Читать книгу Diamanten in Lüderitzbucht - Axel Rudolph - Страница 4
Erstes Kapitel
Оглавление„Der Diamantberg,“ sagt Karl Staupe kurz, mit dem Kinn hinüberdeutend zu der gelben Kuppe, die sich über den Sandwellen und den armseligen, niedrigen Lagerschuppen und Häusern von Lüderitzbucht erhebt. Er sagt es ohne jede Beziehung auf die kostbaren Glitzersteine, und auch seine Begleiterin legt keinen Sinn in das Wort. Es ist nur ein Name. Der Berg heißt der „Diamantberg“, wie der Watzmann eben Watzmann heißt.
Man schreibt das Jahr 1908, und die Siedlung hier an der afrikanischen Küste ist immer noch eine Sammlung primitiver Häuser, ein kleiner, bedeutungsloser Ladeplatz. Niemand verbindet mit dem Wort „Diamantberg“ einen tieferen Sinn.
„Dazu hat man nun des Herrgotts märkische Sandstreubüchse verlassen, um hier unten Hunderte von Meilen in noch tieferem, unfruchtbarerem Sand herumzuwaten.“
Karl Staupe zuckt die Achseln und wirft im Weiterreiten einen höhnischen Blick über die Schulter nach den von der Sonnenglut ausgetrockneten, öden Schuppen der „Stadt“. „Zum Glück ist die Bahn bald fertig, und ich kann wieder nach Windhuk abschwirren. Schätze, Sie werden auch nicht alt werden in diesem gottverlassenen Kral, Fräulein Zoe.“
„Wer weiß, Herr Staupe?“ Zoe van Doemen läßt ihre Augen groß und ruhig über die gelben Hügelwellen gleiten. Ja, anders sieht es hier aus als drunten in Kimberley und Johannesburg, von Pretoria gar nicht zu reden. Aber gerade diese Einsamkeit, diese Ruhe einer Natur, deren Größe die paar winzigen Menschenameisen und ihre lächerlichen Werke hier aufsaugt, tut unendlich wohl nach dem Höllenfieber geldgieriger Massen, dem Strudel von Geschäften, überhastig emporschießender Städte da unten.
Karl Staupe mustert von der Seite her die Gestalt seiner Gefährtin. Donnerwetter, ist das Mädel ebenmäßig gewachsen! Und wie rank sie im Sattel sitzt! Das unter dem breiten Tropenhut hervorquellende nußbraune Haar, das feine Profil ihres sonnverbrannten Gesichtes, die großen, sonderbar dunkelblauen Augen —.
„Möchte wohl wissen, welcher Sklavenhändler Sie hierher in Gutzkes jämmerliche Begräbnis-Bar verschachert hat,“ sagt er aus seinen Betrachtungen heraus. „Wenn’s wenigstens noch Windhuk wäre!“
„Ich bin freiwillig hergekommen, Herr Staupe, und fühle mich bei meinem Chef, Herrn Gutzke, ganz wohl.“
„Freiwillig? Hm — na ja. Sklavenhändler ist der brave Gutzke aus Bütow im Pommerland allerdings nicht. Aber seine ‚Bar’ ist doch das jämmerlichste Hundeloch an der afrikanischen Küste. Was wollen Sie denn hier verdienen? Zahlen kann Ihnen Gutzke doch schwerlich viel!“
„Er und seine Frau sind sehr nett zu mir, Herr Staupe. Ich bekomme Kost und Logis. Muß man denn immer ‚verdienen’?“
Karl Staupe schweigt überrascht. Das ist ein ungewohnter Ton hier in Afrika. Selbstverständlich will man hier verdienen. Jeder, der hier ins Sonnenland gekommen ist, hat die stille Absicht, sich ein Vermögen zu schaffen. Karl Staupe schüttelt mißbilligend und verwundert den Kopf.
„Sie sind also nicht enttäuscht von den Verhältnissen, die Sie hier gefunden haben?“
„Nein. Es gefällt mir hier.“
Die Antwort ist so kurz und abschließend, daß Karl Staupe das Thema fallen läßt und schweigt. Er denkt sich sein Teil. Diese ungewöhnlich schöne und junge Dame, diese Zoe van Doemen, die da plötzlich in Gutzkes sogenannter „Bar“ aufgetaucht ist, hat natürlich ihre Gründe, warum sie lieber in Lüderitzbucht leben will als in Kapstadt oder Johannesburg. Aber nach so etwas fragt man besser nicht. Hier in Afrika fragt man überhaupt wenig nach der Vergangenheit. Ob einer ein tüchtiger und anständiger Kerl ist, das zeigt sich bald genug, und — das genügt. Was einer früher gewesen, ist ja so gleichgültig! Hier gilt nur das Jetzt.
Weiter geht der Ritt. Zoe van Doemens Körper strafft sich. Ihre Augen haben ein stilles Leuchten. Erinnerungsfetzen tauchen in ihr auf an die Kinderzeit, an Ritte mit dem Vater durch das Buschland am Vaal, an Koppjes und Farmen, Viehherden und knarrende Ochsentreks im Burenland. Freilich, etwas anders sieht die Gegend hier aus. So weit das Auge schaut, kein Baum, kein Busch, kein grünes Blatt! Nur Sand, heißer, gelber Wüstensand, bald endlose, glatte Flächen bildend, bald sich wölbend zu Dünenketten und Hügeln. Aber die große Einsamkeit ist dieselbe wie einst dort unten im Süden, der wolkenlose Himmel, die spitzen Sonnenpfeile und die ungeheure stille Weite der Natur, in der die kleinen Menschensorgen rettungslos versinken.
Karl Staupe hat einen Bogen beschrieben und lenkt sein Pferd wieder der Bahnlinie zu, die sich wie ein unscheinbarer Strich durch die Namibwüste zieht. Ein halbes Dutzend schwarzer Ameisen kribbelt dort drüben im Sande herum, schwarze Bahnarbeiter, die hier an der Lenz-Bahn tätig sind. Und da ist auch ein Haus, eine ausgedörrte Bretterbude, die fast erdrückt wird von den gelben Sandhügeln, die sie auf drei Seiten umschließen.
„Colmannskuppe nennt sich das hier,“ erläutert Karl Staupe und pariert seinen Gaul vor einem Streckenwärter, der beim Anblick der Reiter seine Arbeit eingestellt hat und grüßend durch den Sand heranwatet. „Tag, Mokat! Bauen Sie man Ihre Kulleraugen ab und machen Sie’n Windfang zu! Oder halten Sie uns für Wüstengespenster?“
Der Streckenwärter Franz Mokat grinst verwirrt, aber er findet keine passende Entgegnung. Er steht da und starrt noch immer mit offenem Munde das Wunder an, das vor ihm auf dem Pferderücken sitzt. Ein Mädchen, eine Frau — so schön, wie Franz Mokat in seinem dürftigen Leben noch keine gesehen hat. Fräulein Hilde Stein, die Tochter des Prokuristen Stein von der Lüderitzbuchtgesellschaft, ist gewiß auch nicht häßlich, aber sie hat etwas Herbes, Hartes in ihrem Gesicht und ihrem ganzen Wesen, ein Pionierskind, das man ebensogut für einen Jungen halten könnte, wenn sie zu Pferde sitzt. Die da ist trotz ihres Reitanzuges eine Frau, eine schöne Frau!
„Geistreich sehen Sie nicht aus, Mokat,“ spottet der Ingenieur Staupe. „Können Sie nicht wenigstens ihre Gedanken soweit sammeln, daß Sie uns einen Kaffee brühen?“
„Bißchen doof, wie wir in der Mark sagen,“ fährt er, zu Zoe gewendet, fort, als Franz Mokat schweigend in seine Hütte schlürft und den Petroleumkocher in Gang bringt. „Sonst aber kolossal fleißiger Kerl. Der beste und zuverlässigste Arbeiter, den wir hier an der Bahn haben.“
„Dann sollten Sie ihn nicht verspotten, Herr Staupe,“ sagte Zoe van Doemen ernst. „Er hat ein ehrliches, treuherziges Gesicht.“
„Treu wie Jold,“ bestätigt Staupe lachend. „Aber deshalb braucht er doch nicht dreinzuschauen wie ein Mondkalb! Haben Sie gesehen, wie er uns eben anglotzte?“
Ja, Zoe van Doemen hat es wohl gesehen. Franz Mokat hat nicht gelernt, sein Gesicht zu verschließen, und man kann wohl sagen, daß die Art, mit der er der fremden jungen Dame ins Gesicht starrte, wenig höflich war. Und dennoch hat Zoe van Doemen kein Gefühl aufdringlicher Belästigung dabei empfunden.
Daß Männer sie anstarrten, ist sie längst gewohnt, sie hat gelernt, all diese zudringlichen Blicke mit einem halb verächtlichen, halb verständnisvollen Lächeln abzuwehren.
Aber dieser schwerfällige Arbeitsmann hat sie vorhin ganz anders angeschaut. In seinen Augen war nichts von jener plumpen Schmeichelei, der zu begegnen, Zoe van Doemen sonst gewohnt ist. Nur grenzenloses Staunen war darin, ein fast anbetendes, ehrliches und wunschloses Bekenntnis: Wie schön bist du, fremde Frau! Ein wenig, ein ganz klein wenig hat diese unerwartete stumme Huldigung Zoe van Doemen aus dem inneren Gleichgewicht gebracht. Als Franz Mokat wieder aus der Tür tritt und ihr die Kaffeetasse reicht, eine sehr dicke, sehr geschmacklose Tasse, streifen ihre Finger leise seine Hand, und einen Herzschlag lang sieht sie ihm freundlich und tief in die staunenden Augen.
„Ich danke Ihnen, Herr Mokat.“
Franz Mokats Gesicht wird plötzlich krebsrot. Er gibt den Versuch, ein paar Worte zu stammeln, rasch auf, dreht sich um und verschwindet wieder in der Hütte.
„Mausetot,“ lacht Ingenieur Staupe. „Den haben Sie mitten ins Herz getroffen, schöne Zoe! Aber um den Erfolg ihrer Mühe ist mir verdammt bange. An dem braven Mokat wird die Bar schwerlich einen Kunden gewinnen. Der Mann ist von einer unheimlichen Solidität. Ich sage Ihnen: Der kommt nicht. Trotz Ihrer schönen Augen.“
Zoe schüttelt unwillig den Kopf. „Muß denn alles Geschäft sein, Herr Staupe?“
„Nicht gerade alles. Aber was anderes kommt hier doch wohl nicht in Betracht. Mokat, der Gute ...“
„Wir wollen zurückreiten!“ unterbricht Zoe kurz und wirft, als sie ihr Pferd wendet, noch einmal einen Blick nach der Hütte. Aber Franz Mokat bleibt unsichtbar. Erst als die Reiter bereits hinter aufwirbelnden Staubwolken in der Richtung nach Lüderitzbucht zu verschwunden sind, taucht er wieder auf. Traurig und nachdenklich steht er vor der Tür seiner armseligen Bude und blinzelt im grellen Sonnenschein den Entschwundenen nach, in den Händen ein wunderbares zartes, glattgegerbtes Antilopenfell. Eigentlich hat er die Absicht gehabt, die fremde Dame zu bitten, diesen seinen größten Schatz zur Erinnerung anzunehmen, aber dann ist ihm dieses Unterfangen wieder gar zu töricht und unbescheiden vorgekommen, und er hat so lange gezögert und mit sich selbst gerungen, bis es zu spät war.
Franz Mokat geht still wieder in die Hütte und birgt das Fell in seiner mit einem schweren Hängeschloß versehenen Holzkiste. Fünf Minuten später ist er wieder mitten unter seinen Arbeitern, bedachtsam und ruhig Anordnungen gebend und selber kräftig zupackend. Nichts in seinem Wesen verrät, daß eben zum ersten Male das überwältigende Erlebnis der Schönheit sein armes, kleines Leben gestreift hat.
*
„Hallo, Fräulein van Doemen! Löwen geschossen?“
Hilde Stein kommt aus dem „Kaufhaus“, wie die Bewohner von Lüderitzbucht das primitive Warenlager des einstigen Stewards Jan Weber nennen, und winkt den in gemächlichem Schritt Vorbeireitenden zu. Karl Staupe zieht die Zügel an und greift an seinen Hut.
„Fräulein van Doemen braucht nicht auf Safari zu gehen, um Waidmannsheil zu haben, Hildchen. Sie findet sogar auf einem kleinen Spazierritt bis Colmannskuppe ihre Beute.“
„Nanu, Staupe? Wollen Sie behaupten, daß Sie da etwas Jagdbares getroffen haben?“
„Nun zappeln Sie schon nach Ihrer Büchse!“ lacht Staupe. „Unnötig, Hilde. Für Sie ist das nichts. Aber Fräulein van Doemen hat wirklich etwas geschossen. Den braven Franz Mokat. Bums! Mitten ins Zentrum.“
„Lassen Sie doch die dummen Scherze!“ Zoe macht eine unwillige Handbewegung. „Ich mag das nicht, Herr Staupe.“
„Aber es ist doch wahr! Und ein famoser Witz ist es auch.“ Seine starken, weißen Zähne zeigend, wendet Staupe sich wieder an die ziemlich verständnislos dreinschauende Hilde Stein. „Gottvoll, sag’ ich Ihnen. Mokat sah kaum unsere schöne, neue Attraktion, da fiel er sozusagen um und war tot. Wenn’s nicht eben Franz Mokat wäre, würde ich sagen: Fräulein van Doemen hat von heute ab einen neuen, eisernen Stammkunden für Gutzkes Bar geworben.“
„Ach, so meinen Sie das!“ Nun lacht auch Hilde Stein herzlich. „Nee, Franz Mokat ist immun.“
Zoe fühlte einen heftigen Unwillen in sich emporsteigen. Etwas hochmütiger, als sie wollte, klingen ihre Worte: „Nach allem, was mir Herr Staupe erzählt, muß der Mann allerdings ein Musterbild sämtlicher Tugenden sein. Meinetwegen!“
„Ist er auch,“ bestätigt Hilde Stein ernsthaft. „Franz Mokat ist der beste Mann, den die Bahn in ihrem Betrieb hat.“
„Das hör’ ich nun schon zum zweiten Male,“ sagte Zoe ehrlich. „Es scheint fast, als ob dieser Herr Mokat das einzige Gesprächsthema hier in Lüderitzbucht ist. Außerdem finde ich es merkwürdig ...“ Sie bricht ihren Satz ab, unwillig auf sich selbst. Es hat doch keinen Zweck, wegen dieses gleichgültigen Bahnarbeiters sich mit den Leuten hier zu verfeinden. Aber Hilde Stein sieht sie mit ihren klaren, hellen Jägeraugen an.
„Was finden Sie merkwürdig, Fräulein van Doemen?“
Da wirft Zoe den Kopf zurück. „Daß sie alle sich über diesen Herrn Mokat lustig machen. Wenn er ein so guter Arbeiter ist ...“
„Na ja,“ fällt Hilde Stein gedehnt ein. „Fleißig und tüchtig ist er schon. Das erkennt jeder in Lüderitzbucht an. Und daß er sonst ein ehrlicher, solider und ruhiger Mensch ist, das nimmt ihm wohl auch keiner übel. Aber sehen Sie, Mokat ist wirklich ein bißchen zu ehrpusselig für unsere afrikanischen Begriffe. Er trinkt nicht. Er leistet sich nicht mal ’ne Flasche Bier, obwohl er es ganz gut könnte.“
„Ist das denn ein Fehler?“
„Alle trinken hier,“ sagte Hilde sachlich. „Ohne Alkohol könnten unsere Herren es hier einfach nicht aushalten. Sind darum noch lange keine Trunkenbolde. Aber Franz Mokat hat noch nie jemand ein Gläschen trinken sehen. Das mag ich nicht. Das ist übertrieben.“
„Und manchmal ist er auch wirklich ’ne Nummer zu schwerfällig und naiv,“ fügt Karl Staupe hinzu. „Wenn Sie ihn näher kennenlernen, Fräulein Zoe ...“
„Ich habe gar keine Veranlassung dazu ...“
„Ich meine ja nur so,“ beruhigt Staupe. „Hier kennt doch jeder jeden. Passen Sie auf, Fräulein Zoe, Sie werden bald genau so über Franz Mokat ulken wie wir. Ein bißchen Abwechslung braucht man hier nötiger als das liebe Brot.“
„Beleidigen Sie meinen Lokalpatriotismus nicht, Staupe!“ lacht Hilde Stein und reckt sich kampfbereit in den Hüften. „Lüderitzbucht wird allmählich Weltbad. Vor acht Tagen erst ist Fräulein van Doemen angelangt, und morgen gibts wieder Zuwachs. Die ‚Boma’ ist signalisiert.“
„Ein kleiner Küstendampfer,“ erläutert Staupe, zu Zoe gewandt. „Gondelt unregelmäßig zwischen Leonda und Kapstadt umher, führt aber außer einem Dutzend Nigger und Portugiesen selten etwas Interessantes an Bord.“
„Diesmal doch, Staupe. Freytag kommt mit der ‚Boma’.
„Max Freytag?“
„Derselbige. Großwildjäger, Prospektor, Afrikaforscher ...“
„Hören Sie auf, Hildchen, sonst glaubt Fräulein Zoe noch, der junge Mann sei eine Berühmtheit mit drei Sternen im Baedeker!“
„Ist er auch, lieber Staupe. Ein Mann, der in das Land hier paßt. Umsonst hat ihn Lord Hilgate nicht mitgenommen auf seine Expedition.“
Staupe zuckt unmutig die Achseln. „Von der Jagd versteht Freytag was. Das ist aber auch alles. Denn daß er mit einem verrückten Engländer ein Jahr lang erfolglos am Kunene und in Angola nach Gold oder Diamanten gebuddelt hat, kann ich nicht als etwas Hervorragendes betrachten. Aber natürlich — Sie sind ja seit jeher stark für Max Freytag gewesen.“
„Bin ich auch! Ich freue mich riesig, daß er zurückkommt.“
Karl Staupe blinzelt mit den Augen. „Haben Sie Erbarmen, Hildchen, und sagen Sie mir das nicht so glatt ins Gesicht! Warum nehmen Sie nicht mit mir vorlieb? Löwen und Elefanten schießen kann ich auch, wenn welche vorhanden sind. Ich bin auch sehr viel schöner als Freytag. Dazu: wohlbestallter Ingenieur, Junggeselle, nicht unvermögend ...“
„Bemühen Sie sich nicht, Staupe! Max Freytag hat trotzdem etwas, was Sie nicht haben.“
„Ich nehm’s ihm ab, Hildchen. Für Sie knoble ich mit ihm und gewinn’ ihm sein Zaubermittel ab!“
„Können Sie nicht. Freytag ist jung.“
Hilde Stein sagt es im Scherz, und Karl Staupe lacht dazu. Aber in seinem Lachen ist ein nicht ganz echter Ton. Verdammt auch, daß sie ihm das unter die Nase reiben muß! Zweiundvierzig Jahre, das ist doch kein Alter für einen Mann! Freilich, Hilde Stein zählt erst einundzwanzig, und Freytag — wie alt kann der sein? Höchstens sechsundzwanzig. Karl Staupe hat zwar seit einigen Monaten mit dem Gedanken geliebäugelt, Hilde Stein für sich zu gewinnen, aber wenn sie nicht will — so tief sitzt das Gefühl nun auch nicht. Es gibt noch andere Mädchen, die gottlob einen Mann wie Karl Staupe besser zu schätzen wissen, und die dazu noch schöner und liebenswerter sind als Hilde Stein. Jawohl, seit acht Tagen gibt es sogar so ein Geschöpf in dem sonst mit Frauen wahrlich nicht sehr gesegneten Lüderitzbucht: die schöne Zoe van Doemen!
„Also hissen Sie man die Fahne auf Ihrem heimatlichen Palast,“ mahnt Karl Staupe sarkastisch, dem jungen Mädchen vom Sattel herab die Hand reichend, „damit Master Freytag der gebührende Empfang zuteil wird! Wir wollen uns jetzt lieber mal bei Freund Gutzke vor Anker legen. Was meinen Sie, schöne Zoe, ich habe nach dem Ritt einen ausgewachsenen Durst! Darf ich hoffen, daß Sie mir den Labetrunk kredenzen?“
„Wenn Sie nicht wieder anfangen, von Franz Mokat zu reden.“
Karl Staupe lacht unbändig. „Jetzt reden Sie ja wieder von Ihrer Jagdbeute. Ich hatt’ ihn weiß Gott schon vergessen!“