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2 Sprechen und Zuhören

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„also <H> ist groß weil das <<leiser werdend>Substantiv> ist?“

Diesen Beitrag leistet Zainal (elf Jahre alt), eine Schülerin mit DaZ, die (ebenso wie CLAUDIU) erst seit 13 Monaten in Deutschland lebt und die 4. Klasse einer Grundschule besucht, in einem „Rechtschreibgespräch“ (u.a. Leßmann 2014) mit zwei Klassenkameradinnen, die ebenfalls DaZ erwerben, zu dem schwierigen Wort Handtaschendiebstahl. In dieser kurzen Äußerung wird bereits deutlich, wie umfangreich Zainals sprachliche Fähigkeiten nach nur einem Jahr Kontakt zum Deutschen sind. So bietet sie ihren Mitschülerinnen eine Begründung der satzinternen Großschreibung an, obwohl es diese in ihrer L1 Arabisch nicht gibt. Sie hebt ihre Stimme am Ende der Äußerung, um sie als Frage zu deklarieren, und verwendet die für eine Bestätigungsfrage typische Verbzweitstellung im Deutschen mit korrekt flektiertem Verb. Zainal produziert zudem einen Nebensatz mit Verbendstellung. Sie verfügt somit über die gesamte Komplexität des deutschen Satzbaus. Außerdem nutzt sie einen Fachterminus. Die Verwendung des (in-)definiten Artikels, der in beiden Sätzen obligatorisch ist, muss von ihr allerdings noch erworben werden.

Die gegebene Situation stellt jedoch nicht nur sprachliche Anforderungen auf den linguistischen Ebenen Phonologie, Morphologie, Semantik und Syntax – das Kleingruppengespräch unter Klassenkameraden muss auch in pragmatisch-kommunikativer Hinsicht gestaltet werden. Zainal hört zu, lässt ihre Mitschülerinnen ausreden, versucht an deren Redebeiträge anzuknüpfen oder ihnen zu widersprechen. Rechtschreibgespräche sind ein Setting im Unterricht, in dem die Kompetenz, mit anderen zu sprechen, ebenso wie das verstehende Zuhören gefordert ist.

Kinder können, bevor sie geboren werden, hören und beginnen wenige Monate nach der Geburt, sprachlich zu interagieren. Diese ersten Sprechakte finden bei Kindern mit DaZ in einer oder mehreren anderen Erstsprachen statt. Die sprachlichen Kompetenzen, die sie in dieser/n Sprache/n in ihren ersten Lebensjahren aufbauen, sind ebenso wertvoll wie die sprachlichen Fähigkeiten, die Kinder mit DaE erwerben. Für jede Sprache gilt, dass das Kind deren phonologische, semantische, morphologische und syntaktische Bausteine erwirbt sowie pragmatische Kompetenzen entwickelt. Im Unterschied zum Lesen und Schreiben bringen die SuS im Kompetenzbereich Sprechen und Zuhören also langjährige Vorerfahrungen aus Familie, Kindertagesstätte (Kita) und Freizeit mit und sammeln weitere auch in ihrem außerschulischen Alltag (zu anderen und mit anderen sprechen, (zu-)hören, szenisches Spiel). Weniger vertraut sind viele SuS dagegen mit dem Unterbereich über Lernen sprechen. Die Vorerfahrungen im Zusammenhang mit schulisch relevanten Diskurspraktiken wie dem Erklären oder Argumentieren sind ebenfalls sehr unterschiedlich (u.a. Morek 2012; Heller 2012; Isler 2014). Kinder und Jugendliche mit DaZ haben also Vorerfahrungen im Sprechen und Zuhören – sogar in mehreren Sprachen. Unser Bildungssystem trägt jedoch den Erstsprachkompetenzen von SuS mit DaZ bislang kaum Rechnung (u.a. Rösch 2011: 164). So fokussiert der Unterricht insgesamt und auch der Deutschunterricht die Schul- und Bildungssprache Deutsch.

Ziel dieses Kapitels ist, den Lerngegenstand zu skizzieren, die Besonderheiten der Lernausgangslagen von SuS mit DaZ anhand von Fallbeispielen aufzuzeigen und auf sprachdidaktische Konzeptionen für den Kompetenzbereich einzugehen, die für SuS mit DaZ im gemeinsamen Unterricht gewinnbringend sein können. Im Sinne einer Mehrsprachigkeitsdidaktik wird auch erläutert, wie Kinder und Jugendliche ihre Fähigkeiten in der L1 im Deutschunterricht einbringen können.

Deutsch als Zweitsprache

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