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Sonnenfinderin

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Ari wurde eine rastlose Sucherin. Ständig war sie unterwegs und nutzte jede sich ihr bietende Möglichkeit mit den Tieren, die sie fand, zu kommunizieren. Zu ihrer Erleichterung war sie nie gezwungen, ein Lebewesen zu töten. Sie starben in ihren Armen und Ari spürte, dass diese letzten „Gespräche“ den Tieren das Sterben leichter machten. Ihre Gedanken endeten ruhig und friedlich. Viele der Bilder, die Ari zu sehen bekam, wiederholten sich, doch immer wieder erhielt sie neue Farben und Eindrücke, die ihre Neugier noch mehr anstachelten. Zwar kehrte sie nie mit leeren Händen zurück, aber ihre Streifzüge wurden immer länger. Wenn ihre Leute darüber murrten, dann lächelte der Weise wissend vor sich hin und dachte bei sich Sie sucht die Sonne, und ich glaube sie wird sie auch finden. Eines Tages...

Ari durchstreifte lange Zeit die Felsen und erforschte ihre Tiefen, so weit es ging. Und irgendwann kam eine Zeit, da die Felsen sie nicht mehr leiteten und Ari sich frei und selbständig ihren Weg suchte.

Mit sechzehn Jahren betrat Ari zum ersten Mal die Erdoberfläche. Es war Nacht.

Staunend blickte sie in den endlosen Himmel, welcher von strahlenden kleinen Lichtpünktchen übersät war.

„Sind das Sterne?“ fragte sie sich leise und ließ den Blick über die Landschaft gleiten. Rundherum türmten sich mächtige Felsen, und riesige Berge ragten in den Himmel. Ari stand auf einem kleinen Felsplateau, welches durch Stein und Abgrund begrenzt wurde und einen weiten Blick in die Umgebung erlaubte.

Die junge Ardruan setzte sich zu Boden und wartete. Sie hatte keine Ahnung, wie lange eine Nacht dauerte, aber sie würde warten. Warten, bis sie die Sonne gesehen hatte.

Die Stunden strichen dahin, doch Ari war geduldig. Zudem konnte sie sich an den abertausenden von Lichtpunkten am Sternenhimmel kaum satt sehen.

Als der Morgenschimmer kam und die Sterne verblassten, wunderte sie sich erst, aber dann begriff sie was sich abspielte und sprang auf. Mit freudig emporgereckten Armen begrüßte sie als die Letzte der Ardruan die Sonne. Immer heller wurde der Himmel, immer weiter und strahlender das Blau. Das Licht erreichte ihre Hände, Arme, ihr Gesicht und ihren Körper und mit dem Licht kam auch die Wärme. Erst kaum merklich, doch dann immer intensiver umschmeichelte sie die blassgraue Haut und brachte sie zum Glänzen und Kribbeln wie nie zuvor. Obwohl Aris Augen durch die ungewohnte Helligkeit bald anfingen zu schmerzen, weigerte sie sich, diese zu schließen. Sie wollte jeden geschenkten Augenblick auskosten. Irgendwann fing sie an zu jauchzen und tanzte auf dem Plateau herum, bis sie schließlich völlig außer Atem zu Boden sank.

Ari verbrachte den ganzen Tag unter dem strahlendblauen Himmel. Ungezählte Bilder und Eindrücke überfluteten ihre Sinne und machten sie sprachlos und staunend.

Ab und zu konnte sie in der Ferne eine Bewegung in der Luft erkennen. Das müssen Vögel sein, dachte sie dann und wünschte sich, dass sie näher kämen. Dieser Wunsch blieb unerfüllt, doch Ari war so beglückt von allem anderen, dass sie darüber wahrhaftig nicht traurig sein konnte.

Als die Nacht wieder hereinbrach, kehrte Ari zu ihrem Volk zurück und berichtete mit singender Stimme von der Sonne.

Viele glaubten ihr jedoch nicht, oder taten es mit einem Schulterzucken ab. Was hatten sie schon davon, dass Ari die Sonne gesehen hatte? Davon wurde das Volk der Ardruan nicht satt.

Nur der Weise weinte und freute sich zugleich für die kleine Ari. Er begriff das Wunder und die Güte ihrer Mutter. Sie verzieh und schenkte ihnen ein Kind, das eine Zukunft hatte.

Felsentochter

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