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PFERDEMARKT IN TARUTINO UND ANDERE EREIGNISSE

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Aus Tradition und Notwendigkeit packte Vater Messinger den Proviantkasten (Steppkäschtle) für drei Tage. Auch das Pferdefutter hat er für diese Zeit auf dem Pferdewagen verladen. Gut ausgerüstet spannte er zwei seiner besten Pferde vor den Wagen. Zum Verkauf gedacht, machte er weitere zwei Sechsjährige hinten am Wagen fest. So verließ er am frühen Morgen den Hof und machte sich auf den Weg nach Tarutino. Während der Fahrt ging ihm so manches durch den Kopf, was ihn als Witwer betrifft. Er sehnte sich zunehmend nach Zweisamkeit und weiblicher Nähe. Eine Frau im Haus würde seine Familie aufwerten und Anna entlasten. In seinen Gedanken versunken bemerkte er nicht, dass sich hinter ihm weitere Gespanne befanden. So trafen sie als Kolonne in Tarutino ein und näherten sich auch so dem Pferdemarkt.


Alljährlicher Tarutinower Pferdemarkt


Versorgungswagen mit Wasserfass und Steppkäschtle

Auf der Suche nach einem geeigneten Platz traf Vater Messinger auf seine alten Freunde, die schon auf ihn warteten. Sein Freund Albert Weiß rief ihm zu, Gottlieb, komm hierher, habe einen Platz für dich freigehalten. Schnell waren die Pferde ausgespannt und ihnen das Futter vorgesetzt. Gottlieb setzte sich zu seinem Freund Albert, wo sie erst einmal die Neuigkeiten austauschen. Dabei meldete sich der Hunger bei Gottlieb, den es galt abzustellen. Mit einem Riegel Schinkenspeck, Brot und Wein stillte er sein Bedürfnis, wobei von Vergangenheit und Gegenwart die Rede war. So hat sich dann alles für die drei Tage „Markt“ geklärt, auch dass Gottlieb bei seinem Freund Albert übernachten wird. Das war auch wichtig, weil inzwischen die Sonne untergegangen war.

Tagsüber hatte sich der Markt bis auf den letzten Platz gefüllt. An ihrem Standort versorgten sie ihre am Trogwagen angebundenen Pferde. Gemeinsam verließen sie den durch Nachtwachen gesicherten Platz und begaben sich zu Fuß quer durch die Stadt Tarutino zum Haus des Albert Weiß.

Schnell hatte es sich herumgesprochen, dass Albert Weiß Besuch aus Klöstitz hat, das löste eine halbe Völkerwanderung aus. In weniger als einer Stunde füllte sich Alberts Haus, jeder der Besucher brachte einen gefüllten Weinkrug mit. Die Weingläser klirrten und leerten sich wiederholt, so dass es recht lustig zuging. Verschiedene erzählen ihr Erlebtes sowie das Neueste, so auch eine achtundfünfzigjährige Julijana Weiß. Ihre Vergangenheit ließ Gottlieb Messinger aufhorchen, weil sie auch seit längerem mit ihrem einundzwanzigjährigen Sohn Alfred alleine lebt. Bis tief in die Nacht unterhielten sich die Besucher, bis dann das Haus sich langsam leerte. Gottlieb hielt es für angebracht, mit Julijana Weiß ins Gespräch zu kommen und setzte sich zu ihr. Ihr Gespräch vertiefte sich und sie stellten Gemeinsamkeiten fest. Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen, als Alfred ins Zimmer trat, der seine Mutter abholen wollte. Daraufhin gingen dann die letzten Besucher ihres Weges, auch Alfred mit seiner Mutter. Albert und Gottlieb waren jetzt allein in der Stube, unterhielten sich noch über Julijanas Familie und leerten dabei ihr Glas. Beide hatten eine gewisse Bettschwere und sehnten sich nach einem erholsamen Schlaf.

Schon am frühen Morgen verließen die beiden Männer das Haus, um bei der Markteröffnung dabei zu sein. Zunächst aber versorgten sie ihre Pferde, die sie wiehernd empfingen. Dann ertönte lautstark die Stimme des Schulzen, der seine Gäste aus Nah und Fern begrüßte. In seiner kurzen Ansprache richtete er das Übliche an die Marktteilnehmer und wünschte ihnen guten Umsatz. Es war zu beobachten, wie die Pferdehändler ihre Runden machten, um die beste Ware ausfindig zu machen. Auch Bauern, die keine eigene Pferdezucht betrieben, suchten nach noch arbeitsfähigen Pferden.

Gottlieb Messinger hat schon am ersten Tag eins seiner Pferde an den Mann bringen können. Das machte ihn zufrieden, weil er auch einen guten Preis erhandelt hat. Beim Fachsimpeln mit anderen über Pferdezucht und Landwirtschaft verging der erste Tag des Pferdemarktes. Die letzte Arbeit des Tages war das Füttern der Pferde, was Gottlieb mit geübter Hand erledigte. Dabei bemerkte er kaum, dass Albert mit seiner Frau sich ihm näherten. Es waren nur noch wenige auf dem Markt, als auch sie zu dritt den Heimweg antraten. Unterwegs verriet Frau Weiß (Alberts Frau) den Männern, weil sie ja kein Mittag gegessen hatten, dass sie für sie gekocht hat. Das war Musik in den Ohren der Männer, die dann wissen wollten, was es gibt. Die Antwort war: Lasst euch überraschen. Als sie dann das Haus betraten, erschnupperten die beiden, was sie zum Essen bekommen. Ja, es sind Strudeln und ein deftiger Schweinebraten dazu. Die Hausfrau und eine ihrer Töchter brachten das Essen auf den Tisch und der Gast aus Klöstitz sprach das Tischgebet. In Familie nahmen sie mit Appetit das wohlschmeckende Mahl zu sich. Es blieb nicht aus, dass dabei die Tagesereignisse zur Sprache kamen, die sich auf dem Markt ereignet hatten. Um es sich gemütlich zu machen, zog sich die Familie in das Wohnzimmer zurück. Die Männer blieben in der Wohnküche und bedienten sich aus dem Weinkrug. Albert begann aus der Vergangenheit der Familie Weiß und Verwandtschaft zu erzählen, die wegen des Kinderreichtums nicht nur recht groß, sondern auch verworren ist. So erfuhr Gottlieb von ihm, das Julijana Weiß seine Schwägerin ist. Aus gutem Grund erzählte Albert seinem Freund alles über die Familie Gottfried Weiß. Somit war Gottlieb genauestens über Julijana informiert, für die er sich zunehmend interessierte.


Juliana Weiß die Mutter von Alfred Weiß

Gottlieb Messinger der Vater von Anna Messinger

Der zweite Tag in Tarutino verlief nicht viel anders als der erste, den verbrachte Vater Messinger fast den ganzen Vormittag in der Stadt. Weil er seinen Kindern eine Freude bereiten wollte, machte es Sinn etwas einzukaufen. Zur Mittagszeit war er wieder bei seinen Tieren, die er wie immer versorgte. Dabei fiel ihm ein Zettel am Halfter eines Pferdes auf. Er las die Mitteilung, dass es einem Käufer gefällt und dieser sich noch melden werde. Weil es mittlerweile Mittag geworden ist, machte er sich an seiner Proviantkiste zu schaffen, bis ihn eine Frauenstimme unterbrach: „Lass das alles drin, ich habe für uns beide Mittagessen mitgebracht.“ Gottlieb war sichtlich gerührt, Julijana mit ihrem Essenkorb zu sehen, den sie begann auszupacken. In zwei Teller schöpfte sie eine leckere Hühnersuppe und reichte Brot dazu. Die Überraschung war gelungen, es schmeckte auch beiden vorzüglich, so dass Gottlieb noch einmal nachfasste. Rundum zufrieden holte er aus dem Steppkäschtle seinen Weinkrug hervor und füllte zwei Gläser. Mit den Worten, vielen Dank für das gute Mittagessen, stießen sie auf Du und Du an, wobei sie sich dann länger in die Augen schauten.

Julijana packte ihr Geschirr zusammen und sagte: „Gottlieb, du kannst ja heute Abend zu mir kommen, dann bin ich nicht so allein.“ Am liebsten wäre er mit ihr gegangen, aber es wartete noch ein Geschäft auf ihn. In Gedanken schaute er Julijana nach, bis ihn sein Geschäftsmann ansprach. Es war ein junger Bauer aus Gnadentahl, ein Nachbarort von Klöstitz. Sie konnten sich nicht gleich über den Preis einigen, so dass ein reges übliches Handeln entstand. Wie immer einigte man sich und das Pferd wechselte den Besitzer. Offensichtlich zufrieden schloss Gottlieb seine Geschäfte ab und könnte nun nach Hause fahren. Aber er wollte mit seinem Freund Albert noch ein letztes Schwätzchen machen. Gottlieb erzählte ihm, was sich heute in der Mittagszeit ereignet hat. Auch verriet er ihm, dass Julijana ihn zum Abend eingeladen hat.

Den Rest des Tages verbrachte Gottlieb mit seinem Freund auf dem Markt, wo er erwähnte, dass seine Geschäfte abgewickelt sind und er morgen nach Hause fährt. Das veranlasste beide einen Scheidebecher zu heben. Daraus wurde zum Sonnenuntergang ein zweiter, der sie erinnerte, dass sie ihre Pferde noch versorgen müssen. Danach trennten sich zwei Freunde mit einem Händedruck und Auf Wiedersehen bis zum nächsten Jahr.

Weil sich Gottlieb auf die Einladung von Julijana freute, machte er sich frisch und ging auch noch zum (Strullnik) Frisör. Gut gelaunt, machte sich der sechzigjährige Gottlieb Messinger auf den Weg. Welches Haus er ansteuern muss, hat ihm Albert verraten.

Das Haus zur Straße, mit einer weißen Hofmauer abgegrenzt, war schnell gefunden. Am Hoftor begrüßte ihn bellend der Hofhund, worauf Julijana erschien und Gottlieb herein bat. Schon an der Haustür roch es nach Gekochtem, was Gutes ahnen ließ. In der guten Stube war für drei Personen gedeckt, wer der Dritte ist, konnte sich Gottlieb denken. Beide nahmen zunächst in der Wohnküche Platz und redeten über Belangloses, bis ein Hundebellen verriet, dass jemand kommt. „Das ist Alfred, mein Sohn“, warf Julijana ein. Und schon öffnete sich die Tür, herein trat ein gut aussehender junger Mann. Er war überrascht, außer seiner Mutter noch jemand anzutreffen. Seine Mutter machte sie beide bekannt, Alfred erwiderte, ach ja, wir haben uns bei Onkel Albert gesehen. Es ist Sitte in Bessarabien, dass Männer mit einem Glas Wein anstoßen, wenn sie sich nach langem wiedersehen oder kennen lernen. Davon machten beide Gebrauch, wobei Alfred fleißig nachschenkte. Indessen stellte die Hausfrau das Essen auf den Tisch und ermunterte die Männer zu Tisch zukommen. Sie waren überrascht, ein typisch bessarabisches Gericht verspeisen zu dürfen. Julijana servierte Käsknöpfle, dazu wird Schmant und Marmelade gereicht. Während sie für ihr leibliches Wohl sorgten, rissen die Gespräche nicht ab. Denn jeder lebte in einer Großfamilie, die inzwischen durch Heirat kleiner geworden war. Darüber sprach das Trio bis tief in die Nacht und es war nicht immer nur Oberflächliches. Alfred hatte das Bedürfnis sich zurückzuziehen. Er begründete es damit, dass seine Arbeit auf dem Bau einen ausgeruhten Maurer verlangt. In Anbetracht der vorgerückten Zeit hielt Julijana es für angebracht, dass Gottlieb in ihrem Haus übernachtet. Es fand sich schnell ein Schlafplatz in der geräumigen Wohnung. Gottlieb war nicht nur froh, dass er in dem Haus der Frau schlafen darf, die er nicht nur mag.

Schon am frühen Morgen des Folgetages verließ Gottlieb das Haus, um seine Pferde am Marktplatz zu versorgen. Während die Tiere ihr Futter aufnahmen, verpackte er alle seine Gegenstände auf dem Wagen. Nachbarn sprachen ihn an: „Gottlieb, willst du uns schon verlassen?“ „Ja, ich habe meine Geschäfte erledigt.“ Gut gelaunt spannte er seine Pferde an und verließ den Pferdemarkt. Gottlieb schlug nicht den Weg nach Hause ein, sondern fuhr zu dem Haus, in dem er die Nach verbracht hatte.

Alfred, der Sohn des Hauses, verließ gerade den Hof, als er vorfuhr. Mit einem Händedruck begrüßte Alfred den Gast aus Klöstitz. Indessen war Julijana aus dem Haus gekommen und bot Gottlieb ein Frühstück an, welches er freudig annahm. Alfred hatte sich bereits zu Fuß auf den Weg zur Arbeit begeben. Im Haus machten es sich die beiden Elternteile am Frühstückstisch bequem. Es blieb nicht aus, dass im Laufe des Gesprächs das Wort „Alleinsein“ fiel. Hier hakte Gottlieb mit dem Einwand ein: „Das könnten wir, wenn du das willst, abstellen.“ Damit erhob er sich, ergriff ihre Hand und sagte: „Ich will es.“ Auf dem Weg nach draußen rief er ihr zu: „Auf Wiedersehen in vierzehn Tagen!“

Der Weg … zurück zu meinen Ahnen

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