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Aberglaube und Irrsinn

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Nach dem österreichischen Wortschatz, der um 1900 zusammengestellt wurde, ist ein Herzenfresser ein Mensch, der Menschenherzen in abergläubischem Wahne isst, schreibt die Germanistin Christa Tuczay. Vor allem in Verbrecherkreisen glaubte man, dass jemand, der einem frisch getöteten Menschen sein noch zuckendes Herz entreißt und Teile davon verspeist, stets Glück im Spiel haben, von Frauen umschwärmt sein, auf der Folter keine Schmerzen spüren und sich vor allem unsichtbar machen können wird. Die Herzen von Jungfrauen würden sich zum Verzehr besonders eignen, wobei eines keineswegs genügen würde. Je nach okkultistischem Hintergrundwissen variierte die notwendige Anzahl zwischen drei und neun. Der finstere Auswuchs des Volksglaubens war auch in der Steiermark lange Zeit weit verbreitet und hat sich derart in das Hirn eines gewissen Paul Reininger eingeprägt, dass dieser regelrecht besessen war von dem Wahn, sieben noch warme Mädchenherzen verschlingen zu müssen, um glücklich im Spielen und Kegelscheiben zu seyn und unsichtbar sein zu können.


Auf dem Weg zum Herzlfressermarterl: Schloss Oberkindberg

Geschafft hat er es nicht ganz. Reininger, der sich in der steirischen Rechtsgeschichte als „Herzlfresser“ einen Namen gemacht hat, konnte nach dem sechsten Mord endlich das Handwerk gelegt werden.

Herangewachsen ist der Serienmörder in der Turnauer Gegend, am Fuße des Hochschwabs. Bereits im Alter von drei Jahren verlor er seinen Vater, einen Mürztaler Hirten, und wurde von der Mutter weggegeben. Er kam zu seinem Taufpaten, doch die Erziehung des Buben oblag den Dienstboten. Früh musste er schon für sich selbst sorgen. Seinen ersten Lebensunterhalt verdiente er als Hirte, mit 13 Jahren kam er in den Dienst eines anderen Bauern. Dann wechselte er laufend seine Arbeitsplätze, weil er es nirgends lange aushielt. Es mangelte ihm ständig an Geld, und er neigte besonders zur Trunksucht. Sein Alkoholismus war es auch, der die letzten Schranken der Moral durchbrach und die Bestie in ihm zu Tage förderte. So wie es auch am 15. Jänner 1786 geschehen ist. Als er nach Kindberg gieng, um dort seine Andacht zu verrichten, vorher aber mit einem Gespann im Wirtshause zwey halbe Wein getrunken, kehrte er nach vollendetem Gottesdienst wieder in das Wirtshaus zurück, wo er mit einem anderen Knechte vier halbe Wein verzehrte, dabey gespielet, und er ungefehr einen Taler verloren. Anschließend torkelte Reininger heimwärts, legte sich, rauschig wie er war, auf eine Wiese und gönnte sich ein Schläfchen. Bei Anbruch der Dämmerung kam ein Mädchen des Weges und weckte den Schlafenden. Es war eine Dienstmagd, die sich erbötig machte, ihn nach Hause zu begleiten, damit er nicht in der Kälte schlafen müsse.

Magdalena Angerer, so ihr Name, war zuvor in der Kindberger Kirche beim Gottesdienst gewesen. Nach der Messe war sie mit ihrem Bräutigam im Wirtshaus eingekehrt, dann hatte sie noch schnell eine Schachtel mit ihrem Brautkranz abgeholt und sich auf den Heimweg zur Möstlmühle gemacht. Das war das letzte Mal, dass die junge Frau gesehen wurde. Ihr Verschwinden konnte sich so kurz vor der Hochzeit niemand erklären.

Dunkle Geschichten aus dem Alten Österreich

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