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Im Büro des Oberbürgers
ОглавлениеFür Shabbadag Wixwurst vergingen die letzten zwölf Monate wie im Flug. Obwohl er in dieser Zeit kaum zum Fliegen kam! Das Innere seines FLUGS Raumgleiters sah er in diesem unseligen Jahr kaum. Was stand er nicht alles durch in jenen aufregenden Monaten! Interviews mit der Presse und im terranischen Ohrfunk. Auftritte im Teleguck. Befragungen vor diversen Ausschüssen. Verschiedenartige medizinische Untersuchungen, und noch mehr Interviews und Teleguck Auftritte. Der Absturz seines FLUGS Raumgleiters in Ostfriesland verursachte auf Terra derartigen Wirbel, wie er es nicht in den kühnsten Tagträumen erwartet hatte.
Vor 12 Monaten krachte Shabbadag mit seinem Raumgleiter auf dem Planeten Erde in einen Heuschober. An Bord befand sich eine Reisegruppe der Fisch und Chips Kooperative (FuCK). Glücklicherweise überlebten seine 10 Gäste und er den Absturz. Der Raumgleiter setzte die Scheune in Brand, war nicht zu retten und ordnungsgemäß durch den FLUGS Selbstzerstörungsmechanismus rückstandslos vernichtet worden. Jetzt saß Shabbadag mit der Reisegruppe in Ostfriesland in der Patsche. Strausselbert Eng, der Vorsitzende der Fisch und Chips Kooperative (FuCK) buchte die Tagesreise als Rundflug. Sie sollte wenige Stunden dauern, ein Ausstieg nicht eingeplant. Durch den Absturz wurde aus dem Rundflug ein Aufenthalt. Zwei Tage lang mussten sich die 11 Terraner in Ostfriesland unauffällig aufhalten. Das gestaltete sich nicht einfach. Reiseführer Shabbadag Wixwurst schwitzte in dieser Zeit mehr als einmal Blut und Wasser. Mit Glück entkamen die Gestrandeten in letzter Sekunde einem Polizeikommissar mit lustigen Hosenträgern. Scheinbar war er ihnen die ganze Zeit auf den Fersen. Kurz bevor das Rettungsraumschiff sie durch „Saugen“ an Bord holte, tauchte der Kommissar überraschend auf. Der beherzte Einsatz der Mitreisenden Sigrid Sörvis verhinderte Schlimmeres.
Unter normalen Umständen, wird eine Havarie auf dem Parallel Planeten Erde durch die ZZRNR, die „Zentrale Zur Rettung Nichtirdischer Reisender“, ohne Verzögerung bearbeitet. Die Verunglückten überführt man umgehend zurück nach Terra. Das beste Beispiel für eine optimale Rückholung, ist der reibungslose Ablauf nach einem Absturz im amerikanischen Ort Roswell. Einem FLUGS Raumgleiter ging aufgrund eines technischen Malheurs die Gleitcreme aus. Dieser Umstand führte zur unvorhergesehenen Landung. Damals funktionierte die Rettungskette einwandfrei. Die Havarierten holte man in kürzester Zeit ab, grobe Absturzspuren beseitigten ausgewählte Experten. Gleichzeitig verbreiteten Vertuschungsfachleute die üblichen Gerüchte von einem abgestürzten Wetterballon. So funktionierte eine professionell durchgeführte Rettungsaktion der ZZRNR.
Beim Absturz in Ostfriesland trafen unglückliche Umstände aufeinander, die eine professionelle Rettung verhinderten. Damals feierten alle den „Tag des Hitzkopfs“ auf Terra. Der wichtigste Familienfeiertag des Jahres! Bei diesem bedeutenden Fest hält die Familie zusammen, wie sonst nicht. Durch die Feiertagsvorbereitungen kam es in der Zentrale zur Rettung Nichtirdischer Reisender zu unentschuldbaren Fehlern in der Personalplanung. Dies führte dazu, dass die Notrufannahme an diesem besonderen Tag ausschließlich mit einer studentischen Aushilfe besetzt war! So führte eins zum anderen. Dumm gelaufen.
Jetzt saß Shabbadag im Vorraum des Oberstübchens, dem Amtssitz des amtierenden Oberbürgers Tittus Doppeldee. Tittus befand sich in seinem 7. Amtsjahr und es wurde langsam eng für ihn. Vornehmste Aufgabe eines Oberbürgers ist, dem Volk etwas Gewinnbringendes zu geben. Tittus leistete bisher nicht viel Sinnvolles. Weil er ein sympathischer Typ ist, schmiss man ihn nicht raus und gewährte ihm die verbleibende Amtszeit. Seine Wiederwahl hängt jetzt davon ab, ob er eine sinnvolle „Vornehme Aufgabe“ realisiert.
Die Regierungsform Terras ist das „Terranische Betriebssystem“. Es garantiert dem terranischen Volk die Möglichkeit, seinen Oberbürger jederzeit abzuwählen. Dafür gibt es entsprechende Modalitäten. Möchten die Bürger den Oberbürger loswerden, wird er vom Volk „ausgebuht“. So wird dieser Vorgang bezeichnet. Tittus erzielte nicht die notwendigen 50% „Buhs“ zur Amtsenthebung. Darum wurschtelt er vorerst weiter. Beim terranischen Betriebssystem spricht man nicht davon, dass der Oberbürger das Volk regiert. Der korrekte Terminus lautet, der Oberbürger wurschtelt vor sich hin.
Oberbürger Tittus Doppeldee startete bereits einige Versuche, um seiner Amtspflicht nachzukommen. Seine bisherigen Anstrengungen die vornehme Aufgabe zu erfüllen, wurden nicht als für das ganze Volk gewinnbringend anerkannt. Beispielsweise schaffte er für das terranische Fidolinen Orchester ein Transportmittel an. Den Fidibus. Diesen Vorgang akzeptierten die Bürger nicht als allgemein gewinnbringend, da das Spielen der Fidoline nicht jedermanns Sache ist. Tittus benötigte etwas Besseres.
Er versuchte sich als Mann der Feder und verfasste ein Kinderbuch mit drei Geschichten. Märchenhaft klangvolle Titel erdachte er für seine Literatur: „Alibi Papa und die Pfirsischräuber“, „Teeheisschen und Dosenbrot“, sowie „Kriegt er Sterne?“ Die literarischen Ergüsse fanden positiven Anklang bei den Kindern. Den Bürgern reichte dieser Erfolg bedauerlicherweise nicht aus, um ihn als gewinnbringend für das ganze Volk anzuerkennen. Tittus blieb keine andere Wahl, sich etwas Anderes ausdenken.
Eine Tasse Raketee stand dampfend vor Shabbadag auf dem kleinen Tisch im Wartezimmer. Vorzimmerdame Resi Denz servierte Shabbadag das Heißgetränk. „Raketee beruhigt die Nerven!“, erklärte sie, während sie die Tasse platzierte. Shabbadag trank einen Schluck. Die beruhigende Wirkung setzte wunschgemäß ein, als der Tee seinen Magen erreichte. Das Raketee eine hörbar unangenehme Nebenwirkung hat, daran dachte er im Moment nicht. Als ihm Stunden später geräuschvoll ein unkontrollierbarer Magenwind entfleuchte, fiel ihm dieser Fakt ein. Der Ton, der dabei entstand, ähnelte dem eines kleinen Neujahrsprühers. Der Tee hieß zurecht Raketee. Der viel zu früh verstorbene Kunstfurzer Blasius Bombastikus hätte daran seine Freude gehabt.
Shabbadag schaute sich im Vorzimmer um. An der Wand gegenüber hingen Porträts von verdienten terranischen Persönlichkeiten. Er erkannte Schwappski den Gefühlvollen, einen ehemaligen Oberbürger. Der erfüllte die „Vornehme Aufgabe“, indem er den Schwappski mit Schuss mixte. Das beliebteste alkoholische Getränk Terras. Daneben hing ein Bild der molligen Sara, der Erfinderin des FLUGS Selbstzerstörungsmechanismus. Es folgte das Bild von Oberbürger Schluppo dem Geknickten, dem Begründer des terranischen Betriebssystems. Auf einer Schiefertafel daneben, ein geritztes Portrait von Waldoof dem Namentänzer, dem ersten Universalgelehrten Terras. Sogar eine Fotografie von Schauspieler Fischfried Otter hing in einem geschmackvollen Rahmen an der Wand. Diesen begnadeten Künstler kannte Shabbadag persönlich. Fischfried saß beim Absturz in Ostfriesland neben Strausselbert Eng im Raumgleiter. Strausselbert ist ebenfalls Mitglied der Fisch und Chips Kooperative. Hauptberuflich ist Strausselbert Modefabrikant und Erfinder. Die von ihm erfundene Notsignaltasche befindet sich standardmäßig in jedem Raumgleiter. Sie leistet eminente Dienste. Eine tolle Erfindung! Strausselbert ist Shabbadags bester Freund.
Warum er ins Büro des Oberbürgers bestellt wurde, wusste Shabbadag nicht. Vor zwei Wochen erhielt er einen Telesprech Anruf aus dem Oberstübchen. Frau Denz richtete ihm aus, dass er sich den heutigen Tag für eine wichtige Unterredung freihalten soll. Zwei Tage später klingelte ein Bote bei ihm zu Hause. Der überreichte Shabbadag eine hochoffizielle Einladung, die nur wenige Worte enthielt. Uhrzeit, Ort und Kontaktperson waren angegeben, jedoch nicht der Anlass. 09 Uhr 00, Oberstübchen, Griesberg 1. Melden Sie sich bitte bei Frau Resi Denz.
Shabbadag hatte kein gutes Gefühl. Eine Einladung vom Oberbürger ist nicht alltäglich! Was sollte er hier? Ausgerechnet er? Ein unbedeutender Raumgleiterpilot. Ein kleiner Dienstleister, angestellt beim größten terranischen Reiseunternehmen IDEALL Reisen. Er besaß lediglich die Berechtigung, mit einem FLUGS Raumgleiter ins Paralleluniversum zur Erde zu fliegen. Er überflog die Zielgebiete und gab dabei Erklärungen an seine Passagiere weiter. Um das tun zu dürfen, absolvierte er eine fundierte Zusatzausbildung zum Reiseführer. Sie umfasste Ostfriesland und das Wattenmeer, das Siegerland und dat Ruhrgebiet. Um seinen Beruf auszuüben reichte auf Terra die „Zweite Lizenz“. Der sogenannte „Gleitcremeschein“ berechtigte seinen Inhaber zur Personenbeförderung von bis zu 25 Personen. Das war alles. Mehr konnte Shabbadag nicht an Qualifikationen vorweisen. Deshalb fragte er sich, weshalb man ihn zu einem Gespräch beim Oberbürger einlud. Normalerweise ist das Flugkapitänen vorbehalten, die im Besitz der „Ersten Lizenz“ sind. Er hörte noch nie davon, dass ein Pilot der „Zweiten“ oder „Dritten Lizenz“ im Oberstübchen vorsprechen sollte. Die Lizenzen regeln klar die Zuständigkeiten der Piloten. Diese Regelung legte vor langer Zeit der legendäre Raumgleiterpilot Schlabbasag Dingdong fest, Shabbadags Ururururururuachhastenichtgesehengroßvater.
Die „Dritte Lizenz“, das sogenannte „Flugblatt“, berechtigt den Inhaber zum Fliegen von Raumtransportern zum Zweck des Kleinguttransports. Der Inhaber bekommt keine Genehmigung ins Paralleluniversum zu fliegen oder Personen zu befördern. Die „Erste Lizenz“ benötigt ein Pilot für die richtig fetten Apparate, wie Raumkreuzer und Handelsfrachter. Diese besonderen Raumschiffe werden zum Gütertransport zwischen Planeten eingesetzt. Sie fliegen unvorstellbare Strecken durch Galaxien, um Handel mit Völkern zu treiben. Man befördert zum Beispiel Getreide nach HIOB. Im Gegenzug bringt man von dort hochwertige Gartenschläuche mit.
Terra pflegt gute Beziehungen mit etlichen Völkern in seinem Universum. Zum Beispiel mit den Bewohnern der Planeten CLOUDYCUCKOOHOME, SLADE, MALLE, HIOB und einigen mehr. Um die enormen Distanzen zwischen den Welten schnell zu überwinden, benötigt man Raumschiffe, die zu besonderen Leistungen imstande sind. Sie können unter anderem die Zeit überwinden. Ein Pilot, der ein solches Schiff fliegen will, muss zunächst an der „Kackda Janethin Unität“ sechs Mester Räumlichkeiten stukadieren. Dieser Abschluss ist erforderlich um sich überhaupt für die Zulassung zum Erwerb der „Ersten Lizenz“ anzumelden. Die Ausbildung zum sogenannten „Flyer“, auch „Flugticket“ genannt, findet an der alleinig dazu lizenzierten KIRKSPOCK Flugschule statt.
Ururururururuachhastenichtgesehengroßvater Schlabbasag Dingdong vererbte seinem Nachfahren Shabbadag die Begeisterung für die Raumfahrt. Trotzdem entwickelte Shabbadag nie den Ehrgeiz, den ein Klasse 1 Pilot zum Studium benötigt. Er besuchte die „Engelchen Flieg Grundschule“, anschließend die „Robertichkennedie Akademie“. Dort erlangte er die „Zweite Lizenz“, den sogenannten „Gleitcremeschein“. Das reichte ihm. Shabbadag bekam eine Anstellung bei IDEALL Reisen. Seitdem fliegt er Gäste ins Paralleluniversum zum Planeten Erde. Damit lebt er zufrieden, das füllt ihn aus und macht ihm Spaß. Er mag seinen Beruf.
„Möchten Sie noch einen Raketee?“ Die freundliche Stimme der Sekretärin riss ihn aus seinen Gedanken. „Nein, danke.“, antwortete er und fragte: „Sagen sie Frau Denz, wissen sie was man von mir will?“ „Nein bedaure. Das kann ich ihnen leider nicht sagen.“, antwortete Resi Denz lächelnd und räumte die Tasse vom Tisch. „Ein Wasser vielleicht?“, wollte sie wissen. „Wir haben das neue Perlenwasser!“. „Ja, gerne!“, antwortete Shabbadag und widmete sich wieder seinen Gedanken.
Perlenwasser! Das gab es auf Terra erst seit kurzem. Lotte Rie verkaufte das Getränk exklusiv über ihre Firma Amazonas. Lotte lernte Perlenwasser nach dem Absturz in Ostfriesland am Strand von Norden – Norddeich kennen. Shabbadag erinnerte sich gut daran, dass er den Terranern dort die Verwendung von Kohlensäure erklärte. Auf Terra gab es damals so ein prickelndes Trinkwasser nicht. Die fließenden und stehenden Gewässer Terras haben eigene Geschmacksrichtungen ohne Kohlensäure. Lotte Rie vermutete, dass sie Perlenwasser bestimmt gut vermarkten könne. Und nun siehe da! Sie zog Gewinn aus der Reise, obwohl diese so unglücklich begann. Shabbadag betrachtete die Flasche genauer. Perlenwasser stand in schnörkeliger Schrift auf dem Etikett. Erfrischend - Belebend - Ostfriesisch! Hergestellt im Auftrag von Lotte Rie. Er öffnete den Schraubverschluss, hörte das typische Zischen, dann nahm er einen kräftigen Schluck. Lecker.
Das Klingeln eines Telesprechs ließ Shabbadag aufblicken. Die Vorzimmerdame hob den Telesprechgriff ab und meldete sich. „Resi Denz. Ja, bitte?“ Sie lauschte einen Moment. „In Ordnung, kommt sofort.“, sagte sie freundlich und legte den Telesprechgriff zurück auf den Apparat. Ohne Hast stand sie auf, kam auf Shabbadag zu, schaute ihn lächelnd an und sprach: „Kommen Sie dann bitte, Herr Wixwurst. Der Oberbürger lässt bitten!“ Mit diesen Worten zeigte sie mit einer eleganten Handbewegung auf die verschlossene Tür des Nebenraums. Shabbadag stand auf und folgte ihr. Sie öffnete die Tür. Dahinter befand sich gleich noch eine Tür, an die Resi Denz dezent klopfte. Gleich darauf öffnete sie die Tür weit und trat mit einem Schritt in den Raum. „Herr Shabbadag Wixwurst für Sie!“, sagte Resi Denz in angenehmen Ton. Shabbadag betrat den Raum. Frau Denz verließ das Zimmer und zog die Türe hinter sich zu.
„Shabbadag Wixwurst! Ich freue mich, sie endlich persönlich zu treffen!“, sagte der Oberbürger. Er kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Shabbadag ergriff die Hand des Oberbürgers, schüttelte sie vorsichtig. Dabei verbeugte er sich leicht und wünschte „Tuten Gag“. „Kommen sie, mein Lieber“, sprach der Oberbürger. Er zog Shabbadag am Arm zu einer Sitzgruppe. Dort saßen fünf Personen, die Shabbadag in seiner Aufregung bisher nicht bemerkte. Jetzt zeigte er sich sichtlich überrascht, denn einige von ihnen kannte er! Strausselbert Eng klopfte auf das Polster des Sofas, auf dem er saß. Neben ihm glänzte ein freier Platz. „Komm, setz dich zu mir!“, sagte er freundlich und lachte ihm aufmunternd zu.
„Tuten Gag zusammen!“, stammelte Shabbadag die terranische Begrüßungsformel ein wenig unbeholfen in die Runde und nahm neben Strausselbert Platz. Oberbürger Tittus Doppeldee saß gegenüber. „Ihr beiden kennt euch ja schon!“, sagte dieser wissend. „Sind Ihnen die anderen Herrschaften ebenfalls bekannt?“ Shabbadag sah sich um. Persönlich kannte er nur eine weitere Person. Sigrid Sörvis ahlte sich gemütlich in einem mächtigen Ohrensessel. „Hallo!“, sagte sie grinsend, als er sie entdeckte und lachte laut auf, weil er so perplex aussah. „Überraschung!“, rief sie gut gelaunt. Die Anwesenden stimmten in ihr heiteres Lachen ein. Die ungezwungene Stimmung löste Shabbadags Anspannung etwas. Ferner trug die Anwesenheit zweier Bekannter dazu bei, dass sein Auftreten sicherer wurde.
Eine bemerkenswert gutaussehende junge Frau, die neben Tittus Doppeldee saß, kannte er (leider) nicht. Oberbürger Doppeldee stellte sie vor. „Darf ich bekannt machen? Das ist meine liebe Nichte! Die überaus wissbegierige und hochtalentierte Froni Verero!“ Froni lächelte charmant. Sie sah Shabbadag aus tiefblauen Augen an. Shabbadag traf dieser Blick auf Anhieb mitten ins Herz. Froni hielt ihm ihre rechte Hand zum Gruß hin. Lächelnd sagte sie: „Hallo Shabbadag. Freut mich sehr, dich kennenzulernen! Kannst mich Froni nennen!“ Shabbadag wurde es kalt und heiß zugleich, als er ihre Hand ergriff. Eine Gefühlsexplosion, wie sie in diesem Moment in seinem Körper stattfand, erlebte er nie zuvor! Froni überwältigte ihn im Sturm. Er brachte es soeben noch fertig, seinen Namen halbwegs anständig fehlerfrei zu stammeln. Danach sank er zurück in die weichen Polster des Sofas. Hochrot im Gesicht, emotional komplett überfordert. Er vermutete, dass er wie ein Vollidiot dastand. Die Männer im Raum bemerkten nichts davon. Sigrid Sörvis hingegen schon. Sie glaubte an die Liebe auf den ersten Blick und grinste Froni vielsagend an und zwinkerte ihr zu. Froni antwortete mit einem Nicken. Dabei lächelte sie, als wolle sie Sigrid zu verstehen geben: „Ja, du hast nicht zu viel versprochen! Das ist wirklich ein total Süßer!“
Zwei Herren der Runde waren Shabbadag nicht persönlich bekannt. Durch ihre Prominenz erkannte er sie aber sofort. Beide bedeutende Forscher, einer von ihnen regierte bereits als Oberbürger. Es handelte sich dabei um den ehrenwerten Professor Lee Verwagen, Dekan der Kackda Janethin Unität. Der andere Herr ist Kurt Sichtig, ein anerkannter Forscher. Dieser moderiert seit Jahren eine erfolgreiche wissenschaftliche Teleguck Sendung, die Shabbadag regelmäßig anschaute. Zunächst stellte der Oberbürger Kurt Sichtig vor. Als Kurt Sichtig Shabbadags Hand zum Gruß ergriff, lief Shabbadag augenblicklich ein unangenehmer Schauer über den Rücken. Es entstand das gegenteilige Gefühl zu dem, welches er bei der Berührung Fronis erlebte. Die Hand des Kurt Sichtig fühlte sich sonderbar an. Kalt und feucht. Als Shabbadag sie drückte, entstand der Eindruck in mit Gelee gefülltes Gummi zu greifen. Unangenehm.
Als Nächsten lernte er Professor Lee Verwagen kennen, Vorgänger von Tittus Doppeldee auf der Position des Oberbürgers. Er erfüllte die „Vornehme Aufgabe“ und leistete Terra einen fantastischen Dienst. Lee führte das Autoinduktionssystem ein. Später kommen wir darauf zurück. Zudem ist der Professor verantwortlich für den Ausbau fruchtbarer Handelsbeziehungen zu Bewohnern anderer Planeten in ihrem Teil des Weltraums. Unter Leitung des Professors baute man den Warenaustausch mit diesen Völkern bedeutend aus. Trotzdem, dass sich darunter Planeten befinden, die nicht auf dem technologischen Stand Terras sind, entwickelte sich reger Handel in friedlichem Miteinander. Hauptaufgabe des Professors ist nichtsdestotrotz die Leitung der Kackda Janethin Unität.
„Shabbadag!“, begann Oberbürger Doppeldee. „Wir möchten etwas mit Ihnen besprechen, dass der allerhöchsten Geheimhaltung unterliegt. Egal mit welchem Ergebnis unser Gespräch endet, es darf nichts davon diesen Raum verlassen. Verstehen Sie das?“ „Ja!“, nickte Shabbadag. „Also gut. Ich übergebe das Wort an Professor Verwagen. Bitte sehr.“ Mit einer einladenden Geste in Richtung des Professors beendete der Oberbürger seine Einführung.
Überraschenderweise entpuppte sich Professor Lee Verwagen als Mann kurzer Erklärungen. Oft hören sich Akademiker gerne selber reden, jedenfalls nach der Meinung von Shabbadag. Professor Lee Verwagen bildete eine wohltuende Ausnahme. „Shabbadag, ich will es kurz machen. Oberbürger Doppeldee möchte seine „Vornehme Aufgabe“ erfüllen. Dazu hat er folgende Idee: Wir stellen ein Expeditionsteam zusammen, um Forschungen auf der Erde durchzuführen, aus denen wir Gewinn für Terra ziehen können. Ein speziell für diese Aufgabe geschultes Expeditionsteam soll sich, getarnt als Touristen, zwischen den Erde Menschen bewegen, forschen und Erkenntnisse sammeln. Wir möchten sie gerne als Leiter der Unternehmung gewinnen. Da sie bereits eine, zwar ungewollte, Erfahrung dieser Art gemacht und gemeistert haben, dachten wir an sie als Expeditionsleiter. Was sagen sie dazu?“ Shabbadag war überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet. Darum sagte er: „Ich bin überrascht! Damit habe ich nicht gerechnet!“
„Ich bin bei dieser Expedition dabei!“, sagte Sigrid zu Shabbadag. Sie hoffte, mit dieser Information Shabbadags Entscheidung zu erleichtern. Sie vertraute ihm und hoffte, dass er zusagte. „Ich komme ebenfalls mit!“, schloss sich sein Freund Strausselbert der Vorrednerin an. Das macht die Sache interessant, dachte Shabbadag. Zwei Freunde an der Seite zu haben ist sicher eine gute Option. „Ich fliege ebenfalls mit!“, meldete sich die bildhübsche Froni Verero zu Wort. Da musste Shabbadag nicht mehr nachdenken und sagte: „Klar, warum nicht? Ich bin dabei!“ „Klasse!“, rief Oberbürger Tittus Doppeldee begeistert und haute vergnügt mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Tassen hüpften. „Das müssen wir begießen!“ Er griff zum Telesprech und bestellte bei Resi Denz Schwappski mit Schuss für alle.
Schwappski mit Schuss ist auf Terra das beliebteste alkoholhaltige Getränk. Der Drink wird zu allen Gelegenheiten kredenzt. Zum Beispiel zum Frühstück, da ursprünglich als Muntermacher gedacht. In Teil 1 wird erklärt, wie der Schwappski erfunden wurde.
Nachdem sie auf den Erfolg der Expedition angestoßen hatten, besprachen sie relevante Themen, ohne dabei zu sehr in die Tiefe zu gehen. Im Wesentlichen ging es um Inhalte der Schulungen für die Expeditionsteilnehmer. Kurt Sichtig stellte das Ziel und den Grund der Expedition vor. „Ein Team soll Informationen zum Nutzen Terras sammeln. Die beiden Haupthemen: Bergbauschäden und überhandnehmende Probleme mit dem terranischen Wildrind. Vorarbeiten ergaben, dass die Stadt Siegen in Deutschland die geeignetste ist, um beide Themen abzuarbeiten. Siegen ähnelt topografisch frappierend unserer Hauptstadt Terrarium. Beide Städte prägte in der Vergangenheit der Bergbau. In Terrarium liegt diese Zeit schon sehr lange zurück, in Siegen endete der Bergbau in den 1960er Jahren. Sie wissen es vielleicht? Am nördlichen Stadtrand von Terrarium trat jüngst ein Phänomen auf, dass die Bevölkerung erschreckte. Durch den Einsturz eines alten Minenschachts entstand in einem Wohngebiet ein Loch auf einem Grundstück. Das Unglück geschah im Einzugsgebiet der Abbaugebiete Seife haltiger Mineralien der Butterberge. Das sich bei diesem Malheur niemand verletzte, war reines Glück. Mit solchen sogenannten Tagesbrüchen hat die Stadt Siegen ebenso zu kämpfen. Das terranische Expeditionsteam bekommt den Auftrag, sich diese Umstände und den Umgang damit vor Ort anzuschauen. Oberbürger Doppeldee hofft, daraus brauchbare Lösungen abzuleiten.“ Kurt Sichtig trank einen Schluck Perlenwasser, anschließend setzte er seine Einführung fort. „Das zweite Ziel der Expedition ist die Wisent Welt im Rothaargebirge bei Siegen. Sie beherbergt etliche dieser Wildrinder. Die sorgen seit ihrer Auswilderung bei Waldbauern für Unbehagen, denn die Wisente richten Schäden an. Aus diesem Grund wollen wir hinschauen, wie die Menschen der Erde mit dem Problem umgehen. Das Wisent ist vergleichbar mit dem terranischen Wildrind Bumskopf, welches in jüngster Vergangenheit auffälliges Verhalten zeigt. Die Schäden die der Bumskopf verursacht sind nicht mehr tragbar. Sie belaufen sich in diesem Jahr bereits auf rund 50.000 Schniedis. Versicherungen weigerten sich schon in Einzelfällen die Schäden zu regulieren. Es müssen dringend Lösungen für das Problem her.“
Beim dritten Gesprächspunkt ging es um ein neues Raumschiff. Die FLUGS Raumgleiter Fabrik entwickelte in den letzten Monaten einen streng geheimen Prototyp. Shabbadags Aufgabe würde sein, die Maschine auf ihre zivile Tauglichkeit zu testen. Zur Unterstützung wird ihm ein erfahrener Pilot der „Terranischen Freiwilligen Armee (TFA)“ an die Seite gestellt. Der neue FLUGS Raumgleiter ist gespickt mit Innovationen, die verlangen, dass Shabbadag und der Copilot sich einer intensiven Schulung unterziehen müssen.
Der letzte Gesprächspunkt drehte sich um ein geeignetes Rechercheverfahren zum Auffinden weiterer geeigneter Expeditionsteilnehmer. Copilot, Arzt/Ärztin, Smutje (Koch/Köchin), sollten dadurch bestimmt werden.
Oberbürger Tittus Doppeldee verabschiedete seine Gäste mit folgenden Worten: „Dieses Unternehmen wird einige Schniedis kosten, das steht fest! Nichtsdestotrotz bin ich sicher: Egal wieviel die Expedition kostet, der Gewinn für Terra wird unbezahlbar sein. Davon bin ich unumstößlich überzeugt! Meine Damen, meine Herren, legen sie los!“
Als Shabbadag abends zu Hause in seinem Lieblinssessel saß, reflektierte er das Treffen. Tagesbrüche, Wisente, ein neuer Raumgleiter, Bumskopf, Suche nach weiteren Teilnehmern der Expedition …! Die Gedanken purzelten wild durcheinander. Einer davon nahm erstaunlich viel Raum ein. Dieser Gedanke war bildschön, langhaarig, blond, blauäugig und hörte auf einen Namen: Froni Verero! Sie ist Wissenschaftlerin! So viel bekam Shabbadag noch mit, bevor er zur Zielscheibe von Armors Pfeil wurde und der geistigen Umnachtung anheimfiel. Mehr wusste er nicht über sie. Ob sie einen Freund hat? Ist sie womöglich verheiratet? Wie alt ist sie? Wo wohnt sie? Fragen schwirrten durch seinen Kopf. Dass er einfach den Computer anwerfen und nachschauen konnte, auf diese einfache naheliegende Möglichkeit kam er nicht! Bei ihm lief alles durcheinander! Seine Denkmurmel produzierte rosarote Fehlzündungen. Auf eine sehr angenehme Art! Hatte er sich in seinem bisherigen Leben schon einmal so gefühlt? Nein! Er kam sich vor wie ein orientierungsloser Bumskopf.