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Kapitel 5

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»Es ist so schön, dass ihr mal wieder vorbeigekommen seid.« Die Augen seiner Mutter glänzten vor Freude, ihr Lächeln zog den Gürtel um Calvins Herz noch enger zusammen. Lange blieb ihr Blick auf Cal liegen und wie so oft fragte er sich, ob sie etwas ahnte. Ob sie hinter die Maskerade blicken konnte. Doch schließlich richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Paul und es tat weh zu sehen, wie liebevoll sie ihn ansah. Sie liebte diesen Mann wie einen Sohn, wie ihn, Calvin, selbst. Immer, wenn ihm das bewusst wurde, war er froh, dass sein Spiel so gut funktionierte.

»Ja, es ist ja auch wirklich schon wieder ewig her«, antwortete Paul freundlich.

»Na ja«, lachte Calvins Mutter, »Weihnachten ist noch gar nicht so lange her. Aber wie dem auch sei, ich freue mich über jeden Besuch von euch. Möchtet ihr etwas trinken? Wie wäre es mit einer Weißweinschorle?«

»Nein, danke, mir reicht Wasser«, antwortete Calvin.

»Ach, ein Gläschen kann ja nicht schaden«, sagte Paul zeitgleich. Calvin bemühte sich um ein einlenkendes Lächeln und darum, nicht zu seinem Freund zu sehen.

»Na gut, dann ein Gläschen«, gab Cal nach.

Sie schwiegen, während seine Mutter den Weißwein, das Mineralwasser und Gläser holte.

»Wie geht es dir, Mum?«, fragte Calvin schließlich, was seine Mutter zum Lachen brachte.

»Du schaust mich immer so besorgt an, dabei geht es mir wirklich gut. Ich soll euch übrigens lieb von Gerda grüßen.« Eine hellbraune Haarsträhne löste sich aus der Spange, die sie auf dem Hinterkopf trug und Calvins Mum schob sie sich hinter das Ohr, während ihr Sohn aufhorchte.

»Oh, wie geht es Tante Gerda?«

»Gut. Wir waren vor Kurzem zusammen in diesem neuen Shoppingcenter, was sie immer in der Radiowerbung anpreisen. Ich muss schon sagen, es ist wirklich enorm groß, aber auch geräumig und es gibt Läden dort, die gibt es nicht überall. Vielleicht hat sich der Bürgermeister glatt mal zu etwas Gutem überreden lassen. Jedenfalls habe ich mir einen neuen Wintermantel gekauft. Die machen jetzt schon Ausverkauf. Und deine Tante hat sich ein Paar Schuhe geholt.« Sie rümpfte die Nase. »Ich sage euch, das waren vielleicht Teile! Ich könnte auf solchen Dingern nie laufen! So hoch!« Sie zeigte mit den Händen die Absatzhöhe an - und übertrieb dabei ein wenig, da war sich Calvin sicher. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Paul einen großen Schluck von der Schorle nahm und anschließend lachte.

»Das klingt ja halsbrecherisch. Ich hätte allerdings gedacht, dass Gerda schon genug Schuhe hat.«

Calvins Mum schnalzte mit der Zunge. »Für diese Frau gibt es kein genug.« Wieder lachte Paul. Calvin nippte an seinem Glas und stellte es dann auf dem Stubentisch ab. »Jedenfalls hat sie gerade ein paar Probleme mit Pino. Der kleine Kläffer stellt ihr die Bude auf den Kopf, wenn sie nicht da ist. Ich muss sagen, ich fand die Geschichten sehr amüsant. Sie hat schon einen Sessel und eine Pfanne eingebüßt.«

»Eine Pfanne?«, fragte Calvin ungläubig. »Wie hat er die denn kaputt bekommen?« Er griff nach einem Sofakissen und zog es sich auf den Schoß, lehnte sich zurück.

»Das ist eine komische Geschichte. Gerda hatte Bouletten gebraten und ...«

»Ich ahne, wohin das führt«, wurde sie von Paul unterbrochen.

Calvins Mutter lachte und nickte, fuhr dann in ihrer Erzählung fort. »Sie hat die Bouletten zwar aus der Pfanne gerettet, aber die Reste ihres ach so kostbaren Bratöls mussten erst abkühlen und die Zeit hat Pino genutzt. Er ist auf einen Stuhl gesprungen, von dort aus auf den Herd, wo er ein paar ansehnliche Schrammen auf dem Cerankochfeld hinterlassen hat. Der Dummbatz hat doch tatsächlich die Pfanne über den Rand geschoben. Es muss ein mächtiges Geschepper gegeben haben. Jedenfalls ist der Griff der Pfanne beim Sturz abgebrochen und das Bratöl verteilte sich großzügig über den Boden, die Schränke, den Essplatz und ist sogar bis an die Wände gespritzt. Für Pino hieß das: Es ist angerichtet. Für Gerda bedeutete es einen langen Putztag.«

»Unfassbar«, murmelte Calvin und schüttelte den Kopf.

»Ich habe ihr ja gleich gesagt, dass ein Jack Russell Terrier kein Schoßhund ist. Der will ausgepowert werden.«

»Tante Gerda hatte ihr Leben lang Jack Russell, Paul«, fuhr Calvin seinen Freund an. »Das habe ich dir doch erklärt. Sie kennt sich mit dieser Rasse aus. Pino ist einfach nur ein außergewöhnlicher Hund.«

»Ja, das muss ich auch sagen«, pflichtete ihm seine Mutter bei. »Wir kennen Gerda ja schon gar nicht mehr ohne Hund und bis jetzt hat sie noch jeden in den Griff bekommen, aber Pino ...« Sie schüttelte den Kopf. »Na, noch ist nichts verloren, er ist ja noch jung. Ansonsten geht es ihr so hervorragend wie immer. Was ist mit deiner Familie, Paul? Sind alle wohlauf?«

»Es geht allen prächtig«, nickte Paul. »Meine Schwester erwartet Nachwuchs.«

»Oh, das ist wundervoll! Bestell Hanna einen lieben Gruß von mir. Wann ist es denn soweit?«

»Im Juni, es wird ein richtiges Sommerkind«, erklärte Paul.

Grau-grüne Augen, ganz ähnlich seinen eigenen, richteten sich auf Calvin. »Das heißt, ihr werdet bald Onkel. Ist das nicht toll? Oh, ich könnte eine kleine Mütze für den Nachwuchs häkeln.«

»Ich werde nicht Onkel, Mum«, konstatierte Cal, »nur Paul. Wir sind schließlich nicht verheiratet.«

»Na, ihr gehört doch aber zusammen, da brauchst du das nicht so eng sehen.«

Fester gruben sich Cals Finger in das Kissen auf seinem Schoß, doch er sparte sich eine Antwort.

»Über eine selbst gehäkelte Mütze würde sich Hanna sicherlich freuen«, sagte Paul. »Es ist ja ihr erstes Kind, sie braucht also eine komplette Grundausstattung.« Er lachte. »Sie läuft schon jetzt durch die Läden und bringt die Kreditkarte ihres Freundes zum Glühen.«

»Oh, ich war damals genauso! Ich habe mich so darauf gefreut, Mutter zu werden. Kaum, dass der Arzt es bestätigt hat, bin ich losgelaufen und habe kleine Strampler und Jäckchen geholt.« Sie sah nun wieder zu Calvin. »Dein Vater hat als erstes sein Arbeitszimmer geräumt, die Hände in die Hüften gestemmt und gesagt ›Das hier wird sein Zimmer‹ .« Lachend schüttelte sie den Kopf. »Er hat immer gesagt, er hat von Anfang an gewusst, dass du ein Junge wirst.« Cal musste schmunzeln, doch der Ausdruck, der nun in die Augen seiner Mutter trat, ließ ihn die Luft anhalten. »Es war so schön, dich aufwachsen zu sehen, das Trappeln kleiner Füße auf der Treppe und dein Lachen.«

Sie würde so gern Oma werden. Cal sah es ihr an, wann immer sie auf dieses Thema zu sprechen kamen. Der sehnsüchtige Blick, das kleine Lächeln, die stumme Bitte, die sie nie aussprechen würde. Sie wünschte es sich so sehr und sie wäre eine großartige Großmutter. Sie würde ihren Enkeln backen beibringen und vorlesen, würde sich auf ihre Phantasiespiele einlassen, wie sie es damals bei ihm gemacht hatte. Sie würde ihnen Wurzeln schenken und Flügel verleihen, würde sie aufrichtig lieben und ... Calvin senkte den Blick und griff schnell nach seinem Weinglas, spülte den Kloß in seiner Kehle mit prickelnder Schorle hinunter.

»Ich freue mich schon sehr darauf, meine Nichte oder meinen Neffen zu uns einzuladen, ihnen Donatello vorzustellen und mit ihnen zu spielen. Das wird großartig.«

Calvin hätte nie gedacht, einmal froh über Pauls Worte zu sein, aber jetzt retteten sie ihn vor Schlimmerem.

»Wie geht es Donatello? Hat er den Winter gut überstanden?«

Dankbar für den Themenwechsel nickte Cal. »Ja, das hat er wirklich. Er wird langsam aktiv. Ich muss noch sein Außengehege vorbereiten, bevor er wieder hinein kann.«

»Ist das wirklich so eine gute Idee, ihn den ganzen Tag auf dem Balkon zu lassen?«

Calvin lachte amüsiert. »Mum, das machen wir seit Jahren so. Bei warmen Temperaturen schläft er doch auch draußen. Erinnerst du dich, wir haben die Wohnung extra deshalb mit Balkon ausgesucht.«

»Ja, ich weiß schon. Trotzdem ...«

»Und er ist Grieche. Er ist an warme Temperaturen gewöhnt.«

»Schatz, er kommt aus dem Tierheim an der Dearborne und nicht aus Griechenland.«

»Ach was«, winkte Cal ab, »das liegt in seinen Genen, da bin ich mir sicher. Und er entwickelt sich prima. Er wird uns eh alle überleben.«

»Da hast du Recht«, pflichtete ihm seine Mutter bei.

»Zumindest ist das sehr wahrscheinlich. Jedenfalls kann er noch mit unseren Enkeln Sirtaki tanzen.«

Diese Aussage brachte Mary Farlane zum Lachen. Sie richtete ihren Blick auf ihren Sohn, während ihr Schwiegersohn - und als solchen betrachtete sie Paul seit Langem - weiter von seiner Schwester und deren früher Schwangerschaft berichtete. Ein Lächeln stand auf Calvins Gesicht, das seine Augen allerdings nicht erreichte. Es war ein Lächeln, das sie seit Längerem bei ihrem Sohn beobachtete. Sie kannte ihn wie niemand sonst ihn kannte und doch konnte sie nicht sagen, wo dieses Lächeln herrührte. Nicht direkt das Lächeln, sondern die Kälte darin, der Ausdruck dahinter.

Sie ahnte sehr wohl, dass ihren Sohn etwas beschäftigte, worüber dieser nicht mit ihr sprechen wollte. Nicht mit ihr und auch nicht mit ihrem Ex-Mann, mit dem sie darüber gesprochen hatte. Sie konnte nur hoffen, dass Calvin wenigstens mit Paul sprechen konnte. Wenn nicht mit ihnen oder mit seinem Freund, mit wem sollte er sonst reden? Calvin hatte nicht viele Freunde, das wusste sie. Er war nie der Typ für viele Freundschaften gewesen, aber er erzählte ab und an von einer Lucy und auch von einem Twin, der wohl so hieß, weil er angeblich irgendjemandem sehr sehr ähnlich sah, aber sie hatte vergessen, wem. Es war eine berühmte Persönlichkeit gewesen. Doch beide kannte er noch nicht so lange.

Als sie ihren Sohn zum Abschied umarmte, spürte sie die Anspannung seiner Muskeln. Seine Körperwärme drang zu ihr, die sanfte Duftmischung seines Deos, seines Aftershaves und des Waschpulvers, das er benutzte, stieg ihr in die Nase und sein Haar kitzelte ihre Wange.

»Geht es dir gut, Cally?«, fragte sie zärtlich. Sie spürte, wie er erst die Luft anhielt und dann langsam weiteratmete. Seine Antwort kannte sie, bevor er sie aussprach.

»Ja, Mum. Mir geht es gut.«

Sie nickte und entließ ihn aus der Umarmung, lächelte ihn liebevoll an. »Gut. Kommt gut nach Hause.« Mary umarmte auch Paul, strich ihm über den Rücken und sah den beiden dabei zu, wie sie in den Fahrstuhl einstiegen und davonfuhren. Seufzend schloss sie die Wohnungstür.

***

Für seine Beziehung hatte der Valentinstag vielleicht keine Bedeutung mehr, aber als er an diesem Freitagnachmittag das kleine Geschäft betrat, zwei Tage vor diesem Tag der Liebenden, wusste Calvin genau, für wen er hier etwas kaufen würde. Der letzte Besuch bei seiner Mum hatte ihn darin bekräftigt und so sah er sich nun lächelnd wieder den Regalreihen gegenüber.

Evelyn beriet gerade einen anderen jungen Mann, also wartete er, bevor er auf sie zutrat und ihr Lächeln erwiderte.

»Hallo, Mrs. Larkin.«

»Ach, ich bitte Sie. Sie entwickeln sich zu einem Stammkunden, sagen Sie ruhig Evelyn zu mir. Womit kann ich Ihnen denn heute behilflich sein?«

»Nun, der Valentinstag steht vor der Tür.« Calvin atmete tief ein. Der heimelige Kakao-Duft, den er jedes Mal gern in eine Dose sperren und mit nach Hause nehmen würde, hüllte ihn ein wie eine warme, weiche Bettdecke.

»Hm. Und für wen suchen Sie etwas?«

»Um ehrlich zu sein, für meine Mum.« Evelyns Augenbrauen flogen nach oben, was Calvin dazu veranlasste, sich verlegen lachend durchs Haar zu streichen. »Ist das so außergewöhnlich?«

»Außergewöhnlich vielleicht nicht, aber selten schon.«

»Hm.« Calvin deutete auf die Theke, hinter deren Glasscheibe die Auswahl an Pralinen lag. »Würden Sie mir wieder so eine Probierschachtel zusammenstellen? Nur nichts mit Nüssen, das mag sie nicht.«

»Gern.« Während sie begann, die Pralinen einzupacken, öffnete sich erneut die Ladentür. In diesen Tagen war deutlich mehr los im Laden.

»Mir haben die Pralinen mit den Kakaosplittern auch gut geschmeckt. Aber ich glaube, mein Favorit bleibt die Schokoschaum-Karamell-Praline.« Eine ältere Frau drängte hinter Calvin vorbei und blieb an seiner Umhängetasche hängen. Er entschuldigte sich und trat einen Schritt vor. »Du meine Güte. Unten muss ja die Hölle los sein, bei so vielen Kunden.«

Evelyn lächelte. »Sie verkriechen sich nach dem Aufstehen dort unten und kommen vor dem späten Abend nicht mehr heraus. Wie kleine Vampire.« Sie schob den Deckel auf die Schachtel. »Aber das gehört dazu. Wir beklagen uns nicht. Ohne Kunden würde das Geschäft ja nicht funktionieren.«

»Wem sagen Sie das?« Lächelnd tauschte Calvin die Papiertüte gegen Bargeld. »Es stimmt so. Dann wünsche ich noch einen umsatzreichen Tag und so liebe Kunden wie mich.« Er zwinkerte Evelyn zu.

Die lachte auf. »Danke. Das können wir immer gebrauchen.«

Lächelnd wandte sich Calvin zum Gehen, hielt aber noch einmal inne. »Bestellen Sie Leo einen Gruß von mir?«

»Natürlich, gern.«

»Danke.« Calvin schob sich durch zwei kichernde Teenager-Mädchen und trat nach draußen. Im Bus, die Papiertüte sicher auf dem Schoß, kam ihm der Gedanke, dass er wohl nie etwas online bestellen, sondern den Larkins immer persönlich einen Besuch abstatten würde.

Liebe schmeckt wie Schokolade

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