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1914 Tod eines Försters

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Kurt Guske

Wir haben den 30. Mai 1914. Es ist der Samstag vor dem Pfingstsonntag. Nach einem aufregenden Tag mit seinen 8 Kindern freute sich der königlich preußische Revierförster Paul Töfflinger schon auf den Abend. Heute war er mit dem Direktor von Thyssen, Herrn Becker, verabredet. In seinem Revier gab es einen kapitalen Rehbock, den er Herrn Becker versprochen hatte. Sein gutes Verhältnis mit Herrn Becker bestand aus der beidseitigen Liebe zur Natur. Treffpunkt war die Forststraße in der Nähe der Hohen Heide.

„Guten Abend, Herr Direktor.“

„Guten Abend, Herr Töfflinger.“

„Na, was haben Sie denn Schönes für mich ausgesucht?“

„Einen richtig kapitalen Rehbock, Herr Direktor.“

„Das freut mich aber sehr und wie geht es Ihrer Familie?“

„Danke der Nachfrage Herr Direktor, die Kinder machen schon viel Arbeit, aber sie sind ja von Gott gewollt, und meine Frau bekommt das schon hin.“

„Wunderbar, bestellen Sie ihrer Frau Gemahlin einen schönen Gruß von mir.“

„Vielen Dank, Herr Direktor.“

„Gut dann werde ich mich mal auf den Weg machen.“

„Waidmannsheil, Herr Direktor.“

„Waidmannsdank, Herr Töfflinger.“

Dann trennten sich die beiden Männer, Herr Becker machte sich auf den Weg zum Hochsitz und Revierförster Töfflinger auf den Weg durchs Revier. In der letzten Zeit hatten sich wieder einige Wilddiebe bemerkbar gemacht und Töfflinger legte es darauf an, sie endlich zu erwischen. Leise und höchst aufmerksam ging er durch das Revier Burenbrock.

Derweil machte sich aus Bottrop das Unheil auf den Weg. Es war die Zeit kurz vor dem ersten Weltenbrand, was zu dieser Zeit jedoch noch niemand ahnen konnte. Wer konnte schon voraussehen, dass am 28.6.1914 der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin durch südslawische Nationalisten erschossen würden, woraufhin Österreich den Serben den Krieg erklärte. Der deutsche Kaiser Wilhelm der Zweite erklärte am 1.8.1914 Russland und am 3.8. Frankreich den Krieg. Das große Morden nahm seinen Anfang.

Doch zurück zu zwei Männern aus Bottrop. Es waren die Wilderer Brüggeman und Fahnenbrock. Auch sie trafen sich an diesem 30. Mai. Sie hatten ebenfalls von dem Rehbock gehört und wollten Jagd auf ihn machen. Sie schlichen durch Vöingholz in Richtung Hohe Heide.

„Wir müssen vorsichtig sein“, sagte Brüggemann, „bestimmt ist der Revierförster auch unterwegs.“

„Das schon, aber er kann ja nicht überall sein!“, meinte Fahnenbrock.

Leise schlichen die beiden weiter durch den Wald. Töfflinger aber, der sich äußerst geschickt und fast geräuschlos durch den Wald bewegte, hörte bald verdächtiges Knacken im Unterholz. Sofort blieb er schon stehen und wartete in der Deckung einer großen Eiche. Sein Puls ging in die Höhe, als er zwei Männer mit Gewehren auf sich zu kommen sah. Als sie nah genug waren, sprang er aus der Deckung und rief: „Stopp, die Gewehre runter.“

Der Wilderer Fahnenbrock war ihm bekannt und befolgte seine Anordnung. Brüggemann aber verschwand im Gesträuch. Der Förster nahm Fahnenbrock fest.

„Habe ich dich endlich“, sagte er zu ihm, „und den anderen bekomme ich auch noch. Den Brüggemann habe ich erkannt.“ Fahnenbrock sagte kein Wort.

Während Töfflinger ihn band, fiel plötzlich ein Schuss. Paul Töfflinger verspürte einen heftigen Schlag in den Rücken und dann kam die große Dunkelheit.

Paul Töfflinger war tot.

Ein beliebter Revierförster und Vater von 8 Kindern heimtückisch in den Rücken geschossen.

Unfassbar!

Brüggemann sprang aus dem Gebüsch und band Fahnenbrock los. „Komm, lass uns schnell abhauen, den Schuss könnte jemand gehört haben.“ Fahnenbrock sagte: „Wir schmeißen ihn in den Graben, dann wird er nicht sofort gesehen.“

Während sie das taten, hörten sie eine laute Stimme.

„Was macht ihr denn da?“

Erschrocken ließen die beiden den Förster liegen und rannten davon. Der junge Mann war ein Sohn des Bauern Riesener. Er sah sofort, was geschehen war, und lief zum Hause Weiß, das in der Nähe lag, und holte Hilfe.

Schnell rannten Theo Weiß, ein guter Freund des Toten und von Riesener, zum Ort des Geschehens. Als Theo sah, was geschehen war, liefen Tränen aus seinen Augen.

„Oh Gott die arme Frau Töfflinger, und sie ist auch noch hoch schwanger.“

Dann brachten sie den toten Förster in das Haus von Theo. Die schwerste Aufgabe stand ihnen noch bevor. Sie mussten Frau Töfflinger die Nachricht vom Tod ihres Mannes beibringen. Theo und Frau Töfflinger hielten sich fest und weinten gemeinsam. 10 Tage nach des Försters Tod gebar Frau Töfflinger ihr neuntes Kind und nannte es Pauline.

Der junge Riesener hatte die beiden erkannt und schon am nächsten Tag wurde Brüggemann verhaftet. Fahnenbrock aber konnte entkommen und hatte sich nach England abgesetzt. Aber Brüggemann kam mit seiner Schuld nicht zurecht. Schon wenige Stunden nach seiner Einlieferung ins Bottroper Gerichtsgefängnis hatte er sich das Leben genommen. Auch Fahnenbrock konnte in England verhaftet werden, doch bevor er ausgeliefert werden sollte, brach der erste Weltkrieg aus. Er verblieb in England in einem Internierungslager.

Der Revierförster aber bekam eine Beerdigung, wie sie Kirchhellen und Grafenwald noch nie erlebt hatten. Alle Honoratioren der beiden Orte und auch die Familie Thyssen sowie ein großer Teil der Bevölkerung waren da. Herrn Töfflinger wurde auf dem Grab ein kleines Denkmal gesetzt.

Seine Frau ließ auf diesen Stein folgenden Spruch einmeißeln: „Du warst die Liebe auf Erden und Deine Liebe war unser Glück.“ Es war für alle ergreifend und viele Tränen wurden an diesem Grab vergossen. Aber trotz aller Trauer musste das Leben für Frau Töfflinger weitergehen.

Acht Kinder und ein Baby wollten versorgt werden. Und dann war da ja noch der kleine Hof, den sie mit ihrem Mann bewirtschaftet hatte. Ja es war eine schwere Zeit für eine mutige und tapfere Frau.

Sie kümmerte sich weiterhin um die zum Forsthaus gehörenden Wiesen und Äcker. Mit Pferd und Wagen fuhr sie mehrmals nach Bottrop, um auf dem Markt Obst, Eier, Butter und selbstgebackenes Brot zu verkaufen. Und auf etwas konnte sie besonders stolz sein. All ihren Kindern ermöglichte sie den Besuch des Gymnasiums, dabei stellte sie ihre eigenen Wünsche hintenan. Als die meisten ihrer Kinder erwachsen waren und das Elternhaus verließen, wurde das Forsthaus zu groß für sie. Sie verließ das Forsthaus und zog auf einen kleinen Kotten der Familie Thyssen. Aber richtig wohl fühlte sie sich hier nicht. Anfang der dreißiger Jahre verließ sie Grafenwald und zog zu ihren Kindern nach Darmstadt, die zum Teil hier sesshaft geworden waren.

Sie kümmerte sich, bis sie 90 Jahre alt war, um den Haushalt ihrer Tochter Doris. Sie starb 1966 im Alter von 93 Jahren. Den Kontakt mit Kirchhellen pflegte sie aber weiterhin. Den engsten Kontakt hatte sie mit der Familie von Rektor Heinrich Schulte Strathaus. Dieser war ein besonders enger Freund ihres Mannes gewesen. Nach seinem Tod hat diese Familie ihr sehr beigestanden.

Noch ein paar Worte zu den Kindern. Gerhard war zunächst Forstamtmann in Hessen und wurde noch Leiter des Forstamtes Zierenberg. Später zog er dann nach Kassel. Sohn Willi war Assistent an der TH in Darmstadt und meldete sich zu ihrem Kummer als Freiwilliger zur Wehrmacht. Er fiel in Stalingrad. Erich wurde technischer Angestellter bei der Firma Henschel und blieb dort bis zum Renteneintritt. Tochter Martha heiratete einen Forstmeister, der dann aber in Italien gefallen ist. Doris heiratete den Eigentümer eines bekannten Ausfluglokals und führte nach seinem Tod dieses weiter. Gertrud war als Lehrerin in Gelsenkirchen-Buer tätig und zog nach ihrer Pensionierung ebenfalls nach Darmstadt. Hedwig blieb unverheiratet und arbeitete über 30 Jahre bei ihrer Schwester Doris im Hotel. Bleibt noch die jüngste, Pauline. Sie heiratete einen Diplom-Ingenieur, welcher 1944 ebenfalls gefallen ist.


Aber was wurde aus Fahnenbrock? Er blieb ja bis 1919 in England interniert und wurde dann nach Deutschland entlassen. Hier wurde er sofort verhaftet und in das Gladbecker Gerichtsgefängnis eingesperrt. Schon bald wurde ihm der Prozess gemacht und zum Unwillen der Bevölkerung freigesprochen. In dem Prozess schob er alles auf seinen ehemaligen Kumpanen Brüggemann und niemand konnte ihm das Gegenteil beweisen. Freispruch aus Mangel an Beweisen. Lachend und als freier Mann verließ er den Gladbecker Gerichtssaal. Aber irgendwie konnte er seine Freiheit nicht lange genießen. Es war die Zeit der Spartakisten, welche für große Unruhen sorgten, und während eines solchen Aufstandes wurde Fahnenbrock tot an einer Mauer der GHH in Oberhausen aufgefunden.

Er war erschossen worden. Seine Mörder konnten nie ermittelt werden.

2014 ist es dann 100 Jahre her, dass der beliebte Förster Paul Töfflinger im Wald der Hohen Heide erschossen wurde.

Den Weg, an dem er ermordet wurde, nennt man ihm zu Ehren „Töfflinger Weg“.

Quellennachweise: Zeitungsartikel der Ruhrnachrichten, Verfasser Theo Täpper, 1975

Friedhelm Wessel: „Geschichten aus Kirchhellen“

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