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a) Die hochstrebende Gesinnung und ihre Gegensätze

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Inhaltsverzeichnis

Wir gehen weiter zur Betrachtung der hochstrebenden Gesinnung. Sie erweist sich in der Höhe der Ziele, die man sich steckt, wie es schon aus dem Namen hervorgeht; welche Art von Zielen das aber ist, das wollen wir nun zuerst erwägen. Es ist dafür ganz gleichgültig, ob wir die Gesinnung selbst oder den Träger der Gesinnung ins Auge fassen. Als ein hochstrebender Mann gilt, wer sich selbst zu hohen Dingen berufen glaubt und dazu auch wirklich die Ausrüstung besitzt. Wer sich so einschätzt, ohne wirklich berufen zu sein, der ist eingebildet; ein Mann von sittlicher Gesinnung aber ist niemals weder eingebildet noch unverständig. Hochstrebend ist also ein Mann von der bezeichneten Art. Wem nur kleinere Ziele angemessen sind, und wer sich richtig so einschätzt, der ist vernünftig, aber hochgesinnt ist er nicht. Denn auf der Höhe der Ziele beruht die Hochgesinntheit, wie die Schönheit auf einer hohen Figur; Menschen von kleiner Statur können wohl fein und zierlich, aber sie können nicht schön sein. Wer sich hohe Dinge zutraut, ohne die nötigen Eigenschaften zu haben, der ist aufgeblasen. Wer sich dagegen Größeres zutraut als wozu seine Kräfte ausreichen, darf nicht in jedem Sinne für aufgeblasen gelten. Wer sich weniger zutraut, als er zu leisten vermöchte, der ist kleinmütig, sei es nun, daß ihm hohe oder mäßig hohe oder daß ihm nur geringe Ziele angemessen sind, vorausgesetzt nur, daß er sich weniger zutraut, als wozu er wohl das Zeug hätte. Am meisten allerdings gilt es von dem, der großer Leistungen fähig wäre; denn wie niedrig würde ein solcher sich erst einschätzen, wenn seiner Natur so hohe Ziele nicht angemessen wären!

Der hochstrebende Mann bezeichnet also der Höhe seines Strebens nach ein Äußerstes, im Sinne der Pflichtmäßigkeit dagegen bezeichnet er die rechte Mitte; denn er schätzt sich ein, wie es ihm gebührt, während die anderen ein zu hohes oder ein zu niedriges Selbstbewußtsein haben. Hält er sich nun hoher Dinge, ja der höchsten für wert, und hat er darin recht, so wird dabei eines am meisten in Betracht kommen. Von Wert spricht man mit Bezug auf die äußeren Güter. Als das höchste von diesen aber betrachten wir doch wohl das, was wir den Göttern darbringen, das wonach die Menschen von hohem Verdienst am meisten trachten und was den Kampfpreis bildet für die herrlichsten Taten: das aber ist der Ruhm; er ist mithin das höchste der äußeren Güter. Zu Ehrenerweis und Fehlen desselben also verhält sich der Hochstrebende wie man sich dazu verhalten soll. Daß das Ziel der Hochstrebenden der Ruhm ist, bedarf keiner weiteren Ausführung; denn der Ruhm ist das, was sie am meisten beanspruchen, aber ein Ruhm, wie er ihrem Verdienste entspricht. Der Kleinmütige bleibt darin hinter dem rechten Maße zurück, sowohl in dem was er für sich beansprucht als in der Würdigung, die er dem Hochgesinnten erweist. Dagegen geht der Aufgeblasene in seinen Ansprüchen über das rechte Maß hinaus, nicht aber in der Würdigung des Hochgesinnten. Demnach wird der Hochgesinnte, sofern er den höchsten Anspruch erheben darf, auch der Vorzüglichste sein; denn der höhere Preis gebührt immer dem Tüchtigeren, und der höchste kommt dem Allertüchtigsten zu. So muß denn der wahrhaft Hochgesinnte wohl ein vorzüglich hervorragender Mann sein, und man darf sagen, er besitzt das, was in jeder Art von Trefflichkeit das Große bezeichnet.

Zu seinem Wesen stimmt es also schlechterdings nicht, schimpflich sich aus dem Staube zu machen oder irgend jemand Unrecht zu tun. Welcher Beweggrund könnte auch einen Mann bestimmen, eine schimpfliche Tat zu begehen, dem kein Ziel zu hoch ist? Und geht man alles einzelne durch, so wäre es eine lächerliche Vorstellung: ein hochgesinnter Mann, der kein guter Mann wäre. Auch des Ruhmes wäre er nicht wert, wenn er innerlich nichts taugte; denn der Ruhm ist der Kampfpreis der Tugend, und den Tüchtigen fällt er zu. So scheint denn die Art des Hochgesinnten gleichsam das Juwel zu sein unter den Tugenden. Sie erhöht dieselben und existiert nicht ohne sie. Darum ist es schwer ein in Wahrheit hochgesinnter Mann zu sein; denn es wäre nicht möglich ohne eine sittlich durchgebildete Persönlichkeit.

Um hohe Ehrenstellung also und um das Entbehren derselben dreht sich das Streben des Hochgesinnten. Wird ihm hohe Ehre, und wird sie ihm von würdigen Leuten erwiesen, so wird ersieh dessen in rechtem Maße erfreuen, weil er meint zu erlangen was ihm zukommt oder auch weniger als ihm zukommt; denn ein Ruhm, der dem vollkommenen Verdienst entspräche, findet sich überhaupt nicht. Indessen wird er sich auch das gern gefallen lassen, weil man gar nicht imstande ist ihm noch Größeres zu erweisen. Dagegen wird er sich aus Ehre, die ihm beliebige Leute und aus geringfügigem Anlaß erweisen, gar nichts machen; denn das sind nicht die Ehren, die ihm gebühren. Das gleiche gilt von Ehrenkränkungen; denn diese haben mit ihm gerechterweise gar nichts zu schaffen.

Dem Hochgesinnten schwebt also wie gesagt als Ziel am meisten Ruhm und Ehrenstellung vor; indessen wird er sich doch auch zu Reichtum, Machtstellung und überhaupt zu jeder Art von äußerem Glück und Unglück ein gemäßigtes Verhalten wahren, wie es sich auch fügen möge. Er wird im Glück nicht übermäßig jubeln noch im Unglück vom Schmerz sich niederdrücken lassen; nicht einmal zum Ruhme wird er sich so stellen, der doch am höchsten steht. Denn Machtstellung und Reichtum sind begehrenswert um der Auszeichnung willen, die sie eintragen; wenigstens wünschen diejenigen, die sie besitzen, durch sie Auszeichnung zu erlangen. Wem aber der Ruhm sogar etwas Geringes ist, dem ist auch das andere gering. Solche Leute sieht man darum wohl als hochmütig an.

In der Regel wird hochstrebende Gesinnung durch eine äußere Glückslage gefördert. So hält man Leute von edler Abstammung und ebenso Machthaber und reiche Leute besonderer Ehre für würdig. Sie ragen nämlich vor den anderen hervor, und alles was in etwas Gutem hervorragt, das genießt höhere Ehre. Dergleichen nährt deshalb auch hochstrebenden Sinn, schon weil manche Leute ihnen deshalb Ehre erweisen. In Wahrheit allerdings ist allein der Mensch mit sittlichen Vorzügen der Ehre wert; wer nun beides zugleich besitzt, der wird der Ehre noch mehr für wert gehalten. Diejenigen dagegen, die ohne sittliche Vorzüge die Güter von der bezeichneten Art besitzen, haben weder gerechten Grund, für sich selber große Ansprüche zu erheben, noch werden sie mit Recht hochgesinnt genannt. Denn das kommt niemandem zu ohne eine durchgebildete sittliche Persönlichkeit. Da gegen werden solche Leute, die diese Güter besitzen, auch hochfahrend und gewalttätig; denn wo kein sittlicher Charakter ist, da ist es nicht leicht, eine glänzende äußere Glückslage mit Verstand zu ertragen. Da sie sie aber nicht so zu ertragen vermögen und doch die anderen zu überragen meinen, so sehen sie auf diese von oben herunter und folgen selber ihren beliebigen Gelüsten. Sie möchten es dem hochgesinnten Manne nachtun, ohne doch ihm wirklich Ähnlich zu sein, und nehmen, seine Manieren an, wo sie es nur immer können. Sie tun nicht was der sittlichen Pflicht entspricht, und sehen doch auf andere Menschen von oben herab. Der hochgesinnte Mann hat ein Recht, so auf andere herabzusehen; denn er beurteilt sich und die anderen richtig; die Mehrzahl aber tut es, ohne eine Berechtigung dazu zu haben.

Der hochgesinnte Manne ist nicht um geringen Preis waghalsig, noch liebt er das Wagnis; denn es gibt wenige Dinge, die er der Mühe für wert hält. Dagegen wo es hohe Zwecke gilt, da stürzt er sich in das Wagnis, und wenn er in der Gefahr ist, schont er sein Leben nicht, weil er denkt, das Leben habe keinen so hohen Wert, daß es um jeden Preis festgehalten zu werden verdiente. Er ist der rechte Mann, um Wohltaten zu erweisen; Wohltaten zu empfangen dagegen beschämt ihn. Denn jenes ist das Kennzeichen des Höherstehenden, dieses das des Abhängigen. Empfangene Wohltat erwidert er mit größerer; denn so bleibt ihm der verpflichtet, der sie ihm zuerst erwiesen hat, und dieser ist nunmehr selbst der mit Huld Behandelte. Hochgesinnte Menschen pflegen sich mehr dessen zu erinnern, was sie an Wohltat erwiesen, als derer, von denen sie Dienste empfangen haben; denn derjenige, der Dienste empfangen hat, ist abhängig von dem, der sie erwiesen hat; er aber liebt es, der Höherstehende zu sein. So will er auch gern in jenem Sinne bekannt sein und nur mit Verdruß in diesem. So erklärt es sich auch, daß Thetis dem Zeus nicht die Dienste vorhält, die sie ihm erwiesen, und ebenso die Lakonier nicht den Athenern, dagegen aber wohl die Gunst, die sie erfahren haben. Ein Zug im Charakter des Hochgesinnten ist auch der, daß er niemals oder doch nur widerstrebend andere um etwas bittet, dagegen bereitwillig Dienste erweist, und daß er sich Leuten von hoher Stellung oder in glänzender Lage stolz, Leuten in mittlerer Lage dagegen leutselig erweist. Denn jenen gegenüber sich als den Überlegenen zu gebärden, ist schwierig und brav, diesen gegenüber ist es leicht; und vor jenen sich stolz zu erweisen ist nicht unedel, es bei Niedrigstehenden zu tun ist ungebildet: es ist damit gerade so als wollte einer seine Kraft an den Schwachen auslassen. Er hat ferner nicht die Art, sich in Ehrenstellungen oder da wo andere die erste Rolle spielen, einzudrängen; hier zeigt er sich unbeweglich und zurückhaltend, sofern es sich nicht um hohe Ehrenstellung und große Aufgaben handelt. Er unternimmt nur weniges, aber dann Großes und Ruhmvolles. Selbstverständlich zeigt er auch offen seinen Haß wie seine Liebe; denn nur wer Furcht hat ist hinterhaltig und versäumt eher die Sorge für die Wahrheit als die für seinen Ruf. Er spricht und handelt offen; denn er ist freimütig, weil er die anderen Übersicht, und ein Wahrheitsfreund, soweit er sich nicht mit ironischer Verkleinerung äußert; solcher Ironie aber bedienter sich gegenüber dem großen Haufen. Er vermag nicht nach dem Sinne eines anderen zu leben als höchstens nach dem eines Freundes; denn jenes wäre Sklavenart. Deshalb sind die Schmeichler sämtlich Knechte, und gemeine Naturen sind Schmeichler. Auch zur Bewunderung ist er wenig geneigt, / denn in seinen Augen ist nichts groß, / und wenig zur Rachsucht; denn einem Hochgesinnten liegt es fremd nachzutragen, besonders erlittenes Unrecht; lieber sieht er darüber hinweg. Er spricht nicht gern von den Menschen; weder von sich noch von einem anderen erzählt er Geschichten; denn es liegt ihm nichts daran Beifall zu finden, und er liebt es auch nicht, daß von anderen geringschätzig gesprochen werde. Dagegen ist es wiederum auch nicht seine Art, andere zu rühmen, und darum auch nicht, sie schlecht zu machen, nicht einmal seine Feinde, es sei denn, daß man ihn dreist herausfordere. Am wenigsten läßt er sich herab, bei solchem was unausweichlich oder solchem was unbedeutend ist zu jammern oder zu flehen; denn das wäre das Benehmen eines Menschen, den dergleichen Dinge tiefer bewegen. Seine Neigung zieht ihn, lieber das Edle, das keinen praktischen Nutzen hat, als das Nützliche und Einträgliche zu erwerben; denn das ist die Gesinnung dessen, der sich selbst genügt. Die Bewegungen des Hochgesinnten sind langsam, seine Stimme tief, seine Sprache getragen. Denn wem wenige Dinge sehr am Herzen liegen, der hat keine Eile, und wer nichts für groß hält, der erhebt nicht den Ton. Raschheit der Bewegung und Erheben der Stimme haben aber gerade in jenen Dingen ihren Grund.

Das wäre das Bild des Hochgesinnten. Wer hinter dem Maß darin zurückbleibt, ist blöde, und wer es überschreitet, aufgeblasen. Auch diese Leute gelten keineswegs für schlechte Menschen, / denn sie tun keinem etwas zuleide, / aber doch für Menschen auf falschen Wegen. Denn ein blöder Mensch, der wohl zu Großem berufen wäre, beraubt sich selber dessen was ihm nach Fug und Recht zukommt, und man möchte meinen, er hätte doch irgendwie einen Schaden an sich, weil er sich selbst des Guten nicht für würdig hält, und zugleich, er verkannte sich selbst. Denn sonst würde er nach dem streben, zu dem er berufen ist, da es sich doch um wertvolle Dinge handelt. Indessen muß man solchen Leuten nicht sowohl Mangel an Verstand, als Schwäche des Willens zuschreiben; eine solche Selbstbeurteilung aber zieht allerdings die Menschen mit der Zeit auch wohl innerlich herab. Denn jeder strebt nach dem was ihm zukommt; sie aber stehen auch von edlen Taten und Bestrebungen ab, weil sie sich dazu für untauglich halten, und verzichten damit gleichermaßen auch auf die äußeren Güter. Dem gegenüber fehlt es den aufgeblasenen Menschen wirklich an Verstand und Selbsterkenntnis, und sie tragen das auch ausdrücklich zur Schau. Sie drängen sich, ohne doch die Fähigkeit zu besitzen, zu den Ehrenstellen, um dann ihrer Unzulänglichkeit überführt zu werden. Sie treten auf in schönen Kleidern, in stolzer Haltung und behängt mit sonstigen Äußerlichkeiten; sie möchten, daß ihre glücklichen, äußeren Verhältnisse allgemein bekannt werden, und lassen davon ein großes Gerede machen, um daraufhin zu Ansehen zu gelangen. Den eigentlichen Gegensatz aber zu hochstrebender Gesinnung bildet doch eher die Blödigkeit als die Selbstüberschätzung. Sie kommt häufiger vor und ist das schlimmere Übel.

Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst

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