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Kapitel 7

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Es gibt Augenblicke, in denen man nicht nur sehen,

sondern auch ein Auge zudrücken muss.

– Benjamin Franklin –

Zur gleichen Zeit stand Kommissar Schneider im Einkaufsmarkt vor den Blumen. Nichts Gescheites mehr da.

»Morgen kriegen wir neue Ware«, meinte eine Verkäuferin, die vorbeilief und ihn hilflos an den fast leeren Eimern stehen sah.

»Das nutzt mir nichts. Ich brauche jetzt welche.«

Die Frau zuckte die Achseln und verschwand.

Was soll ich da nehmen? Chrysanthemen? Da sagt Mathilde gleich: Friedhofsblumen. – Die Sonnenblume? Die lässt schon traurig den Kopf hängen. – Eine Topfblume? Auch blöd. »Hmpf.« Glücklicherweise fand er noch einen Strauß mit zehn, in Zellophan eingepackten, dunkelroten Rosen. »Einsneunundneunzig«, las er. Oh, so günstig! Die nehme ich! Freudig ging er zur Kasse, bezahlte und verließ pfeifend das Gebäude. Ich sollte Mathilde öfter mal einen Strauß mitbringen. Das gefällt ihr bestimmt. Seine Stimmung stieg, als er die Rosen betrachtete. Das unbehagliche Gefühl, dass ihn noch vor ein paar Minuten gequält hatte, löste sich in Luft auf. Ich mach Mathilde eine Freude. Dann ist alles wieder gut. Mit sich zufrieden fuhr er nach Hause, parkte in der Garage und ging durch den Keller nach oben in die Wohnung. »Ich bin da-a!«, rief er gut gelaunt in den Flur, zog die Schuhe aus und rutschte auf Socken, in der Hand den Blumenstrauß, ins Wohnzimmer. Mathilde saß in ihrem Fernsehsessel und schaute eine Ratesendung.

»Pscht«, sagte sie, hielt den Zeigefinger an den Mund, stierte auf den Bildschirm. Sie wollte nicht gestört werden. Schneiders Gesicht verfinsterte sich.

Der Rauch ist noch nicht verflogen. Sie ist immer noch sauer. »Hier, die Rosen sind für dich«, sagte er gut Wetter machend, legte Mathilde die Blumen in den Schoß und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

Mathilde nahm die Blumen, betrachtete sie. Ihr Mund öffnete sich. Sie schaute Christian an. Dann klappte der Mund zu, während sich ihre Augen weiteten.

»Was ist? Freust du dich nicht?«, fragte er irritiert. »Ich hab das am Telefon vorhin nicht so gemeint, Mathilde. Tut mir leid. Aber ich stecke mitten in einem Fall«, versuchte er zu erklären. Ihm kamen Gedanken an früher, als seine strenge Mutter ihn mit vernichtenden Blicken strafte.

Mathilde runzelte die Stirn. Das gelbe Preisschild auf dem Zellophan war ihr regelrecht ins Auge gesprungen: Einsneunundneunzig! Sie schluckte. »Danke. Ich stelle sie morgen bei deiner Mutter aufs Grab. Morgen ist ihr Todestag«, erwiderte sie eisig. Wenigstens fair trade für 2,99 Euro hätte er nehmen können. Bitter enttäuscht wandte sie sich dem Fernsehen zu, versuchte, dem Ratespiel zu folgen. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte ihm die Blumen vor die Füße geschmissen. Was denkt der eigentlich, wer ich bin? Stoffel.

Wie ein begossener Pudel verließ Schneider achselzuckend das Zimmer, zog sich im Flur seine Latschen an und ging in die Küche, um etwas zu essen. Der Tisch war abgeräumt, Wurst und Käse standen eingetuppert im Kühlschrank. Mathilde hatte ihm nicht wie sonst ein leckeres, appetitliches Abendessen hergerichtet. Hilflos setzte sich Schneider an den Tisch, nahm das Tageblatt vom Kühlschrank.

Was hab ich jetzt wieder falsch gemacht? Verstehe Einer die Frauen. Ich jedenfalls nicht. Er blätterte die Seiten der Zeitung durch. Hab ich die nicht heute Nachmittag schon gelesen?, überlegte er und legte sie zurück. Zuerst grübelte er, wie er den häuslichen Frieden wieder herstellen konnte. Doch schon bald schweiften seine Gedanken ab, er biss sich an dem neuen Fall fest, merkte nicht, dass es dunkel wurde. Morgen müssen wir die anderen Pfarrämter unterrichten, dass sie die Kirchen verschlossen halten. Das hätte ich schon längst veranlassen müssen. Aber irgendwie war heute nicht mein Tag. Morgen muss ich besser sein, schwor er sich. Er schlief ein, wachte erst in der Nacht gegen drei Uhr wieder auf. Sämtliche Glieder schmerzten von der unbequemen Haltung auf dem hölzernen Stuhl. Er schlich ins Schlafzimmer, das durch den Vollmond diffus erleuchtet war. Seine Hose ließ er vor dem Bett auf den Boden fallen, ebenso das Hemd. Stöhnend kroch er unter die Decke. Mathilde grunzte im Schlaf. Wunderbares Liebesgesäusel, dachte er sarkastisch, schaute zu ihr rüber. Fahles Mondlicht fiel auf ihren Kopf. Schneider beobachtete sie, vertiefte sich in ihr hübsches Gesicht, ihre braunen, krausen Haare, die genauso störrisch sein konnten wie sie selbst. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus.

»Verstehe wer will, aber ich liebe dich, Mathilde, auch wenn wir uns manchmal zoffen«, flüsterte er.

Mathilde schlug die Augen auf. Sie füllten sich mit Tränen. »Ach Christian.« Sie schniefte. »Wollen wir wieder gut sein? Seit die Kinder aus dem Haus sind, haben wir doch nur noch uns. Lass uns die Tage nicht mit Streiten verderben.«

Schneider fiel ein Stein vom Herzen. Er drückte seine Frau an sich, küsste sie immer und immer wieder.

»Du hast ja so recht, Mathilde.«

Erst als im Osten die Sonnenstrahlen den neuen Tag zum Leben erweckten, schliefen sie, fest aneinander gekuschelt, ein. Knapp eine Stunde später klingelte der Wecker. Schneider war sofort hellwach. Vorsichtig zog er seinen Arm unter Mathildes Kopf heraus, schlich aus dem Schlafzimmer.

Zur Feier des Tages mach ich heute Frühstück, beschloss er. Mathilde hat recht. Die Zeit, die uns bleibt, machen wir uns schön.

Er stellte die Kaffeemaschine an, deckte den Tisch. Als die Weißbrotscheiben aus dem Toaster hüpften, lugte Mathilde mit ihrem Wuschelkopf zur Tür herein.

»Wolltest du nicht von mir noch was wissen?«, fragte sie verschlafen.

»Ja, mein Schatz. Zieh dir den Bademantel über, und wenn wir frühstücken, kannst du mir erzählen, wie das gestern mit Elsa vor der Kirche war. Einverstanden?« Schneider gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze.

»Manchmal ist so ein kleiner Streit gar nicht so schlecht«, fand Mathilde und gähnte.

Er grinste. »Die Nacht mit dir war wunderschön«, flüsterte er ihr ins Ohr.

Mathilde wurde rot. Auch nach fünfundzwanzig Jahren Ehe passierte ihr das noch. Schneider fand es einfach süß und hätte am liebsten den ganzen Tag mit seiner Frau im Bett verbracht. Aber heute war ›Sch-la-do‹ – ›Scheiß-langer-Donnerstag‹ – und es kribbelte ihn, den Raub aus den Kirchen aufzuklären.

Mordsmäßig heilig

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