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Drachenenergien und christliche Lehren

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Als Kind ging ich gerne in die sonntägliche Messe, war begeistertes Jugendscharkind und sang im Kirchenchor. Priester und Klosterfrauen gefielen mir, und ein wenig später liebte ich lange Diskussionen mit meinen verschiedenen Religionslehrern. Natürlich hatte ich meine ganz „normalen“ Phasen der Rebellion, in denen ich auch erkannte, dass in der katholischen Kirche nicht alles so lichtvoll war, wie es mir als Kind erschien. Ich distanzierte mich davon und fand meine Antworten in anderen Glaubensrichtungen. Ich beschäftigte mich mit verschiedenen christlichen Strömungen, Freikirchen genauso wie mit dem Buddhismus. Dabei war es für mich immer schon wichtig gewesen, das Verbindende in den Religionen zu sehen, weil ich der tiefen Überzeugung bin, dass alle vom gleichen „Gott“ sprechen, auch wenn sie ihn anders benennen.

Auf diesem Weg begegneten mir auch immer wieder Drachenwesen und Drachenenergien oder Schlangen. Die meisten von uns kennen zum Beispiel die Darstellung, dass ein Ritter oder ein Engel einen Drachen tötet. Sehr häufig können wir dieses Bild in Kirchen finden. Von der Symbolik her drückt das die Unterwerfung der weiblichen Energie durch das Patriarchat (das Christentum, die katholische Kirche) aus. Der Drache beinhaltet alles, was mit der Verehrung der Großen Mutter in Verbindung steht bzw. stand, die alten matriarchalen Kulte und Rituale, die durch das Aufkommen des Christentums als heidnisch abgetan und verboten wurden. So, wie die Kräfte der Frau verteufelt wurden, mussten auch die Drachen sterben. (Vergleiche die Geschichte von Avalon und die wachsende Christianisierung in Die Nebel von Avalon von Marion Zimmer-Bradley, oder Feen, Elfen und Zwerge – vom Umgang mit der Anderswelt von mir, siehe hinten im Buch). Das, was uns unheimlich oder unbekannt ist, wird als dämonisch bezeichnet. Und so hat vor allen Dingen auch in der katholischen Kirche das Urweibliche den Stempel „Kraft des Chaos“ erhalten, wobei Chaos nichts anderes als die Fülle aller Möglichkeiten bedeutet.

Die meisten Menschen wissen mittlerweile, dass die erste Frau Adams nicht Eva hieß, sondern Lilith. Doch sie war zu eigenständig; sie ließ sich nicht manipulieren, und sie war sich ihrer ursprünglichen Macht bewusst. Und so bat Adam darum, eine gefügigere Partnerin an seiner Seite zu wissen. Lilith wurde fortgeschickt. Seither gilt sie als dunkler Aspekt und wird in der Astrologie „der dunkle Mond“ genannt. Eva war ihre Nachfolgerin. Und wer kennt nicht auch den Versuch der Schlange, Eva zu überreden, einen Apfel vom Baum der Erkenntnis zu pflücken, um diesen Adam zu reichen? Dabei war das nur ein Versuch gewesen, Eva wieder an ihre ursprüngliche Kraft, an ihre Einheit mit der Großen Göttin, zu erinnern. Doch Eva hatte bereits vergessen, welches Potenzial in ihr lag, und somit nahm die Geschichte den Verlauf, den wir aus der Bibel kennen. Eva wurde bestraft und die sogenannte Erbsünde war geboren.

Die biblischen Geschichten, das Vaterunser etc. wurden aus aramäischen Ursprungstexten übersetzt. Die Schwierigkeit dabei ist und war, dass ein aramäisches Wort viele unterschiedliche Bedeutungen haben kann, und je nachdem, für welche man sich entschied, veränderte sich der Text in seiner Aussage komplett. So gibt es zum Beispiel auch in China christliche Strömungen, die das aramäische Wort, aus dem unsere „Erbsünde“ wurde, mit „Unschuld“ übersetzt haben. Das ist eine vollkommene andere Energie, mit der Menschen dort wachsen können: Es wird davon ausgegangen, dass jeder bei der Geburt rein und unschuldig ist, während wir davon überzeugt sind, dass jeder mit der Erbsünde geboren wird und daher schon von vornherein eine große Last zu tragen hat. Im Laufe der letzten Jahre haben deshalb immer mehr Menschen begonnen, sich mit den aramäischen Urtexten, u. a. mit den Schriftrollen von Qumran, zu beschäftigen, um die ursprüngliche Essenz der Botschaften wieder mehr zu erfassen. Und das finde ich persönlich sehr interessant und heilsam. Auch durch die Marienverehrungen, wie wir sie zum Beispiel von der katholischen Kirche her kennen, die Frausein als Heiligsein und Reinsein darstellen, wurde die Urkraft der Weiblichkeit in eine bestimmte Richtung gedrängt, die sich vom Kern weit entfernte. Denn Weiblichkeit bedeutet alles: Heilige und Hure, Mutter, Geliebte und Verführerin, Tochter zu sein. Es bedeutet aber auch Mann, Krieger, Gelehrter, Liebhaber, Sohn zu sein, um hier nur einige Eigenschaften zu nennen. So bedeutet für mich der Weg des Drachens, alle diese Aspekte in mir wieder anzunehmen, zu vereinen, denn erst dann, wenn ich mir dieses selbst zugestehe, kann ich frei wählen, was ich in jedem Moment sein möchte.

Während meines Theologiestudiums (ich wollte Religionslehrerin werden, habe es aber dann in der Folge nicht abgeschlossen) galt mein Interesse vor allen Dingen der feministischen Theologie. Ein wesentlicher Ansatz darin ist, dass der weibliche Ausdruck des Gebets und des Glaubens ein sinnlicher ist, indem der Körper, die Haut, die Haare miteinbezogen werden. Durch physische Berührung wird er lebendig. Eines der beliebtesten Beispiele dafür ist die Geschichte, als Maria Magdalena Jesus die Füße wusch und mit ihren Haaren trocknete. Eine der Aufgaben der feministischen Theologie besteht darin, den männlichen, theoretischen, intellektuellen Ansatz aus seinem Elfenbeinturm herunterzuholen und ihn ins Leben zurückzubringen. Dass das immer noch wichtig ist, davon bin ich auch heute noch gerade in dem spirituellen Kontext, in dem ich mich bewege, überzeugt. Bei vielen Menschen ist die Spiritualität nur ein theoretischer Überbau. Sie versuchen, ihn zu erfüllen; versuchen eine bestimmte Rolle zu spielen, von der sie glauben, dass sie von ihnen als Lichtarbeiter erwartet wird; versuchen, ein „Heiliger“ zu sein. Doch für mich ist das eigentliche Geheimnis des Glaubens das Leben selbst, mit all seinen Facetten, mit all seinen Höhen und Tiefen. Das ist es, was die geistige Welt uns versucht, nahe zu bringen. Mein Weg hat mich zu der essenitischen Lehre geführt, bei der mir zum Beispiel gefällt, dass man von einem Vater-Mutter-Gott ausgeht, in dem die rezeptiven und dynamischen Kräfte in absoluter Harmonie sind. Die Kraft der Shekaina ist gleich wichtig und wertig, wie die von El Shaddai (=Vatergott). Beide in sich zu vereinen ist ein wesentlicher Aspekt im Essenertum. Der essenitische Weg brachte mich verstärkt in die Liebe und die Freude am materiellen Sein und in das Spiel mit diesen Kräften. Ein Essener liebt das Leben mit all seinen Genüssen. So war auch Jesus, der ein essenitischer Meister ist, kein Kind von Traurigkeit. Nach essenitischer Auffassung starb er nicht am Kreuz, sondern lebte danach gemeinsam mit seiner Frau Maria Magdalena und seinen Kindern weiter. Und hier schließt sich für mich der Kreis. In meinem Verständnis ist es nämlich wichtig, Spiritualität mit dem Alltag und mit all meinen Sinnen und mit all meinen Nuancen, die ich bin, zu verbinden. Und das wird, wie gesagt, durch die Energien und die Weisheit der Drachenwesen unterstützt.

Die Kinder des Drachen

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