Читать книгу Lehrvertragsauflösung und Ausbildungserfolg - kein Widerspruch - Barbara E Stalder - Страница 6

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2 Passung, Sozialisation und Fluktuation

In diesem Kapitel werden passungs-, sozialisations- und fluktuationstheoretische Ansätze der Organisationpsychologie vorgestellt, die die Grundlage für das Rahmenmodell «Lehrvertragsauflösung und Ausbildungserfolg» bilden (Allen et al., 2010; Bauer & Erdogan, 2011; Saks & Gruman, 2012; Wanberg, 2012). In Kapitel 2.1 werden verschiedene Ebenen von Passung dargestellt und es wird gezeigt, welche Konsequenzen eine gute bzw. ungenügende Passung auf arbeitsbezogene Einstellungen und das Verhalten von Mitarbeitenden hat. In Kapitel 2.2 steht die organisationale Sozialisation, das heißt, der Prozess der Anpassung im Vordergrund. Es wird erläutert, welche Faktoren proximale und distale Sozialisationsergebnisse beeinflussen und wie Mitarbeitende und Betriebe zu einer gelingenden Anpassung beitragen. Inbesondere wird auf das Kündigungsverhalten von Mitarbeitenden eingegangen, das als wichtiges Sozialisationsergebnis gilt.

2.1 Passung

Passung wird definiert als generelle Übereinstimmung zwischen einer Person und ihrer Umwelt (person-environment fit) (Edwards & Shipp, 2007; Kristof-Brown et al., 2005). Im Arbeitskontext impliziert eine gute Passung, dass die Eigenschaften von Mitarbeitenden und deren Arbeitsumwelt gut aufeinander abgestimmt sind. Dazu gehören insbesondere die Passung zwischen der Person und ihrem Beruf (person-occupation fit), der Organisation (person-organisation fit), der Arbeit (person-job fit), der Arbeitsgruppe (person-workgroup fit) und der vorgesetzten Person (person-supervisor fit) (Jansen & Kristof-Brown, 2006; Judge & Ferris, 1992; Kristof-Brown et al., 2005). Die Übereinstimmung zwischen Person und Umwelt kann dabei komplementär oder supplementär sein (Kristof-Brown et al., 2005). Bei einer komplementären Passung füllen die Merkmale einer Person eine Lücke in der Arbeitsumwelt und umgekehrt, zum Beispiel wenn eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter über die Fähigkeiten verfügt, die dem Stellenprofil entspricht, oder wenn der Betrieb einer Person eine Stelle anbietet, die ihrem Bedürfnis nach Weiterentwicklung entspricht. Bei einer supplementären Passung haben Person und Umwelt ähnliche Eigenschaften, zum Beispiel die gleichen Arbeitswerte oder Ziele. Die grundlegende Annahme von Person-Umwelt-Passungstheorien ist, dass eine hohe Passung zu positiven Ergebnissen führt (Chatman, 1989; Dawis & Lofquist, 1984; Holland, 1997; Wanous, 1992). Diese umfassen zum Beispiel eine hohe Arbeitszufriedenheit, eine starke Verbundenheit mit dem Betrieb, gute Arbeitsleistungen und eine geringe Fluktuationstendenz (Edwards & Shipp, 2007).

Ob Menschen und ihr Umfeld zusammenpassen, kann bei Mitarbeitenden direkt erfragt (wahrgenommene Passung, subjektive Passung) oder indirekt ermittelt werden (objektive Passung). Im Fall der wahrgenommenen Passung schätzen die Personen direkt ein, ob ihre Fähigkeiten, Werte oder Ziele mit dem Beruf, dem Betrieb oder der Arbeit übereinstimmen (z. B. «Meine eigenen Werte passen gut zu den Werten des Betriebs, in dem ich zurzeit tätig bin»). Von subjektiver Passung wird dann gesprochen, wenn Personen einerseits sich selbst und andererseits ihr Arbeitsumfeld einschätzen und die Passung indirekt durch einen Vergleich ermittelt wird (z. B. «Ich bin handwerklich geschickt» und «Die Tätigkeiten, die ich ausübe, verlangen hohes handwerkliches Geschick»). Bei der objektiven Passung wird die Passung über verschiedene Informationsquellen erschlossen, z. B. indem die Person zu ihren Fähigkeiten befragt und ihre Selbsteinschätzung mit einer Einschätzung durch ihre Vorgesetzten verglichen wird. Auch wenn sich die verschiedenen Messungen von Passung inhaltlich auf dasselbe beziehen, stimmen wahrgenommene, subjektive und objektive Passung häufig nur in geringem Ausmaß überein (Cable & Judge, 1997; Cooper-Thomas, Van Vianen & Anderson, 2004; Harris & Schaubroeck, 1988). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Menschen dazu neigen, Hinweise aus der Umwelt so zu deuten, dass sie ein stimmiges und positives Selbstbild aufrechterhalten können (Endler & Magnussen, 1976). Stellen Menschen zum Beispiel fest, dass die Arbeit nur schlecht zu ihren Interessen passt, sie aber trotzdem zufrieden sind, führt dies zu kognitiver Dissonanz (Festinger, 1957). Die beiden Wahrnehmungen stehen im Widerspruch zueinander, was als unangenehm erlebt wird und einen Druck erzeugt, die Dissonanz zu reduzieren. Dies geschieht zum Beispiel dadurch, dass Personen die positiven Aspekte der Arbeit hervorheben und andere eher negative Aspekte ausblenden (Kristof-Brown & Jansen, 2007). Personen, die über eine hohe Arbeitszufriedenheit berichten, dürften damit eine hohe Passung wahrnehmen, selbst wenn diese in Realität nur mittelmäßig ist.

2.1.1 Ebenen von Passung

In der organisationspsychologischen Forschung wird hauptsächlich die Passung mit der Organisation, der Arbeit, der Arbeitsgruppe und der vorgesetzten Person diskutiert (Kristof-Brown et al., 2005). Die Passung mit dem Beruf ist Kernthema berufs- und laufbahntheoretischer Ansätze (Bergmann, 2007; Brown & Associates, 2002), findet aber auch in der Personalauswahl zunehmende Beachtung (Schuler, Höft & Hell, 2014).

Passung Person-Beruf

Die Passung Person-Beruf umfasst die Übereinstimmung zwischen den Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person und den Merkmalen und Anforderungen ihres Berufes (Vogel & Feldman, 2009). Berufe sind sozial konstruiert und umfassen objektivierte, standardisierte Bündel von spezialisierten Tätigkeiten und Kompetenzen, die von Berufstätigen erworben werden müssen und für die Ausübung des Berufs vorausgesetzt sind (Heinz, 1991; Lempert, 2006). Klassische Berufswahltheorien wie z. B. der persönlichkeitstypologische Ansatz von Holland gehen davon aus, dass Menschen ein berufliches Umfeld wählen, das ihren Interessen und Fähigkeiten entspricht und dass eine hohe Übereinstimmung zwischen Interessen und Berufsumfeld zu einer hohen Zufriedenheit, guten Arbeitsleistungen und beruflicher Stabilität führt (Hirschi, 2013; Holland, 1959; Spokane & Cruza-Guet, 2005). Auch in aktuellen Laufbahntheorien, wie z. B. der konstruktivistischen Theorie der Laufbahnentwicklung (Savickas, 2002, 2005), ist die Passung ein zentrales Element. Mit der Wahl eines Berufes wird das berufliche Selbstkonzept ausgedrückt und bestätigt, was zum Erleben von Sinnhaftigkeit im Leben führt. Laufbahnentwicklung wird als kontinuierlicher und aktiver Anpassungsprozess verstanden, in dem die Passung zwischen Person und Umwelt über die Zeit der gesamten Berufslaufbahn optimiert wird (Hirschi, 2013). Zwei Metaanalysen bestätigen, dass eine hohe Übereinstimmung zwischen beruflichen Interessen und aktueller Berufstätigkeit zu höherer Arbeitszufriedenheit und einem höheren Wohlbefinden, stabilen Berufslaufbahnen und besseren Trainings- und Arbeitsleistungen führt (Assouline & Meir, 1987; Van Iddekinge, Roth, Putka & Lanivich, 2011). Eine schlechte Passung mit dem Beruf hat vor allem dann negative Auswirkungen auf die Berufslaufbahn, wenn Individuen wegen einer falschen Berufswahl längere Zeit arbeitslos sind (Feldman, 2002).

Passung Person-Organisation

Die Passung Person-Organisation umschreibt die Übereinstimmung zwischen einer Person und ihrem Betrieb. Eine hohe Passung wird dann erreicht, wenn Mitarbeitende und Betriebe in ihren grundlegenden Werten und Zielen übereinstimmen (Chatman, 1989; Kristof-Brown et al., 2005). Arbeitsbezogene Werte wie z. B. Autonomie, Sicherheit, Beziehungen und Fairness am Arbeitsplatz sind ein wesentlicher Bestandteil des Selbstkonzepts (Super, 1962). Sie bestimmen, wie Menschen ihr Umfeld und die Verhaltensweisen anderer Personen interpretieren und beurteilen (Dose, 1997; Jin & Rounds, 2012). Das Erreichen einer Wertekongruenz zwischen Person und Organisation ist damit entscheidend für die Entwicklung und Stabilisierung des beruflichen Selbstkonzepts und eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration am Arbeitsplatz (Ashforth, Sluss & Saks, 2007; Edwards & Cable, 2009; Judge, 2007). Eine gute Übereinstimmung von Person und Organisation erleichtert die Kommunikation und Kooperation unter den Mitarbeitenden (Edwards & Shipp, 2007; Meglino & Ravlin, 1998). Gut passende Mitarbeitende richten ihr Verhalten stärker auf die Erwartungen der Organisation aus, bauen eine engere Verbundenheit zur Organisation auf und sind zufriedener mit ihrer Arbeit. Sie erreichen bessere Leistungen, werden eher befördert und bleiben länger im Betrieb (Bretz Jr & Judge, 1994; Lauver & Kristof-Brown, 2001; O’Reilly, Chatman & Caldwell, 1991; Tak, 2011).

Selbst- und Fremdselektion führen im Wechselspiel dazu, dass Personen und Organisation bereits beim Eintritt in den Betrieb über ähnliche Merkmale verfügen. Gemäß dem Attraction-Selection-Attrition-Modell (Schneider, 1987; Schneider, Goldstein & Smith, 1995) fühlen sich Menschen von Organisationen angezogen, die dieselben Werte haben wie sie und die sie darin unterstützen, eigene Ziele zu erreichen (attraction). Umgekehrt wählt die Organisation unter den Bewerbenden diejenigen aus, die am besten zu ihr passen (selection). Gelingt es einer Person nicht, eine Passung zur Organisation herzustellen, wird sie langfristig nicht im Betrieb bleiben, sondern aus eigenem Antrieb kündigen oder vom Betrieb entlassen werden (attrition).

Passung Person-Arbeit

Die Passung Person-Arbeit beschreibt die Kongruenz zwischen der Person und ihren Arbeitstätigkeiten an einer bestimmten Arbeitsstelle (Bretz Jr, Rynes & Gerhart, 1993; Edwards, 1991; Lauver & Kristof-Brown, 2001). Dabei werden zwei Arten von Passung unterschieden. Die erste beschreibt die Übereinstimmung zwischen den Anforderungen der Arbeitstätigkeit und den Fähigkeiten einer Person (demands-abilities fit). Die zweite bezieht sich auf die Übereinstimmung zwischen den Bedürfnissen der Person und deren Erfüllung durch die Arbeitstätigkeit, so zum Beispiel das Bedürfnis nach Zugehörigkeit oder finanzieller Sicherheit (needssupplies fit). Eine insgesamt gute Passung mit der Arbeit besteht dann, wenn die Person die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften für die Ausübung der Arbeitstätigkeit hat und wenn die Arbeitstätigkeit den Ansprüchen und Wünschen der Person genügt. Eine gute Übereinstimmung wirkt sich positiv auf die Arbeits- und Laufbahnzufriedenheit und die Arbeitsleistung von Mitarbeitenden aus und verstärkt deren Absicht, im Betrieb zu verbleiben (Cable & DeRue, 2002; Edwards & Shipp, 2007; Lauver & Kristof-Brown, 2001; Riordan, Weatherly, Vandenberg & Self, 2001; Vogel & Feldman, 2009).

Die Passung Person-Arbeit unterscheidet sich von der Passung Person–Beruf: Letztere beschreibt die Übereinstimmung eines Individuums mit dem Beruf auf übergeordneter, objektivierter Ebene. Die Passung Person-Arbeit berücksichtigt hingegen, dass Menschen im gleichen Beruf je nach Stellenprofil unterschiedlichen Aufgaben nachgehen und unterschiedliche Arbeitsbedingungen haben. Eine hohe Passung zum Beruf ist nicht zwingend mit einer hohen Passung zur aktuellen Arbeit verbunden (Vogel & Feldman, 2009). So ist es zum Beispiel möglich, dass eine Person die beruflichen Kompetenzen hat, um als Koch zu arbeiten und auch Erfüllung in diesem Beruf findet (Passung Beruf). Dieselbe Person erreicht aber eine schlechte Passung mit ihrer Tätigkeit an einer bestimmten Arbeitsstelle, z. B. wenn die Arbeitszeiten an dieser Stelle nicht ihrem Wunsch entsprechen oder sie von den Vorgesetzten nicht unterstützt wird.

Passung Person-Arbeitsgruppe und Person-Vorgesetzte

Die Passung Person-Arbeitsgruppe bzw. Person-Vorgesetzte/Vorgesetzter umschreibt die Übereinstimmung zwischen Mitarbeitenden und anderen Mitgliedern der Arbeitsgruppe bzw. ihren Vorgesetzten (Ferris, Youngblood & Yates, 1985). Eine hohe Passung besteht dann, wenn eine Person und ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen bzw. Vorgesetzten gemeinsame Ziele, Werte, Einstellungen oder Persönlichkeitsmerkmale haben.

Eine hohe Passung zu anderen Mitarbeitenden fördert die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt unter den Mitgliedern der Arbeitsgruppe und wirkt sich positiv auf die Gruppenleistung aus (Kristof-Brown et al., 2005; Seong, Kristof-Brown, Park, Hong & Shin, 2012). Mitarbeitende, deren Werte und Ziele mit der Gruppe übereinstimmen, richten ihr Verhalten an in der Gruppe existierenden Normen aus (Feldman, 1984). Mitarbeitende, die gut zu ihren Teamkolleginnen und -kollegen und gut zu ihren Vorgesetzten passen, sind zufriedener mit den sozialen Kontakten am Arbeitsplatz und mit der Arbeit, erzielen bessere Arbeitsleistungen, fühlen sich stärker ihrem Betrieb verbunden und haben eine geringere Fluktuationstendenz als schlechter passende Personen (Kristof-Brown et al., 2005; Van Vianen, 2000).

2.1.2 Wirkung von Passung im Vergleich

In der Passungsforschung wurde früher häufig davon ausgegangen, dass die positiven Auswirkungen von Passung universell sind, d. h. unabhängig von der Art der Passung (supplementär vs. komplementär) und von der Ebene (Passung mit Beruf, Betrieb etc.) (Bretz Jr & Judge, 1994; Mitchell, Holtom, Lee, Sablynski & Erez, 2001; Saks & Ashforth, 1997). Kristof-Brown et al. (2005) zeigten jedoch in ihrer Metaanalyse, dass Art und Ebene der Passung in unterschiedlichem Ausmaß mit arbeitsbezogenen Einstellungen, der Arbeitsleistung oder dem Kündigungsverhalten zusammenhängen. Die verschiedenen Ebenen von Passung haben zudem stärkere Auswirkungen auf die Einstellungen als auf das Verhalten von Mitarbeitenden. Die Passung zu Organisation, Arbeit und Vorgesetzten steht in einem starken Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit und der organisationalen Verbundenheit. Die Passung zur Arbeit hängt zudem in starkem, die Passung zur Organisation in mittlerem Ausmaß mit der Fluktuationstendenz von Mitarbeitenden zusammen. Alle Ebenen der Passung wirken sich hingegen nur in geringem Ausmaß direkt auf die Arbeitsleitung und nur in sehr geringem Ausmaß auf das effektive Kündigungsverhalten aus. Dies deutet darauf hin, dass ein Teil der Personen trotz schlechter Passung zur Arbeit oder zur Organisation im Betrieb verbleiben oder trotz guter Passung den Betrieb verlassen (vgl. Kapitel 2.2.3).

Detaillierte Analysen zum Einfluss der Passung Person-Arbeit auf die Arbeitszufriedenheit zeigen, dass die Übereinstimmung zwischen den Bedürfnissen von Mitarbeitenden und deren Befriedigung durch die Arbeit (needs-supplies fit) einen stärkeren Einfluss hat als die Übereinstimmung zwischen Arbeitsanforderungen und Fähigkeiten (demands-abilities fit) (Kristof-Brown et al., 2005). Es wird angenommen, dass eine gute Passung zwischen Arbeitsanforderungen und Fähigkeiten indirekt auf die Arbeitszufriedenheit wirkt (Edwards & Shipp, 2007). Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Mitarbeitende Arbeitsanforderungen internalisieren und deren Erfüllung zu einem eigenen Bedürfnis machen oder wenn eine gute Übereinstimmung zwischen Fähigkeiten und Anforderungen zu einem Kompetenzerleben führt, welches einem individuellen Grundbedürfnis entspricht. Auch in Bezug auf die Arbeitsleistung und entgegen der Erwartung zeigt sich ein etwas stärkerer Zusammenhang mit dem needs-supplies fit als mit dem demands-abilities fit. Insgesamt wird aber davon ausgegangen, dass beide Passungen vorhanden sein müssen. Gute Arbeitsleistungen werden dann erzielt, wenn die Mitarbeitenden ausreichende Fähigkeiten und Fertigkeiten mitbringen und antizipieren, dass gute Leistungen auch zu einer Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach Anerkennung, Zugehörigkeit und Arbeitsplatzsicherheit führen (Edwards & Shipp, 2007).

Im Gegensatz zur Auswirkung von (ebenenspezifischer) Passung sind Effekte fehlender Passung bisher schlecht untersucht. Fehlende Passung wird häufig als Gegenteil von Passung betrachtet und hat, so die Annahme, generell negative Auswirkungen auf Arbeitseinstellungen und das Verhalten von Mitarbeitenden (Edwards, Cable, Williamson, Lambert & Shipp, 2006). Diese Sicht impliziert, dass die Richtung der fehlenden Passung keine Rolle spielt. Dementsprechend wäre zum Beispiel eine Person, die an der Arbeitsstelle unterfordert ist, ebenso unzufrieden wie eine Person, die überfordert ist. Obwohl beide einen schlechten demands-abilities fit haben, scheint diese Annahme zumindest fraglich. Insgesamt stellt sich die Frage, auf welchen Ebenen das Erreichen einer hohen Passung wichtig ist und wie sich nicht nur eine fehlende Passung, sondern auch verschiedene Richtungen von fehlender Passung auf die Einstellungen und das Verhalten von Mitarbeitenden auswirken (Edwards, 2008).

2.1.3 Stabilität und Veränderung von Passung

In der Passungsforschung stand lange die Frage im Vordergrund, wie relativ stabile Dispositionen einer Person und relativ statische Arbeitsumwelten miteinander interagieren und die Passung zwischen Person und Umwelt beeinflussen (Kammeyer-Mueller, 2007). Forschungsarbeiten beruhen zudem meist auf querschnittlichen Designs, geben also eine Momentaufnahme der Passung wieder (Judge, 2007). Passung ist aber nicht stabil, sie verändert sich mit der Zeit (Chatman, 1989). Menschen entwickeln sich weiter und die Umwelt ist nicht konstant. Passung erfordert kontinuierliche (Wieder-)Anpassung, nicht nur vor und bei Stellenantritt, sondern über die Dauer der gesamten Anstellung (Caplan, 1987; Kristof-Brown & Jansen, 2007).

Wenn Mitarbeitende neu in einen Betrieb kommen, gewinnen sie neue Kenntnisse über den Betrieb und erwerben neue Kompetenzen, um ihre Aufgaben effektiv ausführen zu können. Sie verändern allenfalls ihre Einstellungen und Werte, um sich in die Arbeitsgruppe und den Betrieb zu integrieren. Sie bringen neue Ideen ein und verändern damit ihr Arbeitsumfeld. Die Organisation passt sich nach Bedarf und Möglichkeit an die Bedürfnisse der neuen Mitarbeitenden an. Auch im späteren Verlauf der Anstellung verändern sich sowohl die Umwelt als auch die neu angestellte Person. Ihre Arbeitsaufgaben werden allenfalls komplexer oder vielseitiger, sie übernimmt beispielsweise ein neues Aufgabengebiet, im Betrieb werden neue Technologien eingeführt oder die Zusammensetzung des Arbeitsteams ändert sich. Die Person erwirbt nicht nur neue Kompetenzen, sondern entwickelt, ausgehend von Veränderungen im beruflichen oder privaten Lebensbereich, neue Interessen und setzt sich allenfalls neue beruflichen Ziele (Ashforth, 2012; Kristof-Brown & Jansen, 2007). Je nach Art und Ausmaß der Veränderungen von Person und Umfeld kann sich damit auch die objektive, die subjektive und die wahrgenommene Passung verändern (Kammeyer-Mueller, 2007; Schneider, 1987; Van Vianen & De Pater, 2012).

Je länger Mitarbeitende im Betrieb sind, umso stärker gleicht sich die wahrgenommene Passung auf einer Ebene (Betrieb, Arbeit usw.) an die Passung auf einer anderen Ebene an. Die ebenenspezifischen Passungswahrnehmungen verstärken sich gegenseitig, sodass eine insgesamt gute Passung noch besser, eine insgesamt schlechte Passung noch schlechter wird (sogenannte Abweichungs-Verstärkungs-Spiraleffekte, Lindsley, Brass & Thomas, 1995). Je größer die Übereinstimmung zwischen der Passung mit dem Betrieb, der Arbeit, der Arbeitsgruppe und der vorgesetzten Person insgesamt ist, umso besser ist eine Person in ihr Umfeld integriert. Sie ist weniger gestresst und produktiver. Im Gegensatz dazu ist eine insgesamt wenig oder schlecht passende Person weniger gut integriert, wird vermutlich weniger gute Leistungen zeigen und immer schlechter in den Betrieb passen. Schlecht passende Menschen bewegen sich in ihren Einstellungen und ihrem Verhalten in einer Art Negativspirale immer weiter von der Arbeitsumwelt weg, bis sie schließlich den Betrieb verlassen (müssen).

2.2 Organisationale Sozialisation

Passung entsteht und verändert sich durch berufliche und organisationale Sozialisation (Van Vianen & De Pater, 2012; Winzen, 2007). Sozialisation ist der Prozess, in dessen Verlauf sich ein Individuum die nötigen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Werte, Einstellungen, Rollen und Verhaltensweisen aneignet, um sich erfolgreich in einer spezifischen sozialen Umwelt zu bewegen (Feij, 1998). Im Arbeitskontext wird zwischen der beruflichen und der organisationalen Sozialisation unterschieden. Berufliche Sozialisation umfasst die Aneignung und Veränderung arbeitsbezogener Kenntnisse, Fähigkeiten und Wertorientierungen (Heinz, 1995) und die Entwicklung von damit verbundenen individuellen Persönlichkeitsstrukturen (Lempert, 2006). Berufliche Sozialisation ist Sozialisation für den Beruf durch den Beruf (Heinz, 1995). Sozialisation für den Beruf bezieht sich auf die durch Familie und Schule geprägte Entwicklung berufsbezogener Fähigkeiten und Interessen, die erste Berufswahl und die Berufsausbildung. Sozialisation durch den Beruf umfasst die Erfahrungen, die Erwerbstätige in der Arbeitstätigkeit über die gesamte Berufslaufbahn machen. Organisationale Sozialisation ist ein Teilgebiet der beruflichen Sozialisation und bezieht sich auf die Integration neuer Mitglieder in den Betrieb (Lohaus & Habermann, 2015; Winzen, 2007). Sie steht im Vordergrund des vorliegenden Buches.

Organisationale Sozialisation beschreibt den Prozess, in dem neue Mitarbeitende die Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen erwerben, um ihre Arbeitsrolle effektiv auszuführen und so von Außenseitern zu vollen Mitgliedern der Organisation werden (Bauer, Bodner, Erdogan, Truxillo & Tucker, 2007; Feldman, 1981; Louis, 1980; Saks, Gruman & Cooper-Thomas, 2011). In einem enger gefassten Begriffsverständnis stehen die Vermittlung und das Erlernen der Kultur, der Normen und Werte der Organisation im Vordergrund (Moser, Soucek & Hassel, 2014; Winzen, 2007). Betriebe ermöglichen, fördern und steuern den Anpassungsprozess von neuen Mitarbeitenden (Saks & Gruman, 2012). Neue Mitarbeitende gestalten den Prozess aktiv mit, indem sie sich mit sich selbst und der Umwelt auseinandersetzen (Cooper-Thomas, Anderson & Cash, 2012; Kammeyer-Mueller, 2007). Dabei verwenden sie unterschiedliche Anpassungsstrategien (Cooper-Thomas et al., 2012): 1. Strategien, die auf die Veränderung der Umwelt abzielen, zum Beispiel durch die Veränderung der Arbeitsinhalte und -prozesse; 2. Strategien, die auf die Veränderung der eigenen Person ausgerichtet sind, zum Beispiel indem nach Feedback gesucht wird, um die für die Arbeit nötige Kompetenz zu erweitern; 3. Strategien, die eine gemeinsame Entwicklung von Person und Umwelt bezwecken, zum Beispiel durch den Aufbau positiver Beziehungen zu anderen Mitarbeitenden oder das Neuaushandeln der Arbeitsrolle mit der vorgesetzten Person. Je nach Anpassungsstrategie verändern Mitarbeitende also nicht nur sich und ihre Verhaltensweisen, sondern erwirken auch Veränderungen in der sozialen Umwelt (Cooper-Thomas et al., 2012; Hoff, 2004).

Der Prozess der organisationalen Sozialisation lässt sich als Abfolge verschiedener Phasen konzipieren: die Vorbereitung auf den Eintritt in die Organisation, die Konfrontation mit der Realität sowie die Anpassung und Stabilisierung (Ashforth, 2012; Van Maanen & Schein, 1979; Wanous, 1992). Die Phase vor dem Eintritt umfasst die Entscheidungen und Lernprozesse, die auf den Eintritt in die Organisation und auf die konkrete Stelle vorbereiten. Dazu gehören die Berufswahl, die Erfahrungen, die Stellensuchende im Verlauf der betrieblichen Selektion machen, und die Entscheidung für die konkrete Arbeitsstelle. In der Phase direkt nach dem Eintritt werden neue Mitarbeitende mit der Arbeitsrealität im Betrieb konfrontiert. Ihre Erwartungen werden bestätigt oder es wird ihnen allenfalls bewusst, dass die Stelle nicht oder nur zum Teil mit ihren Vorstellungen übereinstimmt. Die nachfolgenden Phasen umfassen den Anpassungsprozess, das Klären von Widersprüchen zwischen Mitarbeitenden und Betrieb, die Übernahme der neuen Arbeitsrolle und den Erwerb von Kompetenzen. Dadurch stabilisiert sich das Arbeitsverhältnis: Die neuen Mitarbeitenden sind zu akzeptierten Mitgliedern der Organisation geworden, sind zufrieden mit ihrer Arbeit und fühlen sich ihrem Betrieb zugehörig. Empirische Studien zeigen, dass die verschiedenen Phasen fließend ineinander übergehen, dass gewisse Phasen teilweise übersprungen oder aber mehrmals durchlaufen werden (Ashforth, 2012).

2.2.1 Proximale und distale Ergebnisse der organisationalen Sozialisation

Obwohl neue Mitarbeitende meist eine ungefähre Vorstellung davon haben, was sie an der neuen Arbeitsstelle erwartet, sind die ersten Monate nach Stellenantritt durch viele Unsicherheiten geprägt (Lohaus & Habermann, 2015; Saks & Gruman, 2012). Neue Mitarbeitende sind mit vielen Anforderungen gleichzeitig konfrontiert. Sie müssen sich mit dem Arbeitsgebiet vertraut machen, sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Stelle auseinandersetzen, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben und Selbstvertrauen entwickeln. Sie sind unsicher, ob sie vom Team akzeptiert werden, und müssen herausfinden, welches Verhalten von ihnen erwartet wird. Sie sind gefordert, eine gute Beziehung zu anderen Mitarbeitenden aufzubauen sowie Personen zu finden, von denen sie etwas über die Arbeit und die Organisation lernen können. Zudem müssen sie sich mit den Machtstrukturen und den Werten der Organisation vertraut machen und den spezifischen Jargon des Betriebs lernen. Um diese Anforderungen zu bewältigen, die Unsicherheit zu reduzieren und eine Passung zu erreichen, müssen Mitarbeitende ihre Erwartungen und Verhaltensweisen fortlaufend überprüfen und justieren (Kammeyer-Mueller & Wanberg, 2003; Van Vianen & De Pater, 2012). Dabei stellen sich tätigkeitsbezogene und soziale Lernerfordernisse (Chao, O’Leary-Kelly, Wolf, Klein & Gardner, 1994; Fisher, 1986). Lernen wird denn auch als wichtigstes Ergebnis der Anpassung oder als latenter, der Sozialisation zugrundeliegender Prozess angesehen (Ashforth et al., 2007; Bauer et al., 2007; Cooper-Thomas & Anderson, 2002; Kammeyer-Mueller & Wanberg, 2003; Ostroff & Kozlowski, 1992; Saks & Gruman, 2012).

Organisationale Sozialisationsmodelle unterscheiden zwischen proximalen (naheliegenden) und distalen (entfernt liegenden) Sozialisationsergebnissen (Bauer & Erdogan, 2011; Saks & Gruman, 2012). Proximale Ergebnisse umschreiben die unmittelbare Anpassung (adjustment) von neuen Mitarbeitenden (Bauer et al., 2007). Dazu gehören neben einer guten wahrgenommenen Passung die Rollenklarheit (die eigenen Aufgaben kennen; wissen, was wann mit welcher Priorität zu erledigen ist), die Aufgabenbeherrschung (wissen, wie man seine Arbeitsaufgaben erledigen muss; eigenen Fähigkeiten vertrauen), die Akzeptanz durch die Gruppe (ein von der Gruppe geschätztes Mitglied sein) und die Kenntnis der Organisationskultur (Geschichte, Werte und Ziele des Betriebs kennen) (Bauer et al., 2007; Chao et al., 1994; Feldman, 1981; Kammeyer-Mueller & Wanberg, 2003; Wang, Zhan, Mccune & Truxillo, 2011). Als distale Sozialisationsergebnisse werden insbesondere die Arbeitsleistung, die Arbeitszufriedenheit, die Verbundenheit mit dem Betrieb, die Verbleibens- bzw. Kündigungsabsicht und die Fluktuation untersucht (Ashforth et al., 2007; Bauer & Erdogan, 2012; Saks & Gruman, 2012; Saks, Uggerslev & Fassina, 2007). Proximale Sozialisationsergebnisse wirken auf distale Sozialisationsergebnisse ein. So erreichen Mitarbeitende, die wissen, welche Aufgaben sie erledigen müssen und die vom Team akzeptiert sind, bessere Arbeitsleistungen, sind zufriedener mit ihrer Arbeit, fühlen sich stärker dem Betrieb zugehörig und kündigen seltener als andere Mitarbeitende (Allen et al., 2010; Bauer et al., 2007).

Ob es Mitarbeitenden gelingt, sich gut an die Arbeit und den Betrieb anzupassen und umgekehrt, entscheidet sich häufig in den ersten Monaten im Betrieb (vgl. dazu Bauer & Erdogan, 2011; Kammeyer-Mueller, Wanberg, Rubenstein & Song, 2013; Van Vianen & De Pater, 2012). Grundsätzlich ist die Anpassung an eine neue Arbeitsrolle einfacher, wenn sie sich nur wenig von der bisherigen unterscheidet, wenn der Übertritt in die neue Situation freiwillig erfolgt und vorhersehbar ist (Ashforth, 2012). Sie fällt auch leichter, wenn genügend Zeit für die Vorbereitung auf die neue Stelle zur Verfügung steht und wenn der Eintritt in den neuen Betrieb gemeinsam mit Gleichgesinnten erfolgt (Ashforth, 2012). Umgekehrt wird die Anpassung für neue Mitarbeitende schwieriger, wenn sich die neue Rolle stark von der bisherigen unterscheidet, der Stellenwechsel von der Person und ihrem Umfeld nicht erwünscht ist und unfreiwillig erfolgt, z. B. weil die Person mangels Alternativen keine andere Wahl hatte. Wenig Zeit für die Vorbereitung auf die neue Stelle und den neuen Betrieb und die fehlende Möglichkeit, sich mit anderen neuen Mitarbeitenden auszutauschen, erschweren die Anpassung zusätzlich.

Sozialisation ist schließlich dann erfolgreich, wenn sie für Mitarbeitende wie für die Organisation zu einer zufriedenstellenden Situation führt. Eine gelungene Sozialisation impliziert, dass Mitarbeitende eine Balance zwischen den eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen und den Anforderungen der Arbeitsumwelt gefunden haben und die nötigen Kenntnisse, das Selbstvertrauen und die Motivation haben, ihre Arbeitsrolle zu erfüllen (Kammeyer-Mueller & Wanberg, 2003). Für Betriebe bedeutet dies, dass Mitarbeitende zu wertvollen Mitgliedern der Organisation geworden sind, die gute Leistungen erbringen, sich dem Betrieb gegenüber verpflichtet fühlen und in dem Ausmaß innovative Ideen einbringen, wie es für den Betrieb optimal ist (Feij, 1998).

2.2.2 Determinanten von Sozialisationsergebnissen

Zu den wichtigsten Einflussfaktoren proximaler und distaler Sozialisationsergebnisse gehören die Sozialisationstaktiken der Betriebe und die Proaktivität der neuen Mitarbeitenden (Kammeyer-Mueller & Wanberg, 2003). Zudem spielen die Berufs- und Organisationswahl der Stellensuchenden sowie die Selektion durch die Betriebe eine Rolle (Bauer & Erdogan, 2011; Lohaus & Habermann, 2015). Sie beeinflussen die Passung vor Eintritt in den Betrieb und legen die Grundlage für eine später erfolgreiche Anpassung und Integration in den Betrieb (Van Vianen & De Pater, 2012). Im Folgenden werden die Berufs- und Organisationswahl von Mitarbeitenden sowie die Selektion durch die Betriebe beschrieben. Des Weiteren wird gezeigt, wie Betriebe mit Sozialisationstaktiken und lernförderlichen Arbeitsbedingungen die Anpassung unterstützen und welche Rolle die neuen Mitarbeitenden dabei haben.

Berufswahl, Organisationswahl und Selektion von Mitarbeitenden

Organisationspsychologische Sozialisationsmodelle befassen sich meist nur am Rande mit der Berufswahl von angehenden oder neuen Mitarbeitenden und untersuchen vor allem deren Organisationswahl und die Selektion durch die Betriebe (vgl. dazu Lohaus & Habermann, 2015). Die Wahl eines möglichst passenden Berufs wird aber als notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung für eine später gelingende Anpassung an den Betrieb und die Arbeitstätigkeit betrachtet. Die Passung mit dem Beruf wirkt sich indirekt auf distale Sozialisationsergebnisse wie Arbeitsleistung, Arbeitszufriedenheit und Verbleibenstendenz aus (Vogel & Feldman, 2009). Personen, die nicht die Fähigkeiten, Fertigkeiten, Interessen und Einstellungen mitbringen, die für die Ausübung eines Berufs nötig sind, werden sich nur schwer an die Arbeit in diesem Beruf und an den Betrieb anpassen können. Sie sind, unabhängig von der Arbeitsstelle, wenig erfolgreich in ihrer Berufslaufbahn (Feldman & Ng, 2007).

Auch die Wahl einer passenden Organisation bzw. von passenden Mitarbeitenden sind eine wichtige Vorbedingung für eine gelingende spätere Anpassung an den Betrieb. Stellensuchende erachten Betriebe dann als attraktiv, wenn sie nach eigenem Dafürhalten für die vakante Stelle geeignet sind, und antizipieren, dass die Arbeit und der Betrieb zu ihnen passen (Kristof-Brown & Jansen, 2007; Moser & Sende, 2014). Um abschätzen zu können, ob der Betrieb den eigenen Erwartungen entspricht, benötigen Bewerbende möglichst umfassende und ausgewogene Informationen. Tatsächlich können sie sich aber nur auf eher allgemeine und abstrakte Informationen und auf vage Vorstellungen über die Organisation stützen (Van Vianen & De Pater, 2012). Die Informationen, die Stellensuchende aus Stellenanzeigen, dem Internet oder über Kontakte zu bestehenden Mitarbeitenden erhalten, sind unvollständig und zuweilen widersprüchlich (Earnest, Allen & Landis, 2011). Stellensuchende beziehen sich zudem nur auf wenige und selektive Kriterien, um die zukünftige Passung mit dem Betrieb zu beurteilen (De Goede, Van Vianen & Klehe, 2011). Sie geben positiven Informationen stärkeres Gewicht, blenden negative Informationen aus und vergewissern sich so, dass der Betrieb «gut» ist und attraktive Arbeitsbedingungen bietet. Trotz unvollständiger Informationen haben Stellenbewerbende meist eine optimistische Einstellung und sind überzeugt, dass der Betrieb bzw. die Arbeitstätigkeit zu ihnen passt. Ihre Vorstellungen können dabei sehr unrealistisch und ihre Erwartungen überhöht sein (Wanous, Poland, Premack & Davis, 1992). Diese zum Teil fehlerhaften Vorstellungen werden nach Stellenantritt korrigiert, wenn neue Mitarbeitende merken, dass der Betrieb und die Arbeit nicht ihren Erwartungen entsprechen.

Betriebe sind daran interessiert, zukünftige Mitarbeitende so auszuwählen, dass deren Kompetenzen möglichst gut auf das Anforderungsprofil der Stelle und deren Werte gut zu den Werten der Organisation passen (Kristof-Brown et al., 2005). Für die Selektion von passenden Mitarbeitenden stützen sich die Betriebe auf biografieorientierte, eigenschaftsorientierte und simulationsorientierte Verfahren (Schuler & Kanning, 2014). Biografieorientierte Verfahren wie die Evaluation von Bewerbungsunterlagen und Vorstellungsgespräche gehen davon aus, dass aus bisherigem Verhalten und bisher erreichten Ergebnissen auf zukünftiges Verhalten und zukünftige Leistungen geschlossen werden kann (Schuler, 2014). Aufgrund der Bewerbungsunterlagen wird eine erste Grobselektion vorgenommen. Diese erste Entscheidung für bzw. gegen bestimmte Stelleninteressierte ist insofern fehlerhaft, als dass ungeeignete Personen im Verfahren behalten und allenfalls geeignete Personen ausgeschlossen werden. Im Vorstellungsgespräch bietet sich den Betrieben die Möglichkeit, im direkten Austausch mit den Stelleninteressierten mehr über deren Qualifikationen, berufsrelevanten Erfahrungen und Interessen zu erfahren. Basierend auf dem nonverbalen und verbalen Verhalten der Kandidatin bzw. des Kandidaten entsteht bei den Interviewenden ein allgemeiner Eindruck, der den weiteren Gesprächsverlauf prägt und sich auf das abschließende Urteil auswirkt (Mussel, 2007). Ebenso gewinnt die interviewte Person einen Eindruck über die Interviewenden, was ihre nachfolgende Entscheidung für oder gegen die Stelle beeinflusst. Schul- und Studienleistungen sind die valideste Einzelkomponente von Bewerbungsunterlagen (Schuler, 2014). Sie ermöglichen die beste Voraussage für den späteren Ausbildungserfolg und sagen auch den späteren Berufserfolg mit hoher Wahrscheinlichkeit voraus (Baron-Boldt, Funke & Schuler, 1998; Roth, BeVier, Switzer III & Schippmann, 1996; Trapmann, Hell, Weigand & Schuler, 2007). Auch Vorstellungsgespräche haben eine hohe prädiktive Validität und sagen den Trainings- und Berufserfolg gut voraus (Schmidt & Hunter, 1998; für einen Überblick vgl. Schuler, 2014).

Eigenschaftsorientierte Verfahren messen Merkmale der Person, die als relativ stabil angesehen werden und von denen angenommen wird, dass sie den späteren Ausbildungs- und Berufserfolg beeinflussen (Schuler et al., 2014). Dazu gehören kognitive Fähigkeitstests, die die allgemeine Intelligenz, spezifische kognitive Fähigkeiten, die Konzentration oder Leistungen messen, sowie Persönlichkeitstests, die Persönlichkeitsmerkmale, Einstellungen, Motivation und berufliche Interessen erfassen. Die allgemeine Intelligenz gilt als valider und stärkster Einzelprädiktor für den Berufserfolg (Schmidt & Hunter, 1998). Kognitive Fähigkeiten sagen den Ausbildungs- und Trainingserfolg und die Arbeitsleistung gut voraus (Hülsheger, Maier & Stumpp, 2007; Salgado et al., 2003; Schmidt & Hunter, 1998) und stehen in einem positiven Zusammenhang mit der beruflichen Entwicklung (Ng et al., 2005). Auch Persönlichkeitstests leisten einen Beitrag zur Erklärung von Berufserfolg (Hülsheger & Maier, 2008).

Simulationsorientierte Verfahren prüfen das konkrete Verhalten von Bewerberinnen und Bewerbern in ausgewählten, arbeitsplatzrelevanten Situationen (Schuler et al., 2014). Typisch sind Arbeitsproben, in der Stelleninteressierte Aufgaben bearbeiten, die eine Nähe zum späteren beruflichen Alltag haben. Auf Grundlage der Arbeitsproben können Betriebe motorische Fähigkeiten und das praktischhandwerkliche Geschick, aber auch verbale und soziale Kompetenzen der Bewerbenden überprüfen. Die Stelleninteressierten erhalten ihrerseits einen Einblick in die zukünftige Tätigkeit. Arbeitsproben haben eine hohe prädiktive Validität und ermöglichen eine sehr gute Vorhersage der späteren beruflichen Leistung (Schmidt & Hunter, 1998). Die Voraussage gelingt dabei besser für Berufe mit einfachen Arbeitstätigkeiten als für Berufe mit hoher Komplexität (Roth, Bobko & McFarland, 2005).

Wesentlich ist, dass die Bewerbenden in der Selektionsphase eine realistische Vorstellung über die zukünftige Arbeitstätigkeit erhalten. Eine realistische Tätigkeitsvorschau, in der ausgewogene, d. h. positive und negative Informationen über die Stelle weitergegeben werden, führt zwar zu einer geringeren Attraktivität der Stelle, erhöht aber gleichzeitig die Glaubwürdigkeit des Betriebs und wirkt der Entwicklung unrealistischer Erwartungen entgegen (Earnest et al., 2011; Wanous et al., 1992). Gut informierte Personen können vor Stellenantritt besser abschätzen, ob sie in den Betrieb passen und ob ihnen die Arbeit entspricht (Kammeyer-Mueller & Wanberg, 2003). Personen, die realistische Vorstellungen haben, werden nach Stellenantritt weniger oft enttäuscht, haben größere Klarheit über ihre Rolle, sind zufriedener mit ihrer Arbeit und bleiben länger im Betrieb als Personen mit unrealistischen Vorstellungen (Allen et al., 2010; Earnest et al., 2011).

Sozialisationstaktiken der Betriebe

Nach Stellenantritt verwenden Betriebe verschiedene Maßnahmen, um neue Mitarbeitende zu sozialisieren. Diese umfassen speziell für neue Mitarbeitende konzipierte Aktivitäten, Einführungsprogramme und Lernanlässe, die sie darin unterstützen, zu lernen und sich an den Betrieb anzupassen (Saks & Gruman, 2012). In der Forschung wurde insbesondere untersucht, wie die Sozialisationstaktiken der Betriebe, Einführungs- und Trainingsprogramme sowie der Einbezug von Mentorinnen bzw. Mentoren die Sozialisation neuer Mitarbeitender beeinflussen.

Sozialisationstaktiken umschreiben die Art und Weise, in der die Erfahrungen von Personen, die von einer (Arbeits-)Rolle in eine andere wechseln, von anderen Organisationsangehörigen strukturiert werden (Van Maanen & Schein, 1979). Sie beziehen sich auf den Kontext, den Inhalt und soziale Aspekte des Sozialisationsprozesses (Jones, 1986). Übergeordnet wird zwischen institutionalisierten und individualisierten Sozialisationstaktiken unterschieden (Jones, 1986): Im Fall von institutionalisierten Sozialisationstaktiken erfolgt Lernen in der Gruppe mit anderen neuen Mitarbeitenden in einem formalen Rahmen, z. B. in speziellen Trainingssequenzen, meist getrennt von der Arbeitsumgebung und bestehenden Mitgliedern der Organisation. Es gibt einen Zeitplan, der die einzelnen Schritte und Etappen des Lernprozesses festlegt. Neue Mitarbeitende werden von erfahrenen Personen begleitet, die als Rollenmodell zur Verfügung stehen, die Identität, die Kenntnisse und Erfahrungen der neuen Mitarbeitenden unterstützen und weiterentwickeln. Im Fall von individualisierten Sozialisationstaktiken lernen neue Mitarbeitende getrennt von anderen Neuen und integriert in die tägliche Arbeit, on the job als Angehörige des bestehenden Teams. Der Lernprozess läuft eher zufällig ab, ohne dass die einzelnen Schritte oder ein Zeitrahmen für die Sozialisation festgelegt sind. Neue Mitarbeitende müssen ihre eigenen Erfahrungen machen und werden in ihrem Lernen nicht von erfahrenen Personen begleitet. Sie sind gefordert, ihre bisherige Identität zu hinterfragen und an die Erwartungen des Betriebs anzupassen.

Metaanalysen zeigen, dass institutionalisierte Taktiken insgesamt und besonders bei Mitarbeitenden, die ihre erste Stelle antreten, zu einer effektiveren Anpassung führen als individualisierte Taktiken (Bauer et al., 2007; Saks et al., 2007). Durch die gezielte Strukturierung wird das Lernen und die rasche Anpassung gefördert und es fällt neuen Mitarbeitenden leichter, die neuen Erfahrungen zu interpretieren und Unsicherheiten zu reduzieren (Ashforth et al., 2007; Saks & Gruman, 2012). Institutionalisierte Taktiken erhöhen die Rollenklarheit und die Selbstwirksamkeit und wirken sich positiv auf die Arbeitszufriedenheit und Leistung aus (Bauer et al., 2007). Stellen Betriebe den neuen Mitarbeitenden Rollenmodelle zur Seite, die sie über die Arbeit informieren und unterstützen, steigt die wahrgenommene Passung zum Betrieb und zur Arbeit (Cable & Parsons, 2001; Riordan et al., 2001). Mitarbeitende, die in einem institutionalisierten Setting eingeführt werden, werden zudem eher akzeptiert und entwickeln ein vertrauensvolleres Verhältnis und eine größere Verbundenheit zum Betrieb als Mitarbeitende, deren Einführung weniger strukturiert verläuft (Cooper-Thomas & Anderson, 2002; Scott, Montes & Gregory Irving, 2012). Institutionalisierte Taktiken wirken schließlich indirekt, vermittelt über die Einbindung in den Betrieb und die wahrgenommene Passung, der Kündigungsabsicht und dem Kündigungsverhalten entgegen (Allen, 2006; Saks et al., 2007).

Individualisierte Taktiken fördern die Eigeninitiative und die Kreativität der Mitarbeitenden, geben ihnen Raum, die Arbeitsaufgaben gemäß eigenen Fähigkeiten und Interessen anzugehen und ihre neue Rolle aktiv auszugestalten (Jones, 1986). Da der Einarbeitungsprozess wenig vorstrukturiert ist, können die Arbeitsinhalte, die Art und der Zeitraum der Arbeitserledigung in gewissem Ausmaß den Bedürfnissen der Mitarbeitenden angepasst werden. Der Spielraum, der sich damit eröffnet, geht aber mit Unsicherheit einher (Saks & Gruman, 2012). Mitarbeitende sind auf sich allein gestellt und müssen mit ihren Befürchtungen oder Ängsten, ob sie alles schaffen, allein zurechtkommen.

Die eher abstrakt gefassten Sozialisationstaktiken bilden die Grundlage für spezifische Sozialisationspraktiken wie Einführungs- und Orientierungsprogramme, Traineeprogramme, Patensysteme oder Mentoringprogramme (Ashforth, 2012; für einen Überblick vgl. Moser et al., 2014; Saks & Gruman, 2012). Einführungs- und Orientierungsprogramme dienen dazu, neue Mitarbeitende willkommen zu heißen, sie mit der Organisationsstruktur vertraut zu machen, ihnen einen Überblick über die Arbeitstätigkeit zu geben und sie ins Team einzuführen. Traineeprogramme richten sich v. a. an Personen mit wenig Berufserfahrung. Trainees können im Rahmen eines individuell gestalteten Trainingsablaufs (und betreut durch andere Mitarbeitende) erste Arbeitserfahrungen sammeln und erhalten einen Einblick in verschiedene Arbeitsbereiche des Betriebs. Bei Patensystemen und Mentoringprogrammen werden den Neuen erfahrene Mitarbeitende zur Seite gestellt, die sie in der Einführungsphase begleiten, ihnen Kontakte vermitteln, sie bei Problemen unterstützen und Ratschläge geben. Verschiedene Studien zeigen, dass Einführungs- und Orientierungsprogramme, Traineeprogramme, Patensysteme oder Mentoring die Sozialisation neuer Mitarbeitender positiv beeinflussen (Saks & Gruman, 2012). Sie reduzieren die Unsicherheit neuer Mitarbeitender, fördern die Rollenklarheit und die rasche Integration in den Betrieb.

Arbeitsbedingungen

Neuere Forschungsarbeiten zur organisationalen Sozialisation fragen zunehmend auch danach, welche Arbeitstätigkeiten neue Mitglieder in einer Organisation ausführen und wie die Arbeitsbedingungen die Sozialisation beeinflussen (Saks & Gruman, 2012). Dahinter steht die Annahme, dass Mitarbeitende bei Stellenantritt andere Bedürfnisse an ihre Arbeit und ihre Arbeitsbedingungen haben als Mitarbeitende, die schon länger im Betrieb sind.

Die arbeitspsychologische Forschung untersucht seit längerem, welche Merkmale Arbeitstätigkeiten aufweisen, die zur Aufgabenerfüllung motivieren und zur Persönlichkeitsentwicklung von Mitarbeitenden beitragen (Dunckel, 1999; Truxillo, Cadiz, Rineer, Zaniboni & Fraccaroli, 2012; Ulich, 2011). Dazu gehören insbesondere: Anforderungsvielfalt (Einsatz unterschiedlicher Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten), Ganzheitlichkeit (bedeutungsvolle Arbeit, Rückmeldung über Arbeitsfortschritte), Autonomie (Mitbestimmung, Verantwortungsübernahme), Möglichkeit sozialer Interaktion (gegenseitige Unterstützung), Sinnhaftigkeit (Beteiligung an gesellschaftlich nützlichen Produkten) sowie Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten (Entwicklung und Erhalt beruflicher Qualifikationen) (vgl. dazu Ulich, 2011). In einem breiteren Verständnis berücksichtigen Arbeitsbedingungen auch Arbeitsbelastungen, die Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, das Betriebsklima oder die Beziehungen zu anderen Mitarbeitenden (Morgeson & Humphrey, 2006; Semmer & Udris, 2007).

Arbeitsstellen, die eine hohe Qualität aufweisen, zeichnen sich aus durch vielseitige, lehrreiche und sinnhafte Tätigkeiten, ausreichende Mitbestimmungsmöglichkeiten, eine angemessene Belastung sowie eine gute Unterstützung durch Arbeitskolleginnen und -kollegen und Vorgesetzte (Frieling, Bernard & Bigalk, 2006; Holman, 2013; Keller, Stalder, lgic, Semmer & Elfering, 2015). Arbeitsstellen mit einer geringen Qualität umfassen Tätigkeiten, die wenig abwechslungsreich sind, die Mitarbeitende unter- oder überfordern und wenig Entwicklungspotenzial bieten. Die Qualität der Arbeit bzw. der Arbeitsbedingungen wirkt sich auf die Motivation von Mitarbeitenden aus und beeinflusst deren Einstellungen und das Arbeitsverhalten (Hackman & Oldham, 1980; Humphrey, Nahrgang & Morgeson, 2007; Judge & Klinger, 2007; Morgeson & Humphrey, 2006). Insbesondere motivationale Arbeitsmerkmale wie Autonomie, Anforderungsvielfalt und Ganzheitlichkeit hängen positiv mit der Arbeitszufriedenheit, der Verbundenheit mit dem Betrieb und der selbst eingeschätzten Leistung zusammen (vgl. Metaanalyse von Humphrey et al., 2007). Die Fluktuationsabsicht wird vor allem von sozialen Merkmalen der Arbeit beeinflusst, zum Beispiel von der Unterstützung und dem Feedback, das Mitarbeitende von ihren Kolleginnen und Kollegen erhalten. Unterstützung und Feedback sind besonders wichtig für neue Mitarbeitende, da sie eher noch Fehler machen, die Umgebung weniger gut verstehen und eher organisationale Normen verletzen als erfahrene Mitarbeitende. Erhalten neue Mitarbeitende von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen genügend Informationen und Rückmeldungen, verstehen sie, was sie wann noch zu lernen haben (Wanberg & Kammeyer-Mueller, 2000). Information und Feedback ermöglichen es ihnen, ihre Umwelt zu erschließen, den Sinn ihrer Arbeit zu verstehen und Unsicherheit zu reduzieren (Louis, 1980; Saks & Ashforth, 1997).

Einige arbeitspsychologische Studien gehen davon aus, dass Anforderungsvielfalt und Autonomie für junge, unerfahrene Mitarbeitende weniger wichtig sind als für erfahrene Personen (Fried, Grant, Levi, Hadani & Slowik, 2007; Truxillo et al., 2012). In der ersten Karrierephase führen Mitarbeitende zunächst einfachere Tätigkeiten aus, werden eng begleitet und müssen erst die Kompetenzen erwerben, um anspruchsvolle Aufgaben zu übernehmen. Sind sie überzeugt, dass ihre Arbeitstätigkeit später vielseitiger und komplexer wird und die aktuelle Arbeit ihrer beruflichen Laufbahn dient, akzeptieren sie anfängliche Einschränkungen bezüglich Anforderungsvielfalt und Mitbestimmungsmöglichkeiten (Fried et al., 2007). Andere Forschende betonen hingegen, dass es besonders für junge Mitarbeitende wichtig ist, anspruchsvolle Arbeiten auszuführen, in denen sie verschiedene Fähigkeiten und Fertigkeiten anwenden können (De Witte, Verhofstadt & Omey, 2007). Hohe Anforderungen bei gleichzeitig hohen Mitbestimmungsmöglichkeiten fördern das Lernen, die Anpassung an die Arbeitsumgebung und die Karriereentwicklung.

Auch aus sozialisationstheoretischer Sicht ist angenommen worden, dass Anforderungsvielfalt und Autonomie bzw. Mitbestimmung in der ersten Zeit nach Stellenantritt nicht wichtig sind oder sogar einen negativen Effekt haben (Katz, 1980; vgl. dazu Saks & Gruman, 2012). Demgegenüber sind insbesondere die Ganzheitlichkeit und Sinnhaftigkeit der Arbeit sowie das Feedback von anderen Organisationsmitgliedern zentral (Katz, 1980). Unabhängig von ihrer Berufserfahrung müssen neue Organisationsmitglieder zuerst die sozialen und technischen Aspekte ihrer neuen Rolle erlernen. Im Vordergrund steht die Reduktion von Unsicherheit. Arbeitstätigkeiten, die den Einsatz vieler verschiedener Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten erfordern und den Mitarbeitenden viel Handlungsspielraum lassen, gefährden die Entwicklung von Aufgabenbeherrschung und Rollenklarheit. Sie erhöhen damit die Unsicherheit. Andere sozialisationstheoretisch ausgerichtete Studien zeigen jedoch, dass neben Ganzheitlichkeit, Sinnhaftigkeit und Feedback auch die Anforderungsvielfalt und Mitbestimmung für die Integration neuer Mitarbeitender entscheidend sind. So sind neue Mitarbeitende, die in den ersten Monaten mit anforderungsreichen und verantwortungsvollen Aufgaben konfrontiert werden, zufriedener mit ihrer Arbeit und identifizieren sich stärker mit ihrem Betrieb als Mitarbeitende mit weniger anspruchs- und verantwortungsvollen Arbeitstätigkeiten (Ashforth, Saks & Lee, 1998). Zusammenfassend lässt sich aus den wenigen Studien schließen, dass Betriebe nicht nur mit institutionalisierten Sozialisationstaktiken, sondern auch durch eine abwechslungs- und anforderungsreiche Arbeitsgestaltung zu einer guten Sozialisation neuer Mitarbeitender beitragen.

Proaktivität

Organisationen tragen durch eine sorgfältige Selektion, institutionalisierte Sozialisationstaktiken und gute Arbeitsbedingungen zu einer gelingenden Anpassung neuer Mitarbeitender bei. Es ist ihnen jedoch nicht möglich, neuen Mitarbeitenden alle nötigen Informationen und Kontakte zur Verfügung zu stellen. Mitarbeitende müssen selber aktiv werden, um zu lernen, was von ihnen erwartet wird und welche Freiheiten sie haben.

Proaktivität betont die aktive Rolle, die neue Mitarbeitende einnehmen, um ihre Arbeit und den Betrieb kennenzulernen und das Arbeitsumfeld zu gestalten (Ashforth et al., 2007). Proaktive Menschen passen sich nicht einfach an die Umweltgegebenheiten an, sondern ergreifen vorausschauend selbst die Initiative (Grant & Ashford, 2008; Parker & Collins, 2008). Sie sind gegenüber Neuerungen offen und positiv eingestellt, suchen Veränderungsmöglichkeiten, erkennen Chancen und schaffen sich so bessere Arbeitsbedingungen (Crant, 2000; Seibert, Kraimer & Crant, 2001). Proaktive Personen suchen Informationen über die Arbeit oder den Betrieb, fragen direkt bei Vorgesetzten oder Arbeitskolleginnen und -kollegen nach, holen Feedback zur eigenen Arbeitsleistung ein und bauen soziale Beziehungen und Netzwerke auf (De Vos & Freese, 2011; Ostroff & Kozlowski, 1992; Wanberg & Kammeyer-Mueller, 2000). Weniger proaktive Menschen verhalten sich eher passiv und reaktiv. Sie passen sich eher an die äußeren Gegebenheiten an, statt diese verändern zu wollen.

Dass proaktives Verhalten proximale Sozialisationsergebnisse wie Lernen, soziale Integration, Rollenklarheit und Aufgabenbeherrschung beeinflusst, ist gut belegt (Ashforth et al., 2007; Bauer & Erdogan, 2011; Saks & Gruman, 2011). Arbeitnehmende, die selber nach Informationen und Feedback suchen und Beziehungen aufbauen, erhalten mehr Rückmeldungen von Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen. Sie lernen effektiver, beherrschen ihre Aufgaben schneller und verstehen ihre Arbeitsrolle besser als weniger proaktive Personen (Ashforth et al., 2007; Morrison, 2002; Saks & Gruman, 2011). Sie finden sich schneller zurecht und passen sich besser und schneller an die neue Arbeitsumgebung an (Bauer & Erdogan, 2011). Proaktives Verhalten wirkt sich auch auf distale Sozialisationsergebnisse aus. Je häufiger sich Personen informieren und je aktiver sie sich um gute soziale Beziehungen bemühen, umso zufriedener sind sie mit ihrer Arbeit, umso stärker fühlen sie sich dem Betrieb zugehörig und umso eher möchten sie im Betrieb bleiben (Kammeyer-Mueller et al., 2013; Morrison, 1993; Wanberg & Kammeyer-Mueller, 2000). Demgegenüber zeigen vereinzelte Studien, dass proaktives Verhalten in gewissen Situationen einen negativen Einfluss auf die Anpassung neuer Mitarbeitender hat (Bauer & Green, 1998; Van Vianen & De Pater, 2012). Mitarbeitende, die aus eigenem Antrieb neue Informationen über den Betrieb und ihre Arbeit suchen, merken allenfalls schneller, dass ihre Werte nicht mit denjenigen des Betriebs übereinstimmen. Dadurch entstehende Konflikte können sich bei proaktiven Personen stärker und negativer auf die Arbeitszufriedenheit auswirken, wenn es ihnen nicht gelingt, die Situation zu verändern (Harvey, Blouin & Stout, 2006).

Bisherige Studien zur Proaktivität untersuchen vorwiegend die Zeit nach Eintritt in die Organisation. Es ist aber davon auszugehen, dass proaktives Verhalten auch in der Phase der Berufsorientierung oder nach einem Verlust der Arbeitsstelle positive Effekte hat. So zeigt sich beispielsweise, dass sich proaktive Personen intensiver mit Laufbahnfragen auseinandersetzen, die beruflichen Möglichkeiten gründlicher erkunden und es sich eher zutrauen, die eigene Laufbahn erfolgreich zu gestalten (Hirschi, Herrmann & Keller, 2015). Studien bei Arbeitslosen zeigen, dass proaktiv handelnde Personen einen unfreiwilligen Stellenverlust besser bewältigen. Sie geben sich weniger selbst die Schuld, haben ein höheres Selbstwertgefühl und finden eher eine neue Stelle als weniger proaktive Personen (vgl. dazu Crant, 2000).

2.2.3 Fluktuation als Ergebnis misslungener Sozialisation

Wie gezeigt erhöht eine schlechte Passung die Kündigungsabsicht und führt zu häufigeren Kündigungen. Eine hohe Fluktuationstendenz gilt zudem als Ergebnis und Indikator für eine misslungene organisationale Sozialisation. Allerdings lässt sich die Kündigungsabsicht nur mittelmäßig, die effektive Kündigung nur schlecht durch die fehlende Passung bzw. Anpassung voraussagen. Es stellt sich die Frage, ob das Verlassen des Betriebs ein aussagekräftiger Indikator für eine misslungene organisationale Sozialisation ist (Moser et al., 2014). Die Sozialisation scheint dann misslungen, wenn Mitarbeitende kurz nach Stellenantritt freiwillig wieder kündigen, weil die Arbeit nicht ihren Interessen und Fähigkeiten entspricht oder wenn Betriebe Mitarbeitende wegen ungenügender Leistung oder Fehlverhalten entlassen. In beiden Fällen ist die fehlende Passung zur Arbeit und zum Betrieb eine wichtige Ursache für die Kündigung. In anderen Fällen ist dies jedoch nicht zwingend der Fall. Mitarbeitende kündigen nicht nur dann, wenn die Stelle nicht (mehr) ihren Vorstellungen entspricht, sie unzufrieden sind und sich dem Betrieb nicht zugehörig fühlen (vgl. dazu Semmer, Elfering, Baillod, Berset & Beehr, 2014). Sie verlassen ihre bisherige Stelle beispielsweise auch, weil sie sich beruflich weiterentwickeln wollen oder aus privaten Gründen.

Für Betriebe sind Kündigungen dysfunktional, wenn sie qualifizierte, nur schwierig zu ersetzende Mitarbeitende verlieren und wenn Mitarbeitende bereits wenige Monate nach Eintritt kündigen (Allen et al., 2010; Holtom, Mitchell, Lee & Eberly, 2008). Durch die Kündigung fallen hohe Kosten an, da neue Mitarbeitende rekrutiert und eingearbeitet werden müssen. Auch für Arbeitnehmende kann die Kündigung dysfunktional sein, beispielsweise, wenn sie ihr berufliches Netzwerk verlieren oder nach der Kündigung arbeitslos werden. Sie kann aber auch funktional sein, insbesondere dann, wenn sie geplant ist und zu einer positiven Laufbahnentwicklung beiträgt (Ng, Sorensen, Eby & Feldman, 2007). Dazu gehören Stellenwechsel, die mit einer besseren Position oder einem höheren Gehalt verbunden sind oder die Arbeitstätigkeiten umfassen, die den Interessen der Person besser entsprechen (Mitchell et al., 2001).

Freiwillige Kündigungen und Stellenwechsel können mit traditionellen Fluktuationsansätzen und neuen Laufbahntheorien erklärt werden. Passung bzw. Anpassung spielen in vielen dieser Modelle eine Rolle. Klassische Ansätze gehen davon aus, dass die Unzufriedenheit mit der Arbeitsstelle, eine geringe Verbundenheit mit dem Betrieb und vorhandene beruflichen Alternativen die Absicht von Mitarbeitenden verstärken, eine neue Stelle zu suchen und zu kündigen (Griffeth, Hom & Gaertner, 2000; Holtom et al., 2008; Warr, 2007). Neuere Laufbahntheorien verweisen zudem darauf, dass die Laufbahngestaltung stärker als bisher in den Händen der einzelnen Mitarbeitenden liegt und dass häufige Stellenwechsel zur Normalität werden (Arthur et al., 2005).

Nach dem traditionellen Person-Umwelt-Ansatz haben Arbeitnehmende und Organisationen das Ziel, eine optimale Passung zwischen den Merkmalen der Person und der Arbeitsumgebung herzustellen (Dawis & Lofquist, 1984). Liegt eine gute Passung im Sinne eines needs-supplies fits und eines demands-abilities fit vor, sind Mitarbeitende und Betriebe zufrieden und streben danach, die Passung aufrechtzuerhalten. Ist die Passung ungenügend, versuchen Personen und Umwelt, diese (wieder) herzustellen. Mitarbeitende können zum Beispiel ihre Erwartungen senken oder zusätzliche Kompetenzen erwerben, um neue oder anspruchsvolle Arbeitstätigkeiten effektiv auszuführen. Arbeitgebende können den Mitarbeitenden andere Aufgaben oder mehr (bzw. weniger) Verantwortung übertragen oder ihnen ein anderes Pensum anbieten. Wenn die von Mitarbeitenden und Arbeitgebenden initiierten Strategien nicht erfolgreich sind, steigt die Unzufriedenheit weiter an und beide Parteien überlegen sich andere Lösungen. Es kommt zu einer Kündigung oder einer Entlassung.

Alternative Erklärungen für das Kündigungsgeschehen gibt das «Entwicklungsmodell freiwilliger Kündigung» (unfolding model of voluntary turnover) (Lee, Mitchell, Holtom, McDaniel & Hill, 1999). Das Modell berücksichtigt, dass die Kündigungsentscheidung nicht immer nach einem langen Abwägungsprozess, sondern je nach Situation auch kurzfristig erfolgt. Zudem wird angenommen, dass der Kündigungsprozess auch durch besondere Ereignisse im beruflichen oder privaten Bereich ausgelöst werden kann. Diese können erwartet oder unerwartet, positiv oder negativ sein, beispielsweise ein heftiger Streit mit der vorgesetzten Person, Umstrukturierungen im Betrieb, die Geburt eines Kindes oder eine Krankheit der Arbeitnehmenden. Durch das Ereignis wird den Mitarbeitenden bewusst, dass ihnen die Stelle nicht mehr entspricht. Die Unzufriedenheit steigt und die Mitarbeitenden prüfen Alternativen. Sie kündigen, wenn sie eine neue Stelle in Aussicht haben, oder aber verlassen die Stelle ohne Anschlusslösung. Mitarbeitende geben ihre Stelle insbesondere dann kurzfristig und ohne berufliche Alternative auf, wenn ihre Passung zur Arbeitsumwelt außerordentlich schlecht und ihre Unzufriedenheit mit der Stelle sehr hoch ist. In anderen Fällen kündigen Personen bei Eintritt eines Ereignisses auch dann, wenn sie mit ihrer Stellensituation zufrieden sind. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn Personen unerwartet ein attraktives Stellenangebot erhalten. Insgesamt verdeutlicht das Fluktuationsmodell von Lee et al. (1999), dass eine ungenügende Passung in vielen, aber nicht in allen Fällen eine wichtige Determinante für eine Kündigung ist.

Kündigungen sind mit unterschiedlichen beruflichen Anschlusslösungen verbunden. Mitarbeitende können eine Stelle in ihrem bisherigen Beruf in einer anderen Organisation annehmen. Sie können sich aber auch entscheiden, den Beruf zu wechseln oder vorerst nicht mehr erwerbstätig zu sein. Zudem sind Stellenwechsel auch innerhalb der Organisation möglich, zum Beispiel durch einen Wechsel in eine andere Abteilung, eine Beförderung oder Rückstufung. Zurzeit gibt es nur wenige Studien, die Berufs- und Betriebswechsel oder interne und externe Fluktuation gleichzeitig untersucht haben (Ng et al., 2007; Rhodes & Doering, 1993). Sie zeigen, dass sich Mitarbeitende, die betriebsintern in eine neue Stelle wechseln, nur wenig von Mitarbeitenden unterscheiden, die in ihrer Stelle verbleiben (Doering & Rhodes, 1996). Beide Gruppen sind zufrieden mit ihrer Arbeit und beabsichtigen kaum, sich eine neue Stelle zu suchen. Im Gegensatz dazu sind Personen, die den Beruf und den Betrieb verlassen, vor der Kündigung nicht nur unzufrieden mit ihrer Arbeit, sondern insgesamt mit ihrem Beruf (Blau, Tatum & Ward-Cook, 2003). Die Studien weisen darauf hin, dass es wichtig ist, das Fluktuationsgeschehen im Zusammenhang mit der beruflichen Anschlusslösung zu untersuchen.

Neue Laufbahntheorien betonen, dass Berufslaufbahnen infolge grundlegender Veränderungen im Arbeitsmarkt offener und unsicherer geworden sind (Arthur et al., 2005). Globalisierung, technologischer Wandel und Konkurrenzdruck erhöhen die Arbeitsbelastung und verlangen, dass Mitarbeitende ihre beruflichen Kompetenzen stetig weiterentwickeln. Gleichzeitig hat sich die Verantwortung für eine erfolgreiche Laufbahngestaltung weg von den Organisationen hin zu den einzelnen Mitarbeitenden verschoben (Hall, 2002). Im Vordergrund stehen Mobilität, Flexibilität und Selbstverantwortung, d. h. eine ständige und aktive Anpassung der Mitarbeitenden an ein sich rasch wandelndes Umfeld. Der Antrieb für die Laufbahnentwicklung geht von den einzelnen Individuen aus, die ihre Karriere selbstbestimmt und nach eigenen Wertvorstellungen vorantreiben (Briscoe & Hall, 2006). Durch die zunehmende Flexibilisierung von Laufbahnen werden Selbstverwirklichung in der Arbeit und die Erfüllung persönlicher Ziele immer wichtiger. Traditionelle Werte wie Pflichterfüllung und Loyalität gegenüber dem Betrieb scheinen hingegen in den Hintergrund zu treten. Mit Bezug auf Passung und Fluktuation bedeutet dies, dass Selbsterfüllung und Weiterentwicklung zu zentralen Inhalten von Passung werden und das Kündigungsverhalten beeinflussen (Briscoe & Hall, 2006).

Zwei Metaanalysen bestätigen, dass eine geringe Arbeitszufriedenheit und Verbundenheit mit dem Betrieb, häufige Kündigungsgedanken und die Suche nach Alternativen die Wahrscheinlichkeit von Kündigungen stark erhöhen (Allen et al., 2010; Griffeth et al., 2000). Proximale Sozialisationsergebnisse (z. B. Beziehung zu Vorgesetzten, Rollenklarheit bzw. Rollenkonflikte) sowie Arbeitsbedingungen (z. B. Mitbestimmungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz, Belastung) leisten einen wenn auch eher geringen direkten Beitrag zur Voraussage von freiwilligen Kündigungen. Individuelle Merkmale wie Alter, Ausbildung, kognitive Fähigkeiten oder ein Migrationshintergrund sagen eine Kündigung hingegen kaum oder gar nicht voraus. Insgesamt bestätigt sich, dass Fluktuation vor allem mit distalen Sozialisationsergebnissen (Fluktuationstendenz, Arbeitszufriedenheit, Verbundenheit mit dem Betrieb) zusammenhängt. Proximale Sozialisationsergebnisse (Rollenklarheit, soziale Beziehungen) beeinflussen das Kündigungsverhalten von Mitarbeitenden vor allem indirekt, vermittelt über die distalen Sozialisationsergebnisse.

Lehrvertragsauflösung und Ausbildungserfolg - kein Widerspruch

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