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Kapitel 1

Co-Learning und warum wir nur gemeinsam alles erreichen können!

Der Begriff selbst leitet sich aus dem Englischen ab: collaborative oder auch cooperative learning, also kollaboratives beziehungsweise kooperatives Lernen. Das sind Lernweisen, die in den vergangenen Jahren in Schulen und Kindergärten, aber auch an Unis und anderen Erwachsenenbildungsstätten Eingang fanden. Wir möchten diesen bisher eher für institutionelles Lernen genutzten Begriff gerne auf das Familienzuhause übertragen:

Denn obwohl wir beide sehr viel Erfahrung in schulischer Bildung haben, konzentrieren wir uns in diesem Buch auf den außerschulischen Bereich. Das heißt: Co-Lernen im gemeinsamen und entspannten Miteinander von Eltern und Kindern, zu Hause am Küchentisch, auf dem Sofa, im Park oder im Wald, in der Stadt, in den Ferien, im Auto, beim Einkaufen und beim Wochenendausflug. Überall dort, wo Kinder fürs Leben und nicht nur für die Schule lernen.

Warum ist uns das so wichtig? Weil wir in diesem Buch dem Lernen einen anderen Stellenwert geben möchten. Weil wir jenes Lernen meinen, dass vom Druck der Schule und vom Stress des Paukens Lichtjahre entfernt ist. Eben das Lernen, das uns wie unseren Kindern viele zukünftige negative Erfahrungen und Erinnerungen erspart.

Wir möchten, dass ihr Erziehende zusammen mit euren Kindern viele positive Dinge erlebt und erlernt, die euch begeistern. Dinge, auf die ihr neugierig seid. Die neu und anregend für euch selbst sind. Und wir wollen, dass eure Kinder ihre Freude am Lernen bewahren und frei und unbelastet das Lernen kennenlernen.

Also eigentlich wollen wir, dass ihr als Familie eine richtig gute Zeit miteinander verbringt und gemeinsam sehr viel mehr lernt, als ihr es einzeln jemals könntet. Genau das ist für uns Co-Learning. Klingt das gut für euch? Los gehts!

Wir nutzen den Begriff Co-Learning in unserem Buch also für gemeinsames Lernen, bei dem mindestens zwei Personen involviert sind, die beide etwas lernen. Im Gegensatz zum individuellen Lernen nutzen die Co-Lerner die Ressourcen und Fähigkeiten des anderen. Das heißt, sie tauschen sich aus, sie ziehen die Informationen und Ideen des jeweils anderen hinzu, entwickeln sie weiter und suchen gemeinsam nach neuen Ideen und Informationen – womöglich gar zusammen mit anderen co-lernenden Personen. Wichtig ist also der Teamgedanke, der durch gemeinsame Werte und eine offene Kommunikation gestärkt wird.

Fürs Co-Learning wichtig:

1. Alle Menschen einer Gruppe bringen ihr Wissen und ihre Möglichkeiten ein.

2. Alle erhalten Aufgaben und führen sie aus.

3. Alle sind mit allen im Gespräch und verständigen sich, was die Gruppe wie tun und welches Ziel sie gemeinsam erreichen möchte.

4. Alle geben Feedback und werten das gemeinsame Vorgehen zusammen aus.

5. Alle lernen aktiv.

6. Alle wählen ihre Rolle selbstbestimmt.

7. Alle übernehmen Verantwortung fürs Miteinander und fürs eigene Lernen.

8. Alle übernehmen Verantwortung für ihren Beitrag in der Gruppe.

Was Co-Learning ermöglichen kann:

1. Ein Team findet zusammen.

2. Alle Menschen einer Gruppe bauen soziale Kompetenzen auf.

3. Alle entwickeln Selbstbewusstsein und erleben Selbstwirksamkeit.

4. Alle fördern ein soziales, wertschätzendes Miteinander.

5. Unterschiedliche Herangehensweisen machen das Denken aller bunter und vielfältiger.

6. Verschiedenartiges Denken und Wissen kurbelt kognitive Prozesse im Hirn aller an.

7. Alle können neu Gelerntes sicher und länger speichern.

8. Und ihr Eltern seid zusammen mit euren Kindern dabei, euch heute auf eine Welt von morgen vorzubereiten.

Der Türöffner fürs Co-Learning ist für uns das gemeinsame spielerische Lernen. Was bedeutet das? Ihr Eltern lernt dabei, dass das spielerische Miteinander eure Familie viel weiterbringt als konventionelles Lernen. Tschüs Pauken, Büffeln & Co.! Wir möchten euch in diesem Buch das spielerische Lernen beibringen. Alle Menschen, die Lust darauf haben, mitzumachen, sind willkommen.

Unsere Idee ist: Ihr alle habt einfach richtig Spaß im Miteinander und erlebt eine entspannte gemeinsame Familienzeit. Was ihr dazu braucht: eure Familie und manchmal auch Menschen aus eurer Umgebung wie Nachbarn, Freunde, Omas und Opas, Tanten und Onkel. Und etwas Zeit.

Unser Weg ist: Lernen „passiert“ beim spielenden Miteinander, ganz einfach, ohne Druck und ohne Angst. Und Spielen ist eine sehr positive Art, euch alle zusammenzubringen und die Welt neu zu entdecken.

Euer Familienleben steht für uns dabei im Mittelpunk. Wir haben unser Buch so aufgebaut, dass ihr zu Hause in eurer Familienzeit viel Schönes gemeinsam erleben werdet. Wir begleiten euch Schritt für Schritt auf diesem Weg hin zum familiären Co-Learning. Ihr Eltern lernt dabei mindestens eben so viel hinzu wie eure Kinder. Das spielerische Lernen ist das Mittel, um eure Kinder zu Hause im Schlau-Werden zu unterstützen und gleichzeitig eure Familie vom Förderdruck zu entlasten.

Wie geht das genau? Alle Projekte in „Gemeinsam Schlauspielen“ bauen auf der Idee des Co-Learnings auf. Da sie nur in der Gruppe von mindestens zwei oder mehr Personen funktionieren, wird das gemeinsame Miteinander zur Grundbedingung. Die von uns vorgeschlagenen Altersangaben könnt ihr – je nach Entwicklungsstand – individuell anpassen, sodass auch ältere und jüngere Kinder mit euch gemeinsam im Spiel sind. Wir wünschen uns und euch, damit unterschiedliche Alters- und Entwicklungsstufen zu erreichen.

Da jedes Projekt unterschiedliche Talente fördert (Symbole zeigen euch, welche), entwickelt ihr hier sehr viele und unterschiedliche Kenntnisse und Fertigkeiten eures Kindes weiter – und möglichweise auch eure eigenen! Diese große Bandbreite verschafft eurem Kind eine gute Basis für alle weiteren Lerninhalte, die an das bereits Gelernte andocken können – und auch euch kommt es zugute.

Wenn ihr die Themenbereiche in „Gemeinsam Schlauspielen“ betrachtet, werdet ihr feststellen, dass die 14 Unterkapitel fast alle Lernbereiche des kindlichen Lebens abbilden. So könnt ihr euch und eure Kinder thematisch rundum fit machen. Ebenso bilden diese Themen einen soliden Hintergrund für Lerninhalte, die in vielen Schulfächern von der ersten bis zur neunten Klasse vermittelt werden.

Alle Projekte sind grundsätzlich für alle Lerntypen geeignet. Wir halten es für sinnvoll, sie zusätzlich zu euren bevorzugten Lernkanälen entsprechend anpassen. Dadurch erreicht ihr, dass unterschiedliche Lerntypen in einer Gruppe von den Lernformen anderer profitieren und doch jeder und jede die Freiheit hat, eigene Lernwege zu gehen.

Alle Projekte fördern Fähigkeiten wie Teambuilding, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Kommunikation, Verantwortung für eigene und Gruppenziele, Vielfalt und Respekt. Und sie sorgen dafür, dass bei der intensiven Auseinandersetzung des Experimentierens und Spielens das neue Wissen sicherer gelernt und behalten wird.

Kennt ihr erst die Vorlieben und Talente von euch und euren Kindern, findet ihr schnell heraus, welche Projekte ihr zusammen mit ihnen verwirklichen wollt. Wir haben – basierend auf den multiplen Intelligenzen von Howard Gardner – zehn verschiedene Fördermodelle für die unterschiedlichen Talente und Lerntypen eurer Kinder entwickelt:

Wort-schlaufördert die Fähigkeit, Sprache einzusetzen.
Musik-schlaufördert die Fähigkeit, in Melodien und Rhythmen zu denken.
Zahlen-schlaufördert die Fähigkeit, abstrakt zu denken.
Bild-schlaufördert die Fähigkeit, Räume in der eigenen Vorstellung zu verwandeln.
Körper-schlaufördert die Fähigkeit, durch Bewegung zu lernen.
Hand-schlaufördert die Fähigkeit, mit den Händen Probleme zu lösen.
Ich-schlaufördert die Fähigkeit, mit den eigenen Gefühlen gut umzugehen.
Wir-schlaufördert die Fähigkeit, andere Menschen zu verstehen.
Umwelt-schlaufördert die Fähigkeit, Naturphänomene zu erkennen und zu beobachten.
Welt-schlaufördert die Fähigkeit, das Leben zu hinterfragen.

Und diese Talente können eure Kinder dann in den 14 Themenbereichen in „Gemeinsam Schlauspielen“ sofort gemeinsam entdecken:

1. Wir Wortkünstler – mit Projekten, die Sprache, Sprechen, Kommunizieren üben: ideal für die Lerntypen kommunikativ, auditiv und visuell, aber auch für den Lerntyp motorisch.

2. Wir Orientierungsmeister – mit Projekten, die trainieren, wie Kinder sich in ihrer Umgebung räumlich zurechtfinden: ideal für die Lerntypen motorisch, kommunikativ, aber auch visuell und auditiv.

3. Wir Fragensteller – mit Projekten, die helfen, Neugier, Wissen und Hintergründe in Fragen zu fassen: ideal für die Lerntypen kommunikativ und auditiv, aber auch visuell und motorisch.

4. Wir Spaßmacher – mit Projekten, die den Humor in den Mittelpunkt des Miteinanders stellen: ideal für die Lerntypen kommunikativ und motorisch, aber auch auditiv und visuell.

5. Wir in unserem Dorf – mit Projekten, die weitere Personen aus dem Wohn- und Lebensumfeld der Kinder einbeziehen: ideal für die Lerntypen kommunikativ und motorisch, aber auch visuell und auditiv.

6. Wir Weltretter – mit Projekten, die Nachhaltigkeit, Natur- und Klimaschutz in den Mittelpunkt des Miteinanders stellen: ideal für die Lerntypen visuell, motorisch, kommunikativ, aber auch für den Lerntyp auditiv.

7. Wir Kreativen – mit Projekten, die die Vorstellungskraft und das Gestalten fördern: ideal für die Lerntypen visuell, motorisch, kommunikativ und auditiv.

8. Wir Motoriker – mit Projekten, die Beweglichkeit, Körpergefühl und -koordination trainieren: ideal für den Lerntyp motorisch, aber auch für die Lerntypen kommunikativ, visuell und auditiv.

9. Wir Menschenversteher – mit Projekten, die Empathie, Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen schulen: ideal für den Lerntyp kommunikativ, aber auch für die Lerntypen auditiv, motorisch und visuell.

10. Wir Naturforscher – mit Projekten, die naturwissenschaftliche Phänomene und Umweltbedingungen erforschen: ideal für die Lerntypen motorisch, visuell und auditiv, aber auch für den Lerntyp kommunikativ.

11. Wir Digitalmeister – mit Projekten, die digitale Mittel und das Internet einbeziehen: ideal für den Lerntyp kommunikativ, aber auch für die Lerntypen auditiv, visuell und motorisch.

12. Wir Schlagfertigen – mit Projekten, die die Spontanität und die Redegewandtheit mit anderen üben: ideal für den Lerntyp kommunikativ, aber auch für die Lerntypen motorisch, auditiv und visuell.

13. Wir Mozarts – mit Projekten, die musikalische und rhythmische Fähigkeiten schulen: ideal für den Lerntyp auditiv, aber auch für die Lerntypen motorisch, kommunikativ und visuell.

14. Wir Geldverdiener – mit Projekten, die Geld, Kaufen und Handeln begreiflich machen: ideal für den Lerntyp kommunikativ, aber auch für die Lerntypen motorisch, auditiv und visuell.

Obwohl wir hier einige besondere Empfehlungen für Lerntypen geben, sind alle Projekte für alle Lerntypen geeignet. Ihr könnt die unterschiedlichen Lernkanäle ganz einfach zusätzlich anpassen. Dies tut ihr, indem ihr ergänzende Verabredungen für euer gemeinsames Spiel trefft: Wenn ihr zum Beispiel unter der Überschrift „Wir Wortkünstler“ einen visuell geprägten Co-Lerner trefft, legt Blatt, Stift oder einen Fotoapparat bereit. Spielt ihr mit einem auditiv geprägten Co-Lerner, so reimt, singt oder lest euch etwas vor. Für motorische Co-Lerner ist es hilfreich, Laufen, Tanzen, auch Malen, Basteln und Handwerken ins Projekt einzubinden. Sind kommunikative Co-Lerner dabei, entwickelt mit ihnen Gedanken im ständigen Austausch weiter oder lasst sie ihre Ideen argumentativ ausprobieren oder darstellen.

Alle Projekte führen euch und eure Kinder auf einen gemeinsamen Weg in die Zukunft. Die so im Miteinander erlernten Fähigkeiten öffnen Türen für viele neue Anforderungen im Leben eures Kindes, zum Beispiel die in der Schule.


Hat das überhaupt was mit Schule zu tun?

Sehr viel. Denn eure Kinder erfahren und erlernen genau das, was sie im Leben brauchen: Indem ihr sie fit für die Welt macht, macht ihr sie auch fit für die Schule. Ihr fördert ihre Fähigkeiten, indem ihr ihnen helft, ihre Erfahrungen im geschützten Rahmen eurer Familie und im Miteinander mit vielen anderen selbstwirksam zu entwickeln. Ihr prägt ihr Selbstbewusstsein, ihr Fühlen und Handeln positiv mit. All diese grundlegenden Entwicklungsschritte werden eure Kinder natürlich auch beim Lernen in der Schule zugutekommen. Und ganz nebenbei erreicht ihr auch, dass ihr eine gute Lernbeziehung mit ihnen habt – wenn etwas in der Schule „brennt“, seid ihr einfach schneller und besser informiert …

Wir können euch nur ermutigen: Lasst eure Kinder ihre unzähligen biologisch angelegten Möglichkeiten ausschöpfen. Ohne Druck, ohne Lernstress, sondern mit Neugier, Offenheit und in familiärer Sicherheit. Denn wenn eure Kinder all diese vielfältigen kognitiven, emotionalen, sozialen und motorischen Lernprozesse eines frühen Kinderlebens zu Hause nicht durchlaufen haben, können sie in der Schule nur schwer bestehen. Dort werden all diese Fertigkeiten erwartet und vorausgesetzt. Mit der Hand einen Stift sicher zu halten und so kontrolliert schreiben zu lernen oder im Klassenraum aufmerksam, neugierig und präsent sein zu können, das sind nur einige der vielen Fertigkeiten von Schülerinnen und Schülern, die die Kinder zuvor zu Hause erlernen sollten. Zum Beispiel kann die Entwicklung der Feinmotorik einer Kinderhand durch viele unterschiedliche Tätigkeiten erlernt und geübt werden: Malen ist eine, Schneiden, Bänder knüpfen, Kleben, Werken, Schrauben oder Kochen sind weitere, die diese und viele unterschiedliche Fertigkeiten im Kindesalter immer wieder trainieren. Diese Vielfalt ist sinnvoll und hilfreich, denn jeder Mensch, jedes Kind ist anders. Jeder und jede hat Vorlieben und Schwächen. Sucht euch die Projekte aus „Gemeinsam Schlauspielen“ heraus, mit denen euer Kind mit euch zusammen entspannt lernen kann. Wählt die Projekte, mit denen ihr in einen Spielfluss kommt, der euch gemeinsam große Freude macht. Auch Fertigkeiten, die euer Kind noch nicht so gut kann, trainiert ihr gemeinsam spielend mit diesen Projekten. Denn im spielerischen Austausch eurer Möglichkeiten wird Co-Learning zu einem echten Gewinn für alle Beteiligten.

Das fördert bei euch allen Kreativität, ihr lernt auch das kritische Hinterfragen und feilt an eurer Problemlösefähigkeit. Ihr eignet euch zusammen mit euren Kindern auch immer mehr soziale und kommunikative Kompetenzen an. All das erreicht ihr mit dem Co-Learning zu Hause: Es bereitet eure Kinder auf eine Welt von morgen vor, in der sie all die gemeinsam erlernten und positiv erfahrenen Kompetenzen weiter üben und vertiefen.

Alle Lehrenden in den Schulen werden auf das Erlernte zurückgreifen. Die Erfahrungen im Miteinander fördern Prozesse im Klassenverband und in den Schülergruppen. Da eure Kinder gelernt haben, im Miteinander anzukommen, stehen sie sicher und mit Selbstvertrauen in ihrer Welt, die sie schlau weitergestalten. Alle weiteren Spezialisierungen des Lernens bauen auf diesen Grundlagen bestmöglich auf.

Im folgenden Kapitel gucken wir uns all die vielen kindlichen Entdeckungen genauer an, die wir im Laufe unseres frühen Lebens machen. Dort betrachten wir besonders, welche Fertigkeiten und Kenntnisse uns in der Kindheit prägen und in welchen Entwicklungsschritten wir sie machen.

Achtung Spoiler: Es sind Lernprozesse, die schon vor der Geburt beginnen, uns individuell zu formen.


Gemeinsam schlau statt einsam büffeln

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