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2.15 Das Konzept der Mentalisierung

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Um die Wende zum 21. Jahrhundert wandte sich das Interesse der Entwicklungsforschung der Frage zu, wie sich die zunächst unbewusste Reflexionsfunktion im Menschen bildet und zur Mentalisierungsfähigkeit führt. Führend ist hier Peter Fonagy, britischer Psychoanalytiker und seine Arbeitsgruppe zu nennen. Diese Forschung ist nicht voraussetzungslos: Sie knüpft an Arbeiten psychoanalytischer Autoren wie Anna Freud, Melanie Klein, Margret Mahler, Anni Bergmann, Daniel Stern u. a. an, sowie an die »theory of mind« und die Bindungstheorie (vgl. Fonagy et al. 2004, S. 9 ff., S. 34 ff.).

Mentalisieren ist ein Verstehensprozess: Wie kann ein Mensch mentale Vorgänge wie Fühlen, Denken, Wünschen, Befürchten sowie Intentionen bei anderen Menschen und bei sich selbst wahrnehmen? Zweifellos gibt es Erlebnisqualitäten, die sich unmittelbar ereignen – aber sie können (noch) nicht reflektiert, verstanden und auch nicht antizipiert werden, m. a. W., sie sind nicht repräsentiert. Das »Transformieren eines präreflektierenden Erlebens mentaler Zustände in ein reflektierendes Verstehen dieser Zustände« (Fonagy et al. 2004, S. 39) ist Thema des Mentalisierens. Dieses entsteht in einem frühen Austausch zwischen der primären Bezugsperson, i. d. R. der Mutter und dem Säugling, in dem die Mutter die inneren Zustände des Kindes aufnimmt und emotional, verbal und handelnd beantwortet (»Affektspiegelung«). In dieser Antwort steckt eine Bedeutungsgebung: In der Reaktion des anderen erkennt das Kind allmählich sich selbst; die Repräsentanz seines Zustandes im anderen wird zur Repräsentanz in ihm selbst. Durch die wachsende Koordinierung dieser Repräsentationen erhält das Kind Informationen über mentale Vorgänge: »Für das Kind bezieht der Affekt seine Bedeutung oder seinen Sinn aus der integrierten Repräsentanz seines eigenen Affekts und des mütterlichen Affekts.« (Fonagy et al. 2004, S. 44). Von hier aus wird es dem Kind möglich, zwischen dem mentalen Funktionieren der Mutter und seinem eigenen Funktionieren Ähnlichkeiten und Unterschiede zu erkennen. Dies ermöglicht dem Kind eine zunehmende Subjekt-Objekt-Differenzierung und eine wachsende Fähigkeit zur Affektregulierung. Dabei darf die Affektspiegelung der Mutter nicht zu nah am Affekt des Kindes sein – sonst erfährt das Kind keine Beruhigung und kann eigene und fremde Affekte nicht unterscheiden. Dies wird durch eine »Markierung« der Spiegelung erreicht – Mütter bedienen sich meist intuitiv einer »Ammensprache«, welche diesen Unterschied markiert. Die Affektspiegelung darf aber auch nicht zu weit von dem Affekt des Kindes entfernt sein, sonst erfolgt ebenso keine Regulation und das Kind wird von fremden Affekten überschwemmt und schlimmstenfalls traumatisiert.

Es versteht sich, dass eine sichere Bindung die Mentalisierungsfähigkeit fördert. Darin eingebettet geht die Mentalisierung aus sozialen Prozessen hervor, im Wesentlichen sind dies das Als-Ob-Spiel, das Sprechen und die Peergruppen-Interaktion (Fonagy et al. 2004, S. 55 ff.).

Die Förderung der Mentalisierungsfunktion ist heute ein zentraler Bestandteil psychodynamischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapien (Diez Grieser und Müller 2019) ( Kap. 5).

Psychodynamische Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter

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