Читать книгу Tashi - Amethyst und Lavendelquarz - Arobed Assiah - Страница 4

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Das Dimensionentor

Zaghaft steht Sasha vor Tashis Dimensionentor, welches ihn, ihren Schulfreund, sowie sie selbst in die Anderswelt, eine nicht mit Menschenaugen wahrnehmbaren Dimension, katapultieren soll. Das Mädchen schaut sich überall um, aber kann nichts weiter entdecken als das ihr Vertraute: Wiesen, Bäume, ein sprudelnder Bach nebenan. Irgendwoher hört man das Echo von Autolärm einer in der Nähe vorbeiziehenden Landstraße.

Sasha fühlt mit ihren Händen in die Luft, als würde sie mit ihr spielen. Sie bewegt ihre Arme, als wollte sie nach etwas greifen, aber es gibt nichts zu greifen. Dagegen gibt es haufenweise Neues zu be-greifen!

Tashi, der neben ihr steht und bereits unendlich viele Male dieses Dimensionentor durchschritten hat, beobachtet lächelnd, wie sie mit ihren Armen nach etwas Unsichtbarem sucht. Er bleibt vorerst ruhig, um seine kleine Schulfreundin nicht zu beeinflussen.

Ungeduldig, leicht verwirrt und immer noch suchend wendet sie sich an ihn.

»Tashi? Etwas ist hier anders, die Farben der Natur, selbst das Blau des Himmels, werden intensiver und mein Herz schlägt ganz stark.«

»Ich weiß Sasha, das ist es nun, das Dimensionentor, wo sichtbar-unsichtbar miteinander verschmelzen. Von diesem Übergang in diverse Parallelwelten habe ich dir versucht zu berichten, jetzt erlebst du es selber. Nur noch einen Schritt und du wirst mit mir in meine Anderswelt eintauchen, wie ich es dir erzählt habe. Willst du das immer noch? Nimm dir Zeit und überlege es dir gut, weil, wenn einmal erlebt, du danach alles anders wahrnimmst. Die Anderswelt wird dich verändern. Deine inneren Welten verändern deine Sicht in den äußeren Welten. Du wirst anders werden und dein Leben aus ganz neuen Perspektiven sehen und erleben!«

Sasha steht still und sucht scheu Tashis Hand. Sie guckt ihn von der Seite an, aber zögert mächtig diesen Schritt zu wagen. Tashi ist ihr bester Freund aus der Schule und er ist der Einzige, dem sie sich ganz öffnen kann mit ihrem Kummer und ihren Sorgen. Er ist so weise, viel zu klug für sein Alter. Sie vertraut ihm total. Als er ihr einmal vom Baum, seinem Freund, und Klara, dem Regenbogenhuhn, seiner gefiederten Spezialfreundin, erzählt hat, wäre sie am liebsten gleich mit ihm in die Anderswelt gekommen. Trotz Betteln ihrerseits und mit viel Charme-Anwendung, er ließ es damals noch nicht zu!

Heute scheint er sich aber anders entschieden zu haben.

Nach allmählichem Zögern schaut sie ihn direkt an und lacht dann unerwartet fröhlich. Sie hört auf nach der Luft und dem unsichtbaren Durchgang zu suchen. Ihr langes prächtiges Kastanienfarbiges, leicht nach Kupfer glänzende Haar, das in der Sonne schimmert, schwingt mit ihrer Kopfbewegung.

Ihre Fröhlichkeit wirkt sofort ansteckend.

Erstaunt betrachtet er ihren plötzlichen Wandel.

»Okay. Ich bin so weit!«

Dabei macht sie eine lustige Grimasse und wartet auf Tashis Vorwärtsschreiten. Jetzt ist sie endgültig ungeduldig. Einmal einen Entschluss gefasst, muss es bei Sasha schnell vorwärtsgehen.

»Bist du sicher?«

Er schaut sie intensiv an, von hier an gibt es kein Zurück mehr in die gewohnte alte Daseinsweise. Sie nickt und macht große Augen als Bestätigung.

Jetzt oder nie!

Bedächtig führt Tashi seine kleine Freundin Sasha hinter den Vorhang seiner Wirklichkeit.

Sie springt mit einem Hüpfer über die unsichtbare Kraftlinie und bleibt völlig überrascht stehen. Ihre langen glänzenden Haare scheinen Nanosekunden nach ihr durch den Vorhang zu gleiten, sie bleiben an den erhöht statisch elektrisch aufgeladenen Energien kleben. Tashi beobachtet dies und lächelt wieder. Er löst die aufgefächerten klebenden Haare vom Dimensionentor und büschelt sie sanft zurück an ihren Kopf und über ihren Rücken. Er ist sehr glücklich Sasha dabeizuhaben. Wie sie wohl auf all die neuen Eindrücke reagieren wird? Er hofft sehr, dass sie auch nach diesem Erlebnis noch Freunde sein werden. Lang und gründlich hat er sich überlegt, sogar im Geheimen mit seiner Sternenmutter kommuniziert, ob Sasha wohl bereit wäre für diesen ihren Persönlichkeitsschritt.

Seine Sternenmutter, die ihn oftmals in der nächtlichen Traumzeit besucht, hat gelächelt und genickt. »Probiere es einfach!«

Und so hat es sich ergeben, dass er dieses Mal nicht alleine durch sein geheimes Dimensionentor schreitet.

Sasha bleibt unvermittelt stehen, ihre Haare fallen jetzt wieder glatt über ihren Rücken. Ohne es zu bemerken, greift sie nach seiner Hand.

»Tashi, Tashi, was ist denn das? Sowas Schönes habe ich noch nie gesehen! Das ist … das ist … ohhh …!«

Es fehlen ihr die Worte, um die Schönheit, die sich vor ihr eröffnet, auszudrücken.

»Ist das das Paradies?«

Ihr Mund bleibt offen stehen und sie versucht, das Neue, das sich ihr bietet, aufzunehmen.

»Tashi, wieso tut mein Herz plötzlich weh? Ich habe doch keine Angst?«

Sie hält sich fester an Tashis Hand, um Rückhalt zu bekommen.

»Magst du dich erinnern, wie ich dir erklärt habe, dass hier andere physikalische Regeln gelten? Die elektrischen Ströme im Körper verändern sich und passen sich den hier anders und höher schwingenden Frequenzen an. Dein Energiefeld, das du nicht sehen kannst auf der anderen Seite des Schleiers, der Erdenwirklichkeit, dehnt sich hier, in dieser Realität aus, weil es sich anpassen muss. In dieser Wirklichkeit erlebst du die Dinge, wie sie sind, nicht wie sie erscheinen oder man erwartet, Dinge zu sehen.«

Sasha kommt aus dem Staunen nicht heraus und schaut Tashi mit großen Augen an.

»Das ist unglaublich bezaubernd. Deine Anderswelt. Zum Glück hast du mich genügend darauf vorbereitet, aber das hätte ich nicht erwartet! Die üppigen Farben, das Strahlen, den Frieden und die Harmonie die von allem ausgestrahlt wird.«

Sie spielt verlegen mit ihren Haaren, sie findet kaum die richtigen Worte um ihre Gefühle auszudrücken.

Insgeheim freut sich Tashi sehr, dass er die Situation richtig eingeschätzt und auf seine Sternenmutter gehört hat.

»Sasha, wir bleiben noch eine kurze Weile hier stehen, weil sich jetzt dein drittes Auge leicht öffnen wird. Dann wirst du noch mehr schöne Dinge sehen können.«

Er legt den Arm um ihre Schultern, um sie zu beschützen, obgleich man hier nicht beschützt werden muss. Aber er möchte ihr ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, weil alles so brandneu ist für seine kleine hübsche Freundin. Sie schaut Tashi an und ist sehr stolz, dass sie ihn auf dieser geheimen Reise begleiten darf. Sie fühlt sich geschmeichelt, als er ihr seinen Arm umlegt. Es fühlt sich an, als hätte sie einen großen Beschützer und Bruder bekommen.

»Tashi, ich bekomme leicht Kopfweh, ist das normal?«

»Ja, das ist der erste Moment, wenn sich dein Energiefeld auf die neuen Frequenzen einstellt. Falls du auch etwas Übelkeit verspürst, wird es bald vorbei sein. Lass es fließen, beobachte es und entspanne dich. Oder möchtest du wieder zurück, raus aus dem schützenden Vorhang?«

Er schaut sie ernst an und hofft natürlich, dass sie das nicht will.

»Ohhh bitte nein, ich will mich daran gewöhnen. Ich bin neugierig. Bitte lass uns bleiben.«

Sie schaut ihn bittend an, dabei hält sie seine Hand ganz fest.

Er ist glücklich über ihre Antwort.

»Okay, lass dir Zeit. Atme immer wieder tief ein und aus. Vielleicht kannst du mir ja erzählen, was du bereits sehen kannst?«

Eine Weile bleibt es ganz still. Tashi kann es nicht erwarten zu seiner Ahnenbank zu gehen, Klara und die Sternenmutter zu begrüßen und seinen Baum zu umarmen. Aber er geduldet sich, bis Sasha sich an die neue Umgebung gewöhnt hat.

»Ich glaub, ich höre Amsel Gezwitscher.«

Er lächelt still vor sich hin und erkennt freudig, dass sie die Amsel als solche erkannt hat. Glücklich antwortet er:

»Richtig, schon mal hundert Punkte für deine Wahrnehmung!«

Sasha ist jetzt noch stolzer und bemüht sich, ihren Freund Tashi, den sie insgeheim unglaublich gerne mag, zu beeindrucken. Plötzlich erschreckt sie, sucht Tashis Nähe und presst sich ganz an seine Seite.

»Tashi, Tashi, was sind das für Riesen, vier von ihnen? Oh, sind die gefährlich?« Sie atmet schwer, weil sie nun doch etwas Angst bekommt.

Er lacht fröhlich und begrüßt seine und nun auch Sashas sichtbar gewordene Wächter.

»Hallooo meine Lieben, Nga und Waka! Ach ist das herrlich, euch wiederzusehen!«

Er löst sich aus der Klammerung von Sasha, um die beiden Wächter Nga und Waka, seine geistigen Begleiter und Beschützer aus der Anderswelt, zu berühren und zu begrüßen.

Er ist so dankbar wieder an seinen geheimen Ort zurückkehren zu können. Auch er braucht diese Tankstelle, die ihm immer wieder Mut schenkt, weiter im Menschenkleid zu verbleiben. Sasha schaut ihm mit halbzugekniffenen Augen zu. Die vier Riesen sind beinahe doppelt so groß wie die beiden Kinder und leuchten aus sich selbst heraus. Vor allem Tashis Wächter strahlen, als hätten sie Diamanten verschluckt. Insgeheim kichert Sasha über diesen Vergleich. Die beiden danebenstehenden Riesen haben diese Strahlkraft nicht, sie stehen völlig verdutzt wie sie selbst in dieser ihr neuen Welt.

Tashi schaut nach oben zu seinen Wächtern und gestikuliert freudig, um ihnen Sasha vorzustellen.

»Wie ihr sehen könnt, habe ich heute Besuch mitgebracht. Für Sasha ist das alles sehr neu, sie braucht etwas Zeit, um sich zu orientieren. Aber vielleicht könnten sich Sashas Wächter ihr selber vorstellen? Sasha kennt ihre eigenen Wächter noch nicht und hat sie auch noch nie vorher gesehen. In der Menschenwelt kann man die persönlichen Helfer nicht sehen, höchstens gefühlsmäßig wahrnehmen. Nga und Waka, habt ihr euch schon ausgetauscht?«

Nga und Waka lächeln freundlich und begrüßen die noch etwas ratlos dastehenden Wächter von Sasha. Die beide sind es nicht gewohnt, von ihrem Schützling Sasha wahrgenommen zu werden. Sie scheinen etwas scheu und noch nicht so wortgewandt, aber lassen sich gerne aufnehmen und begrüßen die beiden starken, sehr selbstbewussten Wächter von Tashi.

Tashi nimmt Sashas Hand und führt sie zu ihren, beinahe doppelt so großen Wächtern, wie sie selbst ist.

»Sasha, komm her. Diese beiden großen Wesen sind deine Wächter, oder auch Beschützer aus der Anderswelt, die dich auf deiner Erdenreise begleiten. Sie stehen ganz und gar nur zu deiner Verfügung und für deine Charaktere, deine Talente und Lektionen. Sie sind gewissermaßen eine verbesserte Kopie von dir. Absolut jedes Menschenwesen wird von persönlichen Helfern begleitet. Aber leider wollen das die Menschen nicht wirklich akzeptieren oder können es sich nicht vorstellen, dass ihnen diese großartige Hilfe zur Verfügung steht. Nun, möchtest du deine Helfer kennenlernen? Hab keine Furcht vor Nga und Waka, meinen eigenen Wächter. Sie sind starke weise Krieger, die immer mit mir reisen. Ohne sie hätte ich schon längst schlappgemacht. Oder wäre gar nicht erst auf die Erde gekommen!«

Sasha ist überfordert, zeigt es aber nicht. Sie will nicht jetzt schon kapitulieren, ihr Stolz lässt das auf keinen Fall zu!

Tashis Wächter lächeln die drei neuen Besucher an und beginnen ein Gespräch mit Sashas Wächter, damit sie sich schnell vertrauter fühlen in diesem neuen Erlebnis. Nga und Waka erscheinen wie Profis und übernehmen die Führung.

Nga und Waka neigen sich leicht auf Sashas Augenhöhe entgegen.

»Sasha, möchtest du deine Wächter berühren? Sie sind wie du, nur größer. Auch wenn sie noch nicht ganz so groß sind wie wir, aber das könnte sich bald ändern.«

Nga, der sanftere Wächter, hält seine Arme in einer einladenden Geste den Wächtern von Sasha hin. Sasha nimmt Tashis Hand und schreitet mutig auf ihre beiden Wächter zu. Sie schauen sich lange gegenseitig an, nehmen einander auf, verarbeiten das Wahrgenommene und lassen die neue Erkenntnis reifen. Man sieht, wir freudiges Erkennen über ihre erstaunten Gesichter huscht.

Tashi und seine eigenen Wächter lächeln einander wissend zu, ohne darauf zu reagieren. Während Sasha sich mit ihren Begleitern anfreundet, schlendert die Sternenmutter mit einer überfreudigen Klara im Schlepptau auf die Gruppe zu.

Tashi will jetzt nicht mehr warten und rennt seiner schönen ätherischen Sternenmutter entgegen. Sie umarmen sich innig. Tashi nimmt ihren frischen klärenden Duft auf, fühlt ganz in sie hinein, als müsste er ihre Abwesenheit scannen, um sich ganz neu mit ihr zu verbinden. Seit seiner letzten Reise mit Moldavit und Malachit hat sich einiges für ihn geändert. Er ist reifer, sich selbst vertrauter geworden. Neue Selbstanteile haben sich offenbart, entwickeln und entfalten sich.

Klara, das prächtigste weiße Huhn, die meterlangen Federn silberfarbig durchwirkt, wartet ungeduldig, sie will auch! Sie gackert ganz aufgeregt und Tashi setzt sich endlich zu ihr auf den weichen Boden, um sie gebührend zu knuddeln. Das gefällt Klara und so ist auch sie zufrieden und glücklich, ihren besten Freund, ihren Lieblingsmenschen Tashi endlich wiederzuhaben.

Die Sternenmutter bleibt in respektvoller Distanz stehen, bis Sasha auf ihre Gegenwart aufmerksam wird. Sie bestaunt die unglaublich herrlichen, leicht lockigen, kupferglänzende Haare des Mädchens.

Noch weiß sie nicht, wie Sasha auf sie reagieren wird, ob sie sie überhaupt wahrnehmen kann. Aber so wie Tashi seine kleine Freundin einschätzt, wird sie alles ziemlich schnell sehen können. Sie ist sehr sensibel und sensitiv. Wie auch er, leidet sie oft unter der rauen Oberflächlichkeit der Mitmenschen, die alles, was nicht sichtbar ist, als Phantasie und dummes Zeug abtun. Die Menschen bedenken nicht einmal, dass sie weder ihre Gedanken noch ihre Gefühle sehen können! Und dennoch sind sie sekündlich von ihnen beeinflusst oder sogar von ihren eigenen Gedanken und Gefühlen abhängig. Aber über solche Dinge will er jetzt nicht nachdenken. Er will sich total freuen und den Aufenthalt mit seinen geliebten Freunden genießen.

Sasha hat Tashis Trüppchen gesehen und starrt unverwandt auf die Sternenmutter.

»Tashi, wer ist denn das? Oh und das Huhn? Ist das ein Huhn? Das ist ja … das ist … unglaublich schön. So schön … was für ein Huhn!?«

Ein allgemeines fröhliches Lachen macht sich breit über Sashas Staunen. Die Sternenmutter umarmt Tashi wieder und Klara bläht sich fast zur doppelten Größe auf, so geschmeichelt ist sie über das ehrliche Kompliment. Sie stolziert langsam auf Sasha zu und gackert vor sich hin. Sasha muss gleich weiter staunen, denn das Gackern ist nicht nur ein gewöhnliches Gackern, sondern sie versteht tatsächlich, was Klara allen mitteilt.

Sasha versucht ein verlegenes und unsicheres Lachen.

Die Sternenmutter reicht dem Mädchen ihre Hand, ob sie sie entgegennehmen möchte.

Sasha schaut Tashi an, um sich zu versichern, dass das in Ordnung ist. Sie nimmt noch mehr auffindbaren Mut zusammen und legt die kleine Hand in die schlanke elegante Hand der Sternenmutter. Diese berührt sanft Sashas Haare, gleitet mit ihren Händen durch die kupferfarbige Pracht.

Sie begrüßt Sasha mit einem Nicken, führt sie in Richtung versteinerte Holzbank, dem magischen Zauberort.

»Lasst uns alle zur Ahnenbank gehen, dort wirst du, Sasha, dich erst mal ausruhen können und alles Weitere auf dich wirken lassen. Hat dir Tashi schon von seinen jeweiligen geheimnisvollen Reisen, die er von hier aus unternimmt, erzählt?«

Sasha genießt die ruhige schöne Stimme der Sternenmutter, sie ist sehr beruhigend und gepflegt. Gepflegt? Wie kann eine Stimme gepflegt sein? Sie ist erstaunt über diesen Gedanken. Sie war immer sehr empfindlich gegenüber gewissen Stimmlagen oder die Lautstärke der Stimmen der Menschen.

Etwas scheu beantwortet sie die Frage der schönen Sternenmutter.

»Ja, aber ich glaube, er hat mir immer nur ganz winzige Ausschnitte davon erzählt. Wenn ich das hier so sehe … denke ich, hat er mir sehr viel verschwiegen.«

Die Sternenmutter neigt sich ihr freundlich und wohlwollend entgegen.

»Das rationale Denken, die Wahrnehmung der materiellen Wirklichkeit, oder das, was die Menschen als solche wahrnehmen, kommt ziemlich ins Schleudern, wenn sie zum ersten Mal erweiterte Erfahrungen machen! Man kann es annehmen wollen oder verleugnen! Viele berühmte Menschen waren immer in der Gegenwart ihrer Quelle. Sicher sind dir Namen wie Franz von Assisi oder Joan d’Arc bekannt. Lernt ihr über solche Namen in der Menschen-Schule?«

»Ja, von Joan d’Arc haben wir in der Schule gesprochen. Aber sonst eigentlich nicht viel außer im Bibelunterricht, den ich sowieso nie wirklich mochte.«

Sie schaut zur Sternenmutter, als müsste sie sich entschuldigen über ihr Nichtwissen und das kleine Beichtgeheimnis wegen des Bibelunterrichts. Das kam ganz ohne Vorwarnung, es scheint, als würden sich durch die Gegenwart der Sternenmutter ungeahnte Schleusen öffnen.

Aber die Sternenmutter, weise wie immer, enthält sich eines Kommentars.

Schweigend sitzen sie auf der herrlichen Bank, langsam öffnet sich Sashas drittes Auge weiter und sie nimmt die außergewöhnliche, farbenprächtige Landschaft intensiver wahr. Das betrifft auch das Rauschen des nahgelegenen Bachs, das Rauschen der Blätter des Riesenbaumes und das Singen der Amsel.

Ihre Sinne sind beinahe etwas überfordert, weil alles auf einmal auf sie einströmt. Ohne Ablenkung ist hier alles fokussiert und in mächtig, starker Präsenz vorhanden. Sie ist dankbar für das Einfühlungsvermögen der Sternenmutter. Die neu aktivierten Schwingungen oder Frequenzen, wie Tashi es nennt, ermüden sie sehr schnell.

Sasha kommt überhaupt nicht mehr aus dem Staunen heraus. Selbst die Ahnenbank hat sie persönlich begrüßt! Eine sprechende Holzbank? Nee, sowas hat sie bestimmt noch nie erlebt. Alles scheint an diesem Ort, Tashis Kraftort, in Bewegung und lebendig, belebt und beseelt.

Klara ist nicht sicher, zu wem sie sich setzen soll. Tashi unterhält sich mit seinen Wächtern, während Sashas Wächter scheu Aufstellung neben der übergroßen versteinerten Holzbank nehmen. Auch sie bestaunen die traumhafte Sitzbank, auf der bequem eine ganze Familie Platz hat. Sashas Wächter bestaunen die prächtigen eingravierten Schnitzereien, die im Millionen Jahre alten versteinerten Holz teilweise wie Gold glänzen, je nach Lichteinfall.

Der magische Baum macht sich nun auch bemerkbar und beginnt sein Lied zu singen, indem er sich sanft hin und her wiegt. Das Rascheln seiner Blätter schwingt alles in erneute Harmonie, verspricht Freude und Wandel.

Sasha schaut in die endlose Größe dieses Baumes und sofort empfindet sie ein Gefühl des Ankommens. Der Baum hat sie aufgenommen! Der Zauber des Geheimnisses hat nun auch Sasha ergriffen. Sie beginnt leise zu weinen. Man lässt sie. Die Sternenmutter streicht tröstend, ohne Worte über ihre langen, seidig glänzenden Haare. Sasha erlaubt sich, an die Sternenmutter anzulehnen, und betrachtet den gigantischen Riesenbaum, der weit in den Himmel und darüber hinaus reicht.

Die unglaubliche Harmonie, die allgemeine Freude, die Leichtigkeit und üppige Schönheit rundherum ist sie sich nicht gewohnt. Es ist einfach überwältigend. Etwas in ihr erweckt riesiges Sehnen. Immer hier zu bleiben vielleicht? Sie weiß es nicht. Sie wird schon noch drauf kommen.

Ihre Wächter nehmen ihre Gefühle auf und tief im Gedächtnis des unterdrückten Wissens beginnt sich klammheimlich eine leise Melodie zu formen. Der Baum hört das, die Ahnenbank vernimmt das Sehnen, Klara reagiert augenblicklich auf den Stimmungswechsel und setzt sich direkt zu Sasha. Jetzt weint das Mädchen und lässt es hemmungslos fließen. Man lässt sie, weil man weiß, dass ihre feinstofflichen Erinnerungskanäle geöffnet werden und unterdrückte Anteile sich befreien dürfen. Sie darf ganz und gar sie selber sein. Aber ganz und gar sich selber werden wird sie erst lernen müssen, oder dürfen, sonst wäre sie ja nicht durch das Dimensionentor mit Tashi gekommen.

Wie alle Seelen im Menschenkleid, ist auch sie einem Programm unterworfen, das sich sorgfältig aufzulösen beginnt. Man muss erst erfühlen, was es bedeutet, ganz sich selber zu sein und vor allem auch, sich in seiner Einzigartigkeit entfalten zu können! Wenn diese Erkenntnis geschieht, ist das ein ganz spezieller glücklicher Tag. Beinahe wie eine Wiedergeburt.

Wenn Phoenix aus der Asche aufersteht sozusagen.

Während sich Sasha ausweint, spaziert Tashi zum naheliegenden Teich, um seine Füße zu kühlen. Er liebt es, mit den Beinen im Wasser zu paddeln, es erinnert ihn an das blaue Reich der wunderschönen Undine auf der Regenbogenreise. Mit den Elementen verbunden zu sein hilft sich an die Größe des Lebenskreislaufes zu erinnern. Er summt leise vor sich hin, um sich auf sein feinstoffliches, Lichtes Wesen einzustimmen.

Das Wasser beginnt mit ihm zu plaudern. Eine große, sagenhaft schöne, schimmernde Libelle fliegt auf ihn zu und schwebt direkt vor sein Gesicht.

»Es ist schön von dir, dass du Sasha erlaubt hast, unser Reich zu besuchen. Sie wird es dringend brauchen. Ihre Mutter ist krank. Das wusstest du doch, oder? Jedenfalls wird sie einen guten Freund und viel Unterstützung brauchen, um durch diese schwierigen Zeiten zu kommen. Du wirst ihr wie ein starker Bruder helfen, sich im emotionalen Durcheinander zurechtzufinden!«

Tashi antwortet der Stimme, die aus dem Wasser zu ihm gesprochen hat.

»Ja, ich dachte mir schon so was, obwohl sie mir nicht viel darüber erzählt hat. Sie spricht mehr über ihre Gedanken und Gefühle. Sasha spricht selten von ihrer Mutter, aber ich weiß, dass sie krank ist und Sasha überall aushelfen muss. Ja, und sie ist auch ein Einzelkind so wie ich. Das bringt uns etwas näher. Sie scheint mir zu vertrauen.«

Die Libelle flattert jetzt um Tashis Kopf und macht auf sich aufmerksam. Er beobachtet sie und dann beginnt es zu dämmern.

»Pixie? Pixie, bist du das, meine Schöne?«

Aufgeregt streckt er seine Hand nach ihr aus, damit sie auf ihr landen kann. Sie verwandelt sich sofort in Pixie, seine Lichtelfe, die treue Begleitung aus dem Malachit und Moldavit Reich.

Tashi ist überglücklich, versucht sie sanft zu berühren, denn sie ist nur so groß wie eine wohlgeformte Hand und überaus zart. Ihre silberig glänzenden Haare strahlen im Licht der Sonne. Freudig lächelt sie ihn mit ihrer typischen, berühmten »Kopf-Schieflage« neckisch an. Ihre großen forschenden Augen sind auf ihn gerichtet. Er harrt ihrem tiefen Blick und schwadert mit seinen Füßen im Wasser vor lauter Freude.

»Tashi, ich freu mich so, dich wiederzusehen und mit dir auf eine neue Reise zu kommen! Das wird heiter werden, du wirst schon sehen.«

Pixie strahlt ihn an und fliegt dann an ihren üblichen Lieblingsort, nämlich zu Tashis wildem blonden Haarschopf. Er wippt mit seinem Kopf, als wollte er sich zu einem Musikstück bewegen. Dabei hüpft sie fröhlich hin und her auf seinem Wuschelkopf. Das Leben ist wieder schön, wie immer, wenn er hier an seinen traumhaften Kraftort kommt.

»Du hast deine Schulfreundin mitgebracht. Ich habe sie gesehen, ihr zwei seid süß. Sie wird mich wohl auch mögen, oder Tashi?«

»Meine süße Pixie, ob dich jemand mag oder nicht, interessiert mich absolut nicht, denn du bist mein Schatz, ein Schatz aus meiner Sonnen-Heimat! Du bist meine Erinnerung an mein eigenes Wesen. Aber glaube mir, ich weiß mit Bestimmtheit, dass sie dich mögen wird! Wie kann man denn etwas so Zauberhaftes wie dich nicht kennen wollen?«

Pixie schwebt wieder vor sein Gesicht und schaut ihm erneut tief in die Augen. Ihre eigenen Augen immer noch in denselben unwirklichen Türkis goldenen Farben wie bereits auf der letzten Reise bei Malachit und Moldavit. Diese innige Begegnung bewirkt eine Symbiose und verbindet die beiden bis in die tiefsten Daseinsebenen.

Er atmet erlöst aus, ja, er ist gerade voll und bewusst in seiner Anderswelt angekommen. Er entspannt sich durch und durch und bedankt sich telepathisch für ihre Gegenwart. Sie hält ihren Kopf wieder schief, lächelt verschmitzt, haucht einen federleichten Kuss auf seine Nase und schwebt zurück in seinen Haarschopf.

Tashi ist glücklich, jetzt ist alles in Ordnung. Er ist gestärkt für ein neues Abenteuer.

Das Wasser plätschert um Tashis Füße und kleine Fische sammeln sich und begrüßen ihn im Teich. Er spielt mit den Händen, die er ins Wasser taucht, um sie zu berühren, und spricht leise mit ihnen. Die spielenden, bunten Fische lieben ihren Jungen und schnappen fröhlich nach Luft, wenn sie vermeintlich etwas mitteilen wollen. Es ist eine schöne Gabe, sich über die einfachen Dinge im Leben zu erfreuen. Sie nähren die Seele. Und genießen kann man diese stillen Glücksmomente auch nur, wenn man sich hingeben kann. Sich dem Moment hingeben! Ohne Ablenkung ganz im Sein sein …

Während er lange am Wasser sitzt, die Stille und die Natur genießt, nähert sich Sasha mit der Sternenmutter und Klara, die die beiden begleitet. Sasha hat aufgehört zu weinen, ihr Gesicht ist noch gerötet und verweint und ihre Haare nass von den Tränen. Tashi steht auf, um sie willkommen zu heißen in der neuen Umgebung.

Er winkt mit den Händen und deutet an, dass sie sich neben ihn setzen soll.

»Du bist jetzt in Resonanz mit einer meiner vielen Wirklichkeiten gegangen! Lass die Füße baumeln, das Wasser wird dir helfen, die Traurigkeit abzuwaschen und dich neu zu stärken! Guck mal die vielen kleinen Fische. Sind sie nicht prachtvoll in ihren Regenbogenfarben?«

Sasha setzt sich ganz nahe zu ihm hin und streckt ihre Füße ins Wasser. Sie fühlt das weiche Gras mit ihren Händen, alles ist so verfeinert und vornehm hier! Sie schaut sich nach Klara um, die das gleich gespürt hat. Klara ist geschmeichelt und kuschelt sich, wie es eine tolle Freundin macht, zwischen die beiden Kinder.

Die Sternenmutter steht im weichen Gras und lässt ihren Blick über die schöne, sich weit ausdehnende Landschaft gleiten.

»Ihr beiden, ich lasse euch kurz alleine, ich spaziere ein wenig an dem Teich entlang.«

Sie lächelt den Kindern zu, die sich sofort in ein Gespräch verwickeln. Tashi steht erneut auf, um seine schöne Sternenmutter zu umarmen, und flüstert ihr ein Dankeschön zu, weil sie sich so freundlich um Sasha gekümmert hat. Er selbst kam bis jetzt noch etwas zu kurz, aber sie werden schon noch Zeit miteinander verbringen. Er will nicht bis zum nächsten Besuch warten müssen, bis er sich ganz mit seiner Sternenmutter ausgesprochen hat!

Der große Baum spielt mit den Blättern, das Rascheln beruhigt und hört sich an wie eine schöne sanfte Melodie. Die Amsel und ihre Familie fliegen hin und her, auf und ab im großen Baum und zwitschern einander fröhlich zu.

Während Tashi aufsteht, um seine Sternenmutter zu umarmen, hat Klara Pixie entdeckt, die ihr fröhlich und schlitzohrig zugewinkt, dabei aber den Finger über den Mund gehalten hat, um Klara anzuzeigen, dass sie sie noch nicht verraten soll. Sasha soll erst mal ihre Füße im Wasser baumeln lassen, um sich noch besser an die neue Umgebung zu gewöhnen.

Nach geraumer Weile, nachdem Sasha mit den kommunizierenden Fischen vertraut wird, stupst Klara Tashi leicht an und zeigt in Richtung Kopf. Er versteht sofort, geht mit der Hand in seinen Haarschopf. Pixie hüpft unaufgefordert in die ausgestreckte Hand.

»Sasha, du sollst noch jemanden kennenlernen. Mein Reich ist voller Überraschungen und wunderbarer Helfer, die mich sowohl in meiner Menschenwelt als auch hier begleiten. Ich möchte dir meine Elfe, genannt Pixie, vorstellen. Guck mal.«

Langsam wendet sich Sasha von den Fischen weg zu Tashis Hand. Sofort erkennt sie das herrliche glitzernde kleine Wesen.

»Oh mein Gott! Wie süß ist das denn? Was ist das?«

Entzückt starrt sie auf das lichte, flirrende Wesen. Pixies Kleidchen schimmert in den herrlichsten Lila-Farben, sie hält ihr Köpfchen schief und lächelt Sasha zu, sagt aber nichts und bewegt sich kaum.

Sasha betrachtet das lichte Wesen lange, weiß nicht so recht, was sie mit Pixie reden oder wie sie sich verhalten soll. Schließlich begegnet man Elfen sonst nur in Märchen, normalerweise.

Aber was ist schon normal?

In welchen Wirklichkeiten ist was normal?

Woran wird normal überhaupt gemessen?

Gibt es dafür wirklich einen Massstab?

Pixie sieht Sashas Gedanken, lacht jetzt fröhlich. Sie schwebt zu Klara hin und die beiden beginnen einen fröhlichen Tanz.

Die beiden Tanzenden bestaunend meint Sasha:

»Sie ist so zart, deine Elfe. Mag sie mich?«

Tashi ruft Pixie und fragt sie ganz direkt:

»Was meinst du zu unserer neuen Begleitung Pixie?«, wobei er mit dem Kopf in Sashas Richtung nickt. Klara steht still und wartet gespannt auf Pixies Antwort. Wieder betrachtet Pixie Sasha lange und andächtig.

»Mag Sasha mich?« Dabei schmunzelt Pixie verschmitzt. Ihre Antwort ist eine Gegenfrage, wie listig doch, denkt sich Klara und muss unweigerlich ebenfalls schmunzeln. Jetzt beginnt Pixie ganz neckisch herumzuschweben, wobei ihr zartes Kleidchen die Farben wechselt und in den herrlichsten Regenbogenfarben um sie wirbelt.

Sasha entspannt sich, schaut in Pixies golden-türkis farbige Augen, hält ihr die Hand hin, damit die Elfe darauf landen kann. Leise flüstert Sasha ihr zu, dass sie sie sogar sehr mag, sich aber mit Elfen noch nicht so gut auskennt.

»Das freut mich und das macht gar nichts, dass du noch nicht viel über uns weißt Sasha, das wird sich automatisch im Verlauf dieses Aufenthaltes ändern. Lass dir Zeit.«

Dabei schwebt sie jetzt direkt auf Augenhöhe und die beiden verbinden sich durch das dritte Auge. Diese Verbindung ist nicht zu vergleichen mit der intensiven Verschmelzung mit Tashi, denn Pixie ist ganz und gar für Tashi da. Sie trägt dasselbe Seelenprogramm wie Tashi und sein Drache Andrach. Aber da Sasha nun auch zur Seelenfamilie gehört, werden auch sie, Pixie und Sasha, beide in das gleiche Programm eingewoben.

Als hätte Klara diesen Gedanken gehört, fragt sie Tashi nach Andrach.

»Denkst du, dass Andrach auch wieder zu Besuch kommt? Auf der letzten Reise war er unauffindbar. Ich vermisse ihn!« Dabei seufzt sie und schaut Tashi fragend an.

»Ich weiß es nicht Klara, weißt du etwas davon Pixie? Vielleicht ist es auch noch etwas verfrüht, da jetzt Sasha mit uns ist. Könnte wohl alles etwas zu viel für unsere kleine Freundin sein? Was meint ihr zwei dazu?«

»Wir werden sehen, wie diese Reise weitergeht und wohin sie uns führen wird Tashi. Alles wird sich zur rechten Zeit weisen …«

Pixie hat weise gesprochen. Sasha ist momentan froh, dass Tashis Seelendrache sich noch etwas Zeit lässt. Auch von Drachen hat sie bis anhin nur in Geschichten oder aus Tashis zögernden Erzählungen gehört, sie würde sich bestimmt ein wenig vor ihm fürchten. Irgendwie ist sie ohnehin überfordert mit allem Neuen, das sie in so kurzer Zeit kennengelernt hat. Gerade lernt sie, dass auch Elfen real sind. Das reicht vorerst!

Pixie und Klara spielen mit den Kindern, die Fische schwadern und schnappen nach Luft, um die Aufmerksamkeit zurück auf sich zu lenken, während das Plaudern des Wassers im Hintergrund lauter geworden und nicht mehr zu überhören ist.

Währenddessen verweilen die vier Beschützer, Sashas und Tashis Wächter Nga und Waka in der Nähe der Ahnenbank und erzählen sich Geschichten aus den beiden Leben ihrer Schützlinge. Sashas Wächter und Beschützer werden aufgebaut und gestärkt von Tashis Wächtern, die große Ruhe und Kraft ausstrahlen.

Sashas Wächter, die noch keine Namen tragen, setzen sich auf die große starke Ahnenbank. Auch sie vernehmen das leise Summen aus der Bank, welche die Geschichte von Tashi und jetzt auch die von Sasha erzählt. Der eine Wächter hört genau hin, er ist etwas feinfühliger als der andere Wächter. Waka beobachtet das und setzt sich zu ihm auf die Bank.

»Was kannst du hören?«

Der sensitive Wächter lächelt Waka an.

»Ich höre die Ahnen plaudern und Geschichten erzählen aus vergangenen und zukünftigen Ereignissen der beiden Kinder. Ich denke, die beiden kennen sich bereits aus vielen anderen Lebenszeiten, deshalb sind sie sich so vertraut. Jedenfalls höre ich das aus den Geschichten der kommunikativen Ahnenbank. Lach jetzt nicht über mich Waka, bitte nicht!«

Waka, der große schöne friedvolle Kriegerwächter, lacht freundlich und legt seine starke Hand auf den Arm des sensitiven Wächters.

»Bestimmt lache ich nicht über dich! Stell dir vor! Du hast das nämlich sehr richtig gehört und interpretiert. Es sind ja keine Menschenworte, die die Bank erzählt, es sind Impulse, Bilder und emotionale Hologramme, die hier übermittelt werden. Siehst du, du hast es bereits entziffern können! Gratuliere.«

Erfreut schaut Sensitiv seinen Mentor Waka an.

»Danke, dass wir durch das Dimensionentor kommen durften. Nicht nur Sasha braucht es dringend, auch wir sind etwas in Sorge und wünschen uns, neu ausgerichtet und gestärkt zu werden. Es wird eine schwierige Zeit für Sasha und ihren Vater kommen. Wir wissen das bereits und möchten uns ganz für unser Mädchen einsetzen, damit sie besser klarkommt mit den zukünftigen Umständen.«

»Natürlich helfen wir euch. Sasha kann von nun an immer wieder mit Tashi in unsere Welt eintauchen. Und wo Sasha hingeht, geht auch ihr beide mit. Das ist doch schön, so können wir uns austauschen, damit ihr Sasha besser helfen könnt.«

»Wir sind euch so dankbar. Tashi, euer Junge scheint sehr gut vorbereitet worden zu sein für die Menschenreise. Bei Sasha war dies nicht in der gleichen Intensität der Fall.«

»Das war bei Sasha nicht nötig, sie wird einen anderen Weg auf Planet Erde gehen. Dies ist Tashis letzte Reise als Mensch, bevor er sich ganz in die lichten Ebenen als Meister integriert. Deshalb wurde das für ihn momentan wichtigste immer wieder gelehrt. Er darf nichts vergessen und muss große Kräfte freisetzen, um die Brücke zwischen Materie und Geist, Licht und Dunkel in Vollkommenheit zu bewältigen. Wir wurden ausgewählt ihn zu begleiten. Manchmal müssen auch wir ihn total aufrichten. Tja, er hat sogar versucht, sein Leben zu beenden, und das bereits in seinen jungen Jahren! Aber wie er so schön sagt: Die lichten Welten wollen ihn noch nicht da oben haben, wie auch immer man ›oben‹ verstehen soll. Er darf noch nicht durch das Tor der Erlösung schreiten! Du siehst, so ohne ist unsere Aufgabe mit Tashi auch nicht. Dennoch macht es Spaß mit ihm zu reisen. Er hat einen trockenen Humor, den die Menschen in seiner Umgebung manchmal nicht verstehen. Wir lieben unseren Jungen, Tashi!«

Waka ist stolz und lächelt, wenn er an die vielen Momente denkt, in denen sie eingreifen mussten. Er möchte keine andere Seele begleiten als »seinen« Jungen.

»Was? Er wollte aus dem Erdenzirkus aussteigen?«

Der sensitive Wächter ist vollkommen erstaunt.

»Aber er erscheint stark wie ein Fels in der Brandung. So weise, so fürsorglich und … und … einfach anders als die meisten, oder überhaupt irgendwelche andere, die wir kennen.«

Er ist ziemlich erschüttert, dass es oft doch ganz anders aussieht, als es ist! Oder als man wahrnimmt.

»Tja, sag ich doch, gerade deshalb ist es ja schwierig für Tashi, WEIL er Licht ist, und er sich mit diesem ganzen Wissen in die Materie verdichten muss. Mit diesem Programm die Polarität auszuhalten, ist ein Meisterstück. Aber er wird es schaffen, bis zum glorreichen Ende, wenn die Lichtportale ihn dermaleinst freudig und mit großer Feier zurückrufen! Das wissen wir, auch wenn er oft daran zweifelt.«

Waka klopft dem ziemlich verstörten Wächter auf den Arm und schaut sich nach Nga um. Der sensitive Wächter ist höchst erstaunt, dass selbst eine Meisterseele auf ihrem letzten Gang durch die dunkle Nacht der Seele reisen muss.

Geistesabwesend schaut er in die Ferne, Richtung Teich, wo die beiden Kinder ihre Füße baden und sich sehr vertraut miteinander unterhalten.

Nga steht unter dem Baum mit dem anderen Wächter von Sasha. Die beiden lassen sich vom Baum und vom Gesang der Amselfamilie berauschen.

Sie scheinen sich nicht groß zu unterhalten. Als Waka aufsteht und auf die beiden zukommt, hört er den anderen Wächter leicht melancholisch flüstern:

»Es ist so schön bei euch. Es erinnert mich an die fröhlichen Ebenen, aus denen Sasha und wir kommen. Irgendwo haben sich diese Fröhlichkeit und Leichtigkeit aufgelöst oder sind abhandengekommen. Wir müssten sie für Sasha wiederfinden, nicht wahr?«

Er spricht leise zu Nga. Nga hält den Arm um die Schultern des anderen Wächters, weil er seine Traurigkeit spürt. Viel mehr wird nicht gesprochen.

Waka weiß jetzt, dass der sensitive Wächter, mit dem er sich gerade unterhalten hat, Sashas Fröhlichkeit und Leichtigkeit sowie auch Mut und Tatkraft verkörpert, wohingegen der andere Wächter eher die Verinnerlichung und künstlerischen Talente darstellt.

Ja, jetzt weiß er, wie er den beiden helfen kann. Er hat erkannt, wie sie sind, das zeigt ihm sehr viel über Sasha auf. Deshalb freut er sich, weil er helfen möchte und nun hat er die Art des WIE gefunden.

Nga spürt die Energie von Waka und lächelt ihn an. Nga weiß, dass sie auf dieser Reise auch eine Wandlung mitmachen darf sowie Waka, ihr schöner Partner Wächter, bei der glorreichen Undine erleben durfte. Nga freut sich bereits darauf. Sie spürt, dass sich ganz neue Wege auch für sie öffnen werden, was wiederum große Auswirkungen für Tashi haben wird.

Eigentlich sind die Wächter nicht geschlechtlich eingeteilt; da Ngas Aufgabe aber zur linken Seite von Tashi gehört, entspricht sie eher dem weiblichen Element, obgleich das Weibliche im Männlichen sowie das Männliche bereits im Weiblichen vertreten ist. Da gab es nie eine wirkliche Trennung, sie wurde nur als solche erfahren.

Die Freude ist ansteckend und der sensitive sowie der andere Wächter fühlen das. Auch Tashi, der ja aufs Intimste mit seinen großartigen Helfern verbunden ist, hat die Freude wahrgenommen und dreht sich, um sie zu suchen. Er sieht die vier so verschiedenen Wächter beim Baum stehen und schaut ihnen zu, wie sie sich unterhalten. Großes Licht strahlt um Waka und Freude hüllt Nga ein.

Tashi steht auf und zieht Sasha mit hoch.

»Da macht jemand was Sasha, lass uns zurück zum Baum gehen. Ich will meine Wächter fühlen und mich mit ihnen verbinden. Pixie, kommst du mit uns?«

Pixie schwebt vor Sasha hin, um sie kameradschaftlich, als neue Freundin in diesem Zauberreich, zu begleiten. Pixie zwinkert unauffällig Klara zu, die nur ein kurzes Gackern von sich gibt. Klara wartet auf die Sternenmutter, um später mit ihr zur Bank zurückzukehren.

Die drei, Tashi, Sasha und Pixie, machen sich auf den Weg und bedanken sich bei den Fischen für ihr lustiges Spielen.

Sasha schaut jetzt ebenfalls zum Baum und sieht ihre beiden Helfer, wie sie seltsam neugierig und noch etwas desorientiert neben den kräftigen tatenfreudigen Wächter von Tashi stehen. Sie folgt ihm und lässt sich führen. Sie vertraut Tashi immer wieder von neuem, er hat sie wahrlich noch nie schlecht beraten. Und in diesen herrlichen paradiesischen Gefilden kennt sie sich eh nicht aus. Also bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich überraschen zu lassen. Heimlich und erstaunt betrachtet sie immer wieder die federleichte Pixie, die so unbeschwert und schimmernd vor ihnen herschwebt. Sie muss sich wirklich daran gewöhnen, dass sie tatsächlich in der Gegenwart einer Elfe ist.

Je näher sie zum Baum kommen, umso lauter beginnt die Amselmutter zu zwitschern. Tashi beschleunigt seine Schritte und hält Sashas Hand. Er wird freudig aufgeregt, seine Amsel singt wie immer die Zwischenwelten in Szene!

Schon während des Laufes beginnt Tashi tiefer zu atmen. Er reagiert augenblicklich auf die veränderte Stimmung. Sasha wird es leicht schwindlig, ihr anderer Wächter setzt sich auf die Bank, weil er Sashas Schwindel aufnimmt. Waka sieht das und mit Nga zusammen begleiten sie auch den sensitiven Wächter zur Bank zurück. Der hingegen reagiert sehr neugierig auf die veränderte Stimmung.

»Waka, was ist das? Was geschieht hier? Die Schwingungen verändern sich. Sind wir als Neulinge hier sicher?«

Sasha stolpert, Tashi fängt sie auf und bringt sie direkt zur Ahnenbank, wo die vier Helfer bereits warten. Sie setzt sich zwischen ihre beiden Wächter und atmet schwer.

Tashi winkt der Amselmutter, noch etwas zu warten, damit sich die Neulinge besser an den Frequenzwechsel anpassen können. Sie singt zwar weiter, aber langsamer. Sie will nicht, dass Tashi zu lange warten muss. Sie freut sich selbst auf seine neue Abenteuerreise. Die Amsel erspäht Pixie, die sich gemütlich in Tashis Haarschopf eingenistet hat und die beiden begrüßen sich mit einem Elfen Willkommensgruß. Es ist herrlich zu beobachten, wie sich alle miteinander verbinden und so in das gegenwärtige Gitternetz gleicher Frequenzen weben.

Mittlerweile hat auch die Sternenmutter das Singen der Amselmutter vernommen. Das bekannte Zeichen, dass wieder Besuch wartet. Schnell eilt sie auf die Bank zu, von Klara begleitet, die auf sie gewartet hat beim Teich. Wie auf einer Bühne, auf der bald ein Stück gespielt wird, sind sie alle neugierig und gespannt vor dem Weltenbaum und der Ahnenbank versammelt.

Sofort und unvorbereitet werden sie vom schönsten herrlichsten violetten Amethyst farbigen Licht eingehüllt.

Aus heiterem Himmel beginnt Tashi laut zu lachen, die Freude ist übergroß. Er erkennt Amethyst, der ihm auf dem Regenbogen bereits versprochen hat, dass er ihn im Menschenkleid besuchen werde, um ihn an seine Zwillingsstruktur zu erinnern. Tashi lacht wie schon lange nicht mehr, sein lautes, unbändiges, glückliches, befreiendes Lachen wird in die ganze Landschaft hinausgetragen.

Die anderen gucken ihn völlig überrascht an. Es wirkt so unglaublich befreiend, dass dem anderen Wächter leise die Tränen über das Gesicht rollen. Waka steht groß, noch größer und mit seinen breiten Schultern noch stärker da, einer Statue gleich. Nga bereitet sich auf eine magische Begegnung vor.

Die Sternenmutter setzt sich zu Sasha, um sie aufzurichten, während Klara um die Beine von Sashas Wächter schwirrt. Der sensitive Wächter ist hellwach und ausgesprochen neugierig, was er hier erleben wird.

Die Amsel zwitschert nur noch für Tashi. Er ist überglücklich und dieses Glück will sie aus ihm herausströmen sehen. Es ist die letzte große Befreiung alter Ketten, die ihn noch gebunden hielten. Dann ist er frei, im ganzen Universum herumzureisen, gerade wie es ihm Spaß macht. Alle Abhängigkeiten, bekannt und unbekannter Art, werden aufgelöst. Auch seine traumatische Erfahrung aus seiner Sternenfamilie gerissen worden zu sein, immer und immer wieder, wird sich auflösen. Die Rückverbindung in die Gemeinschaft gleicher Wirklichkeiten, seiner Seelenverwandten und Seelenfamilie sind ein unbeschreibliches, nicht in Worte zu fassendes Erlebnis. Die Seele findet nach Hause zurück, von dort, wo sie einst entsprungen ist.

»Amethyst? Bist du wirklich gekommen mich zu besuchen? Ich kann es noch gar nicht fassen. Du hast es mir zwar schon vor langer Zeit versprochen, aber ich habe aufgehört, an Versprechungen zu glauben! Trotzdem, alle seid ihr nun gekommen auf meinen bisherigen Reisen; mein großer starker Bruder Ramosh, mein Vater und sogar meine Schwester Anaisha durfte ich auf meiner Reise mit Malachit und Moldavit begegnen! Nun bist auch du zurückgekehrt!«

Tashi taumelt vor Freude. Er weiß, dass diese Begegnung ein totales Neuwerden vorausschickt. Er wird seine geistige, universelle Intelligenz inkarnieren, ein Auferstehungsprozess, wie es die Schlange im magischen Baum vorgeführt hat. Ein neuer, der absolute essentielle Teil seiner Selbst, sein Meisterselbst, wird sich im alten Körper einnisten und entfalten. Dafür muss er sich nicht noch einmal neu gebären und als Kleinkind geboren werden. Die Totalrenovierung seiner Seele und seines Geistes findet im herkömmlichen Menschenkleid statt!

Der alte bekannte Körper wird schon ausreichen! Mag sein, dass ihn dann einige seiner Freunde nicht mehr kennen wollen oder aus seinem Leben verschwinden. Aber das ist ihm egal. Er erahnt schon einiges, was auf dieser Reise mit Amethyst auf ihn zukommen wird!

Es ist seine Erfüllung! Er dreht sich um die eigene Achse herum, um das starke klare, gleißend violette Licht aufzunehmen. Voller Freude reicht er in seinen Haarschopf, um sicherzugehen, dass Pixie nicht herunterfällt. Tut sie zwar ohnehin nicht, da sie ja schweben kann.

Alle schauen ihm zu, Sasha mit offenem Mund. Tashi sieht das aus seinen Augenwinkeln, aber momentan ist ihm alles egal. Nur die Amsel und der Baum scheinen ganz und gar mit ihm zu sein. Selbst seine herrlichen Wächter staunen über die Kraft, die plötzlich aus Tashi strahlt. Er scheint nicht mehr alleine zu sein, er verschmilzt mit seiner kosmischen Intelligenz, die aktiviert und sehr bald aktiv werden wird.

Das Wesen, das sich Amethyst nennt, strömt von oben mitten in seinen Kopf hinein, wie eine Säule aus violettem Licht durchdringt und erhellt es seinen ganzen Körper.

Tashi - Amethyst und Lavendelquarz

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