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Sophie Charlotte von Hannover

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* 1668 in Iburg bei Osnabrück

† 1705 in Hannover

Königin in Preußen

»Die Kurfürstin ist eine der schönsten Frauen von Deutschland. Ihr Teint, ihre Augen, ihr Mund – alles an ihr ist entzückend. Dabei ist die Schönheit noch die geringste ihrer Eigenschaften. Ihr Verstand ist lebhaft und angenehm, glänzend, kräftig und gerecht. Sie weiß viel, sie liest täglich drei bis vier Stunden, aber keine Schmöker, sondern die besten Autoren. Sie spricht gut italienisch und liebt die Kunst. Ihr Wissen macht sie nicht trocken, sie ist eine Gelehrte, aber in der Art einer Fürstin. Sie liest nicht, um ihr Gedächtnis vollzustopfen, sondern um sich ein Urteil zu bilden, und sie drückt sich sehr gut aus. (…) Sie ist kokett und möchte gefallen, aber alle Leute, die sie seit ihrer Kindheit kennen, loben ihre Tugendhaftigkeit.« Derartige Elogen auf die spätere erste preußische Königin Sophie Charlotte wie jene aus der Feder des französischen Diplomaten de La Rosière aus dem Jahr 1693 finden sich nicht selten. Echte Popularität erlangte die intellektuelle Welfin trotzdem nie in Brandenburg-Preußen, wozu sicherlich der Umstand beitrug, dass sie sich mit ihrer neuen Heimat und deren Interessen zu keinem Zeitpunkt wirklich identifizierte.

Als einzige Tochter unter den sieben Kindern des späteren hannoverschen Kurfürsten Ernst August erhielt die am 30. Oktober 1668 geborene Sophie Charlotte allein aus praktischen Gründen eine ähnliche Erziehung wie ihre Brüder. Die hübsche und aufgeweckte Fürstentochter beherrschte neben Deutsch noch Französisch, Englisch und Italienisch und hatte Grundkenntnisse im Lateinischen. Um den letzten aristokratischen Schliff zu bekommen, wurde Sophie Charlotte 1683 für ein Jahr nach Frankreich geschickt. Mit ihrer Mutter Sophie von der Pfalz, der sie zeitlebens eng verbunden blieb, teilte die Prinzessin schon früh ein großes Interesse an philosophischen Fragen. Beide begeisterten sie sich für Musik und Gartenkunst. Um für Sophie Charlotte die größtmöglichen Chancen auf dem hochadeligen Heiratsmarkt zu sichern, wurde bei ihrer religiösen Erziehung darauf geachtet, dass diese keine zu starke konfessionelle Bindung bei ihr erzeugte. Zeitweise wurde ihre Verheiratung mit dem französischen Thronfolger, dann mit dem verwitweten französischen König Ludwig XIV. erwogen. Der bayerische Kurfürst Max Emanuel wurde ebenfalls ins Kalkül einbezogen. Aus rein machtpolitischen Erwägungen kam ihre Heirat mit dem verwitweten, elf Jahre älteren Kurprinzen Friedrich von Brandenburg, Sohn des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, zustande. Sophie Charlottes Eltern befürworteten diese Verbindung, weil sie sich davon die Unterstützung Brandenburgs für die von Hannover angestrebte Kurwürde erhofften. Für die Hohenzollern stellte diese Heirat eine dynastische Aufwertung dar, da die Prinzessin über eine namhafte Ahnenreihe verfügte, die bis in sagenhafte Zeiten zurückreichte. Am 8. Oktober 1684 wurde in Herrenhausen bei Hannover die Vermählung unter großer Prachtentfaltung gefeiert.

Die junge Welfin fühlte sich am Berliner Hof nie wirklich wohl. In der zerstrittenen kurfürstlichen Familie bot ihr Ehemann Friedrich ihr keinen tatsächlichen Halt. Der freundliche, aber scheue und introvertierte Prinz, der mit seiner ersten Gemahlin Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel eine glückliche, auf gegenseitige Zuneigung gegründete Ehe geführt hatte, musste bald feststellen, dass seine zweite Ehefrau nicht seinen Erwartungen an eine Gefährtin entsprach. Umgekehrt wurde der nicht sonderlich geistreiche, dazu noch schmächtige und verwachsene Hohenzoller auch nicht den Ansprüchen der lebhaften, weltoffenen und selbstständigen Sophie Charlotte an einen Partner gerecht. Das wechselseitige Verhältnis gestaltete sich entsprechend schwierig. Es entwickelte sich immer mehr eine wachsende Distanz zwischen dem Ehepaar. Während die Kurprinzessin ihren Gatten in den ersten Ehejahren noch zu den verschiedensten Anlässen begleitete, nahmen später die räumlichen Trennungen zwischen ihnen zu. Die von Friedrich veranstalteten glanzvollen, ganz und gar auf Repräsentation ausgerichteten Festlichkeiten langweilten sie. Obwohl ihr Ehemann nach dem Tod seines Vaters im Mai 1688 als Friedrich III. Kurfürst wurde, nutzte Sophie Charlotte weiterhin jede Gelegenheit, um nach Hannover reisen zu können. Solches Verhalten war für eine verheiratete Fürstin damals eher unüblich. Nicht umsonst veranlasste ihr unabhängiger Lebensstil bei ihrer nach Frankreich verheirateten Cousine Liselotte von der Pfalz im November 1694 den leicht neidischen Kommentar: »Wenn ich betrachte, daß I. L. die Churfürstin von Brandenburg hinreißt, wo es ihnen beliebt, heußer bawet, musicanten hatt, mitt einem wort: thut waß ihr gefelt, finde ich, daß sie woll tausendt undt tausendtmahl glücklicher ist, Churfürstin in Brandenburg zu sein, alß wenn sie hir dauphine gewesen were, denn da hette sie allzeit thun müßen waß andere wollen, nie ohne den König reißen, wenig gelt haben undt nimmermehr ihre verwanten sehen.«

Ihrer dynastischen Hauptaufgabe, den Fortbestand des Hauses Hohenzollern zu sichern, war Sophie Charlotte zu diesem Zeitpunkt bereits nachgekommen. Nachdem sie zwei Kinder kurz nach der Geburt verloren hatte, brachte sie am 14. August 1688 mit ihrem Sohn Friedrich Wilhelm, dem späteren »Soldatenkönig«, den ersehnten Thronfolger zur Welt. Ihre Bemühungen, diesem eine sorgfältige Erziehung nach ihren Vorstellungen zu vermitteln, waren jedoch zu ihrem Kummer von wenig Erfolg gekrönt. Der völlig anders als seine Mutter veranlagte, aufbrausende und charakterlich extrem schwierige Prinz zeigte keine große Neigung zu Musik, Philosophie und Lektüre, sondern verachtete die verfeinerte Hofkultur seiner Zeit.

Immer wieder versuchte Sophie Charlotte die Politik des Berliner Hofes zu beeinflussen, wobei sie sich vor allem von den Interessen des Welfenhauses leiten ließ. Nicht zu Unrecht beschuldigte sie ihr jahrelanger politischer Gegenspieler, der allmächtige und strenge Oberpräsident und Premierminister Eberhard von Danckelmann, »ihr eigen Haus mehr zu lieben als das von Brandenburg«. Der Minister sorgte zudem zu ihrem Missbehagen dafür, dass der Etat für ihre Hofhaltung knapp bemessen war. Durch ihre Mitwirkung an entsprechenden höfischen Intrigen trug Sophie Charlotte zwar 1697 zum Sturz Danckelmanns bei, aber politisches Kapital konnte sie daraus nicht schlagen. Sie besaß nicht das diplomatische Geschick und das politische Urteilsvermögen ihrer Mutter.

1695 nahm der Bau ihres Lustschlosses Lietzenburg bei Berlin seinen Anfang. Mit dem Ausführungsentwurf beauftragte sie den Oberbaudirektor Johann Arnold Nering, nach dessen Tod Martin Grünberg das Projekt weiterführte. 1699 konnte die Einweihung gefeiert werden. 1701 begann Johann Friedrich Eosander mit dem Ausbau zu einer Dreiflügelanlage, um eine voll funktionsfähige Sommerresidenz zu schaffen. Zu dem Landsitz gehörte auch eine aufwendige Gartenanlage, deren Pläne zuvor André Le Nôtre, dem Gartenarchitekten Ludwigs XIV., zur Begutachtung vorgelegt worden waren. In Lietzenburg konnte Sophie Charlotte relativ unabhängig leben. Ihr Gatte, der sie bei ihrem Bauprojekt großzügig finanziell unterstützte, besuchte sie dort nur nach ausdrücklicher Einladung. An ihrem Lietzenburger Musenhof versammelte sie einen Kreis namhafter Künstler, Gelehrter und Theologen um sich. Sie pflegte das französische Theater und die italienische Oper. Sophie Charlotte spielte selbst ausgezeichnet Cembalo und galt als begabte Sängerin. Neben Festivitäten, die einzig der höfischen Zerstreuung dienten, fanden hier auch zwanglose philosophisch-religiöse Gespräche statt. Einen besonders engen Gedankenaustausch unterhielt Sophie Charlotte seit 1697 mit dem Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz. Er wurde ein häufiger Gast in Lietzenburg. Mit ihrer Hilfe gelang es Leibniz, Kurfürst Friedrich III. im Juli 1700 zur Gründung der Berliner Akademie der Wissenschaften zu bewegen. Trotzdem fühlte sich Sophie Charlotte von Leibniz nicht wirklich gewürdigt: »Ich liebe diesen Mann, aber es ärgert mich, daß er für mich alles so oberflächlich behandelt, er mißtraut meinem Genie, denn nur selten geht er wirklich tief auf die Dinge ein.« Die 1710 erfolgte Veröffentlichung seines religionsphilosophischen Hauptwerks, die »Essais de Théodicée«, erlebte Sophie Charlotte nicht mehr. Es ging in wesentlichen Teilen auf Leibniz’ Gespräche mit der Fürstin zurück.

Die prunkvolle Krönung zur ersten preußischen Königin im Königsberger Schloss am 18. Januar 1701 stellte einen Höhepunkt in ihrem Leben dar, obwohl Sophie Charlotte der Rangerhöhung gleichgültig bis ablehnend gegenüberstand. Ihr Ehemann König Friedrich I. setzte ihr selbst die Krone auf.

Wie so oft reiste sie auch 1705 zum Karneval nach Hannover. Im Alter von lediglich 36 Jahren verstarb sie dort in der Nacht zum 1. Februar an den Folgen einer verschleppten Erkältung, die sich zu einer Lungenentzündung entwickelt hatte. Ihre Familie zeigte sich tief getroffen. Ihre Mutter Sophie klagte: »Ich habe verloren, was meine größte Freude in dieser Welt war.« Der erschütterte Witwer Friedrich I. sorgte für ein ausgesprochen prachtvolles Staatsbegräbnis, das ihm für die erste Königin seines Hauses angemessen erschien. Sophie Charlotte wurde in einem von Andreas Schlüter geschaffenen vergoldeten Prunksarkophag im Berliner Dom zur letzten Ruhe gebettet. Außerdem veranlasste Friedrich I. im April 1705 ihr zu Ehren die Umbenennung des Schlosses Lietzenburg in Charlottenburg, das er zu seiner bevorzugten Sommerresidenz ausbaute und in dem er die jung Verstorbene als erste preußische Königin glorifizierte.

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