Читать книгу Spur ins andere Kontinuum: Weg in die Galaxis - Antje Ippensen - Страница 9
2.
ОглавлениеFast drei weitere Jahre vergingen, in denen aus der provisorischen Stadt eine feste Ansiedlung wurde. Mittlerweile gab es nicht mehr nur die einfachen Wohncontainer, aus den schmucklosen Notbehelfen waren nun doch Wohnungen geworden, die jeder für sich individuell gestaltete. Ein zentrales Krankenhaus und mehrere kleine Medolabs waren entstanden, Vergnügungsstätten und ein Einkaufszentrum, Dienstleistungsbranchen und auch eine Polizeistation, die gut zu tun hatte. Wo derart viele Menschen aufeinander trafen, blieb es einfach nicht aus, dass verschiedene Meinungen aufeinanderprallten und einige Leute auf handgreifliche Art und Weise ihre Ansichten vertreten wollten. Kurzum, es war ein blühendes Gemeinwesen. Die Bevölkerung betrug zeitweilig mehr als zehntausend Menschen – man hätte Katta als aufstrebende Kolonie bezeichnen können, wenn es denn eine gewesen wäre und nicht nur ein Forschungszentrum.
Doch dies hier war eine Ansammlung von wissenschaftlichen Koryphäen, unterstützt von unzähligen fleißigen Händen, um die Rätsel eines verschollenen Volkes zu lösen, keine eigenständige Auswanderersiedlung.
Aber die Gemeinschaft funktionierte. Wie überall, wo es Menschen gab, wurden Beziehungen geschlossen, gab es Streit und Klatsch und die ganze Palette menschlicher Eigenheiten.
Ewald Martell und Alanna Waycroft waren zusammengezogen. Es hatte sich nach einiger Zeit so ergeben. Die beiden so gegensätzlichen Menschen empfanden mehr als nur Sympathie füreinander und hatten beschlossen, wenigstens einen Teil ihres Lebens miteinander zu verbringen. Und hier verband die beiden natürlich auch noch das gemeinsame Interesse an der wissenschaftlichen Arbeit. Aber noch immer konnte es zwischen ihnen zu ausgedehnten Diskussionen kommen, wenn sie unterschiedlicher Meinung waren, was sich relativ häufig ergab. Aber sie waren ein Team, das äußerst erfolgreich zusammenarbeitete .
So auch jetzt, da sie zusammen mit dem Tronic-Spezialisten Damian Helfgert und dem Kybernetiker Andres Anderson auf der Spur weiterer Impulse waren. Man hatte sie erst vor einigen Tagen geortet. Im Gewirr der wiederhergestellten Energieströme, die ganz Katta durchzogen, tauchten immer wieder vereinzelte Spitzen auf, die auf einen besonders starken Verbrauch schließen ließen. Keines der bisher erkannten und in Betrieb genommenen Geräte besaß derart starke Werte – jedenfalls soweit die Menschen das sagen konnten.
Die vier Wissenschaftler waren mit einem Gleiter in die Stadt geflogen. Wie schon früher war der Ursprungsort nur annähernd zu bestimmen gewesen. Es wäre also unverschämtes Glück gewesen, wenn sie gleich zu Anfang ihrer Suche fündig geworden wären. Damian Helfgert hatte einen tragbaren Energie-Scanner dabei, Alanna trug zusätzlich ein Oszillo, und Andres Anderson beobachtete weitere Sensoren, mit denen sie dem Ursprung der seltsamen Energieverbraucher auf die Spur kommen wollten.
Ewald Martell landete den Gleiter in einem bisher noch nicht erforschten Bereich der Stadt. Die Straßen waren leer, nicht einmal die sonst überall verstreuten Roboter waren zu sehen, alles wirkte aufgeräumt und sauber – und sehr steril. Die Wissenschaftler hatten sich längst an die gigantischen Ausmaße gewöhnt, es versetzte sie nicht mehr in Schrecken, wenn die Höhe der Häuser unendlich schien.
»Diese Richtung«, erklärte Damian Helfgert und deutete in eine Straße hinein. »Ich habe ein gutes Gefühl, dass wir dort etwas finden werden.«
»Damian, wir finden seit mehr als drei Jahren täglich etwas Neues. Es wäre keine so große Überraschung«, gab Ewald Martell spöttisch zurück.
»Wir haben schon soviel gefunden, dass ein ganzes Menschenleben nicht ausreicht, um auch nur einen Überblick zu verschaffen«, setzte Alanna noch eine kleine Spitze darauf.
»Ach, ihr zwei immer mit euren Spötteleien. Ihr wisst genau, was ich meine«, murrte Damian, ohne wirklich beleidigt zu sein.
»Was macht dich so sicher?«
»Die Tatsache«, grinste er, »dass wir in dem Gebäude dort drüben eine Spur finden werden.« Der Ausschlag im Instrument war deutlicher geworden, Damian Helfgert konnte Recht haben.
Wie Ameisen kamen sie sich wieder einmal vor, als sie durch ein weit offenstehendes Tor in das Haus gingen. Es schien eine Eigenart aller Häuser in der gigantischen Stadt zu sein, dass nicht eines davon verschlossen war.
Ewald Martell leuchtete mit einem starken Strahler in den Raum hinein – schon wieder eine Halle. Aber das war ja bisher nicht ungewöhnlich. Rein zufällig erblickte er dabei den Aktivierungsschalter für die lokale Energiezufuhr, und gleich darauf wurde es hell. Das Innere dieses Gebäudes unterschied sich nun allerdings gewaltig von allen, die sie bisher betreten und untersucht hatten.
Die eine Hälfte wurde von Förderbändern eingenommen. Allerdings gab es keine Maschinen, die etwas produzierten, das befördert werden musste.
Neugierig trat Andres Anderson näher heran und versuchte allein mit Blicken hinter das System zu kommen. Die Bänder zweigten an mehreren Weichen ab und verloren sich dann in der Weite des Gebäudes. Die andere Hälfte der Halle wirkte auf den ersten Blick wie ein Wartesaal. Es gab einen Tresen, wenn es denn einer war, über dem eine nicht aktivierte Anzeigetafel angebracht war; lange Reihen von Sitzschalen – so muteten sie an – boten Platz für Reisende, die auf ihren Transport warteten.
»Ein intergalaktischer Bahnhof«, witzelte Alanna. »Nächste Abfahrt des Zuges in zwei Minuten, bitte vom Bahnsteig zurücktreten.«
»Hast du in letzter Zeit zu viele alte Filme gesehen?«, erkundigte sich Damian. »Züge? Nein, wirklich, dass du noch weißt, was das ist.«
»Mal im Ernst, das hier sieht wirklich aus wie eine Wartehalle. Und die Förderbänder da hinten dürften ja wohl sperrige Waren oder größere Güter transportiert haben.«
»Eine kühne Theorie«, meinte Andres. »Aber nicht ganz abwegig. Meine Gedanken gehen in eine ähnliche Richtung.«
»Moment mal«, protestierte Ewald Martell. »Dann müsste hier auch ein Transportmittel, egal welcher Art, zu finden sein. Seht ihr vielleicht etwas?«
»He, sei nicht so ungeduldig, wir fangen gerade erst an«, neckte Alanna.
»Ach, sei doch nicht so unlogisch. Wenn dies hier eine Wartehalle ist, dann sollte es auch eine Art Raumhafen oder so etwas geben«, beharrte der Oberleutnant auf seiner Meinung.
»Wohl eher so etwas«, lachte Alanna.
»Und wie soll das aussehen, deiner Meinung nach?«
»Das werden wir noch herausfinden«, versprach Damian. »Ich hätte nicht gedacht, dass ihr nach der langen Zeit hier auf Katta noch so ungeduldig sein könnt. Lasst uns einfach mal weitergehen. Ich bin auf jeden Fall sicher, dass sich der Ursprungsort der Impulse nicht weit von hier befindet.«
»Wir könnten auch die Abkürzung nehmen«, sagte Andres.
Noch bevor ihn einer der anderen daran hindern konnte, drückte er einen großen auffälligen Schalter. Ein kreischendes Geräusch erklang für einen Moment, entsetzt hielten sich alle die Ohren zu, dann wurde es aber wieder ruhig, und zu ihrem großen Erstaunen setzten sich die Förderbänder in Bewegung.
»Bist du verrückt geworden?«, fuhr Ewald Martell den Kybernetiker an. »Du hättest eine Art Selbstvernichtungsanlage auslösen können. Willst du uns alle umbringen?«
»Hier? Eher unwahrscheinlich«, grinste der Skandinavier. Er verfolgte aufmerksam, wie die Transportbänder lautlos ihren Weg durch die Halle nahmen. Eines davon führte tiefer in das Gebäude hinein, während sich das andere, das herauskam, in verschiedene Wege teilte. Wenn man einer gewissen Logik folgte, handelte es sich dabei um einen Verteiler, der ankommende Güter an verschiedene Stationen weiterleitete. Also war es für die Terraner interessant herauszufinden, woher die Güter kamen, die hier transportiert und verteilt wurden. Die Richtung deckte sich auch mit den Ausmaßen des Wartesaals, der sich ebenfalls weiter in das Gebäude hinein erstreckte.
»Du erwartest jetzt aber nicht, dass wir uns auf das Band setzen, nein?«, spottete Alanna. »Ich habe nämlich keine große Lust, am Ende womöglich von einem Greifarm irgendwo hineingesteckt zu werden.«
Andres Anderson grinste wieder. »Das liegt mir auch nicht besonders. Gehen wir zu Fuß. Und ich bin ziemlich sicher, dass wir am Ende eine Überraschung erleben werden. Auf jeden Fall dürften der Wartesaal und das Förderband irgendwo aufeinandertreffen.«
»Was vermutest du eigentlich?«, fragte Alanna jetzt geradewegs.
»Ich will mich nicht blamieren, indem ich Hoffnungen in die Welt setze«, wehrte er ab.
»Quatsch, wir sitzen alle in einem Boot. Also, sag schon.«
Andres kratzte sich am Kopf, dann nickte er nachdenklich. »Ich halte es für möglich, dass wir auf einen Transmitter treffen. Die Energiemengen würden dem entsprechen, was so ein Gerät in der Ruhephase benötigt – und diese ganze Anlage hier deutet einfach darauf hin.«
Ewald Martell schnappte nach Luft. »Ein Transmitter? Und wer sollte den installiert haben? Das ist jetzt wirklich eine total verrückte Theorie.«
»Aber nicht von der Hand zu weisen.«
Alanna wollte nicht erst eine lange Diskussion aufkommen lassen. Schließlich konnten sie nicht weit entfernt von dem Transmitter sein, wenn es denn einer war. Ewald Martell zuckte die Schultern. »Lassen wir uns überraschen. Solltest du recht haben, wäre das wirklich eine Sensation.«
»Vielleicht lässt er sich ja sogar Richtung Terra einjustieren«, mutmaßte Damian.
»Langsam, Freunde, warten es doch erst einmal ab.«
Die vier Terraner folgten weiterhin dem Förderband, und in Sichtweite blieb der Wartesaal.
»Wie viele Wesen müssen dann hier gewartet haben?«, fragte Alanna nachdenklich, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. »Wenn es nur ein Gerät gibt, dann ist vermutlich ein steter Wechsel zwischen Empfang und Sendung gewesen. Und natürlich müssen die Endgeräte jeweils justiert worden sein.«
Plötzlich standen sie vor einer Wand; das Förderband verschwand durch einen schmalen Schlitz, aber ein Schott darüber zeigte an, dass bei Bedarf auch größere Güter transportiert werden konnten. Etwa fünfzig Meter entfernt endete auch der Wartebereich vor einem Schott.
»Wir versuchen es da drüben«, entschied Ewald Martell. »Hier besteht noch immer die Möglichkeit, dass Maschinen die Güter auf dem Band unsanft befördern.«
Das Schott besaß keinen Öffnungsmechanismus, und etwas ratlos standen die Terraner zunächst davor. Damian Helfgert holte schließlich einen automatischen Codegeber hervor.
»Ein kleines Spielzeug, das uns aber gute Dienste leisten kann«, erklärte er.
Das Gerät gab innerhalb einer Sekunde mehr als eine Million Impulsfolgen ab, es musste einfach eine darunter sein, die das Schott dazu brachte, sich zu öffnen. Es dauerte dennoch fast fünfzehn Sekunden, bis ein leises Zischen anzeigte, dass sich etwas tat. Zögernd fuhr das Schott beiseite, und die Spannung in den Wissenschaftlern erreichte ihren Höhepunkt.
»Ich hatte recht«, murmelte Andres Anderson, als könnte er es selbst kaum glauben.
Der Raum hinter dem Schott wurde von einer Art Käfig ausgefüllt. In diesem befand sich, auf einem Podest etwas erhöht, ein Transmitter. Das Förderband reichte bis an das Gerät heran, und an der Stirnseite befanden sich in einer Kabine die Kontrollen, mit denen das Gerät gesteuert wurde.
»Es ist nicht zu glauben«, staunte Alanna. Sie ging zu den Kontrollen hinüber, doch noch bevor sie die Kabine betreten konnte, zuckte ihr ein Energieblitz entgegen. Gleichzeitig glühte im Innern des Transmitters ein Abstrahlpol auf. Offensichtlich versuchte sich dieses Gerät selbst zu aktivieren.
»Nichts anfassen«, warnte Ewald Martell. »Wenn wir das Gerät jetzt ohne Vorbereitung aktivieren, kann es zu einer Katastrophe kommen.«
»Ach, sieh mal an, diese Idee kam mir auch gerade«, spottete Alanna sanft. Doch in ihren Augen leuchtete die Freude über die Entdeckung. »Ich möchte nur wirklich wissen, wer den Transmitter hier installiert hat. Diese Technik beherrscht schließlich nicht jeder. Und wenn die Kattaer selbst diese Geräte entwickelt hätten, dann wären sicher noch mehr Stationen in der Stadt zu finden gewesen.«
»Vielleicht waren es Kosmoter«, mutmaßte Damian.
»Klar, und morgen kommt der Weihnachtsmann zu Besuch«, wehrte Ewald Martell hab. »Die Kosmoter können auch nicht überall ihre Finger im Spiel haben.«
»Das kannst du nicht wissen, und ich auch nicht. Erst einmal sollten wir die Neuigkeit unserer Entdeckung verbreiten, alles weitere wird sich im Laufe der Zeit finden.«
Es stellte sich nach einiger Zeit heraus, dass von diesem Transmitter aus die Erde zu erreichen war, wenn auch der Transport für Menschen über diese große Entfernung nicht sehr gesund war. Doch Waren konnten transportiert werden, und so verfügte die Erde über den unschätzbaren Vorteil, benötigte Güter über den kurzen Weg schicken zu können.
*
DIE ENTDECKUNG DES Transmitters schlug im Camp ein wie eine Bombe, und endlich hatten die Wissenschaftler etwas Handfestes, mit dem sie experimentieren konnten.
Ewald Martell und Alanna Waycroft aber eilte nun der Ruf voraus, eine besondere Spürnase für das Ungewöhnliche zu besitzen, und die beiden waren einig darin, diesen Ruf etwas auszunutzen.
Es hatte zu verschiedenen Zeiten immer wieder aufs Neue das Auftreten der stellaren Impulse gegeben, mit denen niemand so recht etwas anfangen konnte. Dieses Rätsel aber beschäftigte die beiden ungemein. So baten sie schließlich darum, beim nächsten Auftreten der Impulse mit der CARMEN DIAZ folgen zu dürfen. Das Schiff war immerhin mit allen möglichen nützlichen Instrumenten ausgestattet, um der Sache auf den Grund zu gehen. In der HFL kannte man dieses Phänomen schon eine ganze Zeit, und alle Daten, die man mittlerweile hatte ermitteln können, waren in der Zentraltronic gespeichert. Man wusste durch die Informationen, die Peter Lorre mit der PLUTO II auf dem Planeten Troy erhalten hatte, dass die stellaren Impulse für ein weiteres, noch unbekanntes Volk der Galaxis lebenswichtig gewesen waren – oder vielleicht immer noch waren. Warum sonst sollten diese Impulse noch immer ausgesandt werden?
Es gab eine ganze Reihe von Planeten, die solche Signale ausschickten, und andere, die sie empfingen. Vielleicht lebte dieses mysteriöse Volk noch und war bereit, Aufklärung zu geben.
Unter den gegebenen Umständen war es für Alanna und den Oberleutnant nicht besonders schwierig, die Erlaubnis zu erwirken, die Signale verfolgen zu dürfen. Die HFL hatte schon mehr als ein Schiff ausgeschickt, um nach den stellaren Impulsen zu suchen, doch bisher war jeder Versuch vergeblich gewesen. Ein weiteres Unternehmen konnte nicht schaden, allerdings verursachte es eine Menge Kosten, die irgendwie gerechtfertigt werden mussten.
Die Intervalle der Impulse waren jedoch noch nicht rechnerisch erfassbar. Das konnte natürlich auch daran liegen, dass der Ursprung variierte.
Die CARMEN DIAZ hielt sich auf Katta in ständiger Alarmbereitschaft. Aber dann ging alles sehr schnell. Als die stellaren Impulse erneut angemessen wurden, befanden sich Ewald Martell und Alanna Waycroft innerhalb weniger Minuten an Bord. Die Instrumente wiesen den Weg durch das Para-Kontinuum, und das Forschungsschiff startete.
*
IM JAHRE 2092, NACHDEM die PLUTO II den seltsamen Impulsen gefolgt und auf Katta gelandet war, hatte ihr Weg zum Planeten Troy geführt. Dort befand sich ein zentrales Computergehirn, das ebenso wie die Zentrale auf Katta stellare Impulse aussandte. Fast am anderen Ende der Galaxis wurden diese Impulse dringend notwendig gebraucht, sie waren die Nahrung für ein intelligentes Volk, das darauf angewiesen war, aus dem Para-Kontinuum heraus mit diesen Impulsen gefüttert zu werden. Eine Tatsache, welche die Crew der PLUTO II nicht mehr in voller Tragweite hatte herausfinden können.
Auf Troy hatte es Eingeborene gegeben, primitive Humanoide, die damit zufrieden waren, ihr Leben zu fristen und sich nicht um die technischen Anlagen zu kümmern, die auf ihrer Welt existierten. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, da einer der Eingeborenen durch einen mentalen Quantensprung zu einem durchgedrehten Genie geworden war. In einem nicht zu bremsenden und unverständlichen Machtrausch hatte er die Herrschaft über den ganzen Planeten an sich reißen wollen, und bei diesem Vorhaben hatte sich das Zentralgehirn selbst zerstört.
Bevor die Vernichtung endgültig um sich griff, hatte das Gehirn einen letzten Funkspruch an seine Heimatwelt und die anderen fast unzähligen Stationen in der Galaxis ausgeschickt, dass sich vor Tropfenraumschiffen zu hüten sei. Seitdem hatten sich die Gehirne, egal auf welcher Welt, seltsam ruhig und passiv verhalten, wenn ein Raumschiff, gleich welcher Art, in den entsprechenden Systemen aufgetaucht war. Das galt auch für die irdischen Schiffe. Dennoch hatte die PLUTO II einige Daten mitgebracht, aber dass die stellaren Impulse Nahrung sein sollten, hatte mehr als nur Unglauben ausgelöst. Und so hatte man bei der HFL weiterhin Daten gesammelt, bis sich durch die CARMEN DIAZ eine neue Möglichkeit bot, den Ort zu finden, an dem die Impulse auftrafen.
*
DAS FORSCHUNGSRAUMSCHIFF musste elf Sprünge unternehmen, das angepeilte System lag mehr als dreitausend Lichtjahre entfernt von Katta. Es handelte sich dabei um ein System mit einer heißen blau-weißen Sonne im galaktischen Randbezirk. Hier war die Sternendichte geringer, aber das schien eine Eigenart aller Systeme sein, die mit den stellaren Impulsen zu tun hatten.
Diese Gegend war auch von den Forschungsschiffen der HFL bisher nicht vermessen worden, man befand sich hier in unbekanntem Gelände. Der Empfänger der Signale war der zweite Planet, eine unbewohnte Dschungelwelt, die bei einer ersten Vermessung keine Besonderheiten bot. Es gab eine reichhaltige Fauna und Flora, und eine unterirdische Station, die sich allerdings passiv verhielt.
Ewald Martell und Alanna Waycroft wollten landen, um die Station aufzusuchen. Doch noch bevor das Beiboot klargemacht werden konnte, strahlte das Gehirn die Impulse weiter – an einen Punkt in relativer Nähe.
»Das ist unsere Chance«, befanden die beiden übereinstimmend, und die CARMEN DIAZ setzte sich erneut in Bewegung.
Doch dann war die Enttäuschung groß. Denn das Ziel war nichts weiter als ein imaginärer Punkt im Weltraum.
*
DIE AUSWERTUNG BRACHTE einfach nichts.
Etwas ratlos starrte Alanna ihren Partner an. »Hier, genau hier, sollen die Impulse angekommen sein. Aber hier ist nichts.«
Ewald Martell schüttelte den Kopf. Seine Instrumente zeigten nichts weiter als den leeren Weltraum ringsum. Nicht einmal ein System befand sich in der Nähe, keine stellare Materie – der Raum war absolut leer.
»Wir müssen abdrehen und zurückkehren«, erklärte er zornig. »Das kann doch einfach nicht wahr sein. Was sind denn das für Impulse, die im Nichts versickern? Die führen uns regelrecht an der Nase herum. Welch eine Technik soll das sein, die erst aus dem Nichts diese Signale entstehen und sie dann auch wieder im Nichts verschwinden lässt?«
Alanna schaute den Oberleutnant nachdenklich an. »Ich habe schon darüber nachgedacht, ob es sich dabei überhaupt um Technik handelt«, bemerkte sie dann.
Ewald Martell stutzte. »Wie soll ich das verstehen? Du willst mir doch nicht ernsthaft einreden, dass es sich um organische Sender handelt? Alanna, ich bitte dich, noch weiter kannst du eine Idee nun wirklich nicht herholen.«
»Warum eigentlich nicht?«, fragte sie herausfordernd. »Wenn wir mit all unserer hochentwickelten Technik, unseren Instrumenten und Anzeigen einfach nicht weiterkommen, dann drängt sich doch förmlich der Gedanke auf, dass die Lösung für dieses Rätsel woanders zu finden sein muss. Und warum dann nicht im organischen Bereich, obwohl das wirklich ungewöhnlich klingt, wie ich selbst zugeben muss«, lächelte sie.
»Ungewöhnlich? Völlig unmöglich, abartig, verrückt meinst du wohl«, knurrte er, doch ein Blick in ihr Gesicht besänftigte ihn gleich wieder. »Aber ich gebe zu, im Moment ist eine Idee so gut wie eine andere. Und auch, wenn es auf den ersten Gedanken wie etwas total Verrücktes klingt, so mag vielleicht ein Körnchen Wahrheit darin stecken. Aber dann stellt sich immer noch die Frage: wo auf Katta sitzt der Sender? Wir haben ihn bisher nicht lokalisieren können, und jedes Gerät, welches Energie verbraucht, hat auch entsprechende Emissionen.«
»Das spricht dann doch für meine Theorie«, grinste sie dreist. »Ein organischer Sender hat nun mal keine Emissionen.«
Martell schüttelte noch einmal den Kopf. »Das ist und bleibt utopisch, aber ich werde es dennoch berücksichtigen«, gab er ein klein wenig nach.
»Achtung, Impulse!«, brüllte ein Kollege an den Geräten. Augenblicklich war die Diskussion vergessen, konzentriert beugten sich die beiden Wissenschaftler über die Anzeigen und verfolgten jeden noch so geringen Ausschlag der Instrumente.
»Das glaube ich einfach nicht«, erklärte Ewald Martell dann erschüttert. »Ich bin doch nicht blind. Die stellaren Impulse sind hier angekommen, genau hier an dieser Stelle – und sie sind weg.«
»Warte mal, da ist doch was.« Alanna gab nicht so schnell auf. Sie schaltete gekonnt, und ein neuer Monitor brachte plötzlich eine andere Anzeige. »Schau dir das an. Da ist ein winziger Durchgang ins Para-Kontinuum«, erklärte sie plötzlich aufgeregt.
Jetzt sah es auch Ewald Martell. Die Öffnung konnte nicht größer als ein Stecknadelkopf sein, und sie wurde auch nur rein rechnerisch angezeigt, aber es handelte sich eindeutig um eine Öffnung im Raum-Zeit-Gefüge. Und genau dort waren die stellaren Signale verschwunden.
»Da werden wir niemals folgen können«, stellte Alanna Waycroft betrübt fest. »Diese Öffnung ist einfach zu klein, als dass wir überhaupt anmessen könnten, wo sich der Ausgang befindet.«
Dem gab es nicht mehr viel hinzuzusetzen. Niedergeschlagenheit breitete sich aus.
Die CARMEN DIAZ blieb noch einige Tage an diesem Punkt im Weltraum, und immer wieder konnten stellare Impulse angemessen werden, die genau hier, an diesem Punkt, einfach im Para-Kontinuum versickerten, ohne dass sich eine Möglichkeit ergab, den Austrittspunkt festzustellen.
Frustriert und unzufrieden mussten die Wissenschaftler schließlich aufgeben.
Das Forschungsraumschiff kehrte nach Katta zurück, und die beiden Forscher beschäftigten sich mit anderen wichtigen Dingen. Das Rätsel um die stellaren Impulse blieb vorerst ungelöst.
Das blieb auch so – bis zum Jahre 2108, als der Transmitter auf Nadar-3 aktiviert wurde. Und noch nahm niemand in der allgemeinen Hektik nach der Zerstörung der PLUTO IV die stellaren Impulse ernst.
Aber das änderte sich bald darauf.