Читать книгу Spanking | Erotischer Ratgeber - Arne Hoffmann - Страница 4
ОглавлениеWarum finden es manche Menschen erregend, gezüchtigt zu werden?
Wenn du dir diesen Ratgeber besorgt hast, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dich die Vorstellung scharfmacht, dir jemanden mit der Peitsche, dem Rohrstock oder auf eine andere Weise vorzunehmen. Vielleicht schreckst du aber auch davor zurück, weil du Hemmungen hast, einem anderen Menschen Gewalt anzutun. Wir alle haben gelernt, dass es nicht okay ist, jemand anderem absichtlich wehzutun, und vielleicht hat dich das bislang daran gehindert, deine erotischen Fantasien Wirklichkeit werden zu lassen.
Wenn du bisher so gedacht hast, kann es helfen, dass du dir den Unterschied zwischen einvernehmlicher und nicht einvernehmlicher Gewalt noch klarer machst als bisher. Menschen haben die Freiheit, selbst zu Körperverletzungen einzuwilligen, wenn damit etwas verbunden ist, was die Sache aus ihrer Sicht wert ist. Sie tun das zum Beispiel, wenn sie sich von einem Chirurgen aufschneiden lassen, wenn sie an sich Tätowierungen oder Body Modification vornehmen lassen und wenn sie bestimmte Sportarten wie Boxen ausüben. Auch was erotische Aktivitäten angeht, haben Menschen vielfältige Gründe, Schmerzen und sogar das Risiko von Verletzungen zu ertragen. Wenn du dir solche Gründe vor Augen führst, kannst du nicht nur unnötige Sorgen und Ängste verringern, sondern verstehst auch besser, was in deinem (vielleicht erst noch gewünschten) Partner vorgeht.
Der erste und offenkundige Grund ist, dass manche Menschen nun einmal Masochisten sind und durch Schmerzen sexuell erregt werden. Diese Reaktion ist gar nicht so verrückt, wie sie klingt. Schmerzen können eine Reaktion des vegetativen Nervensystems auslösen, die schnellere Atmung sowie erhöhten Herzschlag und Blutdruck erzeugt – Symptome, die auch für sexuelle Erregung typisch sind. Außerdem lösen Schmerzen eine Ausschüttung körpereigener Stoffe aus, sogenannte Endorphine, die zu einem intensiven Hochgefühl führen können, manchmal sogar zu einem tranceartigen Bewusstseinszustand. Und nicht zuletzt gieren viele Masochisten danach, dass ganz bestimmte Stellen ihres Körpers behandelt werden – Stellen, die oft erogene Zonen darstellen und die über Nervenstränge direkt mit den Geschlechtsorganen verbunden sind.
Natürlich reagieren auch Masochisten nicht auf jede Form von Schmerz auf diese Weise. Kopfweh oder ein Blinddarmdurchbruch lösen auch bei ihnen keinen Orgasmus aus. Der Schmerz sollte möglichst gekonnt in ein erotisches Spiel eingefügt sein. Außerdem bevorzugen viele Masochisten nur eine bestimmte Form von Schmerz: Sie lassen sich zum Beispiel liebend gern auspeitschen, würden aber das Weitermachen augenblicklich verweigern, sobald ein Rohrstock ins Spiel kommt – oder umgekehrt.
Nicht jeder Schmerz, den man einem Menschen bei SM-Spielen zufügt, muss so unerträglich sein, dass man es kaum aushält. Oft bleiben die Schmerzen auf einem so niedrigen Niveau, dass Menschen, die sie erleiden, das eher als eine intensive Form der Körpererfahrung wahrnehmen, so wie manche Sportarten oder den Besuch einer Sauna.
Viele Menschen, die sich bei SM-Spielen gern unterwerfen und zum Beispiel auspeitschen lassen, sind jedoch gar keine Masochisten. Sie genießen den Schmerz nicht wirklich, sondern haben Angst davor. Was sie aber genießen, ist ihre Hilflosigkeit und die Macht eines anderen Menschen über sie. Beides spüren sie besonders intensiv, wenn dieser andere Mensch sie wirklich fies quälen kann, wann immer es ihm gerade Spaß macht. Für solche Menschen entsteht die sexuelle Lust durch den Schmerz also sehr indirekt. Auch Schläge, die keine starken Gefühle der Angst und Hilflosigkeit auslösen, können von manchen Menschen als auf geile Weise demütigend empfunden werden, beispielsweise eine Ohrfeige – erst recht, wenn sie in Anwesenheit anderer Menschen erteilt wird.
Manche Menschen sehen ihre Aufgabe auch darin, ein möglichst perfekter Sklave für ihren Herrn (oder ihre Herrin) zu sein. Sie akzeptieren, dass sie von ihrem Herrn beispielsweise mit einer Rute diszipliniert werden, wenn sie an irgendeinem Punkt versagt haben. Manchmal betrachten sie es auch als besondere Herausforderung, für ihren Herrn wirklich viel auszuhalten, und sind stolz auf sich, wenn sie das geschafft haben. Was dem einen sein Marathonlauf, um seine Willenskraft und Ausdauer zu beweisen, ist dem anderen seine Auspeitsch-Orgie.
Wieder andere Menschen tragen Schuldgefühle mit sich herum – ob diese Gefühle nun einen guten Grund haben oder nicht. Wenn diese Menschen gezüchtigt werden, kann das für sie eine emotional reinigende Erfahrung darstellen, wozu sie sonst keine Gelegenheit finden. Auch andere Gefühle, die normalerweise verdrängt werden, können durch eine Spanking-Session aufgewühlt und bewältigt werden.
Manche Paare genießen es, dass die klassischen Rollen von Mann und Frau, die im heutigen Alltag oft verloren gehen, wiederhergestellt werden, wenn ein Mann seine Partnerin beispielsweise übers Knie legt. Die Autorin Constance Summers schildert die weibliche Perspektive eindrücklich in ihrem Ratgeber »How to Begin Spanking«: »Viele von uns machten die beglückende Entdeckung, dass, sobald unser Partner anfängt, uns zu verprügeln, unsere Tendenzen zu zickigem, herrischem und kontrollierendem Verhalten radikal abnehmen. Es ist nicht so, dass wir uns in unterwürfige Fußabtreter verwandeln. Es ist mehr so, dass das Wiedererwecken ursprünglicher Geschlechtsrollen uns an die Freude erinnert, Frauen zu sein und unsere Männer Männer sein zu lassen. Wir beginnen auch, unseren Partnern mehr zu vertrauen. Wenn sie in der Lage sind, die Kontrolle zu übernehmen, und uns die Prügel erteilen, die wir wollen (verdienen?), sind wir eher geneigt zu glauben, dass sie auch die anderen Teile des Lebens bewältigen können, die wir normalerweise kontrollieren müssen, um sie richtig zu erledigen. (…) Und natürlich setzt die Anspannung, die wir beim Hinternversohlen loswerden, auch viel von der negativen, stressvollen Energie frei, die uns dazu bringt, zickig, herrisch und kontrollierend zu sein.«
Selbst wenn sie am Neubeleben der alten Geschlechterrollen wenig Interesse haben, ist für Menschen, die sich gern erotisch züchtigen lassen, das Vertrauen, das sie damit ihrem Partner erweisen, von großer Bedeutung. Je größer das Risiko ist, dass etwas schiefgehen könnte, desto mehr Vertrauen zeigen sie für die Kompetenz ihres Partners – was für solche Menschen einen starken Liebesbeweis darstellt.
Und manche Menschen schließlich akzeptieren einfach, dass die Lust ihres Partners sadistisch ausgerichtet ist und es ihn heißmacht, wenn er sie unter seinen Schlägen zappeln sieht. Da sie selbst unterwürfig sind, stellen sie sich dafür zur Verfügung.
Der Grund, weshalb dein Spielpartner bereit ist, sich von dir schlagen zu lassen, wird eure Aktionen beeinflussen. Mit jemandem, der rein unterwürfig ist, aber Schmerzen verabscheut, spielst du automatisch anders als mit einem echten Masochisten, der solche intensiven Reize genießen kann.