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ANNAS KONFIRMATION

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In Klöstitz auf dem Bauernhof Messinger blieb die Zeit nicht stehen, auch dort hat sich alles weiter entwickelt. Aber nicht so positiv wie bei der Familie Weiß in Tarutino, weil die Entwicklung in der Familie ganz anders verlaufen ist. Auf dem Hof des Großbauern waren strenge Regeln angesagt, die Anna ganz besonders trafen. Es war ihr zur Auflage gemacht, mit Hilfe ihrer älteren Geschwister vor Schulbeginn die jüngsten Geschwister zu versorgen und mit ihnen zu frühstücken. Die gegenseitige Hilfe untereinander war in den Großfamilien selbstverständlich. Es war normal und üblich, den Kindern frühzeitig Verantwortung und Arbeit zu übertragen. Die Familie war im ständigen Wachstum begriffen, so dass ihre Arbeit nicht weniger wurde. Ausgiebig Schulaufgaben machen war nicht immer gegeben, die Kinder schafften es aber stets versetzt zu werden. In den bessarabischen Familien war es nicht allen Kindern vergönnt, bis zur achten Klasse in die Schule zu gehen. Oft haben die Eltern ihre Kinder schon mit zehn oder zwölf Jahren aus der Schule genommen, weil sie in der Landwirtschaft als Arbeitskraft gebraucht wurden.


Schule in Klöstitz


Annas Schulklasse Klöstitz um 1916

Dieses Schicksal traf auch Anna, was sie als Zwölfjährige ohne Widerspruch hinnahm, weil ihre Eltern es so wollten. Fortan war sie in Haus, Hof und Feldarbeit eingesetzt, wo ihr alles abverlangt wurde. Zunächst nahm ihre Mutter sie unter die Fittiche, um ihr das Kochen beizubringen und sie mit der Wäsche, die von Hand gewaschen wird, vertraut zu machen. Zu ihrer Mutter hat Anna einen guten Draht, sie wurden schnell zu einem Team. Von nun an bekam Anna all das beigebracht, was sie später als Hausfrau in ihrem Haushalt verwenden kann. Dafür aber braucht sie Jahre des Lernens, bis sie all das so beherrscht wie ihre Mutter: Kochen, Wäsche waschen, Wolle spinnen, Stricken, Häkeln und Garderobe schneidern. Die genannten Tätigkeiten verrichtete Anna mit ihrer Mutter nun schon zwei Jahre und war fast perfekt. Bis sie eigenständig ist und eine eigene Familie versorgen kann, gehen noch einige Jahre ins Land.

Weil Anna früher die Schule verlassen musste, war es ihr nicht vergönnt, eine Schulabschiedsfeier zu haben. Dafür wird sich ihr Vater revanchieren und eine große Konfirmation für die nun schon vierzehnjährige Tochter ausrichten. Dazu durfte sie ihre ganze Klasse einladen, alle nahmen ihre Einladung an. An einem Wochenende, um die Osterzeit, fand auf dem geschmückten Bauernhof die Feier statt. Die Mädels und Jungen der Klasse hatten sich herausgeputzt und nahmen an zwei Tischen Platz. Die brauchten sie auch, weil die Klassen in Bessarabien immer groß ausfielen. Anna mit ihrem schönsten Kleid, das ihre Mutter für sie geschneidert hat, war der Star des Tages und von den Freundinnen umringt.

Dann erklang lautstark die Stimme ihres Vaters, der alle Gäste Groß und Klein begrüßte. Er eröffnete die Feier mit einem Gebet, woran sich alle Gäste beteiligten und ihrem Herrn und Schöpfer dankten. Daraufhin tischten die Hausfrau und ihre Helfer die bessarabischen Gerichte auf. Es sind dies: Breitenudelsuppe als Vorsuppe, Strudel, Dampfnudeln und den passenden Braten, dazu verschiedene Paprika-Speisen. Spezielle Süßspeisen durften auch nicht fehlen. Vor allem aber hat Vater Messinger seine besten Weine für alle erwachsenen Gäste ausschenken lassen.


So, war alles gegeben und die Feier nahm ihren Lauf, so dass es nach Stunden recht lustig zuging. Als die Gäste für ihr leibliches Wohl gesorgt hatten, spielte die Dorfmusikgruppe zum Tanz auf, wobei die Harmoschka (Ziehharmonika) nicht fehlen durfte. Die Weinbauern unter den Gästen sprachen dem guten Wein des Gastgebers zur Genüge zu, was für Frohsinn auf dem Dreschplatz sorgte.

Annas Vater hat es an nichts fehlen lassen, so hat er auch den Gesangverein des Dorfes eingeladen. Dieser sorgte zusätzlich für Frohsinn. Sie sangen zuerst das Kirchenlied: Jesu geh voran auf der Lebensbahn, was für Anna bestimmt war. Dieses Lied sangen alle Gäste aus voller Kehle mit, weil alle Bessarabier sich mit dem Evangelium tief verbunden fühlten. Musik und Gesangverein wechselten sich ab und sorgten so für ein gelungenes Fest. Bis tief in die Nacht vergnügten sich Alt und Jung. Annas Eltern hatten ihre Tochter so froh und glücklich noch nie gesehen, haben sie ihr doch bislang nur Arbeit abverlangt. Daher genoss sie ihren Tag mit der Klasse und allen geladenen Gäste in vollen Zügen. Ihre Mutter sah oft, wie sich Anna die Freudentränen aus den Augen wischte. Diesen Tag wird sie ihr Leben lang nicht vergessen. Zur fortgeschrittenen Zeit hielten Annas Eltern es der Ordnung halber angebracht, die Jugend zur Heimkehr zu bewegen. Dem folgten auch einige Eltern und traten mit ihren Kindern den Heimweg an. Damit löste sich die Feier langsam auf.

Anna bedankte sich bei ihren Freunden und deren Eltern für die mitgebrachten Geschenke. Arm in Arm gingen Mutter und Tochter dann ins Haus, um noch ein wenig aufzuräumen. Vater Messinger gesellte sich noch zu einigen Hartgesottenen und holte noch einen Krug (Häfele) vom besten Wein aus dem Weinkeller, bis auch sie den Dreschplatz und Hof verließen. Vater Gottlieb Messinger lehnte sich noch ein wenig zurück und merkte, dass der Wein seine Wirkung nicht verfehlt hat.

Der Folgetag, ein Sonntag, konnte auf dem Bauernhof nicht zum Ausschlafen genutzt werden, weil sich in den Ställen das Vieh lautstark meldete. Die Milchkühe müssen von Hand gemolken und dann auf die Straße getrieben werden, wo der Kuhhirt sie übernimmt und zur Weide (Steppe) bringt. Am Abend treibt er sie satt wieder ins Dorf zurück. Die Versorgung des Viehbestandes ist die einzige Arbeit, welche am Sonntag verrichtet wird. Der Rest des Tages ist zum Kirchgang und zum Ausruhen gedacht. Am Sonntagabend fand die Familie Messinger Zeit, um über die gestrige Konfirmationsfeier miteinander zu reden. Wenn Annas Geschwister über die einzelnen Geschehnisse sprachen, leuchteten Annas Augen auf. Jeder sprach über seine persönlichen Eindrücke, die er während der Feier gewonnen hat. Sie waren alle der Meinung, dass Anna die Feier und Zuwendungen verdient hat.

Weil sich die Arbeiten auf dem Bauernhof jedes Jahr zeitlich wiederholen, läuft auch jetzt im April die Frühjahrsbestellung an. Es wird wie immer ein arbeitsreiches Jahr, das der Großfamilie Messinger alles abverlangen wird, besonders auch von Anna. In diesem Sinne vergingen die Jahre und Anna wuchs inmitten ihrer Geschwister als junge Frau heran. Längst hat sie mit ihrer Mutter die Hauswirtschaft voll im Griff und besucht mittlerweile mit achtzehn Jahren abendliche Jugendtreffs. Dort lernte sie bei Spiel und Gesang viele Freundinnen kennen.


Anna Maria Messinger 18 Jahre

Die Mädchen trafen sich zum gemeinsamen Häkeln, Stricken, Spinnen und Schneidern und arbeiteten schon für ihre Aussteuer. Sie trat einer Folklore-Tanzgruppe bei.

Diese Tätigkeiten fanden hauptsächlich in den Wintermonaten statt, wenn Klöstitz im hohen Schnee versunken war. Die männliche Jugend traf sich auch in ihren Vereinen, das waren: Musik, Gesang, Jagd und Schützenverein. Die Eltern machten es sich zur Aufgabe, mit ihren Söhnen die Technik und Werkzeuge in Stand zu setzen. Auch kümmerten sie sich um die Pferdezucht, die alle Großbauern mit großem Interesse betrieben.

Wenn die Kinder herangewachsen waren und ihrer Wege gingen, merkten die Eltern, dass nicht alles an ihnen spurlos vorbeigegangen war. Oft hatte die Gesundheit Schaden genommen. Nun waren sie auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen. Diese ist ihnen in der bessarabischen Großfamilie immer zuteil geworden. Das war nicht nur Normalität, sondern ein Bumerang dessen, was den Kindern von Seiten der Eltern zuteil wurde. Das wird auch dem Elternpaar Messinger zuteil werden, wenn der Umstand eintreten sollte. Vorerst ist das alles nicht aktuell, vielmehr ist festzulegen, wer den Hof übernehmen soll. Damit beschäftigt sich Vater Gottlieb Messinger und seine Frau seit längerem. Die Wahl fiel auf ihren jüngsten Sohn Benjamin, dessen Einschulung demnächst ansteht. Er soll und muss die beste Schulbildung erhalten, damit später der Hof von ihm erfolgreich geleitet werden kann. Darüber waren sich beide einig, was ihre Kinder wissen sollten. Von nun an ist Benjamin vorsichtig auf seine zukünftige Aufgabe vorbereitet worden. Als Jüngster war Benjamin Mutters Bester, aber er merkte nicht, dass es seiner Mutter gesundheitlich nicht so gut ging. Das aber hatte Vater Messinger und seine Tochter Anna schon seit längerem bemerkt.

Die vergangene Zeit hat dafür gesorgt, dass das Haus der Messingers leerer geworden ist, bis auf die zwei jüngsten, Benjamin und Emma. Anna als Älteste führt mit ihrer Mutter gemeinsam den Haushalt und versorgt das Federvieh. Die übrigen Acht haben schon ihre eigenen Familien gegründet. Aus Rücksichtnahme auf ihre kranke Mutter hat Anna bislang keine ernsthaften Anstrengungen unternommen sich zu binden. Obwohl sie die eine oder andere Gelegenheit hätte nutzen können, was ihrer Mutter nicht verborgen blieb. Aus der Sorge heraus, dass Anna den Anschluss verpassen könnte, kam es des Öfteren zu einem Zwiegespräch zwischen Mutter und Tochter. Der Grund war, dass Annas Umfeld sich merklich verändert hat. So waren doch ihre Freundinnen alle schon verheiratet oder in festen Händen. Anna nahm dass alles mit der Bemerkung zur Kenntnis, für mich gibt es auch noch ein Habiten.

So vergingen die nächsten Monate und der Gesundheitszustand von Mutter Messinger verschlechterte sich dramatisch. Damit ist Anna eine zusätzliche Verantwortung auferlegt worden, weil sie auch nachts ihre Mutter betreuen musste. Tagsüber hatte sie den Haushalt mit ihrer jüngsten Schwester zu bewältigen. Das alles hat Anna sehr belastet, was ihrem Vater nicht verborgen blieb. Dieser stellte umgehend eine Betreuerin ein, was zu einer spürbaren Entlastung Annas führte. Auch waren die letzten Feldarbeiten, die Trauben- und Maisernte zu beenden, sodass alle ein bisschen kürzer treten konnten. Auf dem Dreschplatz, wo im Sommer Getreide fuhrenweise gedroschen wurde, türmten sich jetzt bergeweise Maiskolben zum Abblatten. Daran beteiligen sich Groß und Klein aus der Familie und diverse Helfer aus der Nachbarschaft. Dabei machte der Weinkrug des Öfteren die Runde, was für Stimmung sorgte. Die abgeblatteten Maiskolben wurden in speziellen Bretterboxen gelagert, wo sie im Winter als Nahrungsmittel für Mensch und Vieh Verwendung finden.


Frauen sind mit der Maisernte und Bergung dieser beschäftigt


Schon auf dem Feld wird der Mais abgeblattet


Mit Pferdewagen wird der Mais zum Dreschplatz gebracht


Scharen von Gänsen bilden die Fleischreserven

Wenn alle Erntearbeiten kurz vor dem Wintereinbruch beendet sind und die ersten Nachtfröste auftreten, ist Schlachtfestzeit, das heißt, die Fleischversorgung für den langen und harten bessarabischen Winter ist zu sichern. Das sind nicht nur die bekannten Geflügelsorten, sondern auch Schaf, Schwein und Rind. Der Winter ist der Kühl- und Gefrierschrank für die Bauern, weil sie keine andere Kühlmöglichkeit haben. Die Elektrifizierung steckte 1930 in Bessarabien noch in den Kinderschuhen und somit war keine technische Kühlung möglich. Aber es gab ja noch andere Möglichkeiten der Haltbarmachung: Räuchern oder Pökeln. Das waren Arbeiten, die Annas Mutter sonst erledigt hat, in diesem Jahr hat es Anna übernehmen müssen, weil die bettlägerige Mutter es nicht mehr schafft. Viele Tage und Arbeitsgänge waren noch nötig, um die Fleischreserven sicher unterzubringen. Unaufhaltsam näherte sich der Monat Dezember und somit auch der erste Advent, der die Vorweihnachtszeit einläutet. Für die frommen Bessarabier ist es eine Zeit der Besinnung und gleichermaßen eine Vorbereitungszeit für Weihnachten, worauf sich die jüngsten noch im Haus befindlichen Geschwister besonders freuten. Für die Erwachsenen sind die Wintermonate abendlich willkommene Zusammenkünfte der Vereine. Besonders beliebt sind die Bibelstunde und die dazu gehörigen Kirchenlieder. Bei anderen Treffen lassen die Frauen die Spinnräder surren, wo Schafwollen zu Fäden gesponnen werden, aus denen mit Stricknadeln oder Häkelhaken Pullover und Socken entstehen. So nutzt jeder Dorfbewohner auf seine Weise die Zeit, wenn meterhoher Schnee die Dörfer und Städte Bessarabiens eingehüllt hat. Meterhohe Schneeverwehungen waren an der Tagesordnung. Haus und Stallgebäude sind oft über Nacht bis zum Dach durch Schneestürme verweht worden, so dass die Männer am Morgen erst zur Schneeschaufel greifen mussten, um in die Stallungen zu gelangen. Das strenge Winterwetter endete oft erst Ende März, bis die Frühlingssonne alle Schneemassen hat tauen lassen. Darauf hatten die Frühlingsblüher, schon lange gewartet.


Abendliche Treffen mit Gesang, Spinn-, Strick- und Nadelarbeit


Haus- und Reparaturarbeit für Frauen und Männer

Der Weg … zurück zu meinen Ahnen

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