen zu dir sagen: Nimm sie und erschlage sie! Und wenn du sie nicht erschlägst, so werde ich unfehlbar an ihrer Stelle dich erschlagen.« »Allah führe dich zum Ruhm und verlängere dein Leben, o König der Zeit,« erwiderte der Vezier, »sie hat es so bestimmt; all das habe ich ihr schon gesagt, und mehr noch, aber sie will nicht auf mich hören, und sie besteht darauf, die nächste Nacht bei des Königs Majestät zu verbringen.« Da frohlockte Schahryar sehr und sagte: »Es ist gut; geh, mache sie bereit und bringe sie mir heute nacht.« Der Vezier nun kehrte zu seiner Tochter zurück, berichtete ihr den Befehl und sagte: »Allah mache deinen Vater nicht trostlos durch deinen Verlust!« Aber Schahrazad freute sich in höchster Freude und machte alles bereit, was sie brauchte, und sagte zu ihrer jüngeren Schwester, Dunyazad: »Beachte wohl, welche Weisung ich dir anvertraue! Wenn ich zu dem König hineingegangen bin, so werde ich nach dir senden, und wenn du siehst, daß er seinen Willen an mir gelabt hat, so sage du zu mir: O meine Schwester, wenn du nicht schläfrig bist, so erzähle mir eine neue Geschichte, unterhaltsam und ergötzlich, um die wachen Stunden schneller zu vertreiben; und dann will ich dir eine Erzählung erzählen, die unsere Befreiung sein soll, wenn es Allah so gefällt, so daß der König von seiner blutdürstigen Gewohnheit abläßt.« Und Dunyazad erwiderte: »Mit Liebe und Freude.« Als es nun Nacht war, brachte ihr Vater, der Vezier, Schahrazad zum König, der bei ihrem Anblick froh wurde und fragte: »Hast du mir gebracht, was ich brauche?« Und er erwiderte: »Ja.« Als aber der König sie in sein Bett nahm und mit ihr zu spielen begann, da weinte sie; und er fragte: »Was fehlet dir?« Sie erwiderte: »O König der Zeit, ich habe eine jüngere Schwester, und gern nähme ich heute nacht noch von ihr Abschied, ehe ich das Tagesgrauen sehe.« So schickte er alsbald nach Dunyazad, und sie kam und küßte zwischen seinen Händen den Boden, und er erlaubte ihr, sich zu Füßen des Lagers zu setzen. Dann erhob sich der König und nahm seiner Braut die Mädchenschaft, und schließlich schliefen alle drei ein. Doch als die Mitternacht kam, wachte Schahrazad auf und winkte ihrer Schwester Dunyazad, die sich aufsetzte und sprach: »Allah sei mit dir, o meine Schwester, erzähle uns eine neue Geschichte, unterhaltsam und ergötzlich, um uns die wachen Stunden des Restes der Nacht zu vertreiben.« »Mit Freude und großer Lust,« erwiderte Schahrazad, »wenn der fromme und glückliche König es erlaubt.« »Erzähle,« sprach der König, der schlaflos und rastlos war und sich der Aussicht auf eine Geschichte freute. Da frohlockte Schahrazad; und sie begann in der Ersten Nacht der tausend Nächte und einen Nacht