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Der Tote im Swimmingpool

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Wie gewohnt, ging er pünktlich um neun Uhr in sein Büro im ersten Stock des historischen Polizeigebäudes, das einer trutzigen Festung glich. Gleichsam zur Abschreckung für Missetäter, aber das war ein fundamentaler Irrtum, denn das Böse ist immer und überall. Er erledigte die üblichen Routinearbeiten, soweit sie nicht zu kompliziert waren und weitere Recherchen erforderten. Lustlos blätterte er die alten Akten der unerledigten Fälle durch. Nichts Dringendes, was nicht bis Montag warten könnte.

Er hatte noch nicht gefrühstückt, denn er hatte verschlafen, was ihm sonst nie passiert war. Der Traum ging ihm noch immer durch den Kopf. Vielleicht aber auch die Sängerin, die bei ihm einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatte. Er fühlte sich müde und erschöpft. Er bat seine Assistentin, Diana Michaelis, ihm einen Kaffee zu bringen, sie aber erwiderte, die Espresso-Maschine sei kaputt und außerdem gäbe es keinen Kaffee mehr. Sie müsse erst welchen besorgen, wenn genügend Geld in der Kaffeekasse sei. Also beschloss er, sich schräg gegenüber im Bäckerladen einen Kaffee zu bestellen und ein Croissant, das er besonders liebte, wenn es ein kleines Stück weit in den Kaffee getaucht worden war. Das Wasser lief ihm schon im Munde zusammen, als er nur daran dachte.

Gerade in dem Augenblick, als er sich zum Gehen wandte und seinen Mantel übergezogen hatte, klingelte sein Telefon.

- Hallo Martin, hier ist Silke.

- Wie nett, das du anrufst, ich wollte gerade zum Bäcker gehen und einen Kaffee trinken.

- Das kannst du doch hier bei mir im Hotel tun.

- Hast du noch nicht gefrühstückt?

- Nein, ich habe schlecht geschlafen und bin spät aufgestanden. Jetzt bin ich noch im Frühstücksraum. Wenn du gleich kommst, dann warte ich auf dich.

Also machte er sich auf den Weg und ging die paar Schritte in die Böttcherstraße. Er fand die Sängerin im Frühstücksraum am Fenster sitzend, wo sie auf ihn gewartet hatte.

Kurze Begrüßung, dann setzte er sich zu ihr an den kleinen Tisch am Fenster und bestellte sich eine Tasse Kaffee und ein Croissant.

Sie erwähnte nur kurz den Abend mit den honorigen Skatspielern, versuchte die Namen zu rekapitulieren, was ihr nur annähernd gelang. Insbesondere Herrn Schwarzer hatte sie in lebhafter Erinnerung. Ich glaube, er hatte schlechte Laune, weil er verloren hatte, sagte sie. Da ist er lieber nach Hause gefahren, damit ihn seine Frau auf andere Gedanken bringt.

Dann wandte sich ihr Gespräch auf den bevorstehenden Abend in der Glocke. Sie fragte ihn, ob er auch zum Konzert kommen werde. Er sagte, er werde versuchen, noch eine Eintrittskarte an der Abendkasse zu bekommen. Sie bot ihm eine Gästekarte an, die sie noch nicht anderweitig vergeben hatte Er nahm sie mit großer Freude an.

In diesem Augenblick läutete sein Handy. Seine Assistentin informierte ihn, dass es einen Mordfall gegeben hätte, und er solle sofort ins Polizeirevier kommen. Warum immer ich? Das können doch andere für mich erledigen, murmelte er vor sich hin, denn ihm stand wirklich nicht der Sinn nach Aufklärung irgendeines x-beliebigen Mordfalls. Dennoch verabschiedete er sich pflichtbewusst wie er war, und wünschte Silke viel Erfolg beim Konzert.

Wenige Minuten später war er in seinem Büro. Seine Assistentin erwartete ihn in heller Aufregung.

- Gut, dass Sie da sind. Wir warten schon lange auf Sie.

- Wo brennt es denn?, erkundigte er sich gelangweilt.

- Wir haben vor einigen Minuten einen Anruf von einer Frau Reinhold erhalten. Sie gab sich als Sekretärin von Herrn Schwarzer aus und sagte, dass ihr Chef tot im Swimmingpool seines Hauses läge. Sie reichte ihm einen Zettel mit der Anschrift des Hauses in Oberneuland.

- So ein Mist, sagte er schlecht gelaunt und bestellte seinem Wagen aus der Fahrbereitschaft.

Wenige Minuten später war er auf dem Weg nach Oberneuland, fuhr die Schwachhauser Heerstraße entlang. Sein Navi zeigte ihm den Weg. Eine knappe halbe Stunde später hielt er vor dem Haus. Er läutete an dem Gartentor, es wurde sofort geöffnet. Offenbar wurde er erwartet. Er parkte seinen Wagen auf dem Vorplatz des gepflegten Anwesens.

Eine gut gekleidete Frau - offensichtlich keine Putzfrau - öffnete ihm die Haustür und bat ihn einzutreten.

- Ich bin Susanne Reinhold, Privatsekretärin von Herrn Schwarzer, oder zu mindestens war ich es noch bis gestern.

Sie gingen auf die Terrasse und blickten auf den bis zum Rand mit Wasser gefüllten Pool, in dem ein Toter mit dem Gesicht nach unten an der Oberfläche trieb. Offensichtlich handelte es sich um den Hausherrn, weil er wie an dem Abend im Club gekleidet war. Schrecklicher Anblick. Eie Blutlache war auf dem Beckenrand zu sehen. Sie wandten sich ab und gingen ins Haus, denn es fröstelte sie bei dem Nieselregen und dem verstörenden Anblick.

- Wir können jetzt hier nichts tun, wir müssen auf die "Spusi" warten, sagte Degenhardt.

- Mir ist noch ganz schlecht von dem Anblick. Wenn ich bedenke, dass er gestern noch gelebt hat und mir Briefe diktiert hat. Und jetzt dies! Sie bedeckte ihre Augen mit beiden Händen und begann zu schluchzen.

- Also: Erzählen Sie bitte in allen Einzelheiten, wo und wann Sie ihn gefunden haben, sagte er, um sie zu beruhigen.

- Er liegt jetzt noch immer so im Wasser, wie ich ihn gefunden habe, als ich heute Morgen kam.

- Wann sind Sie gekommen?

- So etwa gegen neun Uhr.

- Was wollten Sie im Haus Ihres Chefs?

- Ich hatte auf ihn vor meiner Wohnung erwartet, aber er kam nicht. Da habe ich ihn angerufen, aber er antwortete nicht. Da bin ich zu ihm gefahren.

- Und dann haben Sie ihn dort im Wasser gefunden.

- Ja. Vielleicht an etwas anderer Stelle, denn die Strömung der Umwälzpumpe hat ihn wohl etwas vertrieben. Ich habe mich nicht getraut, irgendetwas anzurühren, bis die Polizei eingetroffen ist. Niemand hat hier irgendetwas verändert.

- Das haben Sie gut gemacht, sagte er.

Der Kommissar telefonierte mit seinem Büro und orderte die Spurensicherung.

Sie ließen die Leiche im Wasser treiben, gingen ins Haus und setzten sich in den Salon.

- Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?

- Vielen Dank, ich hatte gerade einen Becher getrunken, bevor ich zu Ihnen gefahren bin. Lieber wäre mir eine Tasse Tee, mein Magen verträgt nicht so viel Kaffee.

Sie verließ den Raum. Er hörte sie in der Küche hantieren und blickte sich um: Schwere Sessel, antikes Mobiliar, ein Schreibsekretär, edle Teppiche mit exotischen Blumenmotiven. Landschaftsbilder im schweren goldenen Rahmen an den Wänden.

Nach ein paar Minuten kehrte sie mit einem Silbertablett, einer Teekanne mit Rechaud aus Porzellan und zwei hauchdünnen Porzellantassen zurück.

- Wie trinken Sie den Tee, mit Milch und Zucker?

- Danke nur mit Zucker.

Sie schlürften den Tee, weil er noch ziemlich heiß war.

- Aufmerksam blickte der Kommissar sie an: Dann erzählen Sie bitte in allen Einzelheiten, wie und wann Sie den Toten gefunden haben.

- Also, es war so: Normalerweise holt mich mein Chef um halb neun Uhr mit seinem Wagen vor meinem Haus in Horn ab, denn sein Weg zum Büro führt in der Nähe meiner Wohnung vorbei. Ich erwartete ihn wie üblich vor meiner Haustür. Er war immer sehr pünktlich. Nur heute Morgen nicht, da habe ich noch ein paar Minuten gewartet, bin wieder in meine Wohnung gegangen und habe ihn Zuhause angerufen. Er antwortete nicht. Dann habe ich es auf seinem Handy versucht, auch dort kam keine Antwort. Ich war sehr beunruhigt. Da habe ich mir ein Taxi bestellt und bin zu seinem Haus gefahren. Die Haustür war verschlossen, es brannte nirgends Licht. Ich bin dann ins Haus gegangen, aber es war niemand da.

- Woher hatten Sie den Haustürschlüssel?

- Er liegt immer unter der Blumenvase rechts vor der Haustür.

- Woher wussten Sie das?

- Ich war oft bei ihm, vor allem seitdem er von seiner Frau getrennt lebte.

- Wann war das?

- Vor etwa einem Jahr.

- Waren Sie seine Geliebte oder Lebensabschnittsgefährtin, wie man das heute so nennt?

- Ich war seine Sekretärin.

- Sonst nichts?

- Wir waren inoffiziell verlobt.

- Wann wollten Sie heiraten?

- Er hatte mir versprochen, mich zu heiraten, sobald seine Ehe geschieden sei.

- Und das ist sie bisher noch nicht, wie ich vermute.

- Ja, das stimmt.

In diesem Augenblick hielt ein Polizeiwagen vor dem Grundstück. Ein paar Herren läuteten an dem Gartentor. Frau Reinhold öffnete das Tor, der Wagen fuhr die mit weißem Kies belegte Auffahrt bis vor die Haustür.

- Ich kenne die Herren, sagte der Kommissar, es sind Beamte von der Spurensicherung.

- Kurze Begrüßung: Meine Herren, treten Sie ein. Frau Reinhold wies ihnen den Weg zur Terrasse.

- Ich denke, wir lassen die Herren ihre Arbeit machen, es sind Profis ihres Faches, sagte der Kommissar. Wir können ihnen nicht helfen, wahrscheinlich würden wir sie nur bei ihrer Arbeit stören. So setzten sie sich wieder in den Salon.

- Erzählen Sie mal etwas von sich, woher Sie Herrn Schwarzer kennen und von Ihrer Arbeit. Was genau waren Ihre Aufgaben?

- Da gibt es eigentlich nicht viel zu erzählen. Ich habe Herrn Schwarzer vor etwa zwei Jahren in Hamburg kennengelernt, wo ich in einem Kabarett als Tänzerin arbeitete. Degenhardt zog die Augenbrauen hoch, was nicht unbemerkt blieb. Nein, nicht so, wie Sie vielleicht denken. Es war ein seriöses Lokal. Der Alsterpavillon. Nach der Vorstellung nahm ich mit meinen Kolleginnen noch einen Drink, wie wir es oft tun. Ich dachte, der große Herr mit den schwarzen Haaren würde auf mich warten, was er aber nicht tat.

- Da waren Sie enttäuscht?

- Ja, ein bisschen.

- Und dann, wie ging es weiter?

- Eines Tages sah ich den Herrn mit den schwarzen Haaren erneut unter den Zuschauern, er nickte mir wohlwollend zu. Das freute mich. Ich gab mir bei der Vorstellung große Mühe. Als ich die Bühne verließ, klatschte er besonders heftig. Das gefiel mir, denn schließlich sind wir Künstler auf den Applaus der Gäste angewiesen.

- Keine Frage, und was geschah dann?

- Nach der Vorstellung wartete er vor dem Lokal in einem Taxi mit einem kleinen Blumenstrauß in der Hand. Er fragte mich, ob er mich zu einem Drink einladen könne. Es schmeichelte mir, zumal er wirklich gut aussah, eine stattliche Erscheinung, wie man wohl sagt.

- Ja, so sagt man. Und dann?

- Er bat mich einzusteigen und fuhr zum Hotel Atlantik, wo er wohnte.

- Wir haben in der Bar ein paar Glas Wein in getrunken. Dort war ich noch nie gewesen, hatte aber immer davon geträumt, in so einem feinen Schuppen mal aufzutreten oder vielleicht sogar zu übernachten. Aber das war damals vollkommen außerhalb meiner Möglichkeiten.

- Dann haben Sie die Nacht bei ihm verbracht und mit ihm geschlafen?

- Nicht die erste Nacht. Er hatte zu viel getrunken und schlief sofort ein.

- Am nächsten Morgen haben wir reichlich gefrühstückt, und er lud mich nach Bremen ein. Er wollte mir seine Heimatstadt zeigen. Er meinte, er könne mir vielleicht ein Engagement im Astoria vermitteln. Das reizte mich.

- Und, haben Sie das Engagement bekommen?

- Nein. Sie hätten zu der Zeit keine freie Stelle, wurde mir gesagt. Ich war natürlich sehr enttäuscht und habe geweint. Er nahm mich in den Arm, tröstete mich und schlug mir vor, seine Sekretärin zu werden, dann bräuchte ich nie mehr in halbseidenen Lokalen als Tänzerin aufzutreten.

- Das Angebot haben Sie angenommen?

- Natürlich, wer hätte das in meiner Situation nicht getan? Ich brauchte das Geld zum Leben und hatte nicht viel gespart. Er mietete ein Zimmer für mich in einer kleinen Pension und hat mir dann eine Wohnung in Horn besorgt, sie lag in seiner Nähe.

- Er hat Sie oft besucht?

- Ja, wir haben uns sehr nahegestanden. Manchmal hat er bei mir übernachtet wenn er offiziell auf Reisen war. Gelegentlich hat er mich auch auf eine seiner vielen Geschäftsreisen mitgenommen. Er brauchte mich als seine rechte Hand. Ich führte seinen Terminkalender undwar für die Planung seiner Termine verantwortlich. Er hatte neben dem Job als Inhaber seiner Firma viele ehrenamtliche Aufgaben, die alle zeitlich koordiniert werden mussten.

- Dafür waren Sie zuständig?

- Ja, er vertraute mir in allen persönlichen Angelegenheiten.

In diesem Augenblick kamen die Herren von der Spusi herein und baten, sich verabschieden zu dürfen. Hier sei für sie nichts mehr zu tun. Sie hätten eine Pistole und zwei Patronenhülsen im Wasser gefunden. Den Leichnam hätten sie aus dem Wasser gezogen und in einen Metallsarg gelegt, um ihn im forensischen Institut untersuchen zu lassen. Ebenso wie die Pistole und die Patronenhülsen.

- In Ordnung. Wir sprechen uns später. Haben Sie sonst im Garten irgendwelche Fußspuren gefunden oder sonst noch etwas Auffälliges bemerkt?

- Nein, nichts.

Als die Herren das Grundstück verlassen hatten, tranken die beiden noch den restlichen Tee.

- Hat Frau Schwarzer eigentlich nie etwas von Ihrer Beziehung zu ihrem Mann bemerkt?

- Ich weiß es nicht genau. Vielleicht, kann sein kann oder auch nicht sein. Sie ist ziemlich naiv. Man könnte sie auch als dumm bezeichnen. Ich habe selbst nie mit ihr irgendein persönliches Wort gewechselt. Dazu war auch keine Gelegenheit. Sie ging mir immer aus dem Weg. Man könnte sagen, sie hat mich geschnitten. Und ich legte auch keinen gesteigerten Wert auf ihre Bekanntschaft.

- Wie war das Verhältnis zwischen den Eheleuten?

- Distanziert. Er hat sie zu offiziellen gesellschaftlichen Anlässen nie mitgenommen, jedenfalls nicht zu meiner Zeit. Früher soll das anders gewesen sein, da hat er sie angeblich sehr hofiert und alles für sie getan, sie gleichsam auf Händen getragen. Einige seiner Freunde fanden das etwas aufgesetzt oder übertrieben, denn er soll ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen haben, wenn sie mal einen Ausflug mit Freunden unternahmen. Dann legte er jede Stunde eine Pause ein, weil sie etwas essen wollte. Mal war es ein Stück Kuchen oder ein belegtes Brötchen, manchmal auch eine Bratwurst. Er war sehr besorgt um sie und fütterte sie wie ein Kind. Alle wunderten sich, weil sie immer dicker wurde. Aber es hat ihn offenbar nicht gestört, jedenfalls hat er es sich nicht anmerken lassen. Manchmal hatte ich den Eindruck, als ob die beiden Theater spielten.

- Aber dann hat er sich doch von ihr getrennt?

- Ja, offenbar konnte er ihre Nähe irgendwann nicht mehr ertragen. Sie war nämlich sehr indiskret und plauderte alles aus, was sie erfuhr. Am meisten interessierte sie sich für intime Beziehungen seiner engsten Mitarbeiter, da wollte sie alles ganz genau wissen. Wohl auch deshalb wollte er sich von ihr scheiden lassen, und anschließend wollte er mich heiraten, hat er mir jedenfalls versprochen. Ich weiß nicht, ob er das wirklich getan hätte, denn schließlich stammte ich nicht aus einer angesehenen Bremer Familie, wie er es sich wohl erträumt hatte.

- Wir werden es nicht mehr erfahren. Jedenfalls waren Sie sehr enttäuscht, nehme ich an.

- Ja, sein Tod ist ganz schrecklich für mich, denn nun liegt meine Zukunft in Trümmern. Ich weiß überhaupt nicht, was ich machen soll. Wenn ich den Job verliere, dann kann ich meine Wohnung nicht mehr bezahlen und weiß nicht wohin ich gehen soll.

- Das Leben geht irgendwie weiter, versuchte er sie zu beruhigen. Sie sind jung und attraktiv, deswegen wird sich bestimmt für Sie etwas Passendes ergeben. Sie dürfen den Mut nicht verlieren, müssen an sich glauben.

- Das sagt sich so leicht. In jedem Fall möchte wissen, ob er Selbstmord begangen hat oder ob er ermordet wurde.

- Das möchte ich auch, aber jetzt muss ich wieder ins Büro. Ich werde mich wieder bei Ihnen melden, sobald wir erste Erkenntnisse über die Todesursache haben. Ich muss Sie bitten in der Zwischenzeit die Stadt nicht zu verlassen. Wir werden in den nächsten Tagen sicher noch ein paar Fragen an Sie haben.

- Ich stehe zur Ihrer Verfügung. Sie gab ihm ihre Adresse und Telefonnummer.

- Was ich Sie noch fragen wollte, sagte der Kommissar beim Hinausgehen, hatte Herr Schwarzer Feinde?

- Warum fragen Sie das? Glauben Sie etwa, dass er ermordet wurde?

- Ich weiß es nicht, aber ich kann es nicht ausschließen. Jedenfalls möchte ich alle Personen sprechen, die mit ihm in engerem Kontakt gestanden haben.

- In diesem Fall müssten Sie mit seiner Frau beginnen.

- Haben Sie ihre Adresse?

- Klar, ich kenne sie auswendig. Sie wohnt in seinem Ferienhaus in Worpswede. Am Brunnenhof 21.

- Hatte er sonst irgendwelche Feinde?

- Nicht dass ich wüsste. Er war bei allen sehr beliebt und vor allem geachtet.

- Ich weiß das. Aber jeder Mensch hat auch Feinde.

- Sein Sohn war sicher nicht besonders gut auf ihn zu sprechen, aber sein Feind war er bestimmt nicht.

- Welche Probleme hatten die beiden miteinander?

- Sie waren völlig verschieden, hatten kaum irgendwelche gemeinsamen Interessen. Der Vater war sehr dominant und ausschließlich auf seinen wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet. Er war Kaufmann durch und durch.

- Und sein Sohn?

- Er war sehr musisch veranlagt. Er wollte unbedingt Musik studieren und Musiker werden, aber sein Vater ließ ihn nicht gewähren. Er wollte ihn so erziehen, wie er selbst erzogen worden war. Streng, protestantisch und nach Kaufmannsart.

- Hatte er Feinde im beruflichen Bereich?

- Sicher keine Feinde, aber wie das immer so bei erfolgreichen Menschen ist, sie haben viele Neider. Ganz besonders im Fußball.

- Warum gerade da?

- Die Position war mit vielen Vorteilen verbunden, er konnte auf Kosten des Vereins zu allen Auswärtsspielen reisen, wurde hier und da eingeladen, begrüßte die Ehrengäste und hatte Aussicht, in den nationalen Sportbund als Delegierter berufen zu werden. Vielleicht sogar eines Tages in die FIFA. Auf jeden Fall hatte er das Zeug dazu.

- Das war alles?

- Unterschätzen Sie das nicht. Fußball ist eine ganz besondere Sache. Da geht es um Ehre, Emotionen und Ansehen. Viele haben ihn um die Position beneidet.

- Aber bis zu einem Mord wird es wohl nicht reichen. Jedenfalls nicht in Deutschland, aber in anderen Ländern soll das schon vorgekommen sein.

- Aber nicht bei uns. Da geht es meistens nur um Geld.

- Hier sind einige wohlhabende Leute ihm nicht gut gesonnen, weil er sie zu riskanten Investitionen verleitet hat, die schief gegangen sind. Viele seiner Freunde und Geschäftspartner haben dadurch viel Geld verloren und sind sogar in finanzielle Schwierigkeiten gekommen.

- Um welche Art von Investitionen handelte es sich?

- Es handelte sich um ein Immobilienprojekt auf einer der Ostfriesischen Inseln. Das war wohl ein Abschreibungsobjekt, das allerlei Probleme machte. Mehr weiß ich auch nicht.

- Sonst fällt Ihnen nichts Besonderes ein, das zur Klärung dieses Unglücks beitragen könnte?

- Nein, eigentlich nicht. Ich erinnere mich nur an einen Fall, der betraf den Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft.

- Was war mit ihm?

- Alle Details kenne ich nicht, aber Herr Lindner war ein Freund aus seiner Jugendzeit. Er hatte ihm einen Job gegeben, als er arbeitslos war.

- Was ist daran so Besonderes?

- Schwarzer hat ihm wiederholt Geld geliehen, das er nicht zurückbekommen hat.

- Sie wissen nicht, was der Grund für die Zahlungen war?

- Nicht genau. Ich weiß nur, dass er Spielschulden hatte. Und Herr Schwarzer hat für ihn gebürgt. Er wollte immer, dass sein Freund die Schulden tilgt, damit er seine Bürgschaft zurückbekäme, aber er brauchte stattdessen noch mehr Geld. Zuerst hat er es ihm geliehen, dann aber hat er sich geweigert, weil er das Geld selber brauchte, denn seine Geschäfte liefen nicht mehr so gut wie früher.

- Wie ist sein voller Name? Haben Sie seine Adresse?

- Rudolf Lindner. Sie finden ihn im Telefonbuch, denn er war der Geschäftsführer seiner Tochtergesellschaft Hako GmbH.

- Wir werden der Sache nachgehen. Frau Reinhold, ich danke Ihnen für Ihre Offenheit und wünsche Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute.

Damit verabschiedete sich der Kommissar und fuhr ins Büro. Er war entschlossen, mit allen Verdächtigen zu sprechen, denn er war überzeugt, dass es sich um Mord und nicht um Selbstmord handelte. Er wusste es nicht, aber sein Instinkt sagte es ihm. Für einen Selbstmord fehlte das Motiv. Dazu wusste er zu wenig über den Toten. Bisher kannte er nur die glänzende Fassade. Wie es dahinter aussah wusste niemand, aber er würde es erfahren.

Es entsprach seiner Gewohnheit, bei wichtigen Gesprächen sein Handy ausgeschaltet zu lassen. Außerdem betrachtete er es als grobe Unhöflichkeit, in Gegenwart anderer zu telefonieren. In öffentlichen Verkehrsmitteln tat er es grundsätzlich nicht, denn er fürchtete, dass jemand mithören würde.

Wenn ihn jemand sprechen wollte, würde er es noch früh genug erfahren.

Ein rabenschwarzer Tag

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