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DURCH DEN SALENTO NACH OSTUNI

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18. BIS 21. AUGUST 2008

Ich öffne die Augen einen Spalt und blinzle in das erste Licht des Tages. Es ist 5 Uhr 30. Ein Sonnenaufgang an sich ist schon ein großartiges Erlebnis.

Wir werden immer mit der Sonne aufstehen, denn so fahren wir die meisten Tageskilometer bei kühleren Temperaturen und verbringen irgendwo im Schatten die heiße Mittagszeit.

Da die Hunde die Nacht über angeleint waren, muss ich als erstes mit ihnen Gassi gehen. Das ist für sie stets eine große Freude, denn sie schnuppern immer neue Gerüche in einer ständig wechselnden Gegend.

Danach gibt es Frühstück. Trockenfutter für die Kleinen und für uns Kaffee, Brötchen und Nougatcreme, das wir an dem kleinen Campingtisch verzehren. Wasservorrat muss immer ausreichend vorhanden sein.

Wir können leider nicht einen Wasserhahn aufdrehen so wie zu Hause, deshalb müssen wir damit aufs Äußerste sparsam sein. Es muss zum Trinken aller Beteiligten reichen, zum Spülen des Bestecks und für die Körperhygiene. Jeder Tropfen wird mit Sorgfalt behandelt und geschätzt, denn wir müssen es selbst mitschleppen. Dafür haben wir einen speziellen Plastikbehälter, den wir stets bei jeder sich bietenden Gelegenheit nachfüllen.

Vom Aufstehen bis zur Abfahrt vergehen in der Regel zwei bis drei Stunden, je nach Situation. Das haben wir reichlich getestet. Diese Zeit beinhaltet den Abbau des Zeltes, das Ein- und Aufpacken der Sachen, Frühstück, abwaschen, Hygiene und technischer Check.

Es ist 8 Uhr als wir auf der Landstraße weiterfahren. Mir fällt auf, dass Fido zu stark nach vorne zieht. Er ist der Rebell in der Gruppe und sehr zappelig, will rennen und am liebsten die anderen überholen. Das erlauben wir natürlich nicht.

Er muss diszipliniert mit der gleiche Geschwindigkeit laufen wie seine Kameraden. So kommt es, dass er durch das Ziehen etwas in die Rechtslage geht. Das sieht, meiner Meinung nach, nicht so gut aus und vor allem ist es auf die Dauer nicht gut für seine Gelenke. Wir beschließen eine Erziehungsmaßnahme. Er soll auf unbestimmte Zeit im Wägelchen mitfahren. Das ist für ihn eine Strafe, denn er läuft lieber als durch die Welt kutschiert zu werden.

Unser Weg führt heute direkt an der Küste entlang, mit ständiger Sicht auf das herrlich blaue Meer, den grünen Pinienwäldern und den weißen Häusern der kleinen Badeorte Porto Selvaggio und Porto Cesareo.

In ein paar Tagen wollen wir in Ostuni sein. Die offizielle Abfahrt wird dort sein.

Enzo Longo ist unser Radsponsor. Er hat sie, auf uns abgestimmt, gebaut und für diese Reise zur Verfügung gestellt. Als Enddreißiger ist er Vizepräsident des Radsportvereins Ostuni, Inhaber einer Firma, die Sporträder nach Maß herstellt und ist selbst Radsportprofi. Hat schon mal in den neunziger Jahren einen Titel geholt.

Enzo habe ich etwa ein halbes Jahr davor durch Zufall kennen gelernt. Wir haben uns in euphorische Radsportgespräche vertieft und irgendwann erwähnte ich die Idee von der Europarundfahrt. Worauf er ganz begeistert war, so dass er sich anbot, uns bei unserem Vorhaben zu unterstützen.

Er hat auch die Abfahrt in Ostuni organisiert und schaffte es, den Präsidenten des Radsportvereins Piero zu begeistern.

Der wiederum konnte einige lokale und regionale Medien überzeugen von unserer gewagten Reise samt Botschaft zu berichten.

Und so kam es, dass der Ball langsam ins Rollen gebracht wurde.

Außer Enzo haben sich einige lokale Politiker und eine große, auf nationaler Ebene bekannte, Tierschutzorganisation bereit erklärt, uns zu unterstützten. Ich bin erfahrungsgemäß sehr skeptisch, denn zwischen einem Versprechen und dem Einhalten liegt meistens ein Ozean dazwischen, besonders wenn das Versprechen durch die Medien ausgesprochen wird. Wir werden sehen, wer tatsächlich sein Wort hält.

Es ist mittlerweile Mittag geworden, wir suchen uns einen schattigen Platz direkt am Strand von Porto Cesareo aus. Lassen die Räder in Sichtweite und kühlen uns alle im Meer ab. Jemand mahnt uns vor dem Hundebadeverbot. Na ja, es reicht sowieso, wenn die Hunde nur mal kurz nass geworden sind. Also raus aus dem salzigen Nass und hinein in den Baumschatten.

Ich baue mal eben das kleine Zelt auf ohne Überdeck, damit wir nach dem Essen Fliegenfrei darin ein Nickerchen halten können und ohne in Ohnmacht wegen der Hitze zu fallen, da das Zeltdach nur aus einem Moskitonetz besteht.

Wir stechen den Passanten nicht so sehr ins Auge, wenn wir nicht fahren. Stehend sehen wir nicht so ungewöhnlich aus, weil die Hunde nicht am Fahrrad laufen. Das ist aber okay so, denn wir wollen und sollen ausruhen.

Am späten Nachmittag geht es weiter durch Torre Lapillo und Punta Prosciutto, irgendwann biegen wir rechts in einen Feldweg ein, wo sich gleich zwei verlassene Häuser mit einem offenen Grundstück anbieten.

Hier hat schon einige Jahre keiner mehr gewohnt. Ich inspiziere ohne zu zögern das kleine Anwesen und bin der Meinung, dass wir hier übernachten können. Gleich hinter dem ersten Haus schieben wir zuerst die Gespanne hinein. Die Hunde werden an einen Pfosten, an der Hauswand angeleint.

Danach schlagen wir das Zelt unter der Pergola auf dem Betonboden auf. Anschließend wird gekocht und zu Abend gegessen, die heutigen Daten aufgeschrieben, die Strecke für morgen durchgesprochen und dann, bevor es dunkel wird, noch mit den Hunden Gassi gegangen. Diese Zeit nutzen wir auch, um die Tagesereignisse zu analysieren.

Heute sind wieder 26 km in aller Ruhe geradelt und gelaufen worden. Wir wurden viel gesehen und haben mit einigen Leuten über unsere Botschaft gesprochen. Wir sind alle zufrieden. Auch heute hat es Spaß gemacht, gemeinsam die Reise zu erleben.

*

Wir haben alle friedlich geschlafen. Die Nacht war angenehm und ruhig. Der neue Tag zeichnet sich durch einen wunderschönen Sonnenaufgang als viel versprechend ab.

Wir befinden uns hier in einem Sumpfgebiet, weit und breit keine anderen Häuser. Daher fühlen wir uns hier sicher, aber gerade als Sabine diese vermeintliche Sicherheit in Anspruch nimmt und sich neben dem Zelt umzieht, kommt plötzlich ein Mann um die Ecke und ertappt sie bei diesem ungenierten Vorgang. Wobei er erschrocken sofort wieder zurückgeht und sich dabei entschuldigt. Wir haben nicht mit einem Besuch gerechnet. Das Gras um das Haus steht ziemlich hoch, das zeugt von einer seltenen Personenpräsenz.

Ich gehe dem Mann nach. Er ist aber ganz verlegen und entschuldigt sich noch mal. Er sagt, er sei der Besitzer des Hauses und er wollte heute einige Sachen holen, weil das Anwesen verkauft werden soll. Hatte aber nicht mit Camper gerechnet.

Ich entschuldige mich natürlich auch bei ihm, weil wir auf seinem Grundstück sind, versichere ihm, dass wir selbstverständlich alles sauber in wenigen Minuten verlassen werden. Ich erkläre ihm den Grund unserer Anwesenheit und der Reise.

Er ist auch Tierliebhaber, begrüßt unsere Aktion und verurteilt auch diejenigen, die Tiere aussetzen, so erzählt er ein wenig über seinen Hund und fügt noch hinzu, dass wir uns Zeit lassen können mit dem Aufbruch. Er kommt dann später noch mal vorbei, wünscht uns alles Gute und verabschiedet sich.

Nun ja, wer außergewöhnlich unterwegs ist und auch dementsprechend seine Übernachtungsörtlichkeit wählt, wird auch auf Außergewöhnliches stoßen und peinliche Situationen sind da inbegriffen und auch zu akzeptieren.

Frisch und erholt steigen wir auch am dritten Tag um 8 Uhr in die Pedale. In Torre Colimena verlassen wir die Küste.

Ostuni liegt nördlich an der anderen Küste, der Adria. Also fahren wir quer durch das flache Salento. Soweit das Auge reicht erstrecken sich riesige Olivenbaum-Plantagen, Weintraubenfelder und Äcker.

Der Verkehr ist hier weniger geworden. Wir sind gerade in dem kleinen Städtchen Avetrana angekommen und haben eine Fontana (Brunnen) erobert. Wir kühlen uns abwechselnd ab. Solange es so heiß ist und wir auf diese Anlagen stoßen, werden wir davon profitieren, sie als Bad, Erfrischungstheke und natürlich als Wasserlieferant zu nutzen.

Der Fido "singt" die ganze Zeit im Hänger. Das ist so wie bei den Kanufahrern, einer gibt den Ton an und alle anderen paddeln sich wund. Was er singt, weiß ich nicht, aber es muss Werbung sein, denn so werden die Passanten auf uns aufmerksam, aber auch andere Hunde, besonders die Streunenden. Falls sie uns nicht entdecken, dann sorgt er schon dafür, dass sie uns hinterher laufen.

Manche beschränken sich nur auf das, aber es gibt welche, die sehr stur sein können. Sie kommen manchmal bedrohlich nahe und bellen uns an, haben sonst nichts zu tun, die armen Hunde. Da ist so ein Zug eine willkommene Abwechslung für ein bisschen Machtspiel.

Wir müssen jedoch energisch durchgreifen, um sie von unseren fernzuhalten. Im Normalfall reicht es, wenn wir sie anschreien, nur selten müssen wir sie mit der, mit Wasser gefüllten, Spritzpistole, die eigens dafür bereitgehalten wird, bespritzen. Das ist für die Meisten unangenehm, sie ziehen sich zurück. Die James Bond-Methode funktioniert.

Ganz schlimm ist es, als wir in Manduria ankommen. In der Altstadt sind wir durch das Kopfsteinpflaster gezwungen, noch langsamer zu fahren und genau da sind einige Rudel streunender Hunde. Sie bewegen sich wie die Gangs in den Ghettos. Das sind die Unangenehmsten, denn das Rudel macht sie stark. Der Kleinste hat in der Regel das größte und lauteste Maul, ja wie bei den Gangs eben. Unsere bellen natürlich zurück, denn die fühlen sich durch uns auch stark, und so ist der Ärger vorprogrammiert.

Da müssen wir das Rudel laut anschreien und bespritzen, um es fernzuhalten, bis es dann doch aufgibt, uns zu verfolgen. Das ganze kostet uns und unseren Hunden sehr viele Nerven. So ein Theater müssen wir in fast jeder Stadt veranstalten, denn freie oder streunende Hunde gibt es hier überall, mehr oder weniger. Das gehört zum Stadtbild dazu. Die Bürger haben gelernt mit diesem Zustand zu leben und dulden es stillschweigend.

Wir wollen in Manduria Gianni besuchen, um uns bei ihm zu bedanken. Er hat eine Metzgerei und uns vor einiger Zeit etwas Geld für die Reise gesponsert. Davon haben wir ein Wägelchen gekauft. Doch als wir vor seinem Geschäft stehen, ist es wegen Sommerferien geschlossen. Nebenan ist ein Supermarkt. Wir wollen nun diesen Halt nutzen, um etwas zum Essen zu kaufen.

Das heutige Nachtlager suchen wir uns wieder in einem Olivenhain außerhalb der Stadt und fahren am nächsten Morgen wieder frisch und gemütlich durch Oria. An ihrer mittelalterlichen Burg machen wir keinen großen Halt.

Den legen wir erst in Francavilla ein. Natürlich mitten in der Piazza, wo wir für Gesprächsstoff sorgen und sogar noch ein paar bescheidene Spenden von einigen Sympathisanten bekommen. Darüber freuen wir uns sehr, weil uns die Leute auf diese Art bestätigen, dass sie unsere Aktion befürworten.

Sabine spricht nicht viel mit den Leuten, hält sich bewusst und gekonnt zurück, zum einem, weil sie nicht so gut italienisch kann und zum anderen, weil sie etwas schüchtern ist und so wie sie selbst von sich behauptet, nicht so wortgewandt ist wie ich. Ich denke, das ist nur eine Überwindung-Sache, bis sie das richtige Gefühl bekommt, um sich frei mit wildfremden Menschen, die obendrein eine andere Sprache sprechen, zu unterhalten.

Wir Italiener haben damit bekanntlich keine großen Probleme, denn wir benutzen zum Glück, Hände und Füße wo es nur geht, um uns Verständnis zu verschaffen. So vergeht auch dieser Tag, kurz vor Ostuni verbringen wir die Nacht zwischen Oliven-und Mandelbäumen.

Ich erzähle das alles so ausführlich, um zu veranschaulichen, wie so ein typischer Europatour-Alltag abläuft.

Was den Zeltplatz angeht, haben wir hier im Salento, die Qual der Wahl. Es bieten sich zahlreiche gute und ruhige Stellen an. Die Leute und die Grundstückbesitzer haben in der Regel keine Einwände, wenn man für eine Nacht das Zelt dort hinstellt, wo es niemanden stört, nichts kaputtmacht und seinen Müll natürlich wieder mitnimmt. Respekt vor Privateigentum und der Natur ist aber die Voraussetzung dafür.

Am fünften Tag gegen 10 Uhr 30 kommen wir in Ostuni an, auch die weiße Stadt genannt. Sie liegt auf einem Hügel etwa 230 Meter über dem Meeresspiegel und ist deshalb von weitem zusehen, mitten im Dunkelgrün der Olivenbaum Plantagen.

Die Stadt hat rund 32.500 Einwohner, mit ihren zahlreichen kleinen Badeorten an der Adriaküste und der historischen Altstadt macht es sie zu einer beliebten touristischen Attraktion.

Wir fahren direkt zu Enzo in sein Fahrradgeschäft und freuen uns, uns wieder zu sehen, aber die Zeit drängt, deshalb fangen wir gleich mit den Vorbereitungen an. Es gibt viel zu tun, die Räder müssen durchgecheckt, einige Teile repariert oder eingestellt werden.

Den heutigen und den morgigen Tag haben wir noch zur Verfügung, um alles zu schaffen und das ist wahrlich nicht wenig, was wir zu erledigen haben.

 Die Hunde haben einen Termin in einem Hundesalon.

 Jedes komplette Gespann muss vor dem offiziellen Start gewogen werden,

 das TV Team von Rai3 möchte einen umfangreichen Bericht über uns drehen.

 Ein Treffen mit einigen Leuten vom Club ist auch vorgesehen.

 Die Route und wichtige logistische Aspekte müssen durchgesprochen werden

 und noch vieles mehr.

MIT 6 EURO DURCH EUROPA

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