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Einbruch im Hotel

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Auf der Fahrt ins Polizeipräsidium schaltete er sein Handy ein und prompt wurde ihm mitgeteilt, dass er sich um Frau Wohlgemuth kümmern solle, bei der im Hotel eingebrochen sei, und ihr Geld, Papiere und Kreditkarten gestohlen seien. Sie würde um seinen persönlichen Besuch bitten.

Schon eine gute halbe Stunde später ließ er sich im Empfang des Radisson-Blue-Hotels bei Frau Wohlgemuth melden. Sie sei auf ihrem Zimmer und erwarte ihn, sagte man ihm. Er fragte nach dem Direktor. Direktor Diekmann empfing ihn in seinem Büro und war ziemlich entsetzt, als er den Ausweis des Kommissars betrachtete.

- Herr Kommissar, was führt Sie zu mir?

- Ich komme wegen des Einbruchs in Ihrem Haus.

- Das ist wirklich eine schlimme Sache mit diesen dauernden Einbrüchen, sagte Diekmann sichtlich genervt.

- Wurde bei Ihnen früher schon mal eingebrochen?

- Nein, Gott sei Dank nicht, aber man liest so viel in den Zeitungen.

- Die Kerle werden immer dreister. Früher waren es Einzeltäter, aber heute haben wir es mit gut organisierten Banden zu tun, sagte Degenhardt. Oft stammen sie aus Rumänien, in der letzten Zeit auch aus Nordafrika.

- Schlimme Zeiten. Die Polizei müsste wirklich energischer durchgreifen.

- Wir tun, was wir können. Im Grunde müssten wir jeder heißen Spur nachgehen, aber wir haben nicht genügend Personal. Der Senat spart an allen Enden. Ständig müssen wir Personal abbauen. Jetzt bekommen wir dafür die Quittung. Die Bürger machen uns für jedes Verbrechen verantwortlich, aber wir arbeiten schon am Anschlag.

- Ich glaube es Ihnen.

- Nehmen Sie diesen Fall als ein Beispiel. Ich wurde schon heute Vormittag über den Einbruch informiert, aber ich war mit einem Mordfall beschäftigt. Ich kann mich nicht zerreißen.

- Es tut mir wirklich sehr leid um Frau Wohlgemuth, denn es scheint ihr sehr schlecht zu gehen. Ich habe ein paar Mal nach ihr gesehen, aber ich konnte nichts für sie tun, da habe ich den Arzt gerufen. Er kam nach kurzer Zeit und hat bei ihr einen Nervenzusammenbruch konstatiert. Er hat ihr Blut abgenommen und ihr eine Beruhigungsspritze gegeben. Das wird ihr hoffentlich helfen, schnell wieder auf die Beine zu kommen. Sie hat nämlich heute Abend einen Auftritt in der Glocke.

- Ich weiß. War die Spurensicherung schon da?

- Nein, man sagte mir, es seien derzeit alle Spezialisten im Einsatz. Angeblich sei irgendwo in der Stadt ein Mord geschehen.

- Leider war das tatsächlich der Fall. Die Herren haben mir geholfen, den Fall aufzuklären.

- Haben Sie den Mörder schon gefasst?

- Nein, wir wissen noch nicht einmal, ob es wirklich Mord war.

- Um wen handelt es sich?

- Das möchte ich jetzt noch nicht sagen.

- Dienstgeheimnis?

- Sie werden sich noch ein paar Tage gedulden müssen. Ich kann Ihnen zu den laufenden Ermittlungen nichts sagen. Die Zeitungen werden in den nächsten Tagen mit Sicherheit ausführlich darüber berichten.

- Furchtbar, was heutzutage so alles passiert. Wir haben viel zu viele Ausländer in unserer Stadt.

- Degenhardt wich der Bemerkung aus, weil er sich in die kontroverse Diskussion nicht einklinken wollte. Aber nun zu dem Einbruch in Ihrem Hotel, sagte er. Was genau ist geschehen?

- Viel wissen wir noch nicht. Offenbar ist der Einbrecher - es muss ein Profi gewesen sein - während der Frühstückszeit mit einem Nachschlüssel in das Zimmer von Frau Wohlgemuth eingebrochen und hat alle ihre Wertsachen mitgenommen. Sie hat daraufhin einen Zusammenbruch erlitten. Wir haben sofort einen Arzt gerufen, der auch sehr schnell gekommen ist. Er hat ihr eine Beruhigungsspritze gegeben. Sie sagte, dass sie diesen Abend unbedingt wieder fit sein müsse, denn sie habe einen Auftritt als Solistin in der Glocke.

- Ich weiß. Ich werde selbst mal nach ihr sehen. Welche Zimmernummer hat sie?

- Sie hat Nummer 414, das ist im obersten Stockwerk. Sie wollte unbedingt ein ruhiges Zimmer, und da haben wir ihr ein Zimmer im obersten Stockwerk gleich unter dem Dach gegeben. Diese Zimmer waren früher eigentlich nur für das Dienstpersonal vorgesehen, aber heute sind sie wegen der Ruhe sehr begehrt. Soll ich Sie anmelden?

- Es wäre mir recht.

Der Fahrstuhl ließ nicht lange auf sich warten, schnell war Degenhardt im obersten Stock, klopfte an die Tür Nummer 414.

- Eine schwache Stimme fragte: Wer ist da?

- Ich bin´s, Kommissar Degenhardt.

- Es dauerte einen Augenblick, bis sie vom Bett aufgestanden war und sich notdürftig mit einem Morgenrock bekleidet hatte. Misstrauisch öffnete sie die Tür, hatte die Kette vorgelegt, warf einen Blick durch den Türspalt. Schließlich löste sie die Kette und öffnete die Tür. Er betrat das Zimmer, das ziemlich klein war. Große Unordnung: Diverse Kleidungsstück lagen auf dem Fußboden. Kaum wagte er sich umzusehen. Es schien ihm zu indiskret zu sein.

Jetzt stand eine ziemlich derangierte Frau mit offenen Haaren vor ihm. Sie hielt sich ein einer Stuhllehne fest. Das war nicht die blühende Frau, die er gestern erlebt hatte. Er nahm sie vorsichtig in den Arm, als fürchtete er, dass sie fallen könnte und geleitete sie zum Bett. Vielleicht ist es besser, wenn du dich wieder hinlegst. Du siehst nicht gut aus, sagte er.

- Mir geht es auch nicht gut, sagte sie mit schwacher Stimme. Es ist mir überhaupt nicht recht, dass du mich in diesem erbärmlichen Zustand siehst. Die Haare sind nicht frisiert, keine Schminke, kein ordentliches Kleid. Ich sehe aus wie eine Megäre.

- Was soll denn heute Abend werden, wirst du das Konzert absagen?

- Nein, das geht nicht. Ich muss unter allen Umständen singen. Es hängt so viel für mich davon ab. Meine ganze Karriere wäre verkorkst, wenn ich jetzt schmisse. Die Presse wird anwesend sein und alles was Rang und Namen hat. Der große Konzertsaal ist wieder vollkommen ausverkauft.

- Aber wenn es nicht geht, dann geht es eben nicht.

- Doch, es muss gehen. Der Arzt hat mir Blut abgenommen und mir eine Spritze gegeben, damit wird es schon gehen.

- Wie du meinst, ich aber fände es besser, wenn du dich noch ein paar Tage schonen würdest und im Bett bliebest, bis du wieder richtig auf dem Damm bist.

- Das kann ich nicht. Ich werde singen, es ist keine so große Partie. Es ist ja nicht die Walküre, die ich letztens in Stuttgart gesungen habe. Das war ein grandioser Erfolg.

- Ich habe davon gelesen. Aber da warst du auch kerngesund und voller Kraft.

- Martin, nimmt diese Karte, sie gibt dir den besten Platz gleich oben im ersten Rang rechts ganz vorne. Da kann ich dich sehen, und du mich auch. Das wird mir bestimmt helfen, meine Kraft zurückzugewinnen.

- Das musst du wissen. Wenn ich dein Mann wäre, dann würde ich dir den Auftritt verbieten.

- Bist du aber nicht - leider.

- Sei froh, ich bin ein schlechter Ehemann. Nun erzähle mir mal möglichst in allen Einzelheiten, wie das mit dem Einbruch war.

- Das ist schnell erzählt, sagte sie und setzte sich auf das Bett. Ich ging von unserem gemeinsamen Frühstück sofort auf mein Zimmer. Da bemerkte ich, dass meine Sachen durchwühlt waren. Mein Portemonnaie mit Geld war weg mit allen Papieren und Kreditkarten. Auch mein Schmuck war weg. Mehr weiß ich auch nicht. Ich rief in der Zentrale an. Der Direktor kam und sah, was geschehen war. Er sagte, ich solle nichts anfassen. Die Hausdetektive haben oberflächlich nach Spuren gesucht, aber nichts gefunden. Sie prüften das elektronische Türschloss und die Fensterverriegelung. Sie vermuteten, dass der Dieb mit einem Nachschlüssel oder über das Dach gekommen und durchs geöffnete Balkonfenster eingestiegen sei.

- Vermuten sie. Haben sie Spuren am Fenster und der Tür gesichert?

- Keine Ahnung. Ich habe nicht zugeschaut. Ich war völlig durcheinander und habe mich aufs Sofa gelegt bis sie gegangen sind.

- Hast du alles sorgfältig geprüft, was verschwunden ist? Kann nicht irgendwo etwas versteckt sein? Hast du Geld oder Schmuck in den Hoteltresor getan?

- Nein, mit so etwas habe ich nie im Leben gerechnet. Meinen ganzen Schmuck haben sie mir genommen. Wenn ich einen großen Auftritt in einem Konzert habe, dann nehme ich immer meinen wertvollen Schmuck mit. Jetzt ist alles weg. Ich habe nichts mehr, keine Kreditkarten und auch kein Geld. Ich weiß gar nicht, wie ich das Hotel und alles andere bezahlen soll. Ich weiß überhaupt nichts mehr.

- Mach dir darum keine Sorgen. Ich werde die Hotel-Rechnung für dich regeln. Der Rest ist Sache der Versicherung. Alles halb so schlimm, wenn es sich nur um Geld handelt. Viel wichtiger ist, dass du schnell wieder auf die Beine kommst.

- Wie spät ist es?

- Knapp zwei Uhr.

- Dann habe ich ja noch ein paar Stunden Zeit bis zu meinem Auftritt. Der Doktor will nachher noch einmal bei mir vorbeischauen. Vielleicht gibt er mir eine neue Spritze.

- Er wird dich schon irgendwie wieder auf die Beine bringen.

- Ich werde sehen, dass mir das Schmuckgeschäft hier im Hause eine Halskette und ein paar Ohrringe borgt, damit ich nicht so nackt auf der Bühne stehe.

- Das machen sie bestimmt. Ich werde gleich mit dem Besitzer reden. Ich kenne ihn gut.

- Das ist lieb von dir. Du bist ein Schatz.

- Man tut, was man kann, sagte er achselzuckend.

- Du kommst doch bestimmt heute Abend?

- Ja, aber lieber wäre mir, wenn du den Abend im Bett bliebest.

- Ja, mit dir! Es wäre schön, wenn du mich in den Arm nähmest.

- Das geht leider wirklich nicht, wenn ich es auch möchte. Aber jetzt sollte ich dich lieber verlassen, damit du noch etwas Ruhe findest.

- Ich werde mich noch etwas hinlegen. Also bis heute Abend. Ich verlass mich darauf, dass du in meiner Nähe bist. Ich brauche dich als meinen Talisman.

- Das ist eine neue Rolle für mich. Ich werde noch etwas üben müsse.

Damit verließ er das Zimmer und sprach kurz mit dem Besitzer des Schmuckladens. Alles schien perfekt geregelt. Nun musste nur noch der Abend erfolgreich über die Bühne gehen. Aber er machte sich großen Sorgen. Zwar war er nicht für sie verantwortlich, aber er fühlte sich so. Er konnte es sich auch nicht erklären, warum er sich so sehr um sie bemühte. Das hätte er für andere Frauen nicht getan.

- Bevor er ging besuchte er noch einmal den Hoteldirektor: Herr Diekmann, ich muss Sie noch einmal stören.

- Nehmen Sie Platz. Was kann ich für Sie tun?

- Sie sagten vorhin, dass ein Arzt bei ihr gewesen sei. Können Sie mir bitte seinen Namen und seine Adresse geben?

- Diekmann suchte in seinem Notizbuch: Doktor Neumann, Wachtstraße 11. Und er fügte noch die Telefonnummer hinzu.

- Danke, sagte der Kommissar und verabschiedete sich. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden. Und was die Rechnung von Frau Wohlgemuth betrifft, so werden wir dafür eine Lösung finden.

- Kein Problem, sagte Diekmann. Die Versicherung übernimmt die Kosten.

Degenhardt verließ das Hotel in trüben Gedanken. Würde Silke wirklich diesen Abend die Solopartie erfolgreich singen können?

Nun musste er nach vorne blicken. Es gab Dringenderes für ihn zu tun. Der Mordfall wartete auf seine Klärung. Und das war nicht das Einzige, was es für ihn zu tun gab.

Auf kürzestem Weg ging er in sein Büro, um Anzeige zu erstatten. Seine Assistentin erledigte den notwendigen Schriftkram.

Anschließend diktierte er einen Bericht über seinen Besuch im Hause Schwarzer. In Gedanken ging er noch mal die wesentlichen Einzelheiten des Gesprächs mit Frau Reinhold durch und überlegte die wahrscheinlichsten Szenarien. War es Selbstmord, was war dann sein Motiv? War es Mord, wer käme dann als Mörder in Betracht? Noch hatte er keine heiße Spur. In jedem Fall müsste er Frau Schwarzer sprechen. So schnell wie möglich.

Kurz vor sieben verließ er das Büro und ging nach Hause. Er musste sich noch für den Konzertabend zurechtmachen.

Zuvor aber ließ es sich in seinen Sessel fallen, legte die Beine auf den Tisch genehmigte sich gewohnheitsmäßig einen Cognac, um den ganzen Dreck des Tages hinunterzuspülen. Jedenfalls bildete er es sich ein. Seine Katze sprang auf seinen Schoß, wie sie es immer zu tun pflegte.

Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es höchste Zeit zum Duschen sei und sich für den Abend umzuziehen. Wenn er es nicht versprochen hätte, wäre er sicher nicht ins Konzert gegangen. Und schon gar nicht in dieses elegische Werk. Besser wäre es gewesen, wenn es die Fledermaus gewesen wäre. Da wäre er auf angenehmere Gedanken gekommen. Aber es war nun mal so wie es war. Mitgegangen und mitgefangen, dachte er. Bist ja selber schuld, wenn du dich in so eine schwierige Lage bringst. Hättest ja auch einen anständigen Beruf wählen können, wenn du etwas Gescheites gelernt hättest..., pflegte er zu sich zu sagen.

Ein rabenschwarzer Tag

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