Читать книгу Der rote Hahn - Axel Rudolph - Страница 3
ОглавлениеWalter Münch kommt von Masnedsund her. Vor ihm liegen die roten Ziegeldächer von Vordingborg mit dem darüberwuchtenden Gemäuer des altehrwürdigen, runden und dicken Gänseturmes aus den Tagen König Waldemars, um ihn die blühenden Felder und satten Wiesen Seelands, hinter ihm der kleine Fischereihafen Masnedsund, in dem der Fischkutter „Baltasar“ liegt, mit dem rotnasigen, groben Skipper Hinrichsen an Bord.
Münch hat vor einer Stunde einen furchtbaren Krach mit diesem Skipper gehabt. Das heißt: Eigentlich ist immer Streit und Zank gewesen zwischen ihm und dem Alten, seitdem die „Baltasar“ hier in den dänischen Gewässern kreuzt. Heute aber war das Maß voll gewesen. Skipper Hinrichsen hat außer den Salzheringen, die er in Masnedsund gekauft hat, auch noch eine hübsche, runde Ladung Sprit an Bord nehmen wollen. Da hat Münch energisch aufgemuckt. „Ich fahr auf ’nem Fischkutter, Skipper, nicht auf ’nem Spritschmuggler! Verstanden?“ Und als der Alte saugrob geschimpft und erklärt hat, er verzichte darauf, einen so frechen und unbotmäßigen Maat an Bord zu haben, hat Walter Münch kurzerhand seinen kleinen Seesack über die Schulter geworfen und der „Baltasar“ den Rücken gedreht.
Rechts von der Straße blinkt durch grünen Buchenwald hindurch das blaue Wasser des Sundes. Halb versteckt hinter den Bäumen, lugen langgestreckte Gebäude, still zurückgezogen, von der Straße durch Wald und wohlgepflegte Gärten getrennt: die Landes-Irrenanstalt Oringe. Walter Münch sieht, wie eben ein Mann in dunkelblauen Tuchhosen und einer weißen Uniformjacke aus dem freundlichen Pförtnerhäuschen kommt und das grüne Gittertor öffnet. Ein Mädchen tritt auf die Straße hinaus.
Auch sie geht langsam in der Richtung auf Vordingborg zu, kaum zehn Schritt vor Walter Münch. In einer Minute kann er sie mit seinen weitausgreifenden Schritten überholen. Aber er tut es nicht. Er verlangsamt sogar sein Tempo. Das Gesicht des Mädchens kann er nicht sehen, aber ihre ganze Haltung drückt eine so tiefe Trauer und Niedergeschlagenheit aus, daß er ein Gefühl hat, als müsse er auf den Zehenspitzen an ihr vorbeischleichen. Die Hand, die eine kleine braune Reisetasche hält, hängt schlaff neben dem hellen Sommerkleid hernieder, der etwas vornübergebeugte Rücken zuckt in kurzen Zwischenräumen, die Füße machen kleine, unsichere Schritte.
Jetzt bleibt das Mädchen stehen, mitten auf der einsamen Allee; ein leises Schwanken geht durch ihren Körper. Walter Münch macht ein paar lange Schritte und rafft die Sprachkenntnisse zusammen, die er sich voriges Jahr erworben hat, als er auf der dänischen Brigg „Saltholm“ fuhr.
„Ist Ihnen nicht wohl, Fräulein?“
Aus einem traurigen, blassen Gesicht starren ihn ein Paar große, dunkle Augen einen Augenblick verständnislos an.
„Geben Sie mal Ihr Köfferchen her, Fräulein!“ Walter Münch löst sanft die Reisetasche aus der schlaffen Hand des Mädchens und weist mit dem Kinn nach der Stadt hin. „Ich glaube, wir haben denselben Weg.“
Das Mädchen antwortet nicht. Willenlos schreitet sie neben dem Manne her, der sich bemüht, seine langen Schritte ihrem Gang anzupassen. In ihren Ohren klingen immer noch die Worte, die vor wenigen Minuten der weißhaarige, gütige Chefarzt da drüben gesprochen hat: „Wir hatten ja Ihre neue Anschrift nicht, Fräulein Hvid. Die Benachrichtigung ging an die Landwirtschaftliche Hochschule in Kopenhagen, wo Sie früher waren. Glauben Sie mir, es war so das Beste für Ihre Frau Mutter. Gesund wäre sie leider nie geworden, und sie hat furchtbar gelitten.“
‚Sie hat furchtbar gelitten.‘ Nichts anderes ist in Ragna Hvids Bewußtsein zurückgeblieben, nichts von all den tröstenden, guten Worten, die der Chefarzt nachher noch zu ihr gesagt hat, nichts als dieser eine Satz.
„Meine Mutter ist in der Irrenanstalt gestorben,“ sagt sie ganz plötzlich laut mit einer spröden, trockenen Stimme. Walter Münch wirft einen mitleidigen Seitenblick auf das Mädchen und schweigt. Was soll man dieser traurigen, leiddunklen Stimme antworten? Zu schönen Sprüchen reicht sein bißchen Dänisch nicht, und was bedeuten auch alle gutgemeinten Worte einem solchen Fall. Münch ist erst vierundzwanzig, aber auch er weiß schon, wie es tut, wenn man seine Mutter verliert.
Stumm gehen sie nebeneinander her, Ragna Hvid ist dem Mann dankbar für sein ernstes Schweigen. Da ist die Ruine der alten Waldemarsburg, da die Algade mit ihrem provinzialen Leben, da der kleine Bahnhof. Und plötzlich packt Ragna Hvid eine jähe Angst vor dem Alleinsein auf der langen Fahrt nach Jütland, vor den neugierigen Blicken der Mitreisenden, den unvermeidlichen Fragen, vor allem aber vor dem Alleinsein mit ihren Gedanken. Kann man das aushalten, nach dieser Stunde ruhig, als sei nichts besonderes geschehen, in einem Abteil zu sitzen, zwischen schwatzenden, fremden Menschen, auf dem Fährschiff die leuchtenden Lichter sehen, das fröhliche Gedränge um den langen, hübsch gedeckten und mit Sommerblumen geschmückten Kaffeetisch in der Kajüte? Muß man nicht laut aufschreien? Oder irgend etwas tun, etwas Gewaltsames, Schreckliches, um sich Luft zu schaffen? Die Notbremse ziehen, die Scheiben einschlagen, zertrümmern, zerschellen? Damit die anderen es auch merken, daß das Leid an Bord ist?
„Wenn ich Ihnen sonst noch behilflich sein kann, Fräulein?“ sagt Walter Münch fragend, indem er das Köfferchen zurückgibt. Ragna Hvid schaut auf, zum ersten Male voll und mit Bewußtsein ihrem Begleiter ins Gesicht.
„Sie sind nicht hier aus Vordingborg, nicht wahr?“
„Nicht weit von hier, Fräulein. Bloß die Ostsee liegt dazwischen.“
Ragna merkt erst jetzt, daß der Mann das Dänische mit einem typisch deutschen Akzent ausspricht. Sie nickt verstehend.
„Ja, man hört es, daß Sie aus Deutschland sind.“
„Das freut mich.“ Walter Münch fühlt das Bedürfnis, das junge Mädchen etwas abzulenken von seinen schweren Gedanken. „Ich heiße Walter Münch. Bin eben erst da hinten in Masnedsund abgemustert. Konnte mich mit dem Skipper nicht vertragen. Na, und jetzt will ich mal so’n bißchen durch Dänemark tippeln und zusehen, wo ich Arbeit kriegen kann.“
„Auf einem Schiff?“
„ Muß nicht unbedingt sein. Hab sogar ziemlich die Nase voll von der christlichen Seefahrt. Ich bin nun mal kein Seemann, Fräulein. Hab nur so zugegriffen vor ein paar Jahren, weil ich nicht arbeitslos in Kiel herumliegen wollte. Eigentlich bin ich gelernter Maschinenschlosser. Und meine Eltern waren Bauern. Am liebsten möchte ich wieder aufs Land.“
Das Läutewerk neben dem Bahnhof schlägt an. Menschen drängen durch die Tür in die kleine Vorhalle. In fünf Minuten muß der Zug da sein und hält nur kurz hier in Vordingborg. Ragna Hvids Gesicht zuckt nervös. Während sie ihrem Begleiter die müde Hand zum Dank hinstreckt, fährt ihr der Gedanke durch den Kopf, daß es gut sein müßte, diesen Mann auf der langen Reise neben sich zu wissen, diesen Mann, der zu schweigen versteht, weder neugierige Fragen stellt, noch billige Trostworte gibt. Man wäre nicht allein und brauchte doch nicht zu reden, wenn man nicht will. Impulsiv sieht sie zu Walter Münch auf.
„Wenn Sie wirklich auf dem Lande arbeiten wollen, dann sollten Sie zu uns hinüberkommen nach Jütland. Vielleicht könnte ich Ihnen behilflich sein.“
Münch ist ein Mann, der gewohnt ist, rasche Entschlüsse zu fassen. Er denkt nicht lange nach. Einen bestimmten Plan für die nächst Zukunft hat er sowieso nicht. Es ist gleichgültig, ob er hier auf Seeland nach Arbeit sucht oder erst mal nach Jütland fährt und sich dort umsieht. Und das traurige Mädchen da gefällt ihm.
„Wenn Sie meinen, daß in Jütland was zu machen ist, Fräulein — ich kann’s ja versuchen. Nur ...“
„Ich will gern die Fahrkarte für Sie auslegen, wenn Sie vielleicht ...“
„Das lassen Sie man, Fräulein!“ Walter Münchs Tatze legt sich rasch auf die Hand, die unwillkürlich nach dem Täschchen gegriffen hat. „So abgebrannt bin ich nun nicht, daß ich meine Fahrkarte nicht selber bezahlen kann. Ich meinte nur: Ich kann Ihnen doch nicht auf der Reise lästig fallen. Sie wollen doch sicher jetzt allein sein.“
„Nein — nicht allein!“ stößt Ragna Hvid fast angstvoll hervor. „Aber wir müssen uns beeilen, wenn Sie wirklich mitfahren wollen. Der Zug ...“
*
Ganze zwölf Kronen kostet die Fahrt von Vordingborg nach Randers, das Ragna als Ziel angegeben hat. Münch hat nur eine unbestimmte Ahnung, wo Randers liegt. Irgendwo ganz im Norden der jütischen Halbinsel.
„Eigentlich hatte ich mir ja erst mal das Städtchen da so’n bißchen ansehen wollen,“ denkt er, als er im Zuge sitzt und die zierlichen, rotbedachten Häuschen verschwinden sieht. „Statt dessen geb ich gleich ein Viertel meiner ganzen Barschaft auf einen Schlag aus und fahr nach Jütland. Na, es kommt immer anders im Leben, als man sich’s denkt, und das Mädchen ...“
Münch betrachtet verstohlen die ihm gegenüber Sitzende. Sie hat die Augen geschlossen und lehnt mit blassem, müdem Gesicht in ihrer Ecke. Schön ist dieses Gesicht nicht. Die breite Stirn trägt bereits ganz feine Faltenlinien, der Mund ist schmal und hart, und der Hals, der aus dem Einsatz des Sommerkleides hervorschaut, ist ein wenig hager. Aber irgend etwas Rührendes geht von diesem leidvollen, bitteren Gesicht aus, das ihn sympathisch berührt. Außerdem hat das Mädchen eine gesunde, kräftige Gestalt.
Die Reise von Vordingborg bis nach Jütland ist lang und umständlich. Umsteigen und stundenlanges Warten auf der kleinen Station Slagelse, bis man Anschluß erhält an den von Kopenhagen kommenden Schnellzug. Dann wieder in Korsör umsteigen auf das Fährschiff. Drüben, jenseits des Großen Belt, wieder in den Zug. Quer über die Insel Fünen bis zum Kleinen Belt. Abermals Fahrt mit dem Fährschiff von Middelfart nach Fredericia hinüber. Es ist bereits Nacht, als man den Kleinen Belt erreicht.
Ragna Hvid hat geschwiegen, stundenlang, und Walter hat dieses Schweigen geachtet. Wenn er ein Mann von Welt gewesen wäre, so hätte er ja wohl versucht, das Fräulein durch gewandte Erzählungen aufzuheitern und von seinem Leid abzulenken. Aber er ist nur ein einfacher Arbeitsmann. Er kann keine schönen Sprüche machen, keine „Konversation“ herbeizaubern, er kann nur taktvoll schweigen, wenn er nichts Vernünftiges zu sagen weiß. Aber selbst für das größte Leid wird dieses dauernde Schweigen unerträglich. Ragna Hvid fühlt selber, daß es besser sein wird, ein Gespräch anzuknüpfen, um ein wenig von den traurigen Gedanken abzukommen. Sie nickt dem Mann, der ihr auf der Fähre mit einer unbeholfen ritterlichen Bewegung das Plaid um die Schultern gelegt hat, dankbar zu.
„Wir werden rasch eine Arbeit für Sie finden, Herr Münk.“ Sie spricht den Namen Münch dänisch aus.
„Haben Sie selber da oben ein Gut, Fräulein? Oder Ihr Vater vielleicht?“
Ragna Hvid schüttelt den Kopf. „Nein, ich bin Landwirtschaftskonsulentin in Höjris bei Randers. Wissen Sie, was das ist?“
„Hm, ja.“ Ganz klar ist ihm der Begriff nicht. „Ein Konsulent, das ist doch einer, den man um Rat fragt, nicht? So, wie es Rechtskonsulenten gibt?“
„Ganz recht, Herr Münk. Jemand, der den Bauern mit Rat und Tat unentgeltlich zur Seite steht, sie auf dem laufenden hält über den neuesten Stand der Landwirtschaft, ihnen hilft beim Ankauf von Maschinen, von Saatkorn, bei der Obstzucht und dergleichen. Wir müssen die landwirtschaftliche Hochschule besucht und auch zwei Jahre praktisch gearbeitet haben. Dann werden wir vom Staat angestellt und besoldet. Das heißt, ich bin vorläufig erst auf ein Probejahr nach Jütland geschickt worden.“
Walter Münch hat keine Ahnung von Dänemark. Er kennt nur ein paar der kleinen Häfen unten an der Südküste. „Allerhand Achtung,“ meint er darum erstaunt, „da muß die Landwirtschaft bei Ihnen ja schon mächtig vorgeschritten sein.“
Zum ersten Male stiehlt sich ein ganz leises Lächeln um Ragna Hvids strengen Mund. „Dänemark ist ein Bauernland, Herr Münk. Sogar aus Australien und Kanada kommen oft die Landwirte hierher, um unsere Betriebe kennenzulernen.“
„Und Ihr Vater?“
„Meinen Vater hab’ ich nie gekannt,“ sagt Ragna Hvid, und das kleine Lächeln ist wieder verschwunden. „Er starb ein Jahr nach meiner Geburt. Und meine Mutter ...“
Nun muß Walter Münch doch davon sprechen. Er greift beruhigend nach der Mädchenhand, die wieder nervös zu zucken begonnen hat, und sagt fast dasselbe, was heute mittag der Chefarzt in Oringe gesagt hat:
„Vielleicht war es das Beste für Ihre Mutter, Fräulein Hvid. Eine alte Frau ...“
„Meine Mutter war erst vierundvierzig Jahre alt,“ sagt Ragna Hvid tonlos. Münch macht verwunderte Augen.
„Wirklich? Wie alt sind Sie selbst denn, wenn die Frage erlaubt ist?“
„Ich bin einundzwanzig geworden.“
Münch schweigt erstaunt. Er hätte dies strenge, harte Gesicht auf mindestens achtundzwanzig, wenn nicht gar dreißig Jahre geschätzt. Aber vielleicht machte nur das Leid dieses Gesicht so alt.
„Ich weiß, daß ich älter aussehe,“ sagt Ragna Hvid bitter. „Alle halten mich für eine Dreißigerin.“
Dann schweigen sie wieder beide.
*
Der Nachtschnellzug von Fredericia nach Aalborg donnert durch das jütische Land. Walter Münch ist eingeduselt auf seinem Sitz. Ragna Hvid betrachtet still sein im Schlaf etwas töricht aussehendes Gesicht. Ihr Blick gleitet bald darüber hinweg, weit, weit zurück in eine freudlose, kalte Jugend. Ein paar lustige Sommertage unter den Kameraden auf der Hochschule, eine kleine, harmlose Liebelei, die in Nichts zerstob. Ragna Hvid war eben zu streng und kalt, um sich einer Freude ganz hingeben zu können. Nicht, daß es in ihrem Leben keine hellen Tage gegeben hätte. Es waren genug Tage und Wochen da, die wert gewesen waren zu leben, sonnige Wochen auf dem blauen Oeresund, in den Buchenwäldern Seelands, auf weiten Wanderungen durch Jütlands roggenschwere Fluren, Wochen voll glühenden Arbeitseifers, gekrönt von glücklichen Erfolgen. Aber über all diesen Wochen und Tagen lag immer die Schwermut, die einen Schatten warf über die hellste Sommersonne. Und ein Tag ist da vor allem, ein Tag, der schon acht Jahre zurückliegt und von dem Ragna Hvid trotzdem nie loskommt: Jener Tag, da sie als Dreizehnjährige, als durch das Leid der Mutter viel zu früh reifes Mädchen, mit leergeweinten Augen der schwarzen, verschlossenen Kutsche nachsah, die ihre Mutter für immer fortführte — in die Irrenanstalt.
Ragna Hvid preßt die Lippen zusammen, bis sie ein schmaler, böser Strich werden, und starrt über Walter Münchs Kopf hinweg trostlos auf den Tag, der ihr junges Leben vergiftete.
In Aarhus wird Münch jählings wach. Leute sind in das Abteil eingestiegen, zwei schwergliederige, breite Männer, typische Bauerngesichter, die Ragna sogleich mit derbem Handschlag laut begrüßen, zwei Hofbesitzer aus der Randers-Gegend.
„Seh, seh! Fräulein Hvid! Wohl in Kopenhagen gewesen zur Landwirtschaftlichen Ausstellung, was?“
Walter Münch wundert sich ein wenig, daß das Fräulein Hvid ihren Bekannten gegenüber gar nichts erwähnt von dem Tod ihrer Mutter. Sie antwortet kurz und knapp auf die Fragen, aber die beiden gemütlichen Landwirte lassen sich nicht stören. Der eine ist ein bekannter Viehhändler, der eben auf dem Markt in Aarhus einen guten Abschluß gemacht hat, und auch sein Kamerad ist in offensichtlich guter Stimmung. Sie behandeln Fräulein Hvid mit kameradschaftlicher Vertraulichkeit. Ein paar lustig-derbe Worte über die Stadt und ihre kleinen Vergnügungen, dann springt das laute Gespräch rasch über auf die Landwirtschaft. Ob das Wetter sich bis zur Ernte halten wird? Namen von Höfen und Bauern schlagen an Walters Ohr, Namen von Getreide- und Obstsorten, Saatkorn, Viehfutter. Und dann die Leute! Es ist ein Elend mit den Leuten heutzutage. Die jungen Burschen, die nicht selber bodenansässig sind, drängen in die Stadt, kaum, daß man noch einen vernünftigen Stamm von Landarbeitern bekommen kann. Ragna Hvid macht plötzlich mitten im Gespräch eine Bewegung nach Walter Münch hin.
„Der Mann hier sucht auch Arbeit oben bei uns. Ich kann ihn empfehlen.“
„Seh, seh!“ Der behäbige Großbauer betrachtet Walter Münch mit erwachtem Interesse. „Verstehen Sie denn was von der Landwirtschaft?“
Walter nickt. „Meine Eltern waren Bauern. Wir hatten zu Hause immer die dicksten Kartoffeln.“
„Der ist gut,“ lacht schallend der Landwirt, und der Viehhändler, der überall herumkommt und jeden Hof und seine Verhältnisse kennt, fügt nachdenklich hinzu:
„Wenn er Arbeit sucht ... Am besten geht er da gleich zu Poul Nielsen nach Kjelderup. Der sitzt hart drin. Sein Großknecht ist eingezogen worden zu den Dragonern.“
Münch blickt fragend zu Ragna hinüber. Aber die hat bei den Worten des Viehhändlers wieder die Augen geschlossen. Ihr Gesicht ist hart wie Stein.