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AUFTAKT IM BIG APPLE


ALLES BEGANN VOR SIEBEN JAHREN, als ich an meinem dreizehnten Geburtstag zwei Flugtickets nach New York auf dem Tisch im Wohnzimmer fand. Meine Mutter hatte beschlossen, dass es Zeit für mich wäre, die Welt zu sehen, und hatte mir kurzerhand eine Reise nach Amerika geschenkt – wie diese Reise mein Leben verändern würde, ahnte ich damals noch nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte mein Universum aus Schule und meinem Zimmer in unserer Finca auf dem spanischen Land bestanden. Schafe, Pinienwälder, meine beiden Deerhounds und das Baumhaus zwischen den Kakteen waren mein Zuhause. Ich trug Schlaghosen und Clogs, wickelte Tücher um fast jedes meiner Körperteile und hatte mein Haar zu einem frechen Bob geschnitten. Meine Eltern hatten mir immer vorgelebt, kreativ zu sein und viele Dinge anders als andere zu machen. Bevor wir im Jahr 2009 nach Spanien gezogen waren, hatte mein Vater Cato in Hamburg lange als Galerist gearbeitet und meine Mutter Enja in einer Architekturbuchhandlung. Ganz selbstverständlich hatte ich in meinem Alltag mit Kunst zu tun gehabt und auch mit den Künstlern, die diese machten. In unserer Hamburger Wohnung hatten Kunstwerke von Jim Rakete, Susa Templin, Michael Najjar, Martin Liebscher und F. C. Gundlach an den Wänden gehangen. Auch in unserem Domizil in der ländlichen Idylle Spaniens gab es Kunstwerke. Eines davon zeigte eine Ansicht von Manhattan und trug die Aufschrift: »Amerika gibt es nicht.« Die Google-Suche ergab: Amerika gibt es doch! Und dank der Flugtickets auf dem Wohnzimmertisch wusste ich: Ich würde es live erleben! Meine erste große Reise war wahnsinnig aufregend. Es ist schwer, die Gefühle von damals zu beschreiben: Angst, Neugier und Mut wechselten sich ab. Der Flug über den Atlantik dauerte dreizehn Stunden und die ganze Zeit über blieb ich wach und drückte meine Nase an das viel zu kleine Fenster, selbst als es über den Wolken dunkel wurde. Bestimmt sah ich als Erste im Flieger die Skyline von Manhattan. Es war, als hätte jemand mit einem Mal alle Lichter angeknipst – und das nur für mich.

Mit dem Taxi fuhren wir vorbei an Basketballplätzen, eleganten Upper East Side Girls und Dog Walkern. Prägnante Filmszenen spielten sich vor meinem inneren Auge ab: New York, I Love You, Schlaflos in Seattle, Frühstück bei Tiffany, Manhattan von Woody Allen und natürlich Der Teufel trägt Prada, der Film, den ich auf Deutsch wie auf Englisch mitsprechen konnte. Ich hatte das Gefühl, tatsächlich mitten im Setting dieser Filme zu sein. Vor einem der großen Hotels am Rand des Central Parks wurden wir aus dem Taxi gespuckt. Ich stand am Bordstein, flankiert von zwei großen Koffern und meine Nase roch Zukunft … und Bagels.

Bei spanischer Mode muss ich an die Marke Desigual denken, an falsches Leder, Schuhe aus einem der unzähligen Billigschuhläden und an erschreckend wilde Muster – das ist der Streetstyle im spanischen Dorf. In Madrid und Barcelona aber muss man nicht allzu lange suchen, um eine Frau zu finden, die internationale Marken mit dem spanischen Flair – aufgetragen wie ein Spritzer Parfüm und kaum sichtbar –, Stil und Modebewusstsein trägt. Internationaler Chic dominiert die Looks und nur manchmal schleicht sich eine spanische Farbmelange ein. Statt mich am Modegeschmack meiner mallorquinischen Mitschüler zu orientieren, experimentierte ich in Spanien lieber mit dem Kleiderschrank meiner Mutter.


Damals


Heute

New York veränderte meinen Stil und meine Sicht auf die Mode in nur vierzehn Tagen. Wir streunten durch die nummerierten Straßen und landeten in Showrooms und kleinen Boutiquen, die Independent Labels vertrieben. Dabei verliebten wir uns in fast jeder Galerie in Soho und Chelsea. Hier war die Vielfalt zu Hause: Ich sah Frauen in engen Kleidern aus Lack und Plastik, Overkneestiefeln und mit Modeschmuck, die sich offensichtlich an der schrillen japanischen Mode orientierten. Die Verkäuferin in dem kleinen Secondhandshop um die Ecke verkaufte mir mehr als nur eine Vintage-YSL-Jacke. Sie selbst trug zu ihrem Afro jeden Tag ein anderes Slogan-Shirt. »Don’t kill my vibe« oder »You can’t sit with us« war ihre Begrüßung an der Kasse. Elektrisiert von diesen vielen Eindrücken stieß ich an einem Nachmittag im Central Park im Love Magazine auf Tavi Gevinson, die damals jüngste Modebloggerin der Welt.

Mit meinem Schulenglisch wühlte ich mich durch die i-D, die Dazed & Confused und das Love Magazine – lange Texte über Taschen und die neueste Jeff-Koons-Figur. Plötzlich lachte mir ein junges Gesicht mit Zahnspange entgegen. Ich war beeindruckt. Ich war dreizehn, sie erst zwölf. Ein Wunderkind mit exzentrischem Äußeren und humorvollen Blogposts. Das Love Magazine schrieb darüber, wie Tavi die aktuelle Mode als unoriginell kritisierte und sich über das Mitläufersyndrom bei Teenagern beklagte. Mit ihren erst zwölf Jahren schien sie die einheitliche Masse bereits zu durchschauen und selbst ständig auf der Suche nach frischem Wind zu sein. Im Fokus des Artikels standen Tavis eigene Outfits: Foto für Foto wurden die Leser in ihre Welt eingeführt. Tavi wickelte, schnürte, improvisierte. Sie entwarf sogar selbst Kleider, schnitt und nähte sie aus Stoffbahnen und Gardinen zusammen. Sie war bezaubernd originell. An diesem kritischen, wissenden Blick hinter der großen Brille und ihrem verrückten, andersartigen, intellektuellen Look kam man einfach nicht vorbei. Sie erreichte ihre Leser nicht über einen teuer bezahlten Stil oder die Illusion der Perfektion einer Designerpuppe, sondern mit ihrer eigenen, unverwechselbaren Stimme. Ich stellte mir vor, wie es wäre, das zu schaffen, was sie geschafft hatte. Von diesem Moment an wollte auch ich Bloggerin werden. In den letzten sieben Tagen in New York City trug ich den Artikel über Tavi die ganze Zeit in meiner großen Umhängetasche mit mir herum. So, davon war ich überzeugt, würden New York, Tavis Erfolg und ihre Kreativität auf mich abfärben und mich bis nach Hause begleiten.

Zurück in Spanien zog ich mich noch am Abend unserer Rückkehr in mein Zimmer zurück, setzte mich vor den alten Apple-Computer meines Vaters, loggte mich bei Blogspot ein und klickte bei »Blog erstellen?« auf »OK«.







Blogger Rule Number 1

Zweifel nicht – mach es!

Wie ging es weiter? Ein Blog ist ein virtueller Fingerabdruck, den man im Netz hinterlässt: unauflöslich mit der eigenen Person, dem eigenen Charakter verbunden. Das war mir am Anfang noch nicht klar. Eine erste eigene Seite zu erstellen, ist nicht schwer – sie zu formen und zum Leben zu erwecken, dafür umso mehr. Sobald man beginnt, sich mit dem Layout – der Farbe, dem Header, dem Logo, der Schrift und dem Format der Bilder – zu beschäftigen, kommt ein Prozess in Gang, den man mit der Entwicklung einer Liebesgeschichte vergleichen kann: vom ersten Date über das Kennenlernen bis hin zur verbindlichen Beziehung – und dem ersten Streit. Ein Blog ist ein Partner, der nicht immer leicht zu handhaben ist, einem dafür aber viel über sich selbst verrät. Ein Blog ist eine intime Angelegenheit! Er macht angreifbar. Man erzählt aus seinem Leben, gibt einiges über sich selbst Preis und es kann passieren, dass man den Lesern damit das Gefühl vermittelt, dass man sich selbst ganz schön wichtig nimmt. Doch als Blogger möchte man auch, dass die Leser mitreden, schließlich sind sie es, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. So bekam ich, nachdem ich völlig impulsiv und anfangs noch voller Euphorie den Blog erstellt hatte, schnell Angst: Angst vor null Lesern auf meiner Seite, Angst, wie meine Bilder auf andere wirken würden, Angst vor negativen Kommentaren. Doch wie immer war die Neugier stärker als die Angst.

Wie und wo anfangen?

Stylisten, Make-up-Artists und Fotografen haben meist eine klassische Website, die vor allem dazu da ist, einen Einblick in ihr Portfolio zu geben. Ein Blogger möchte jedoch mehr als das. Er sucht den Austausch mit seinen Lesern. Deswegen ist es wichtig, eine Seite zu erstellen, die das ermöglicht. Für Einsteiger gibt es dafür zwei Möglichkeiten:

1. Einen kostenlosen Blog auf einem Blogportal erstellen: Wenn man sich erst mal spielerisch mit dem Bloggen auseinandersetzen will, reicht es vollkommen, sich einen kostenlosen Blog einzurichten. Blogportale, die diesen Service anbieten, gibt es wie Sand am Meer. Blogger, die schon lange dabei sind, haben meist wie ich bei Blogspot angefangen. Die beliebtesten kostenfreien Blogportale sind die folgenden:

www.blogger.com

www.wordpress.com

www.jimdo.com

2. Eine eigene Seite programmieren: Die Vorteile hierbei: ein eigener Domainname, unendlich viele Möglichkeiten in der Gestaltung und natürlich: der professionelle Eindruck! Jedoch kostet eine eigene Website auch Geld … Als ich mich zum ersten Mal nach einem Programmierer umsah, bekam ich die unterschiedlichsten Angebote. Einige Freunde boten mir ihre Arbeit für zweitausend Euro an, während bekannte Programmierer schon mal zwölftausend Euro aufriefen. Einem Newcomer, der sich mit einem kostenlosen Blog auf einem Blogportal nicht begnügen möchte, würde ich empfehlen, sich zuerst nach einem Kommunikationsdesign-Studenten zu erkundigen, der Lust auf und Zeit für ein solches Projekt hat. Alternativ kann man sich auch nach einem preiswerten Kreativen umschauen.

Jahre nach meinem Debüt auf Blogspot ließ ich mir von einem Freund meine erste individuelle Seite programmieren. Das war die Geburtsstunde von meinem aktuellen Projekt »4Pigeons« (www.4pigeons.de), einem Mode- und Lifestyle-Blog, den ich gemeinsam mit drei Freunden aus der Branche initiiert habe.

Mein Startblog »Anouk on the brink« wird jedoch, so sehr ich das neue Projekt auch liebe, für immer mein Baby bleiben.



Mit Sue Giers von Linette beim Shooting.

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