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I.Respekt: trotz allem

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Bereits vor vielen Jahren, im April 2006 veröffentlichte das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz eine Cover-Story mit dem Titel Analysten: Die Börsen-Spieler – Anatomie eines Berufsstandes. Der Publikationszeitpunkt war damals mit Bedacht gewählt. Gerade hatten die börsenkotierten Schweizer Unternehmen ihre Jahresabschlüsse für das abgelaufene Geschäftsjahr publiziert und Gewinne von insgesamt 58 Milliarden Franken ausgewiesen: ein Fünftel mehr als noch im Vorjahr. Und trotzdem schossen die Kurse, bei Nestlé, Novartis, UBS oder CS breitflächig nach unten. «Verkehrte Welt», urteilte die Bilanz, «Schweizer Unternehmen machen Gewinne wie nie. Und die Kurse purzeln ohne Gnade.»

Die Verantwortlichen für dieses schwer nachvollziehbare Schauspiel deckt das Blatt bei dieser Gelegenheit – vor über dreizehn Jahren – mit allerhand eindeutigen Attributen ein. Analysten seien moderne Zahlenritter, marktmächtige Aktienflüsterer. Die Börse, deren Einsatzgebiet, ein Tummelplatz für kurzfristige Spekulanten. Kurzum: Der Analyst ist zum Meinungsmacher an der Börse avanciert, der den Markt mit News und Gerüchten aus den Teppichetagen der Unternehmen versorgt – als Nachfolger jenes Ringhändlers, der ausstarb, als der physische Aktienhandel in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre durch den elektronischen ersetzt worden war.

Der CEO einer börsenkotierten Gesellschaft kann – heute noch – gar nicht anders als sich mit den Analysten zu beschäftigen. Diese setzen einen Titel auf buy oder sell, werden mitunter zum Schmiermittel für Managerkarrieren, so die Bilanz, oder begünstigen deren Abbruch. Soweit ist es bei mir nie gekommen. Aber natürlich entwickeln sich im Laufe der Zeit Beziehungen zu den Exponenten dieser Zunft. Gewollte. Manches Mal auch weniger gesuchte. Es gibt auch diese gegenseitige Wertschätzung. Und auch das Gegenteil davon. Neutral ist dieses Verhältnis CEO – Analyst nie. Im extrem negativen Fall konnte man sich gegenseitig buchstäblich nicht riechen.

Vielleicht muss man etwas Verständnis aufbringen für dieses ambivalente Verhältnis. Der Finanzanalyst von dem ich hier spreche, wird dafür bezahlt, dass er Unternehmen beurteilt. Eine facettenreiche Aufgabe. Es gilt viele Aspekte im Auge zu behalten. Das Marktumfeld und die Wettbewerber. Die Innovationsfähigkeit der Firma und das technische Niveau von Produkten und Dienstleistungen. Die Marke und die Unternehmenskultur. Die Qualität des Managements und deren operative Leistungsfähigkeit. Schliesslich sind natürlich auch die finanziellen Aspekte zu durchleuchten. Quartals- und Jahresabschlüsse samt der Beurteilung dessen, was an finanziellen Entwicklungen in Zukunft zu erwarten ist. All diese Zahlen und Daten werden dann zu einem grossen Bild zusammengefügt. Und verglichen mit anderen Marktteilnehmern; gespiegelt an den Ergebnissen der Vergangenheit und den Erwartungen für die Zukunft. Am Schluss wird all das dann zum Futter für ein Finanzmodell und irgendwann steht das Verdikt, welches nur drei Möglichkeiten vorsieht: Buy, sell oder hold. Manchmal wird das mitunter harte Urteil wenigstens dadurch etwas gemildert, dass der Analyst zusätzlich noch eine Angabe darüber macht, wie er die zukünftige Entwicklung der Aktie einschätzt.

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