Читать книгу K.L.A.R.-Taschenbuch: Die Neuen passen hier nicht rein! - Armin Kaster - Страница 8
ОглавлениеNach der Pause war Herr Martin nicht mehr da. Er arbeitete als Förderlehrer auch an einer anderen Schule.
Als Rebecca ihn zum Parkplatz gehen sah, fühlte sie sich plötzlich einsam. Wer würde jetzt aufpassen, dass Victor ruhig blieb?
„Und, was habt ihr euch für die Klassenfahrt überlegt?“, fragte Frau Schneider.
Sie saß auf dem Pult und sah durch die Reihen der Schüler.
„Wir könnten Skifahren“, sagte ein Junge aus der letzten Reihe. Er gehörte zu den drei Jungs, die vorhin an Victor vorbei nach draußen gelaufen waren.
„Skifahren?“, fragte Frau Schneider. „Kai, ich fürchte, das ist zu teuer.“
Der Junge verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. Eine Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht, und als er sie mit der Hand zur Seite strich, begegnete Rebecca seinem Blick. Schnell sah sie wieder weg.
„Ja, Lisa?“, sagte Frau Schneider und zeigte auf ein Mädchen, das am Fenster saß.
„Meine Tante arbeitet bei Center Parks“, sagte Lisa. „Das ist eine Kette von Ferienparks, die nicht so teuer ist.“
Frau Schneider nickte. „Center Parks klingt gut.“ „Was soll der Scheiß?“, rief Victor plötzlich. „Victor!“, sagte Frau Schneider. „Könntest du dich wie alle anderen melden?“
Victor trat seinen Rucksack und hob die Hand. „Ja, Victor?“, sagte Frau Schneider.
„Center Parks ist scheiße!“, sagte er.
„Und warum?“, fragte Frau Schneider. „Darum!“
„Hast du denn einen anderen Vorschlag?“ „Klar!“, sagte er. „New York!“
In der Klasse wurde es unruhig. Ein paar lachten. Und Victor sah sich grinsend um. „Oder Moskau!“, fügte er hinzu.
„Is’ klar“, kam es von hinten. „Zu deinen Verwandten, oder was?!“
Da sprang Victor auf.
„Halt’s Maul!“, rief er.
„Bleib locker, Russe!“, kam es von einem Jungen, der neben Kai saß.
„Ach, Leute“, sagte Frau Schneider und stand auf. „Was soll das? Wir wollen doch eine Lösung finden.“
In der zweiten Reihe saß ein Junge, der sich meldete.
Frau Schneider hob die Hände. Und als sich die Aufregung gelegt hatte, sagte sie: „Bitte, Robin. Was schlägst du vor?“
„Ich finde die Idee mit Center Parks gut“, sagte Robin. „Da gibt es auch ein Schwimmbad.“
Rebecca sah, dass einige Schüler nickten. Nur Victor war noch immer schlecht drauf.
Er sagte: „Is’ klar. Der Klassensprecher hat das letzte Wort.“
Robin drehte sich um und sah Victor ruhig an. „Dann mach doch einen besseren Vorschlag.“ „Ich habe schon zwei gemacht, Alter.“
„Und was denken die anderen?“, fragte Frau Schneider.
Ein paar Schüler meldeten sich und schlossen sich Lisas Vorschlag an. Als sie dann abstimmten, waren alle außer Victor für Center Parks.
Und Leander hatte die ganze Zeit aus dem Fenster gestarrt.
„Bis morgen“, sagte Sarah, als der Bus um die Ecke kam.
Ab jetzt brauchte Rebecca keine Hilfe mehr. Sie wurde von einem Fahrdienst nach Hause gebracht.
„Ja, bis morgen“, erwiderte Rebecca und hob die Hand.
Rebecca stieß einen Seufzer aus. Das war also ihr erster Tag mit Sarah gewesen. Und solange die Schule nicht behindertengerecht war, würde sie Sarah um sich haben. Irgendwie ging es ihr nicht gut damit.
„Tach, Rennfahrer!“, kam es aus dem Bus, der jetzt die Türen geöffnet hatte.
„Ingo!“, rief Rebecca. „Was machst du denn hier?“
„Du bist auf meiner Tour“, sagte Ingo. „Ich fahre jetzt auch die Realschule an. Es bleibt also alles beim Alten, Rennfahrer.“
Ingo klopfte gegen Rebeccas Rollstuhl. Er hatte sie im letzten Schuljahr immer gefahren. Dass er sie jetzt wieder fuhr, war eine gute Neuigkeit.
„Und du machst jetzt auf normale Schülerin?“, sagte er und hielt ihr die Hand hin.
Rebecca schlug ein.
„Anders sein ist normal“, sagte sie. „Weißte doch, oder?“
„Logo!“ Ingo tippte sich vor die Stirn. „Du hast was mit den Beinen. Und ich mit der Birne.“ Rebecca musste lachen. Sie wusste, dass Ingo Sozialpädagogik studierte und bestimmt nichts mit der „Birne“ hatte.
Er schob Rebecca hinter den Bus, wo sich eine Rampe als Einstieg befand. Wenig später fuhren sie los.
„Und, wie ist die neue Schule?“, fragte Ingo. „Na ja …“, druckste Rebecca rum. „Geht so.“ „Begeisterung klingt anders“, sagte Ingo. „Nein, ist schon o.k. Die Lehrer sind nett.
Aber es ist alles neu.“
Rebecca überlegte kurz.
„Die Klasse ist irgendwie auch komisch.
Ein paar sind nett. Aber ein paar sind echt daneben.“
„Wie war das noch?“, fragte Ingo. „Anders sein ist normal?“
Rebecca sah sein freches Grinsen im Rückspiegel und sie streckte ihm die Zunge raus.
„Frag mich bloß nicht, wie es war“, sagte Rebecca, als sie an ihrer Mutter vorbeikam. „In Ordnung“, sagte ihre Mutter. „Ich frage dich nicht, wie es war. Und wie war’s?“
„Boah, Mama!“
„Na komm schon, Becci! Dein erster Tag in der neuen Schule. Da muss ich einfach fragen, wie es gelaufen ist.“
„Nette Lehrer, viele Schüler und eine nervige Betreuerin. Reicht das?“
Die Mutter sah Rebecca lächelnd an.
„Fürs Erste schon. Aber vielleicht erzählst du mir nach dem Essen etwas mehr. Machst du das?“
Rebecca schüttelte den Kopf. Sie wollte erst mal abschalten und an etwas anderes denken.
Und dann fing sie doch an, zu erzählen. Von Herrn Martin und Frau Schneider, von Victor und den anderen Schülern. Und als sie bei Sarah angekommen war, versuchte sie, möglichst harmlos zu klingen. Aber ihre Mutter hatte sofort verstanden, was los ist. „Meinst du, wir müssen eine andere Betreuung suchen?“
„Nein, Mama, ich bekomm das schon hin“, sagte Rebecca.
Sie wollte auf keinen Fall sofort aufgeben. Sie wollte normal sein. Und dazu gehörte auch, mit Problemen fertigzuwerden.
„Bist du sicher, Becci?“
Rebecca holte tief Luft und sah ihre Mutter lange an. Dann lächelte sie und sagte:
„Ich kann zwar nicht laufen. Aber ich kann reden. Und damit werde ich es schaffen.“
Wenig später kam Rebeccas Vater nach Hause. Er setzte sich an den Tisch und gab seinen Mädels nacheinander einen Kuss. Dann legte er seinen Kopf in die Hand und fragte:
„Und, wie war’s, Süße?“
„Gut“, sagte Rebecca.
„Aha …“. Der Vater lachte kurz. „Und sonst?“ „Nix!“, stöhnte Rebecca. „Frag Mama.“
Der Vater drehte sich um und sah seine Frau an.
„Verrätst du mir, wie sie es fand?“
Und dann erzählte die Mutter das Wenige, das sie wusste. Und während sie das tat, verzog sich Rebecca in ihr Zimmer, das neben der Küche war. Sie stemmte sich aus ihrem Rollstuhl und ließ sich auf das Bett fallen.
Mit ihren Kopfhörern auf den Ohren dachte sie über den Vormittag nach.