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III. Das verschlossene Land

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Ich hatte mir sofort die in den letzten Wochen erschienenen wichtigsten Zeitungen besorgen lassen und benutzte die Tage des Wartens dazu, Näheres über das Rätsel von Bimini in Erfahrung zu bringen. Was die amerikanische Presse darüber veröffentlicht hatte, studierte ich mit der größten Aufmerksamkeit, denn ich wollte einen informierenden Artikel noch vor meiner Abreise von New-York an mein Blatt schicken.

Die Zeitungen hatten in den letzten Tagen ungezählte Spalten mit Aufsätzen über die interessante Republik und ihren Diktator gefüllt; es war ihnen weder das bolschewistische Rußland, noch der neueste Zank zwischen Deutschland und Frankreich halb so wichtig, von Österreichs endlosen Nöten ganz zu schweigen. Es war aber leicht zu erkennen, daß hinter dem vielen Gerede über Bimini außerordentlich wenig positive Nachrichten steckten. Seitdem die Bimini-Frage plötzlich aktuell geworden war, hatten die Redaktionen aus Nachschlagebüchern und Reisebeschreibungen mühsam allerlei Berichte über diese herzlich unbedeutende kleine Land zusammengekratzt.

Jede Zeitung hatte mindestens einmal erzählt, wie zur Zeit der Conquista Bimini von dem durch Heines Romanze berühmten Don Juan Ponce de Leon entdeckt worden war, der dort den Brunnen der ewigen Jugend suchte und den Tod fand. Es folgten lange und langweilige Abhandlungen über Biminis Schicksale unter der spanischen Herrschaft, von der das Land dann zugleich mit Mexiko befreit worden war. Es hatte darauf ganz kurze Zeit zu Iturbides phantastischem Kaiserreich gehört und war dann abwechselnd unabhängig oder eine Provinz benachbarter ebenso romantischer Republiken gewesen, allezeit beglückt durch Revolutionen und Bürgerkriege, Diktaturen, Präsidentenmorde, freiheitliche Verfassungen und die dazu gehörigen Massenhinrichtungen, angenehm variiert durch Erdbeben, Vulkaneruptionen und dergleichen. Die Einwohner, in Zentralamerika kurz los Binchos geheißen, waren offenbar das typische Gemisch aus degenerierten Spaniern und buntblütigen Urvölkern, das diesen Teil der Welt mit einem so erfreulich geringen Minimum an Arbeit und einem solchen Maximum an politischer Aufregung besiedelt. Die unteren Schichten waren unzivilisierte Indianer, meist von dem Stamm der Quiché, der noch einen Dialekt der alten Aztekensprache spricht und sich ein hübsches Bißchen ursprünglichen Heidentums zu bewahren gewußt hat; von den herrschenden Klassen schien nicht viel mehr auszusagen, als daß sie sich im Laufe einer verwickelten und an Katastrophen reichen Landesgeschichte als höchst kriegerisch im Frieden und als musterhaft friedfertig in den Schlachten erwiesen hatten. Sonst produzierte das Land Kakao, Zucker, Vanille, Campecheholz, Pulqueschnaps, gelbes Fieber und verblüffend viele Moskitos. In den letzten Jahren vor dem Weltkrieg hatte es wieder einmal unter dem Joch der Nachbarstaaten geseufzt, aber während der großen Wirren nach 1914 war es, ohne daß Europa oder selbst Nordamerika die Nachricht irgendwie beachtet hätte, wieder ein unabhängiger Bundesstaat geworden, La Republica de las Provincias Unidas de Bimini. Die neue Verfassung war die freiheitlichste der ganzen Welt und enthielt namentlich radikale Vorkehrungen gegen die Ursupation der Macht durch einen Diktator. Der Diktator und Tyrann von Bimini hieß Juan Iriarte und stand an der Spitze der historischen Freiheitspartei, der Liberadores. Die Partei, die gegen den Tyrannen kämpft, nannte man die Serviles; natürlich waren sie tot oder wenigstens verbannt. Das war alles, was Lexika und Reiseberichte über die Republik Bimini zu sagen wußten, und eigentlich war es zu viel, denn wen könnte um Gotteswillen so ein Land sonderlich interessieren?

Die plötzliche und wilde Anteilnahme der nordamerikanischen Öffentlichkeit an Biminis Schicksalen entsprang, soweit ich feststellen konnte, einem Zufall. Ein Schiff einer Reederei von San Francisco hatte an der pazifischen Küste, nicht weit von La Libertad, dem Hafen Biminis, Schiffbruch gelitten; die Hafenbehörden hatten den armen Seeleuten wohl Beistand geleistet, sie aber während ihres kurzen Aufenthaltes in La Libertad merkwürdigerweise als Gefangene behandelt, nur mit verbundenen Augen durch die Stadt gehen lassen und dann schleunigst mittels eines Schoners an die Nachbarküste von Guatemala befördert; es war, als hätte man sie unbedingt verhindern wollen, Bimini zu sehen und die dortigen Zustände kennen zu lernen. Die Schiffsbrüchigen kehrten schließlich nach Frisco zurück; ihre sonderbare Geschichte wurde aber entweder nicht geglaubt oder doch nicht bedacht, bis sie Sam Harris zu Ohren kam, dem Herausgeber des »Sunday Californian«, eines sensationell gesonnenen populären Wochenblattes. Dieser Sam Harris, dem ich begegnet zu sein mich erinnere, muß in einem Augenblick gerade keine Mordgeschichte vorrätig gehabt haben, oder aber er besitzt wirklich jene einzigartige Witterung, die den wahren Journalisten eine interessante Sache erkennen läßt, wenn er ihr noch so beiläufig begegnet. »The Sunday Californian« machte den Bericht der gestrandeten Seeleute sensationell auf, mehr, Sam Harris verwandte viel Mühe und Scharfsinn darauf, nachzuweisen, daß seit mehreren Jahren keinerlei Nachrichten aus Bimini ins Ausland gelangt waren; diese Nachrichten hatten der Welt zur Zeit ihrer fürchterlichen internationalen Katastrophen auffallend wenig gefehlt. Aber das Erlebnis der Seeleute schien zu beweisen, daß die Regierung von Bimini, also der General Iriarte, aus irgendwelchen besonderen Gründen das Land künstlich von der Außenwelt abschloß. Was zum Teufel ging in der Republik Bimini vor? »The Sunday Californian« deutete dunkel, aber deutlich, deutsche oder japanische oder japanisch-deutsche Intrigen an und braute überhaupt aus dem vorliegenden Mangel an bestimmten Nachrichten eine sehr hübsche Pastete, wie ich als journalistischer Fachmann bestätigen muß. Indessen brachte Sam Harris seinen Artikel nur auf der zweiten Seite seines Blattes und wählte für die Überschrift zwar seine größten Lettern, bei weitem aber nicht seine allergrößten; die Sache beruhte bislang nur auf dem Geschwätz irgendwelcher Matrosen und war zwar eine ganz geeignete Sonntagslektüre für die Bürger von San Francisco, nicht mehr.

Immerhin war die Angelegenheit interessant genug, den Ehrgeiz der »Sunday Tribune« zu reizen, die zum »Sunday Californian« in einem Verhältnis herzinniger Konkurrenz und Brotfeindschaft steht. Die beiden Blätter verwenden einen etwas unproportionierten Teil ihres wöchentlichen Papierquantums dazu, einander Lüge und Schufterei nachzuweisen; da der »Sunday Californian« seinen Aufsatz »Das Rätsel von Bimini« überschrieben und den Senior Iriarte zur »Sphinx von Zentralamerika« befördert hatte – der Name blieb hängen – war der scharfe Gegenartikel in der nächsten Nummer der »Tribune« ›Ödipus‹ gezeichnet; Ödipus löste die Rätsel dieser Sphinx ohne das geringste Nachdenken, es steckte natürlich gar nichts dahinter als die gehirnweiche Sensationsgier des berüchtigten »Californian« und die unglaubliche Dummheit, mit der er sich die Lügen besoffener Seeleute hatte aufbinden lassen.

Das Gezänk, das nun folgt, hat für die Quellengeschichte des Bimini-Problems nur diese Bedeutung: Nathaniel C. Fiedelboum, der rührige Herausgeber der »Tribune« wurde durch treffliche Sarkasmen des »Californian« so weit gereizt, daß er wirklich und wahrhaftig einiges Geld an die dunkle Sache wandte. Es handelte sich übrigens nur um geringfügige Spesen, denn ich vermute jene Reederei, deren Schiff vor La Libertad untergegangen war, ließ sich, die Reklame bedenkend, unschwer dazu bewegen, den begabten jungen Publizisten Hesekiel N. Fiedelboum, einen Neffen des großen Nathaniel, gratis auf einem anderen Schiff ihrer pazifischen Linie nach La Libertad zu befördern. Er sollte später von dem aus Chile heimkehrenden Dampfer wieder ebenso gratis aus Bimini abgeholt werden, nachdem er die unerhörte Lügenhaftigkeit des »Sunday Californian« an Ort und Stelle erkundet haben würde. Der Plan wurde aber nicht ganz ausgeführt, und der begabte junge Publizist mußte seine Seereise bis Ecuador ausdehnen, unterdessen lyrische Feuilletons über Meereseinsamkeit verfassend; denn als das Schiff ihn in La Libertad absetzen wollte, geschah das Unglaubliche: die Behörden der Republik Bimini ließen einen (naturalisierten) Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika durchaus nicht landen. Hesekiel überlegte, meine ich, während der unfreiwilligen Weiterreise nach Ecuador, was er über dieses Erlebnis schreiben sollte: er war in La Libertad oder wenigstens in der Hafeneinfahrt von La Libertad gewesen und konnte als Augenzeuge versichern, daß die Stadt ganz gewöhnlich und friedlich dalag, im Sonnenschein weiß erglänzend. Oder nein, sie sah eigentlich eher grau aus, doch gleichviel, von den Geheimnissen und Greueln, die in der schwülsten Phantasie des »Sunday Californian« spukten, hatte Hesekiel N. Fiedelboum, ein Augenzeuge, nicht das mindeste zu sehen bekommen. Man konnte das schon giftig herausarbeiten und trotz allem Mißgeschick den guten Sam Harris schwer ärgern. Angesichts dieser Möglichkeit ist der Heroismus, der kantische Wahrheitsfanatismus des begabten jungen Reporters der »Sunday Tribune« gar nicht genug zu preisen. Er setzte entschlossen auf das andere Pferd, bestätigte nach seiner Rückkehr aus Ecuador vollinhaltlich die Berichte der gestrandeten Seeleute (des »Sunday Californian« majestätisch schweigend) und erhob ein Gebrüll, daß die wirkliche große Presse endlich aufmerksam wurde. Jawohl, die Republik Bimini hatte düstere Geheimnisse und wurde ängstlich verschlossen gehalten; selbst Hesekiel N. Fiedelboum persönlich hatte nicht landen dürfen oder vielmehr nur auf ganz kurze Zeit, während ein höherer Staatsbeamter, vermutlich der Präsident Iriarte selbst, mit zwei gezogenen Revolvern neben ihm stand. Kein leeres Gewäsch mehr wie in gewissen minderwertigen Blättchen, sondern Tatsachen, Augenzeugnisse, von unserem eigens nach Bimini entsandten Extra-Spezial-Sonderkorrespondenten unter eigener Lebensgefahr gesammelt. –

Von diesem Augenblick an wurde das Rätsel von Bimini zu einem Thema, der ganzen amerikanischen Presse. Im Lesesaal des »Astoria« vor hoch aufgehäuften Zeitungsstößen sitzend, verfolgte ich den Weg dieser journalistischen Sensation. Erst ein paar Notizen in den Blättern des Westens, zögernd und frostig, weil kein Journalist ein Problem liebt, auf das nicht er, sondern ein Konkurrent zuerst aufmerksam geworden ist. Dann im führenden republikanischen Organ Kaliforniens ein gewichtiger Leitartikel über Japans Machenschaften in der Nähe des Panamakanals, mit Hinweisen auf gewisse, bisher unwidersprochen gebliebene Berichte über seltsame Vorgänge an der Küste von Bimini. Dann Telegramme der Korrespondenten östlicher Zeitungen nach New-York, Chicago und Washington. Dann ein wahrer Wolkenbruch: Artikel und Telegramme scheffelweise. Bimini und die Binchos kamen einige Wochen lang in jedem Zeitungsblatt vor.

Während die großen Redaktionen Sonderberichterstatter in die Häfen und an die Grenzen der geheimnisvollen Republik schickten oder wenigstens in die Nachbarländer, behalfen sich minder ehrgeizige oder ärmere Blätter mit geographisch-historisch-statistischen Artikeln über Bimini oder mit mehr allgemeinen Betrachtungen.

Ich sonderte meinen großen Zeitungshaufen in Einzelhäufchen, positive Nachrichten, Allgemeines, Versuche, das Rätsel durch Nachdenken zu lösen.

Zuerst suchte ich die Blätter heraus, die Korrespondenten nach Bimini entsandt hatten. Kein einziger war in das Land gelassen worden, ob sie nun, wie es die meisten versuchten, in La Libertad hatten landen wollen, oder ob sie von einem Hafen Nicaraguas oder Guatemalas aus zu Lande die Grenze der Binchorepublik erreicht hatten. Kein Zweifel, jede Grenze war auf das strengste bewacht und die Regierung von Bimini ließ keinen Fremden ins Land und keinen Einheimischen heraus. Die armen Korrespondenten konnten diese Tatsache nicht verhehlen, obwohl der eine oder andere so tat, als hätte er ja doch, wenn auch nur ganz kurze Zeit, in Bimini geweilt. Daß die Hafenstadt La Libertad silbergrau schimmernd im Sonnenschein träume, wurde in mehr als einem Artikel versichert, aber wenn das das ganze Geheiminis von Bimini war, schien mir die Bemühung meiner Kollegen eher schlecht belohnt.

Keinem einzigen war es geglückt, über die Grenze der verbotenen Republik zu kommen; nahten sie sich zur See, gleich tauchte ein Polizeiboot mit der Bundesflagge von Bimini auf – Sonne, Mond, Sterne, eine Weltkugel, ein rauchender Vulkan und mehrere Adler, gelb, auf grauem Grunde – und ein Offizier in einer schönen, aber in den Farben diskreten Uniform verbot unter einem stets wechselnden Vorwand die Landung. Wer zu Lande an die Grenze kam, fand einen prächtigen neuen Stacheldrahtzaun und dahinter einige Gendarmen mit geladenen Flinten. Was hinter dieser Barriere vorgehen mochte, davon bekam keiner der nach Bimini entsandten Sonderberichterstatter die mindeste Ahnung.

Ein wenig mehr Glück hatten sie bei ihren Erhebungen in den Nachbarländern. Sie begegneten zwar kaum einem einzigen Menschen, der in den letzten fünf Jahren in La Libertad oder in Ponce de Leon gewesen war, seitdem General Iriarte sich endgültig der obersten Gewalt bemächtigt hatte, gab es keinerlei Verkehr mehr zwischen Bimini und den angrenzenden Republiken. Der Verkehr war übrigens nie sehr rege gewesen, denn das Küstengebiet von La Libertad wird von allen Seeleuten wegen seiner Klippen gefürchtet, der Hafen ist schlecht und zu Lande liegen zwischen Bimini und der übrigen Welt Urwälder und Sümpfe. Ebendeswegen fällt es dem Schiffer auf, wenn er auf der Höhe der Binchoküste einem nach La Libertad steuernden fremden Schiff begegnet, oder dem Farmer, wenn an seiner Estancia vorbei ein Wagenzug gegen die Grenze von Bimini sich bewegt. So hatten die Korrespondenten die erstaunliche Nachricht erfahren, daß Bimini, so streng es sich gegen die Nachbarwelt abschloß, in den letzten Jahren immer wieder von geheimnisvollen fremden Schiffen und von Karawanen fremder Reisender besucht worden war. Irgendwelche Leute ließ der Präsident Iriarte also doch in sein Land und ließ sie es auch wieder verlassen. Sonst schickte er nicht einmal Gesandte in die Hauptstädte der anderen Staaten.

Meinem Kollegen Lewis Sarsley von der »Chicago Post« war es indessen gelungen, echte Binchos zu interviewen. Es waren Emigranten von der vertriebenen Partei der Serviles, die sich nach Guatemala gerettet hatten. Sarsley hatte ein Gespräch mit dem Führer dieser Partei, dem General Escobar. Er hielt dem amerikanischen Journalist einen längeren Vortrag über die Niedertracht und Grausamkeit des Diktators Iriarte und versicherte, das freie Volk von Bimini würde den schnöden Tyrannen schon in den nächsten Wochen verjagen und die einzigen verfassungstreuen Freunde der republikanischen Freiheit wieder ans Ruder setzen, die bewährten Serviles. Das wollte Escobar durch indianische Spione erfahren haben, die er manchmal durch die Wälder nach Bimini schicke. Es schien, daß doch nicht das ganze Land mit Stacheldraht eingezäunt war.

Sarsley fragte natürlich begierig, was die Spione über die Zustände in Bimini sonst erzählten. Aber General Escobar wußte entweder nichts oder hatte geheime Gründe, nichts zu verraten; der geriebene alte Gauner beantwortete alle Fragen mit neuen Tiraden über die Freiheit, das Sonne-Mond-Sterne-Weltkugel-Vulkan-Adlerbanner von Bimini und über die Vortrefflichkeit der Serviles. Nun ist dieser Lewis Sarsley ein findiger Bursche; es gelang ihm, in Guatemala einen jener indianischen Spione zu entdecken, von denen Escobar gesprochen hatte. Das gab einen sensationellen Artikel! Leider schien dieser Indianer, als er mit Sarsley sprach, zu viel Pulque im Leibe gehabt zu haben, denn was er über Bimini berichtete, klang vollkommen besoffen. Ein unerhörtes Gefasel von blauen Lichtern, gelben Soldaten und dem aztekischen Gott Quetzalcoatl! Der arme Sarsley konnte kein Wort von dem Unsinn verstehen und klammerte sich nur an die »soldatos amarillos«. Gelbe Soldaten! Ha, so waren Japaner in Bimini!

Für einen großen Teil der Jingopresse galt das als erwiesen. Mir schienen die gelben Soldaten eher weiße Mäuse zu sein.

Wer aber waren doch die geheimnisvollen Fremden in Bimini, deren Existenz auch Escobar zugab? Von Japanern hatte er nichts gesehen, dagegen hatten weiße Fremde, »Gringos«, an der Seite Iriartes gegen die Serviles gekämpft, damals vor fünf Jahren, als der Diktator die Freiheit von Bimini vergewaltigt hatte.

Sarsleys Bericht war der einzige, in dem etwas Positives stand. Die anderen Korrespondenten hatten mit mehr oder weniger Talent die Tatsache verschleiert, daß sie nichts gesehen und nichts erfahren hatten.

Mir schien es klar, daß in den Vereinigten Staaten selbst manche Leute mehr von den Geheimnissen von Bimini wissen mußten, als diese Sonderberichterstatter. Wer hatte denn den gewissen Stacheldraht bezahlt? Wer die diskreten Uniformen der biminesischen Hafenpolizei? Die Sache sah mehr als verdächtig aus; sie roch ordentlich nach einer großen und smarten Spekulation.

Die Zeitungen schienen mir im Grunde vorwiegend der gleichen Ansicht zu sein. Ich ordnete die mehr betrachtenden Artikel über das Rätsel von Bimini und suchte die vorhandenen Meinungen zu analysieren. Es gab wohl eine ganze Anzahl Blätter, die so taten, als glaubten sie an die Legende von den gelben Soldaten oder die den Rest ihrer ranzig gewordenen Kriegsphrasen billig losschlugen und deutsche Intrigen an der Binchoküste entdeckt haben wollten; aber der tiefere Zweck dieses Geschreis schien mir klar genug: sie wollten das Staatsdepartement in Washington durch ihre Angriffe zwingen, Kriegsschiffe nach La Libertad zu schicken oder sonst auf geeignete Weise das Rätsel zu lösen, hinter dem die Herausgeber dieser Zeitungen ja doch auch großzügige Schiebungen irgendeiner amerikanischen Finanzgruppe vermuteten.

Andere Zeitungen sprachen ganz offen von Kupfer, Petroleum, nannten auf gut Glück die Morgan-Gruppe und den Oiltrust als die Leute, die das Land Bimini zeitweilig von der Weltwirtschaft abgesperrt haben sollten, sicher aus vortrefflichen Gründen und nicht zum Schaden des Präsidenten Iriarte. Ich übergehe das ganz amüsante Gerede einiger Boulevardblätter, die mit nichts geringerem zufrieden sein wollten, als mit der Feststellung, daß man in Bimini endlich El Dorado entdeckt habe, das langgesuchte Goldland der Conquistadoren, oder nein, man hatte vielmehr Ponce de Leons Jungbrunnen gefunden, ein Wasser, in dem faustgroße Radiumklumpen herumschwammen, und das alternde Menschen ein bißchen anders verjüngen konnte als der Herr Professor Steinach in Wien.

Nachdem ich alle erreichbaren Artikel über das Problem von Bimini gelesen hatte, war ich etwas enttäuscht; es lag, für einen guten Nachrichtenleser deutlich erkennbar, auf dem Grunde dieses Geplätschers eine ganz gemeine Finanztransaktion. Ich war überzeugt, daß man nicht nach Bimini fahren mußte, um ihr auf die Spur zu kommen; eine Reise nach Washington hätte mir auch genügt. Die größten amerikanischen Zeitungen hätten ihren Korrespondenten in Washington wegen grober Pflichtversäumnis eine Nase schicken sollen, statt eigens gecharterte Schiffe vergeblich nach La Libertad fahren zu lassen. Was konnte denn klarer sein, als daß man im Staatssekretariat des Äußeren in Washington ganz genau alle etwaigen Vorgänge im Inneren des »verschlossenen Landes« kannte? Daß Uncle Sam zwischen Mexico und dem Panamakanal geheimnisvollen Fremden gestatten würde, sich einzunisten, war eine blödsinnige Hypothese. Die Vereinigten Staaten haben die Regierung Iriartes in Bimini bisher noch nicht anerkannt und unterhalten keine offiziellen Vertreter im Lande der Binchos, aber ganz bestimmt unoffizielle Agenten. Wenn die Washingtoner Bundesregierung den ganzen Bimini-Rummel in den Zeitungen sich austoben ließ, ohne zu der Sache das Wort zu ergreifen, bedeutete dies nichts anderes, als daß in Bimini irgendwelche Interessen der amerikanischen Wirtschaft durch Schweigen und Zuwarten am besten gefördert werden konnten. Welche, hätte ich in Washington wahrscheinlich erfahren können; ich bilde mir ein, mit Diplomaten besser umgehen zu können als der durchschnittliche amerikanische Reporter.

Aber war es mir denn um das Geheimnis von Bimini zu tun? Mir war es, belieben sie sich zu erinnern, um eine Winterreise in die Tropen zu tun. Nach Washington zu reisen, in drei Tagen herausbringen, daß man in Bimini Kupferlager oder Erdölquellen entdeckt hat, zehn Zeilen nach Kopenhagen kabeln, die Kupferoder Petroleumpreise auf dem Weltmarkt zu erschüttern und einige Finanzleute damit zu ruinieren, andere damit bereichern, das lockte mich wenig. Was immer das Geheimnis von Bimini sein mochte, es würde zur Not interessant genug sein, ein Dutzend Reisefeuilletons damit aufzuputzen. Zwar schien mir die Aktualität der ganzen Affäre bereits im Abnehmen; entweder wegen der abweisenden Haltung der Bundesregierung oder aus irgendwelchen anderen Gründen begann der ganze Bimini-Lärm bereits zu verstummen. Vielleicht wußte der eine oder andere Zeitungsherausgeber schon, wer die mysteriösen Fremden in Bimini waren und fand es einträglich, solche Wissenschaft nicht vorzeitig zu verbreiten. Kurz, die Hochflut der Artikel war entschieden vorbei, und mir konnte das sehr recht sein. Ich brauchte Monate, um meine Reise nach Bimini zu vollenden, und hatte kein Interesse daran, wenn während dieser Zeit das große Rätsel von einem anderen enthüllt wurde, oder wenn mir an der Grenze von Bimini aufgeregte Kollegen zwischen den Beinen herumliefen. Ich beschloß, das Land des Geheimnisses in aller Gemütlichkeit und Stille allein zu durchforschen; desto besser, wenn unterdessen die Welt Bimini und die Binchos wieder gründlich vergessen haben würde.

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