Читать книгу Das erste Buch Opa - Bastian Litsek - Страница 8
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Das Wunder der Haushaltsarbeit
und deren Belohnungen
Es ist Abend, nichts Vernünftiges flimmert im Fernsehen umeinander, wir sind satt und schwer damit beschäftigt, einen Nachbarn im anderen Haus zu beobachten. Die Wohnung gegenüber hat große Fenster. Man hält dort nichts von Vorhängen, was uns schon den ein oder anderen Einblick ermöglicht hat.
Frank ist auch bei uns. Einer unserer Nachbarn und Pokerkumpel von Opa.
„Was macht er jetzt?“, fragt Opa.
Ich habe das Fernglas und beobachte unseren Nachbarn, Ulf Krucke.
„Er hat einen Lappen in der Hand und fährt damit über die Fenster.“
„Mit welcher Seite des Lappens fährt er über das Fensterglas?“, fragt Opa.
„Keine Ahnung“, sage ich und starre weiter durch das Fernglas. „Beide Seiten des Lappens haben dieselbe Farbe.“
„Wie?“, fragt Opa erstaunt.
„Woher weiß er dann, dass er nicht die dreckige Seite anfasst?“, fragt Frank.
„Keine Ahnung, Männer“, gebe ich zurück.
Ich reiche Frank das Fernglas und fummle mein Smartphone aus der Hosentasche. Ich muss ein Foto machen. Nur so können wir effiziente Beweise sammeln.
„Er legt den Lappen weg!“, ruft Frank und zeigt auf den fensterputzenden Ulf.
„Verdammt“, nuschle ich und lege das Smartphone weg. Es geht alles viel zu schnell.
„Gib mir auch mal“, fordert Opa das Fernglas ein. Frank will es aber nicht hergeben und zuckt zur Seite, als Opa es ihm abnehmen will.
„Er geht zu einem langen Brett, das mit einer Art Stoff bezogen ist“, beschreibt Frank. „Er nimmt ein spitz zulaufendes Gerät mit einem Kabel und steckt es in die Steckdose.“
„Ah, er braucht Strom“, sage ich.
Opa nickt anerkennend. So weit, so gut.
„Er hat das Gerät in eine Art Halterung gespannt und nimmt ein Hemd.“
„Ein normales Hemd?“, fragt Opa.
„Scheint mir so“, gibt Frank zurück. Er nimmt das Fernglas von den Augen und reibt in seinem rechten Augapfel, bevor er wieder hindurch schaut. „Er füllt Wasser in das Gerät.“
„ER BÜGELT!“, schreie ich. „HA! Das hab ich schon mal im Fernsehen gesehen.“
„Bügeln …“, wiederholt Opa nachdenklich. „Das hat deine Großmutter auch immer getan. Hab nie groß nachgefragt, wozu das gut sein soll. Man soll eine Frau auf dem Weg zu ihrem Glück nicht mit allzu vielen Fragen belästigen.“
„Damit bekommt man die Falten aus der Wäsche“, sagt Frank leise.
„Falten?“, frage ich.
„In der Wäsche?“, fragt Opa.
Wir schauen uns an, können es nicht fassen und schauen wieder rüber ins andere Haus.
„Er hat den Fernseher eingeschaltet“, bemerkt Frank.
„Na wenigstens etwas“, merkt Opa an.
„Ich finde es schön, dass er den Haushalt schmeißt, bis seine Saskia wieder zu Hause ist“, sagt Frank.
„Schon“, bestätigt Opa, „aber die Frage ist: warum? Was hat er verbrochen, dass er an einem Tag die Fenster putzt, bügelt und wie hast du es vorher noch genannt, Flori?“
„Den Kühlschrank abtauen und reinigen.“
„Ja, genau das. Wie viele Jahrestage hat der Kerl vergessen, damit er derart viel gutzumachen hat?“
„Och, ich finde das gar nicht so ungewöhnlich“, sagt Frank und senkt das Fernglas. „Ich mache meiner Frau auch ab und an Abendessen. Sie findet es toll, wenn ich koche.“
Saskias Auto fährt vor dem Haus vor, sie parkt und steigt aus. Sie trägt einen Blazer, ihre Haare sind leicht zerzaust. In ihrer Hand zwei Tüten.
„Was da wohl drin ist?“, fragt Frank.
Ich erkenne den Aufdruck an der Seite. „Das ist Essen. Da ist das Shanghai-Symbol auf der Seite aufgedruckt. Wahrscheinliche das Abendessen.“
„Meinst du, sie kann nicht kochen?“, fragt Opa.
„Bestimmt. Aber sie war den ganzen Tag arbeiten“, merke ich an.
„Und jetzt hat sie noch das Essen mitgebracht“, merkt Frank an.
„Und Ulf der Knulf hat den ganzen Tag geputzt und aufgeräumt“, sagt Opa und schüttelt fassungslos den Kopf.
„Moderne Zeiten“, sage ich und schaue die zwei ergrauten Kerle neben mir an.
„Was wurde nur aus den Jägern und Sammlern?“, protestiert Opa. „Den echten Männern, die mittags, wenn sie frei hatten, schon Bier getrunken haben, sich nichts haben sagen lassen, egal wie falsch sie lagen, und ihren Willen durchgesetzt haben. Komme, was wolle.“
„Dodo“, sage ich kommentarlos.
„Was?“, äfft Frank wie ein Vorschulkind.
Opa gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. „Es heißt wie bitte.“
„Dodo“, wiederhole ich. „Die Jäger und Sammler sind den Weg des Dodo gegangen.“
„Ah“, macht Frank.
„Du willst das jetzt verstanden haben?“, sagt Opa.
„Er meint, die Primaten sterben mit der Zeit aus.“
„Richtig, Männer. Und wenn wir uns nicht anpassen, sind wir bald so aus dem Trend wie die Prilblume und die Schlaghose. Dann nimmt uns keine mehr.“
„Ob es das wert ist?“, fragt Opa. „Putzen? Kochen? Aufräumen? Wofür das alles?“
Wir schauen in die Runde. Drei alleinstehende Männer, zwei davon wohnen zusammen und zum Abendessen gab es Spaghetti aus der Dose. Ein Horror, den ich nie wieder durchleben möchte. Schnell findet jeder von uns Umherschauenden mindestens zwei Gründe, die Gewohnheiten zu ändern.
„Vielleicht würde Ulf uns einen Crashkurs geben?“, sage ich.
„Ich weiß nicht“, sagt Opa und schaut durch das Fernglas. „Ich fasse es ja nicht …“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Sie hat ihn gerade geküsst. Sie hat gerade die Fenster begutachtet und die gebügelte Wäsche gesehen.“
„Und jetzt?“
Ich sehe, wie Opas Augen sich unter dem Fernglas weiten. „Sagen wir es mal so. Ulfs harte Arbeit wird belohnt.“
„Sind sie am Essen?“, fragt Frank.
„Hat er ein Lob bekommen?“, frage ich.
„Nein Männer, viel besser.“
„Ich will mal sehen“, sage ich und grapsche nach dem Fernglas.
Opa reicht es mir. „Es gibt nichts mehr zu sehen.“
„Wieso das?“, fragt Frank.
„Im Schlafzimmer haben die beiden doch tatsächlich Vorhänge aufgehängt.“
Wir glotzen uns wieder dämlich an.
„Warme Mahlzeiten frei Haus“, murmele ich kaum hörbar.
„SEX“, kreischen die beiden alten Männer.
Keine halbe Stunde später stehen wir im Drogeriemarkt und schauen, was es an schicken Putzutensilien zu kaufen gibt. Vileda und Frosch, Mikrofasertücher und Allzweckreiniger. Wir fahren sogar noch zum Baumarkt und jeder besorgt sich ein Bügelbrett mit passendem Glätteisen.
Selten waren wir drei alle so voller Hoffnung.