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Vorwort

Liebe Menschen, die ihr Kinder erzieht,

ihr kennt bestimmt diesen Witz:

Frage an einen Siebenjährigen: „Wie alt ist dein Vater?“

„Sieben!“

„Wieso sieben?“

„Weil er erst Vater ist, seit ich geboren bin!“

Bestechend logisch, oder? Unser Elternsein fängt mit dem Eintritt der Kinder in unser Leben an. Unsere Qualifikation für den Job? Einfach Mensch zu sein. Als Erfahrungen bringen wir meist das mit, was wir mit unseren Eltern und anderen Menschen erlebt haben, in deren Erziehungsobhut wir waren.

Kinder lernen vom allerersten Augenblick an – und wir mit ihnen. Mit Faszination begleiten wir ihre rasante Entwicklung: wie sie lernen zu greifen und zu laufen, wie sie hinfallen, immer wieder auf den dicken Windelpopo plumpsen und immer wieder aufstehen, bis es schließlich klappt und sie in irrem Tempo über den Spielplatz flitzen. Lernen ist im Naturplan inbegriffen.

Doch irgendwann kommt der Moment, in dem wir Erziehende beginnen, uns Sorgen um die Zukunft zu machen. Die Frage „Was wird aus dir, Kind?“ schleicht sich in unser Herz. Begriffe wie „Lernstoff“ und die Angst, dass unser Kind womöglich „nicht mitkommen“ wird, bahnen sich ihren Weg in unser Denken. Sollten wir es nicht auf die bestmögliche Weise fördern, damit ihm in der Zukunft alle Türen offenstehen? Fördern ist an sich eine gute Idee – aber es kommt darauf an, wie dies geschieht. Die beste Möglichkeit, Kinder in ihren Talenten und Begabungen ganz individuell zu unterstützen, ist Co-Learning.

Aber was bedeutet das genau? An der Schwelle zum Einzug der künstlichen Intelligenz in alle Bereiche unseres Lebens befinden wir uns mitten in einem Paradigmenwechsel des Lernens. Dieser berührt drei wesentliche Aspekte der Lernkultur:

1. Was wir lernen: vom Wissen zum Können

Schon lange ist es kein Geheimnis mehr, dass der sogenannte Nürnberger Trichter, das mechanische Einbläuen von Wissen in Gehirne, nicht (mehr) funktioniert. Wir können überhaupt nicht alles Wissenswerte ansammeln und im Kopf behalten. Deswegen ist heute die Fähigkeit, Wissen zu finden und es anzuwenden, deutlich wichtiger.

2. Wie wir lernen: vom Belehren zum Entdecken

Dass junge Menschen von alten und Anfänger von Erfahrungsträgern lernen, hat sich relativiert. Es gibt große Unterschiede in den verwendeten Kanälen und Erfassungsweisen zwischen den Generationen. Das Dozieren hat ausgedient. Die Erlebnispädagogik setzt sich durch – das Lernen durch Erfahrung, angetrieben von der eigenen Neugier. Gutes Lernen soll und kann Freude machen. Warum auch nicht?

3. Wozu wir lernen: von Schubladen zur Vernetzung

Wir stellen außerdem heute fest, dass das Nebeneinander der vielen Fachbereiche kaum sinnvoll ist: Die neue Welt ist vernetzt – die Fähigkeiten, die wir entwickeln, müssen an anderen Fähigkeiten andocken. Durch Verbinden und Erfinden entfaltet sich das Potenzial des Einzelnen – im Miteinander mit mehreren.

„Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können“, soll bereits Konfuzius 500 Jahre vor Christus gesagt haben. Heute ergänzen wir: „Lasst es uns zusammen tun, und wir werden die Welt erobern.“

Vielleicht fragt ihr euch jetzt: „Wie? Wir sollen gemeinsam lernen? Also auch wir Eltern?“ Und unsere Antwort lautet: „Ja, genau!“ Auch ihr Eltern lernt beim Co-Learning. Mit anderen Worten: Das einsame Büffeln ist tot. Das gemeinsame Lernen ist auf dem Vormarsch. CoLearning ist ein Weg, um miteinander die Welt zu entdecken und neu zu erfinden: generationen-, fach- und methodenübergreifend, respektvoll und wertschätzend.

Wir sind überzeugt: Jeder Mensch ist von natürlicher Neugier und Lerndurst getrieben. Wir alle lernen nachhaltig durch Erfahrungen und nicht durch Belehrungen und brauchen dafür sinnstiftende Aufgaben und die Einbindung in Gemeinschaft und Gesellschaft. Lernwille und Optimismus können durch Frustration, Druck und Demotivation unterdrückt werden – Zuwendung, Fantasie und Wertschätzung können sie aber wiedererwecken! Jeder Einzelne hat das Potenzial, positiv in seinem Umfeld zu wirken. Er kann Verantwortung für sein Leben und Lernen übernehmen – und das mit Freude und Humor!

Wir, Béa und Stephanie, tun das täglich. Wir sind „Lern-Junkies“.

Lernen ist Glück

Ich bin Béa (B) und bin in einer Familie aufgewachsen, in der Lernen und Bildung ein Wert an sich waren: Mein Vater war Professor für Architektur- und Kunstgeschichte, meine Großmutter mütterlicherseits Lehrerin für Rumänisch und Latein. Ich wurde für jeden Lernfortschritt ermuntert und gelobt!

Das allein prägt. Aber die Schlüsselerlebnisse kamen in der schwersten Zeit meines Lebens: Ich verlor mit 12 Jahren meinen Vater und mit 15 meine Mutter und kam aus dem kommunistischen Rumänien zu meiner Halbschwester in ihre Familie nach Deutschland. Lernen wurde für mich zum Überlebensschlüssel. Mit dem Er-Lernen der deutschen Sprache und dem Kennen-Lernen der westlichen Kultur war ich so beschäftigt, dass ich vergaß, mir leid zu tun.

Natürlich hat es auch Frustmomente gegeben, vor allem, wenn ich merkte, dass ich die gleichen Fehler immer wieder machte oder mir ein bestimmtes Wissen fehlte … Wie sollte ich wissen, dass Mailand nicht irgendein kleiner Staat im Norden ist wie Finnland oder Holland (Hallo? LAND?), sondern das mir bekannte Milano? Doch im Großen und Ganzen war Lernen, vor allem Sprachenlernen, pure Therapie, Glück, Antrieb und Selbstbestätigung.

Bis heute ist es so geblieben. Ich lerne für mein Leben gern. Und am besten zusammen mit anderen.

Mutter wurde ich mit 21, nicht geplant, aber sehr gewollt.

Und meine beste Co-Lernerin ever, der Mensch, der mich am meisten weitergebracht hat in allen Lebensbereichen, ist meine Tochter Carina. Mit ihr habe ich das meiste von dem gelernt, wozu ich andere Eltern inspirieren möchte.

Nach meinem Studium arbeitete ich zunächst beim TV und in einer weltweit bekannten Unternehmensberatung. 2006 kam der Moment, in dem ich etwas zurückgeben konnte: Ich gründete zusammen mit einer Gruppe von Unternehmern eine Kette von bilingualen Schulen, Phorms Education. Motiviert war ich von der Idee, einen relevanten Beitrag zur Bildung zu leisten. Dieser bestand darin, Lernorte zu schaffen, in denen junge Menschen große Optimisten bleiben. In denen ihnen die angeborene Neugier, der Forscherdrang und die Lernlust nicht ausgetrieben werden – sondern genährt und entfacht! Über 5 000 Kinder und Jugendliche besuchen nun die Phorms-Schulen in neun Städten. So entstand auch ein gemeinsamer Lernprozess mit Stephanie, der sich zu einer tiefen Freundschaft weiterentwickelte.

Nach sechs Jahren gab ich den Vorstandsvorsitz von Phorms auf, um mich auf eine weitere Bildungsreise zu begeben.

Vier Monate reiste ich durch die Welt und besuchte innovative Bildungsorte auf vier Kontinenten – um besser zu verstehen, was gutes Lernen ausmacht. Ich sprach mit Schulleitern, Bildungsunternehmern, Designern und vor allem: mit ganz vielen Eltern und Kindern.

Bereits da entstand die Motivation, mich mit Co-Learning intensiver zu beschäftigen. Es ist der Gedanke, dass wir unseren Kindern nichts mehr beibringen können, weil wir heute nicht wissen, was in Zukunft wichtig sein wird. Wir können sie nur auf ihrer spannenden Entdeckungsreis begleiten. Und unsere Aufgabe als Eltern schränkt das nicht ein – ganz im Gegenteil!

Sie öffnet uns Erwachsenen selbst neue Horizonte. Aus dieser Idee heraus entstanden mein Unternehmen, der Tollabea-Blog, wie auch dieses Buch.

Gemeinsames Lernen ist doppeltes Glück

Ich bin Stephanie (S) und ich hatte das große Privileg, in den letzten 20 Jahren in Deutschland, Japan, England und Irland als Lehrerin und Schulleiterin tätig zu sein und in dieser Zeit zwei Schulen mit aufbauen zu dürfen. Meine Schüler und Schülerinnen kamen aus allen sozialen Schichten und ihr Alter reichte von 5 bis 75 Jahre. Mein größtes Anliegen war und ist es noch immer, dass jeder Freude am Lernen hat und für sich den besten Weg findet, am besten mit anderen zusammen, denn geteiltes Lernen ist doppeltes Lernen. Ich selbst lerne jeden Tag Neues von den Menschen, mit denen ich arbeite, insbesondere von meinen Schülern und Schülerinnen.

Geteiltes Glück verbindet

Die Erfahrungen vieler Eltern aus Béas Tollabea-Community (C) sind in dieses Buch mit eingeflossen. Wir werden in allen folgenden Kapiteln deren konkretes Wissen und praktisches Feedback im Blog mit einbeziehen. Auch alle Projekte in „Gemeinsam Schlauspielen“ sind elternerprobt und für euren Einsatz zu Hause zusammen mit Kindern ab etwa drei Jahren sorgsam ausgewählt.

Noch eine wichtige Anmerkung für euch: Eigentlich stehen Stephanie und ich Ratgebern und Ratschlägen eher kritisch gegenüber. Im Umgang mit Eltern und Kindern haben wir beide enorm viel Erfahrung gesammelt, genug, um zu wissen, dass jeder Mensch individuelle Bedürfnisse und Vorlieben hat und dass nicht alles, was für den einen eine klasse Idee ist, auch für den anderen passt. Bitte betrachtet alles in diesem Buch als eine große Auswahl an Anregungen, und es obliegt euch, zu entscheiden, was zu euch passt und was nicht. Und seht uns bitte nach, wenn wir ab und zu mal den einen oder anderen Ratgeber-Imperativ dennoch verwenden. Also, wenn da steht „Redet mit eurem Kind“ und es euch nicht guttut, verwerft die Idee bitte mit dem guten Gefühl, dass diese Anregung einfach gerade für euch nicht passt!

Und noch was, zu eurer Beruhigung: Das ist kein weiteres Förderbuch für ambitionierte Eltern. Dies ist ein Buch für Faule, wenn wir ehrlich sind. Alle, die sich keine Arbeit machen wollen, richten es sich spielerisch ein. Es lohnt sich wirklich, versprochen.

Béa und Stephanie

Gemeinsam schlau statt einsam büffeln

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