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Оглавление1Geistigbehindertenpädagogik – ein komplexes System von Hilfen und Maßnahmen
Der nachfolgende Überblick vermittelt einen ersten Eindruck von der Breite eines Faches, das sich als Praxis, Theorie und Forschung der Erziehung, Bildung und Rehabilitation von Menschen mit geistiger Behinderung versteht. Die Übersicht will die spätere Einordnung der thematisierten Frage- und Aufgabenstellungen in das Gesamtsystem der Geistigbehindertenpädagogik erleichtern. Dazu sollen zunächst einige zentrale Begriffe geklärt werden.
1.1Terminologische Klärung
Die Geistigbehindertenpädagogik ist ein Teilgebiet des größeren Systems der Heiloder Sonderpädagogik, auch Behinderten-, Rehabilitations- oder Spezielle Pädagogik genannt. Obwohl sich alle Begriffe auf das Behindertenerziehungswesenbeziehen und häufig synonym verwendet werden, meinen sie dennoch nicht dasselbe. Darum sollen sie hier kurz charakterisiert und von einander abgegrenzt werden.
Heilpädagogik
Der Begriff der Heilpädagogik wurde im 19. Jahrhundert von den Pädagogen Georgens und Deinhardt eingeführt und bezog sich zunächst auf die Versorgung und Erziehung von Menschen mit geistiger Behinderung („Schwachsinnige“). Die beiden Autoren verstanden die Heilpädagogik als Kritik an der bestehenden Pädagogik; einer Pädagogik, die Kinder und Jugendliche mit Behinderungen nicht berücksichtigte. Aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung dieser Menschen und der unzureichenden Erziehung bestimmte die Heilpädagogik ihren Standpunkt anfangs zwischen Allgemeiner Pädagogik und Medizin.
Abb. 1: Terminologische Vielfalt
In der Folgezeit wurde die Heilpädagogik immer wieder neu interpretiert und definiert, was sie zu einem Sammelbegriff unterschiedlichster Bedeutungen machte. Diese begriffliche Uneindeutigkeit führte zu Kritik vor allem seitens anderer behindertenpädagogischer Arbeitsbereiche wie der Sinnesgeschädigten- oder Körperbehindertenpädagogik, die der Heilpädagogik unter anderem ihre starke medizinische Anbindung vorwarfen: Die Heilpädagogik sei nicht eindeutig pädagogisch bestimmt und werde aufgrund ihrer starken Orientierung an der Medizin zu einer Heilbehandlung krankhafter Zustände durch pädagogische Mittel.
Kritik fand auch eine andere, die theologische, eher auf die Vermittlung des Seelenheils ausgerichtete, Interpretation der Heilpädagogik, weil sie diese in den Augen der Kritiker zu einer Heils-Pädagogik machte; einer Pädagogik, deren Erziehungsziel das selbstständige Erstreben des Heils im theologischen Sinne war. Trotz der Beanstandungen hat sich der Begriff der Heilpädagogik bis heute gehalten und dies vor allem in Österreich und der Schweiz. Wenn Speck von „System Heilpädagogik“ (2008) spricht, meint er damit das komplexe Zusammenwirken aller Institutionen und Maßnahmen zur Bildung, Erziehung, Förderung und Betreuung von Menschen mit Behinderung.
Sonderpädagogik
Die inhaltliche Ungenauigkeit des Begriffs der Heilpädagogik einerseits und der intensive Ausbau des Sonderschulwesens andererseits führten dazu, dass in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts der Begriff der Sonderpädagogik favorisiert wurde. Er bezieht sich auf die Theorie, Forschung und Praxis der Erziehung von Menschen mit Behinderung. Die Ausweitung und Differenzierung des Sonderschulwesens in den alten Bundesländern verlangte entsprechende Sonder-Pädagogiken wie z. B. die Sehgeschädigten-, Sprachbehinderten-, Körperbehinderten- oder Geistigbehindertenpädagogik. Die ‚Besonderheit‘ oder ‚Andersartigkeit‘ behinderter Menschen trat stärker in den Vordergrund. Die Sonderpädagogik verstand sich als ‚Besonderung‘ der Allgemeinen Pädagogik. Was zur Folge hatte, dass sich das Gesamtgebiet der Sonderpädagogik auseinander entwickelte und zwar in neun verschiedene Sonderpädagogiken oder sonderpädagogische Fachrichtungen, wovon eine die Geistigbehindertenpädagogik ist. Im Begriff der „Sonderpädagogik“ wurde der Teilinhalt des Separierens dominant. „Der Begriff Sonderpädagogik ist zwar unter dem dominanten Einfluss des Sonderschulsystems der in Deutschland am meisten verbreitete Begriff, wird aber aus diesem Grunde, d. h. wegen seiner unleugbaren Gleichsetzung mit institutioneller Besonderung, am stärksten abgelehnt“ (Speck 2008, 55). Heute findet der Terminus der Sonderpädagogik vordringlich in Bezug auf das differenzierte Sonderschulwesen Anwendung und wird zunehmend durch den Begriff der Förderpädagogik bzw. der Sonderpädagogischen Förderung ersetzt.
Förderpädagogik/Sonderpädagogische Förderung
1994 hat die Ständige Konferenz der Kultusminister (KMK) den Sonderpädagogischen Förderbedarf und den Begriff der Förderung zu neuen Schlüsselkategorien der Pädagogik für Menschen mit Behinderung erhoben, obwohl der Begriff der Förderung kein originär pädagogischer Fachbegriff ist. Ihm wird dennoch „eine übergeordnete Bedeutung quer zu den erziehungswissenschaftlichen Grundbegriffen von Erziehung, Bildung und Unterricht zugeschrieben“ (Schuck 2006, 84). In den KMK-Empfehlungen ist der Förderbedarf als personale Kategorie gedacht, die den individuellen pädagogischen Unterstützungs- und Lernbedarf wiedergibt. Doch im alltäglichen Gebrauch hat er sich zu einer institutionellen und verwaltungstechnischen Kategorie entwickelt. Er ist damit uneindeutig.
Behinderte, Behindertenpädagogik
Der Begriff der Behindertenpädagogik bzw. Pädagogik der Behindertenwurde in den 1970er Jahren in den alten Bundesländern eingeführt. Die Bezeichnung ergibt sich zum einen aus dem Oberbegriff „Behinderung“ für alleSchädigungen und Beeinträchtigungen und zum anderen als Ersatz für das missverständliche Wort „Heilpädagogik“ und das formale und segregierende Wort„Sonderpädagogik“. Der Behindertenpädagogik liegt ein pädagogisches Verständnis von Behinderung zugrunde. Als Behinderte im pädagogischen Sinnegelten für Bleidick „Kinder, Jugendliche und Erwachsene, deren Lernen undsoziale Eingliederung erschwert sind. Gegenstand der Behindertenpädagogiksind somit der besondere Bildungsvorgang und der besondere Erziehungsprozess angesichts der durch Behinderung beeinträchtigten Bildsamkeit und Erziehbarkeit“ (1992b, 69).
Aber auch dieser Begriff ist kritisch zu sehen, weil er die Gefahr der Verabsolutierung von Behinderung, der Zuschreibung des Behinderten-Status, enthält und damit zu Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung führt. Heute versucht man stärker das Spezifische ihrer Erziehung im Allgemeinpädagogischen zu entdecken, um so der Besonderung von Menschen mit Behinderung zu begegnen und zur Integration zu gelangen.
Rehabilitationspädagogik
Der Begriff der Rehabilitationspädagogik wurde in der ehemaligen DDR (Becker et al. 1979) in Abhebung von der Heil- und Sonderpädagogik verwendet. Sie versteht sich als Zweig der pädagogischen Wissenschaft, der Theorie und Praxis der sozialistischen Erziehung physisch-psychisch geschädigter Kinder und Erwachsener unter dem Aspekt der Rehabilitation. Unter Rehabilitation verstand man in den sozialistischen Ländern „die zweckgerichtete Tätigkeit eines Kollektivs in medizinischer, pädagogischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht zur Erhaltung, Wiederherstellung und Pflege der Fähigkeit geschädigter Menschen, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“ (Becker et al. 1979, 159). Der Begriff der Rehabilitation findet in den alten Bundesländern seit den 1960er Jahren Anwendung, und zwar vor allem im medizinischen, berufsbildenden, sozialpädagogischen und sozialrechtlichen Bereich. Rehabilitation verbindet heute alle medizinischen, pädagogischen und sozialrechtlichen Maßnahmen, die die soziale Eingliederung oder Wiedereingliederung zum Ziel haben.
BSHG 1961
Ihre erste gesetzliche Grundlegung erfuhr die Rehabilitation 1961 im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) („Eingliederungshilfe für Behinderte“). Heute versteht man unter Rehabilitation „das System und die Gesamtheit der Maßnahmen, die Menschen mit Behinderungen angeboten werden können, um sie beruflich und sozial in die Gemeinschaft einzugliedern. Ziele sind dabei ein Höchstmaß an Lebenstüchtigkeit und Lebensqualität, Teilnahme am Berufs- und Arbeitsleben, Selbstbestimmung und Selbständigkeit im Leben, Wohnen und in der Freizeitgestaltung“ (Stadler 1998, 22).
Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX)
Das ‚Wie‘ der Rehabilitation wird seit 2001 im Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) geregelt, während an die Stelle des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) das Zwölfte Sozialgesetzbuch (SGB XII) trat. Unzureichend bleibt der Begriff der Rehabilitation im Kontext schulischer Erziehung, weil Förderung und Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen eine erstmalige Befähigung, also „Habilitation“ und nicht „Rehabilitation“ ist.
Neben den zuvor genannten findet eine Reihe anderer Begriffe Anwendung. So spricht man beispielsweise in den osteuropäischen Ländern von Spezialpädagogik, Sonderpsychopädagogik oder Defektologie, in den anglo-amerikanischen Ländern von Special Education oder in den Benelux-Staaten von Orthopädagogik; Bezeichnungen, die zwar Ähnliches intendieren, die aber wegen der jeweiligen Landesspezifika nicht als Synonyme zur deutschen Terminologie gelten.
Integrationspädagogik
Gegen diese Oberbegriffe wendet sich die Integrationspädagogik. Ihre Vertreter fordern die Überwindung einer besonderen Pädagogik und fordern für alle Kinder und Jugendlichen einen gemeinsamen Lernort. Eine Integrationspädagogik vertritt eine neue Sichtweise von Erziehung an sich (vgl. Eberwein 1999), die alle unabhängig von Behinderung einschließt. „Die Integrationspädagogik beinhaltet vor allem gesellschaftspolitische Implikationen mit programmatischem Charakter, nämlich die Nichtaussonderung von Behinderten als sozial- und schulpolitisches Ziel“ (Speck 2008, 56f).
Die Begriffsvielfalt ist also groß und verlangt eine Eingrenzung. Obwohl jeder der hier genannten Bezeichnungen eine gewisse Unzulänglichkeit anhaftet, werde ich, vor allem der besseren Lesbarkeit wegen, den Begriff der Heilpädagogik verwenden. In seiner heutigen Interpretation ist er pädagogisch bestimmt, ohne die notwendigen (sonder)schulischen und rehabilitativen Maßnahmen auszuschließen.
„Unter Heilpädagogik wird der Theorie- und Praxisbereich verstanden, der sich auf die Erziehung, Unterrichtung und Therapie von Menschen bezieht, die wegen individueller und sozialer Lern- und Entwicklungshindernisse einer besonderen Unterstützung und Hilfe bedürfen, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können“ (Speck 2006, 92).
Die Heilpädagogik ist eine „spezialisierte Pädagogik, die von einer Bedrohung durch personale und soziale Desintegration ausgeht“ (Speck 2008, 56). Sie stellt dem Menschen mit Behinderung pädagogische Mittel zum Erwerb von Kompetenzen, zur Selbstverwirklichung wie zum Erlangen sozialer und kultureller Teilhabe zur Verfügung.
Ziel der Heilpädagogik
Ziel der Heilpädagogik ist es, den Menschen mit Behinderung als Person in seiner spezifischen Lebenssituation zu erfassen, um ihm vor diesem Hintergrund zu größtmöglicher Selbstverwirklichung in der Gemeinschaft mit anderen zu verhelfen. Die Heilpädagogik befasst sich mit den Belangen von Menschen, die sich in ihren Benachteiligungen, Beeinträchtigungen und Behinderungen stark von einander unterscheiden. Sie umfasst somit eine Disziplin, die sich in unterschiedliche Fachrichtungen gliedert und die sich ihrerseits auf spezifische Behinderungsformen beziehen:
geistige Behinderung
Körperbehinderung
Lernbehinderung
Sprachbehinderung
Hörschädigung (Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit)
Sehschädigung (Sehbehinderung und Blindheit)
Taubblindheit
Autismus-Spektrum-Störungen
Schwerste Behinderung (Mehrfachbehinderung)
Krankheit (Unterricht bei langer Krankheit)
Straffälligkeit (Strafvollzugspädagogik)
Verhaltensstörungen
Jüngstes Teilgebiet der Heilpädagogik ist die so genannte Schwerstbehindertenpädagogik. Sie widmet sich der Erziehung von Menschen, deren Leben durch eine schwere geistige und körperliche Behinderung sowie durch gravierende Wahrnehmungsbeeinträchtigungen geprägt ist. Aufgrund der Häufung von Beeinträchtigungen muss die Schwerstbehindertenpädagogik verschiedene Behinderungsformen gleichzeitig in den Blick nehmen und bewegt sich darum zwischen verschiedenen heilpädagogischen Fachrichtungen. Infolge aktueller sozialpolitischer Veränderungen, die zu einem Abbau sozialstaatlicher Verantwortung führen, entsteht innerhalb der Population der Menschen mit geistiger Behinderung eine Randgruppe, die ‚Menschen mit Komplexer Behinderung‘ (Fornefeld 2008). Die Gruppe der Menschen mit Komplexer Behinderung geht, wie in Kapitel 3.6 noch gezeigt wird, über die der Menschen mit schwerer Behinderung hinaus. Eine Pädagogik für Menschen mit Komplexer Behinderung muss Erkenntnisse aus verschiedenen Fachrichtungen berücksichtigen, darum wird sie in der nachfolgenden Graphik ins Zentrum gerückt.
Die verschiedenen Fachdisziplinen machen die Heilpädagogik zu einem vielschichtigen System von Maßnahmen. Auf der wissenschaftlichen Ebene verbindet die so genannte Allgemeine Heilpädagogik die Fachrichtungen miteinander, die zusammenwirken müssen, um den verschiedenen Beeinträchtigungen von Menschen mit Komplexer Behinderung gerecht zu werden.
Abb. 2: Teilbereiche der Allgemeinen Heilpädagogik
Allgemeine Heilpädagogik als Wissenschaft
Sie erforscht die eigene Geschichte und theoretischen Grundannahmen, ebenso die der Fachrichtungen. Sie setzt sich mit der internationalen Heilpädagogik, der so genannten ‚Vergleichenden Sonderpädagogik‘ auseinander und beteiligt sich an aktuellen ethischen Fragen, wie dem Lebens- und Bildungsrecht von Menschen mit Behinderungen. Ihre praxis- wie theoriebezogenen Aufgaben thematisiert die Allgemeine Heilpädagogik heute stärker im integrativen und interdisziplinären Kontext, wodurch es zu einer deutlichen Annäherung an die Allgemeine Pädagogik und die Bezugswissenschaften (Medizin, Soziologie, Philosophie, Psychologie, Rechtswissenschaften) kommt.
Bleidick, U. (1999): Bausteine einer Theoriebildung der Behindertenpädagogik. In: Bleidick, U.: Behinderung als pädagogische Aufgabe. Behinderungsbegriff und behindertenpädagogische Theorie. Stuttgart, 91–116
Gröschke, D. (1989): Heilpädagogik? – Heilpädagogik! Plädoyer für einen Begriff. In: Gröschke, D.: Praxiskonzepte der Heilpädagogik. München/Basel, 15–32
Haeberlin, U. (1996): Heilpädagogik als parteinehmende Pädagogik. In: Haeberlin, U.: Heilpädagogik als wertgeleitete Wissenschaft. Bern, 13–68
Lindmeier, Ch. (1997): Heilpädagogik als konstitutives Moment jeglicher Pädagogik. Pädagogische Rundschau 51. Jg., 3, 289–306
Speck, O. (2008): Die historische Entwicklung heilpädagogischer Theoriebildung. In: Speck, O.: System Heilpädagogik. Eine ökologisch reflexive Grundlegung. 6. Aufl. München/Basel, 44–60
1.2Geistigbehindertenpädagogik – eine Pädagogik mit vielfältigen Aufgaben
Als eine der heilpädagogischen Fachrichtungen versteht sich die Geistigbehindertenpädagogik vordringlich als Pädagogik.
Pädagogik
Pädagogik meint sowohl das konkrete Zusammensein von Pädagogen mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen als auch das Nachdenken über dieses Zusammensein sowie über die notwendige inhaltliche und methodische Gestaltung eben dieses Zusammenseins. Das heißt, der Begriff der Pädagogik umschließt Praxis und Theorie von Erziehung und Bildung, bezieht sich auf beides und betrachtet beides in Wechselwirkung zueinander. In diesem Grundverständnis unterscheidet sich die Geistigbehindertenpädagogik nicht von der Allgemeinen Pädagogik.
Geistigbehindertenpädagogik
Der Geistigbehindertenpädagogik geht es zum einen um das konkrete Leben von Menschen mit geistiger Behinderung und um das Zusammenleben mit ihnen. Zum andern geht es ihr um das Nachdenken darüber, wie dieses Leben zu gestalten und durch Erziehung und Bildung zu entfalten ist. Indem sie das Leben dieser Menschen erforscht und pädagogische Konzepte entwirft, ist sie auch Erziehungs- und Bildungswissenschaft (Kap. 5).
Worin sie sich allerdings von der Allgemeinen Pädagogik unterscheidet, sind die Kernthemen (Paradigma Kap. 5) und die Breite ihrer Frage- und Aufgabenstellungen sowie die Notwendigkeit, Erkenntnisse aus anderen Wissenschaftsbereichen, vor allem den Neurowissenschaften, der Medizin, Soziologie und Psychologie stärker in ihr pädagogisches Denken zu integrieren. Die Geistigbehindertenpädagogik hinterfragt aktuelle Bildungstheorien, pädagogische Konzepte und Methoden in Bezug auf ihre Relevanz für Menschen mit Behinderungen, zeigt Unzulänglichkeiten auf und entwickelt neue Zugänge, die die individuellen Beeinträchtigungen und Möglichkeiten stärker berücksichtigen. Darum kommen im Erziehungsalltag von Menschen mit geistiger Behinderung, stärker als in anderen pädagogischen Feldern, unterschiedliche pädagogische, aber auch therapeutische Konzepte und Methoden zum Tragen. Bei all diesen Entwürfen bildet immer der Mensch mit seinen spezifischen Bedürfnissen den Ausgangspunkt der Konzeptentwicklung.
Pädagogik vom Menschen aus
Wie einleitend bereits erwähnt, zeichnet sich die Geistigbehindertenpädagogik also dadurch aus, dass sie ihre Erziehungstheorien und -praktiken vom Menschen aus entwickelt, also eine ‚Wissenschaft vom Menschen aus‘ ist.
Die Geistigbehindertenpädagogik vertritt eine Form von Bildung und Erziehung, die dem Lebensalter und den Fähigkeiten der zu Erziehenden angepasst ist und die darum in konzeptioneller wie didaktischer Hinsicht subjektorientiertist. Zudem verbindet sie medizinische und psychotherapeutische sowie sozialrehabilitative Erkenntnisse und Praktiken in ihren Konzeptentwicklungen miteinander. Sie schafft adäquate Lebens-, Erziehungs- und Arbeitsräume für Menschen mit geistiger Behinderung (Kap. 4) und bildet das darin tätige Fachpersonal aus. Im schulischen Bereich kooperiert die Geistigbehindertenpädagogik mit der Integrationspädagogik. Selbstbestimmung und soziale Teilhabe sind ebenso Ziele der pädagogischen und rehabilitativen Maßnahmen für Erwachsene in verschiedenen Lebensbereichen (Arbeit, Wohnen, Erwachsenenbildung, Freizeit).
Die Geistigbehindertenpädagogik muss sich den neuen gesellschaftlich-ökonomischen Veränderungen stellen, weil hierdurch nämlich das gesamte Versorgungssystem für Menschen mit Behinderung unter Druck gerät. Es besteht die Gefahr, dass Menschen mit gravierenden Beeinträchtigungen unter wirtschaftlichen Erwägungen schlechter versorgt oder gar ausgeschlossen werden (vgl. Dederich 2008). Zudem muss die Geistigbehindertenpädagogik die Auswirkungen der modernen Humangenetik, von Hirnforschung und Biotechnologie im Auge behalten und sich zu Wort melden, wenn Würde und Rechte von Menschen mit geistiger Behinderung hierdurch verletzt werden. Da die Lebenserwartung von Menschen mit geistiger Behinderung dank des medizinischen Fortschritts inzwischen derer nicht behinderter Menschen entspricht, entstehen mit der Altersforschung (Gerontologie) und Behindertenpflege neue Forschungs- und Handlungsbereiche (Kap. 3.6).
Das Aufgabenspektrum der Geistigbehindertenpädagogik ist vielfältig und geht weit über das ausschließlich Pädagogische hinaus. Als heilpädagogische Fachrichtung hat sie alle Problem- und Lebensbereiche von Menschen mit geistiger Behinderung – von der Geburt bis zum Tode – zu berücksichtigen:
Humangenetische Beratung / Pränatale Diagnostik
Berufsvorbereitung / Arbeit
Hilfen zur Freizeitgestaltung
Weiter- und Erwachsenenbildung
Wohnen in unterschiedlichen Institutionen
Behindertenpflege / Assistenz im Alter
Schulische Erziehung und Bildung
Psychologische Hilfen
Soziale Hilfen / Hilfen zur Eingliederung
Juristische Hilfen (Behindertenrecht)
Medizinische Therapien und Versorgung
Frühdiagnose und -therapie
Und dies geschieht, weil die geistige Behinderung keine Krankheit ist, die irgendwann geheilt werden kann, sondern weil Geistigbehindert-Sein ein lebenslanger Prozess ist.
Geistigbehindert-Sein als lebenslanger Prozess
Die geistige Behinderung kann durch eine organische Schädigung vor, während oder nach der Geburt verursacht werden und führt in der Regel zu einer lebenslangen Beeinträchtigung. Behinderung kann aber auch durch gravierende Benachteiligung entstehen. Bei der geistigen Behinderung handelt es sich, wie später in Kapitel 3.3 noch genauer gezeigt wird, nicht um ein einheitliches Krankheitsbild. Die Schädigungen wie auch die sich hieraus ergebenden Beeinträchtigungen für das Leben des geschädigten Menschen sind vielfältig und bedürfen in jeder Lebensphase besonderer pädagogischer Zuwendung; diese ist im Säuglings- und Kleinkindalter eine andere als im Schul- und Jugendlichenalter und wiederum eine andere bei jüngeren Erwachsenen oder bei alten Menschen. Die Geistigbehindertenpädagogik thematisiert alle Lebensbereiche und hat damit in allen Lebensräumen von Menschen mit Behinderung ihre spezifischen Aufgaben.
Abb. 3: Institutionen der Erziehung und Bildung von Menschen mit geistiger Behinderung
Die Lebensräume reichen von der Familie über Kliniken, Frühfördereinrichtungen (Spezielle Frühförderzentren, Kinder- und Sonderkindergärten), Sonderschulen und integrative Schulen, Werkstätten für behinderte Menschen, Freizeiteinrichtungen, Rehabilitationszentren, psychiatrische Institutionen bis zu ambulanten, gemeindeintegrierten oder stationären Wohneinrichtungen, Paarwohnen und Leben in Alten- oder Pflegeheimen.
Trotz ihrer zwangsläufig unterschiedlichen Zielsetzung dienen die Institutionen dazu, den Menschen mit geistiger Behinderung bei der Erfüllung ihrer Bedürfnisse nach Spielen, Lernen, Arbeiten, nach Freizeit, Ferien und Urlaub, nach Freunden, Liebe und Sexualität, nach Hilfe, Fürsorge und Schutz oder nach Angenommen- und Akzeptiert-Sein behilflich zu sein.
Geistigbehindertenpädagogik als ‚Pädagogik vom Menschen aus‘ heißt also Akzeptieren des Menschen mit Behinderung als Menschen, Erkennen seiner individuellen Einschränkungen und Möglichkeiten und größtmögliche Entfaltung seiner Fähigkeiten durch adäquate Bildung, Erziehung und Rehabilitation (Kap. 3 und Kapitel 4). Eine zentrale Aufgabe der Geistigbehindertenpädagogik ist es demzufolge, die Wünsche und Bedürfnisse von Menschen mit geistiger Behinderung im Sinne der Assistenz in der Gesellschaft zu vertreten. Dies gestaltet sich aber immer noch schwierig, weil Schädigungen und Beeinträchtigungen den behinderten Menschen als ‚anders‘ erscheinen lassen und die Gesellschaft wiederum auf Anderssein, auf Abweichungen von der Norm mit Abwertung und Diskriminierung reagiert.
Grundgesetz
Und sie tut dies trotz des gesetzlich verankerten Benachteiligungsverbotes. In Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland heißt es ausdrücklich: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Ein Gleichheitsgebot bzw. die Wahrung der Menschenrechte wurde international bereits 1948 durch die Vereinten Nationen in der „Universal Declaration of Human Rights“ festgelegt, die die Gleichheit aller Menschen (Artikel 1 und 2) und das Recht auf Bildung (Artikel 26/1 und 2) betont. „Seit den 50er Jahren haben sich in wirtschaftlich entwickelten Ländern, vorab auch denjenigen Europas, einige Grundauffassungen und Konzepte bezüglich Behinderung und Behindertenförderung entscheidend verändert. Dazu gehören das Recht behinderter Menschen auf Bildung und Chancengleichheit, das Verständnis von Behinderung, die Prinzipien der Kontinuität und der Flexibilität, der Normalisierung und der Integration“ (Bürli 1997, 48).
WHO, UN
Es waren vor allem die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) und die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO) die sich für die Belange behinderter Menschen eingesetzt haben. Auf ihren weltweiten Kongressen und Tagungen vertritt die Internationale Liga von Vereinigungen zugunsten geistig behinderter Menschen (International League of Societies for the Mentally Handicapped, ILSMH) deren Interesse und setzt sich für ihre Rechte ein. Die WHO hat 1980 auf die notwendige Differenzierung von Schädigung (impairment), Beeinträchtigung (disability) und Behinderung (handicap) aufmerksam gemacht, worauf ich in Kapitel 3.2 noch genauer eingehen werde. Zu den Aufgaben der UNESCO gehört neben der Durchsetzung der Menschenrechte auch die Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erziehung, Wissenschaft und Information sowie die Erschließung von Bildung und Kultur für alle Menschen. Seit Mitte der 1980er Jahre wendete sie sich behindertenpädagogischen Belangen zu. Sie hat Ende der 1980er Jahre eine Erhebung zur weltweiten Situation der Sonderpädagogik und eine internationale Umfrage zur behindertenpädagogischen Gesetzgebung in Auftrag gegeben,die 1994 auf ihrem Weltkongress in Salamanca vorgestellt wurde. Wichtige Impulse, vor allem für die schulische Integration, gingen von diesem Kongress aus.
Mit Bürli lassen sich die internationalen Entwicklungen der vergangenen 30 Jahre folgendermaßen zusammenfassen:
„In den 70er Jahren wurde das Behinderungskonzept durch die Umfelddimension erweitert. Durch die Forderung nach Einbezug der Umwelt wurde die Behindertenfrage zu einer politisch-gesellschaftlichen Aufgabe. Dies fand u.a. seinen Niederschlag im Jahr des Behinderten (1981) mit dem anschließenden weltweiten UN-Aktionsprogramm (1983), in der Dekade des Behinderten (1983–1992) und vor kurzem in der UN-Deklaration der Standardregeln über Chancengleichheit behinderter Personen (1993). Erstmals wurde Behindertenpolitik in drei Bereiche, nämlich Prävention, Rehabilitation und Chancengleichheit unterteilt und mit der Menschenrechtsfrage in Verbindung gebracht … Im Anschluss an die verschiedenen Deklarationen und Aktionen zugunsten behinderter Menschen haben zahlreiche Staaten Gesetze und Richtlinien erlassen“ (1997, 48f).
Im Mai 2007 haben die Vereinten Nationen (UN) in New York die „Konvention zum Schutz der Rechte behinderter Menschen“ verabschiedet. Sie setzt sich für eine stärkere Integration von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen ein. Die Unterzeichnerstaaten, zu denen seit Dezember 2008 auch Deutschland gehört, verpflichten sich, die Vorgaben der Konvention in nationales Recht umzusetzen (Kap. 2.6).
1.3Brückenfunktion der Geistigbehindertenpädagogik
Subjekt der Pädagogik ist der zu erziehende Mensch. Subjekt der Geistigbehindertenpädagogik ist der Mensch mit geistiger Behinderung. Seine Funktionsstörungen haben Auswirkungen auf seine Entwicklung, auf sein ganzes Leben. Der Schweregrad der Auswirkungen bzw. Beeinträchtigungen ist bei jedem Menschen anders. Zum einen gibt es unterschiedliche Formen von Funktionsstörungen, zum anderen reagieren der Mensch und sein Umfeld, z.B. seine Familie, individuell verschieden auf die Störungen. Das heißt, der Mensch mit geistiger Behinderung muss immer auch aus dem Kontext seiner sozialen Umgebung heraus betrachtet werden.
Gegenstand von Pädagogik ist also nicht nur der zu erziehende Mensch, sondern ebenso die Gesellschaft mit ihren Erwartungen an ihn. Die Gesellschaft legt Normen und Werte, z. B. Gesundheit, Produktivität, Leistungsfähigkeit, Interaktionsfähigkeit, Teilhabe und Mitgestaltung des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens und vieles mehr fest. Dies sind Werte, die das familiäre wie das außer-der Geistigbehinfamiliäre Zusammenleben in all seinen Bereichen prägen. Die Pädagogik ist mit dertenpädagogikihren Erziehungs- und Bildungszielen daran interessiert, dass diese Normen und Werte vermittelt werden.
Abb. 4: Brückenfunktion der Geistigbehindertenpädagogik
Es ist unbestritten, dass die Gruppe der Menschen mit geistiger Behinderung eine gesellschaftliche Randgruppe ist. Zwischen Menschen mit geistiger Behinderung und nichtbehinderten Menschen besteht eine Kluft, die überwunden werden muss.
Die Hauptaufgabe der Geistigbehindertenpädagogik ist es nun, zwischen dem Individuum, dem behinderten Menschen mit all seinen Schwierigkeiten und Fähigkeiten auf der einen Seite und den gesellschaftlichen Erwartungen und Anforderungen auf der anderen Seite zu vermitteln. Die Geistigbehindertenpädagogik nimmt also eine Brückenfunktion ein. Sie will verbinden, Gräben überwinden, den Anschluss halten, den gegenseitigen Austausch sicherstellen und damit gemeinsame Entwicklungen gewährleisten. Sie strebt die Inklusion an. Die Brücke wird von der interdisziplinären Behindertenhilfe gestützt. Gleichzeitig wird die allgemeine Betreuung und Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung von der Geistigbehindertenpädagogik beeinflusst (siehe Abb. 4).
1.4Interdisziplinarität
Um Antworten auf die Fülle der behindertenrelevanten Fragen geben zu können und Lösungen für individuelle Probleme zu finden, ist die Geistigbehindertenpädagogik auf den Dialog mit anderen Wissenschaften angewiesen.
Abb. 5: Geistigbehindertenpädagogik im Dialog mit anderen Wissenschaften
Medizin
Die Medizin mit ihren verschiedenen Teilgebieten (Pädiatrie, Neurologie, Neurophysiologie, Orthopädie, Psychiatrie u.a. ), Institutionen und Fachkräften gibt Antworten auf behindertenspezifische medizinische Fragen, z.B. Ursachen von Hirnschädigungen und ihre Folgen. Sie ist des Weiteren verantwortlich für die Diagnose von Behinderungen und deren Therapie, die Verordnung von Medikamenten und Hilfsmitteln, von erforderlicher Physio- oder Psychotherapie. Sie erforscht neue Krankheitsbilder, die zu geistiger Behinderung führen, und entwickelt notwendige Behandlungsmethoden.
Psychologie
Die Psychologie erklärt innerpsychische und zwischenmenschliche Prozesse. Sie fragt nach Wahrnehmung, Denken und Handeln des Menschen, nach seinen Emotionen und Stimmungen, und diagnostiziert Störungen in diesen Bereichen. So thematisiert sie den Zusammenhang von geistiger Behinderung und psychischen Erkrankungen, entwickelt Therapien, z.B. zur Behebung von Lern- und Entwicklungsstörungen, oder beschäftigt sich mit der Rolle der Eltern und der professionellen Helfer und vieles andere mehr.
Soziologie
In der Soziologie steht der wechselseitige Zusammenhang von geistiger Behinderung und Gesellschaft im Vordergrund, vor allem die gesellschaftliche Einstellung zu Menschen mit geistiger Behinderung. Behinderungsrelevante Themen der Soziologie sind z. B. Integration, das Problem der Stigmatisierung, der Institutionalisierung, gesellschaftliche Rollen und Veränderungsprozesse u.a. m.
Philosophie
Die Philosophie betrachtet die Bedeutung des Behindert-Seins unter ethischen Aspekten. Sie stellt in diesem Zusammenhang existenzielle Fragen wie etwa nach dem Sinn und Wert des Lebens. Sie erörtert moralische Fragen von Erziehung und beteiligt sich an der anthropologischen Grundlegung der Allgemeinen Pädagogik, der Sonder- und Integrationspädagogik. Zudem liefert die Philosophie erkenntnistheoretische Grundlagen zur Begründung der Geistigbehindertenpädagogik als Wissenschaft.
Rechtswissenschaften
Die Rechtswissenschaften befassen sich mit der gesetzlichen und rechtlichen Situation der Menschen mit geistiger Behinderung, d.h. vor allem mit Gesetzen, Rechten, Pflichten und Regeln zum Schutz und zur Fürsorge für Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft. Dazu gehören auch Fragen der gesetzlichen Betreuung.
Neurowissenschaften
Neurowissenschaftliche Erkenntnisse sind für die Geistigbehindertenpädagogik insofern von Bedeutung, als sie zu klären versuchen, wie sich bei Kindern neue Denk- und Interaktionsstrukturen entwickeln (Zimpel 2008). Neurobiologische Forschungsbefunde werden heute genutzt, um sie auf Lehr- und Lernprozesse im Sinne einer Neurodidaktik zu übertragen (Münch 2008).
Allgemeine Pädagogik
Die Allgemeine Pädagogik ist eng mit der Geistigbehindertenpädagogik verknüpft, weil beide zum Bereich der Erziehungs- und Bildungswissenschaft gehören. Ihre Theorien und Konzeptentwürfe sind nicht nur in der Integrationsdiskussion von Bedeutung. Nach einer Zeit der Abgrenzung voneinander ist seit den 1990er Jahren eine starke Annäherung und eine Rückbesinnung auf gemeinsame Wurzeln zu beobachten. Weil Menschen mit geistiger Behinderung allgemeine Erziehungs- und Bildungsnormen nicht erfüllen können, verwirklicht die Geistigbehindertenpädagogik mit ihren Konzeptentwicklungen eine basale Form von Erziehung. Durch ihr stärkeres Hinterfragen gebräuchlicher oder vertrauter Erziehungsmethoden und durch ihre Elementarisierung von Lehr- und Lernprozessen stellt sie die Pädagogik gleichsam auf ein breiteres Fundament. Das heißt, sie gibt den anderen heilpädagogischen Fachrichtungen und der Allgemeinen Pädagogik wichtige Anregungen für eine individualisierte und differenzierte Erziehung.
Zusammenfassung
Der Dialog der Geistigbehindertenpädagogik mit den Nachbarwissenschaften ist in mehrfacher Weise wirkungsvoll. Zum einen entwickeln sich gemeinsame interdisziplinäre Handlungsfelder wie z. B. in der Frühförderung oder auch im Bereich sozialer Integration von Arbeit und Freizeit; Handlungsfelder, in denen MitarbeiterInnen aus unterschiedlichen Bereichen miteinander arbeiten, z. B. Mediziner, Psychologen, Heilpädagogen, Therapeuten und So zialarbeiter.
Zum anderen bewirkt der interdisziplinäre Dialog auch den notwendigen Wissenstransfer, der heutzutage notwendig ist, um Menschen mit geistiger Behinderung ein Leben lang adäquat zu begleiten. Das heißt, die Geistigbehindertenpädagogik greift bei ihrer Konzept- und Theoriebildung auf Forschungsergebnisse und Erkenntnisse anderer Wissenschaftsbereiche, vornehmlich aus der Medizin, den Neurowissenschaften, der Psychologie, Soziologie und Philosophie zurück und verbindet sie mit pädagogischem Denken. Der interdisziplinäre Dialog mit der Geistigbehindertenpädagogik ist aber auch für die Bezugswissenschaften von Bedeutung, wenn sie Fragen von Behinderung klären wollen.
1.Wie unterscheiden sich die Begriffe Heil-, Sonder-, Förder- Behinderten- und Rehabilitationspädagogik voneinander?
2.Was zählt zu den Aufgaben der Heilpädagogik?
3.Welche Stellung nimmt die Geistigbehindertenpädagogik innerhalb der Heilpädagogik ein?
4.Wie würden Sie die Situation von Menschen mit geistiger Behinderung in unserer Gesellschaft beurteilen? Geben Sie Ihre Antwort auch vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Erfahrungen und Einstellungen zu diesem Thema.
5.Fassen Sie noch einmal zusammen, von wo aus das geistigbehindertenpädagogische Denken seinen Ursprung nimmt, welche Aufgabenfelder das Fach umschließt und mit welchen Wissenschaften es im Dialog steht.